LR Protokoll 12. November 1998 (Teil 5)

Protokoll der Landratssitzung vom 12. November 1998



Zur Traktandenliste dieser Sitzung

Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)





11 98/98
Postulat von Peter Brunner vom 14. Mai 1998: Verbot von Altersangaben in Stelleninseraten für Baselbieter Arbeitsplätze

Regierungsrat Eduard Belser: Es sind entscheidend auch rechtliche Gründe, weshalb die Regierung das Verbot von Altersangaben in Stelleninseraten für Baselbieter Arbeitsplätze ablehnt. Das Stelleninserat ist juristisch als Aufforderung zur Aufnahme von Arbeitsvertragsverhandlungen zu qualifizieren. Das Selektionsverfahren für eine Arbeitsstelle betrifft das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgebenden und zumindest potentiellen Arbeitnehmenden und ist damit Teil eines privaten und öffentlichen Arbeitsrechts, welches bezüglich Legiferierung in der alleinigen Hoheit des Bundes steht. Der Landrat hat damit keine Kompetenz, ein gesetzliches Verbot von Altersangaben in Stelleninseraten für Arbeitsplätze im Baselbiet einzuführen.

Ein Verbot würde zudem die Anreizstruktur und damit das Marktverhalten der Akteure beeinflussen; bei den Unternehmen würde ein Verzicht auf die Altersangabe zu einer Erhöhung des Suchaufwandes führen, für die Arbeitsuchenden hätte es dennoch keinen Einfluss auf die Einstellungswahrscheinlichkeit, weil die Unternehmen weiterhin diejenigen Arbeitskräfte einstellen würden, welche die von ihnen gewünschten Qualifikationen und Altersmerkmale aufwiesen. Ein Verbot von Altersangaben als Instrument der Chancengleichheit erscheine deshalb mehr als fraglich.

Es sei auch untauglich, dies auf kantonaler Ebene regeln zu wollen. Man müsse sich allenfalls überlegen, ob andere Gesetzgebungen modifiziert werden müssten (Bsp. Sparbeiträge BVG/2. Säule), und man werde sich wohl auch daran gewöhnen müssen, dass die Löhne nicht wie in der Vergangenheit bis zur Pensionierung stetig stiegen, sondern künftig irgendwo einen Knick machen und sinken könnten, wodurch die Chancen für ältere Stellensuchende wieder verbessert würden.

Wenn man die Arbeitslosenstatistik betrachte, sei das Problem nicht so gross wie es jetzt erscheine. Die Regierung könne nur an die Arbeitgeber appellieren, das Alter nicht zum wichtigsten Kriterium zu erheben, sondern vorab die Qualifikationen zu berücksichtigen. RR E. Belser lehnt den Vorstoss auf kantonaler Ebene ab.

Peter Brunner ist grundsätzlich zufrieden mit den Aussagen von RR E. Belser. Ihm sei klar, dass der Vorstoss höchstens in einem Bereich wie dem Amtsblatt etc. durchführbar wäre, wo der Staat einen gewissen Einfluss habe. Er finde es trotzdem wichtig, die Frage zu thematisieren und auch gewisse Signale zu geben; auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten gleichwertige Arbeit leisten. Wohl sei es nach Statistik richtig, dass der prozentuale Anteil älterer Arbeitsloser nicht überdurchschnittlich sei, doch verblieben diese Personen andererseits länger in dieser Gruppe.

://: P. Brunner zieht sein Postulat zurück.

Für das Protokoll:
Marie-Therese Borer, Protokollsekretärin




12 98/167
Motion von Theo Weller vom 17. September 1998: Aufwertung der Gemeindekommissionen

Regierungsrat Eduard Belser bekundet ein gewisses Verständnis für den Motionär, dass er aus der Situation in seiner Gemeinde heraus nicht ganz so glücklich sei über die heutige Situation. Dennoch sieht RR E. Belser keinen dringenden Handlungsbedarf und denkt, dass die ursprüngliche Idee der Institution Gemeindekommission nicht mehr so recht verstanden werde:

Geregelt wurde einerseits die ordentliche Organisation mit einer Gemeindeversammlung . Man befand damals, dass es gut wäre, wenn gewisse Leute - im konsultativen Sinne - die Geschäfte der Gemeindeversammlung, welche eine zunehmende Komplexität aufweisen, vorberaten und so als besser Informierte eine Meinung in die Gemeindeversammlung einbringen könnten. Weitere Kompetenzen im Zusammenhang mit gewissen Wahlen können in den Gemeindeordnungen mehr oder weniger ausgeschöpft werden. Beabsichtigt war mit der Gemeindekommission klar nicht ein Entscheidungs-, sondern ein rein beratendes Gremium für die Gemeindeversammlung.

Andererseits wurde für die grösseren Gemeinden eine ausserordentliche Organisation vorgesehen mit einem Einwohnerrat . In der letzten Revision des Gemeindegesetzes, welche noch keine zwei Jahre zurückliegt, wurde dies sogar erweitert, indem jetzt jede Gemeinde, unabhängig von ihrer Grösse, einen Einwohnerrat einführen kann. Es besteht also in allen Gemeinden die Möglichkeit, zu dieser Organisationsform überzugehen und einen Einwohnerrat einzuführen, welcher als repräsentatives Sprachrohr des Souveräns volle Kompetenzen gegenüber dem Gemeinderat hat.

RR E. Belser hält es nicht für sinnvoll, zwischen der Beratung und dem repräsentativen Gremium eine zusätzliche Möglichkeit zu schaffen. Gewisse Probleme in einzelnen Gemeinden könnten nicht dadurch gelöst werden, dass man noch eine kleine Tranche Kompetenzen zur Gemeindekommission schneide.

Die Regierung lehnt den Vorstoss ab.

Theo Weller: "Die Dorfkönige sollen Macht abgeben" lautet der Titel eines Artikels in der BaZ zur Motion. Nun werden alle Gemeinderäte aufstehen und bekräftigen, dass mit der Motion nichts los sei und das in Grund und Boden reden; wer das wolle, soll zum Einwohnerrat wechseln. Es gebe aber Gemeinden, welche die "direkte Demokratie" Gemeindeversammlung beibehalten und die Gemeindekommissionen aufwerten möchten. Genau dies sei das Problem: die Gemeindekommission hätte keine Kompetenzen und kein Antragsrecht gegenüber dem Gemeinderat. Die Gemeindekommission habe gemäss Gemeindegesetz Art. 88 nur drei Aufgaben: die Vorberatung der Geschäfte und Antragsstellung an die Gemeindeversammlung; dann könne ihr in der Gemeindeordnung das Recht übertragen werden, die Behördenmitglieder zu wählen oder mit erweiterter Finanzkompetenz des Gemeinderates bewilligte Kredite abzusegnen, welche sonst vor die Gemeindeversammlung gebracht werden müssten. Das sei eindeutig zuwenig, um als bedeutende Kommission von der Gemeinde gehört zu werden. Der Umweg über die Mehrheit in einer Gemeindeversammlung sei mühsam und erzeuge Frustrationen.

Eine konstruktive Mitarbeit sei an einer Gemeindeversammlung nicht möglich. Es gebe in einer Gemeinde auch Sachgeschäfte, die nur im kleineren Rahmen vernünftig diskutiert und partnerschaftlich gelöst werden könnten. Es werde immer schwieriger, Leute für eine Gemeindekommission zu finden, weil sie dort gar nicht mitentscheiden könnten. Eine Gemeindekommission könnte keine strategischen Entscheide fällen, aber sie sollte mit Mehrheitsbeschluss ebenfalls eine Erheblichkeitserklärung überweisen können. Der Gesetzgeber habe hier Lücken hinterlassen, die geschlossen werden müssten.

Der Gemeinderat müsse zugunsten der Gemeindekommission etwas an Macht abgeben; die Gemeindekommissionen sollten aufgewertet und zu einem echten Gegenüber des Gemeinderates werden, welches auch Erheblichkeitserklärungen überweisen kann.

Th. Weller bittet um Zustimmung zur Motion.

Hansruedi Bieri: Die FDP lehnt diese Motion klar ab. Die bisherige Rollenverteilung hat sich bewährt. Die ursprüngliche Aufgabe, die der Gemeindekommission beigemessen wurde, war richtig. Wenn die Gemeindekommission an einer Gemeindeversammlung mit Detailkenntnissen und einem Informationsvorsprung Einfluss nehmen könne, sei das nicht unbedeutend; die Gemeindekommission könne durchaus Aenderungen bewirken, wenn sie die Dinge anders sehe als ein Gemeinderat.

Wenn man die Sache aus der Sicht des Bürgers betrachte, sei es im allgemeinen immer noch so, dass das Volk von einem Rat erwartet, dass er führt, auf allen Ebenen. Aufgabe der Behörde sei es, saubere Entscheidungsgrundlagen vorzulegen, damit der Rat (die Gemeindeversammlung) einen Entscheid fällen kann. Die Forderung, den Gemeindekommissionen mehr Kompetenzen zu übertragen, werde das der Motion zugrundeliegende Problem nicht lösen.

Es gebe noch mehr grössere Gemeinden im Kanton, die keine Glanzlichter setzten in Sachen Führungskompetenz - solche mit und ohne Gemeindekommissionen, teilweise auch mit einem Einwohnerrat. Das Problem liege nicht im Instrument und lasse sich nicht lösen, indem man dem Gemeinderat Kompetenzen wegnehme und der Kommission übertrage, mit der Folge, dass nachher die Gemeindeversammlung Schiedsrichter spielen müsse, ob sie eher dem Gemeinderat oder der Gemeindekommission vertraue...

Wenn man im personellen Bereich oder im Klima zwischen den Leuten oder den Behörden etwas verändern würde, wäre oft mehr zu erreichen. Mehr Information und ein verstärkter Einbezug der Kommissionen seien der bessere Lösungsansatz als eine Gesetzesänderung.

Matthias Zoller: Tatsächlich sind die Gemeindekommissionen nicht besonders grosszügig mit Kompetenzen ausgestattet, dies ist auch richtig so; die andere Wahlmöglichkeit ist ein Einwohnerrat, über den das Volk entscheidet. Nachdem das Obligatorium für Gemeinden mit über 5'000 Einwohnern gefallen ist - eine Gemeindekommission also nicht mehr zwangsweise eingeführt werden muss - kann jede Gemeinde selbst entscheiden, ob sie eine Gemeindekommission mit wenig Kompetenzen oder einen Einwohnerrat mit entsprechenden Kompetenzen möchte oder gar keins von beidem. Ein neues "Zwischending" ist nicht sinnvoll. Ausserdem ist das Bestellen einer Geschäftsprüfungskommission und einer Rechnungsprüfungskommission ohnehin im Gesetz vorgeschrieben, eine Kontrolle ist also gegeben, auch dort, wo keine Gemeindekommission existiert.

Die CVP-Fraktion hält es nicht für notwendig, die Gemeindekommissionen aufzuwerten. Wer will, kann einen Einwohnerrat einführen, wenn das Volk dies auch will.

Eric Nussbaumer: Innerhalb der SP-Fraktion sind die Meinungen unterschiedlich. Es gab Voten für eine Auflösung dieses Paragraphen ebenso wie solche, die nur festhalten wollten, dass die Gemeinden die Ordnung der Gemeindekommission selbst festlegen sollen. In den Grundzügen ziele die Motion in eine Richtung, welche eine Mehrheit unterstützen könnte, z.B. dass durch die Gemeindekommission Erheblichkeitserklärungen erfolgen oder Aufträge erteilt werden könnten. Andererseits bestehe die Gefahr, dass man zu nahe an den Einwohnerrat komme.

Würde die Motion als Postulat formuliert, könnte dieses die Unterstützung einer Mehrheit der SP finden.

Bruno Steiger sieht die Frustration des Motionärs, weist jedoch darauf hin, dass es dessen Gemeinde kürzlich in der Hand gehabt hätte, von der ordentlichen Gemeindeorganisation zur ausserordentlichen mit einem Einwohnerrat zu wechseln. Auch wenn derzeit "Dorfkönige" regieren sollten, habe das das Volk offenbar anders gesehen, sonst wäre ein Einwohnerrat gewählt worden. B. Steiger ersucht den Motionär, den Volkswillen zu respektieren und seinen Vorstoss zurückzuziehen.

Die SD lehnen die Motion ab.

Auch Rosy Frutiger ist Mitglied einer Gemeindekommission und mehrheitlich frustriert. Die Aufgaben der Gemeindekommission seien "Garnitur", sie unterstütze den Vorstoss von Theo Weller. Wenn der Gemeinderat eine starke Gemeindekommission wolle, funktioniere das bestens, wenn er aber eine starke Gemeindekommission fürchte, seien unfähige Leute in dieser Gemeindekommission, welche kein Interesse hätten, mitzuarbeiten; solche Sitzungen zu einer ganzen Gemeindeversammlung dauerten dann bestenfalls eine Stunde... Die Unterlagen würden viel zu kurzfristig unterbreitet, so dass man sich nicht einmal richtig darauf vorbereiten könne. R. Frutiger ist in diesem Sinne absolut einverstanden, dass etwas gehen müsse, damit die Gemeindekommission ihre Verantwortung wahrnehmen könne und wolle.

Regierungsrat Eduard Belser weist den Motionär darauf hin, dass er in seiner Begründung sehr nahe an Einwohnerratskompetenzen gerutscht sei. Man könne nicht einfach auf diesem Weg einen "Schmalspureinwohnerrat" einführen. Die Parlamentskommissionen basierten auf der Kompetenz des Parlaments, das lasse sich nicht einfach so auf Gemeindeebene übertragen. RR E. Belser erinnert auch daran, dass die Möglichkeit, einen Einwohnerrat einzusetzen, nicht von einem Gemeindeversammlungsbeschluss abhängt, sondern dass die Initiative aus der Bevölkerung ergriffen werden kann und weder Gemeinderat noch Gemeindeversammlung dies unterbinden können. Dazu besteht das Initiativrecht! Das Ergebnis hänge von einer Volksabstimmung ab.

Hansruedi Bieri sieht den Vorteil einer Erheblichkeitserklärung nicht, weil jedes einzelne Mitglied an einer Gemeindeversammlung einen Antrag stellen könne.

Theo Weller erklärt sich bereit, die Motion in ein Postulat umzuwandeln; sein Frust sei einfach da, den könne er nicht unter den Tisch wischen.

Franz Bloch hat die Erfahrung gemacht, dass gerade sogenannt schwache Kommissionen an Gemeindeversammlungen mehr Schwierigkeiten hätten als stärkere. In seiner kleinen Gemeinde pflege man die Gemeindekommission bei wichtigen Geschäften in die Vorbereitungen einzubeziehen. Der Frust rühre oft daher, dass man in diesem Gremium an seine Grenzen stosse und realisiere, was man kann und was nicht. F. Bloch appelliert an alle Parteien, ihren Kandidatinnen und Kandidaten bei der Nomination in dieses "Eunuchengremium" klar zu sagen, dass sie nicht in der Geschäftsleitung, sondern in der Produktion Einsitz nehmen würden...

://: Die in ein Postulat umgewandelte Motion wird mit 33 : 24 Stimmen abgelehnt.

Für das Protokoll:
Marie-Therese Borer, Protokollsekretärin


Fortsetzung des Protokolls vom 12. November 1998


Back to Top