LR Protokoll 28. Oktober 1999 (Teil 1)

Protokoll der Landratssitzung vom 28. Oktober 1999



Zur Traktandenliste dieser Sitzung

Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)





Nr. 127

Begrüssung, Mitteilungen

Landratspräsident Walter Jermann begrüsst die Landrat- und Regierungsratsmitglieder, die PressevertreterInnen sowie die BesucherInnen auf der Tribüne.

Im voraus danke er allen Personen, die sich für die Wahl in die eidgenössischen Parlamente zur Verfügung gestellt hätten, insbesondere Claude Janiak, der in den Nationalrat gewählt worden sei. Alle anderen, die es nicht geschafft hätten, dürften hoffen, dass ihnen dies im nächsten Anlauf in vier Jahren gelingen werde.

Landratspräsident Walter Jermann gibt Kenntnis von folgendem, mit dem 25. Oktober 1999 datierten Rücktrittsschreiben:

"Rücktritt aus dem Landrat

Sehr geehrter Herr Landratspräsident, lieber Walter

Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt aus dem Landrat per 31. Oktober 1999. Ich freue mich auf mein neues Tätigkeitsfeld in Bern und werde dort, wo auch immer, gerne die Interessen unseres Kantons vertreten.

Ich werde dem Landrat bei meinem Ausscheiden insgesamt ziemlich genau 12 Jahre angehört haben. Ich habe in diesen Jahren bei vielen gesetzgeberischen Arbeiten mitwirken dürfen und einige meiner politischen Zielsetzungen verwirklichen können. Ich darf deshalb auf ein erfolgreiches Wirken in einem Parlament zurückblicken, das mir ans Herz gewachsen ist.

Meine Fraktion und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben mir. mit der Wahl zum Landratspräsidenten 1998/99 zu einem Höhepunkt in meiner politischen Tätigkeit verholfen. Ich blicke auf dieses Präsidialjahr mit grosser Genugtuung und Dankbarkeit zurück.

Ich wünsche dem Landrat und meinem Nachfolger Marc Joset alles Gute. Ich hoffe, dass die in letzter Zeit zu beobachtende Blockbildung aufgelöst wird zugunsten einer problem- und zukunftsorientierten Politik.

Mit freundlichen Grüssen

sig. Claude Janiak, Landrat"


Der Rat werde Claude Janiak am Ende der Vormittagssitzung offiziell verabschieden.

Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei





Nr. 128

Zur Traktandenliste

Landratspräsident Walter Jermann zitiert aus einem Schreiben von Landrat Urs Wüthrich-Pelloli vom 28. Oktober 1999 folgenden Passus:

" Motion 99/075 Schaffung eines kantonalen Einigungsamtes

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Gestützt auf die verbindlichen Zusagen der Vorsteherin der BUD und des Vorstehers der VSD, unter Einbezug der Sozialpartner und in Zusammenarbeit mit dem KIGA eine staatliche Kontrollstelle zur Durchsetzung arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen und Standards vorzubereiten, kann ich meine Motion zurückziehen. Der Rückzug erfolgt auf folgende Überlegungen:

1 . Im Interesse der Sitzungseffizienz soll die Grundsatzfrage "staatliches Einigungsamt" nicht zweimal, sondern bei der Beratung einer konkreten Vorlage diskutiert werden.

2. Rolle, Zuständigkeit und Funktionieren eines kantonalen Einigungsamtes soll auf der Grundlage eines ausformulierten Projekts beraten werden.

3. Sollten die in Aussicht genommenen Verhandlungen zwischen Regierung, Verwaltung und Sozialpartnern nicht innert nützlicher Frist zu einer tragfähigen Lösung führen, behalte ich mir selbstverständlich einen erneuten parlamentarischen Vorstoss vor."


://: Der Rat nimmt vom Rückzug der Motion 99/075 stillschweigend Kenntnis und genehmigt die Traktandenliste.

Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei




Nr. 129

1 1999/195
Bericht der Petitionskommission vom 8. Oktober 1999: Begnadigungsgesuch

Heinz Mattmüller , Präsident der Petitionskommission, fasst den Kommissionsbericht kurz zusammen und stellt fest, dass die Petitionskommission - der Empfehlung der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion folgend - dem Rat beantrage, das Begnadigungsgesuch des G. J. abzulehnen.

Ursula Jäggi beantragt namens der SP-Fraktion Rückweisung des Geschäfts an die Petitionskommission, weil einerseits der rudimentäre Leumundsbericht in den Akten der Polizeidirektion bereits drei Jahre alt und demnach für die Beurteilung der späteren Entwicklung des Gesuchstellers nicht brauchbar sei, andererseits aber die Arbeitszeugnisse aus jüngster Zeit dem Gesuchsteller eine sehr gute Arbeitsmoral und Fleiss bescheinig hätten. Die Petitionskommission sei zu beauftragen, bei der zuständigen Justiz-, Polizei- und Militärdirektion einen aktualisierten Leumundsbericht einzuholen.

Paul Schär gibt bekannt, dass nach einhelliger Meinung der FDP-Fraktion dem Begnadigungsgesuch nicht statt gegeben werden solle, weil erstens der Grosse Rat des Kantons Aargau ein parallel laufendes Begnadigungsgesuch bereits abgelehnt und andererseits die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft die Ablehnung des vorliegenden Gesuchs empfohlen habe. Eine Rückweisung zur Einholung eines neuen Leumundszeugnisses halte sie für überflüssig, weil davon auszugehen sei, dass die Aargauer Begnadigungsbehörde inzwischen die Begnadigungswürdigkeit des Gesuchstellers abgeklärt und als nicht gegeben beurteilt habe.

Immerhin sollte die Petitionskommission aus diesem Fall die Lehre ziehen, dass künftig besser auf die Aktualität der Unterlagen, insbesondere der Leumundsberichte, geachtet werden müsse.

Monika Engel schliesst sich namens der SVP-Fraktion dem Antrag der Petitionskommission und dem Standpunkt der FDP-Fraktion an und macht geltend, dass die Vertretung der SP-Fraktion in der Petitionskommission mangelnde Aktualität der Unterlagen schon anlässlich der Kommissionsberatung hätte geltend machen müssen.

Esther Gallacchi macht darauf aufmerksam, dass der Leumundsbericht der Polizei Basel-Landschaft das Datum des 27. Juli 1999 trage. Die CVP/EVP-Fraktion könne keinerlei Hinweise auf Begnadigungswürdigkeit des Gesuchstellers erkennen und lehne deshalb das Gesuch ab.

Esther Maag erklärt, dass auch die Fraktion der Grünen das Gesuch aus den bereits genannten Gründen ablehne.

Röbi Ziegler mahnt davor, es sich mit einer solchen Gewissensentscheidung nicht zu leicht zu machen. Sie müsse auf eine klare und vollständige Dokumentation abgestützt werden können, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe, weil der Leumundsbericht des Polizeipostens Birsfelden zwar tatsächlich vom 27. Juli 1999 datiere, aber sehr flüchtig und oberflächlich anmute sowie auf die letzten drei Jahre des Lebens dieses Gesuchstellers und insbesondere seine Bewährung im Beruf mit keinem Wort eingehe, obwohl die Zeugnisse der Arbeitgeber sehr positiv lauteten.

Er habe in der Kommissionsberatung mit aller Vehemenz die Unzulänglichkeit dieses Leumundsberichts beanstandet, damit aber offenbar kein Gehör gefunden.

Heinz Mattmüller ist der Meinung, dass es im Grossen Rat des Kantons Aargau, dem der Leumundsbericht auch bekannt gewesen sei, kaum verstanden würde, wenn die Baselbieter Begnadigungsbehörde eine geringere Strafe - 1 Monat abzüglich Untersuchungshaft - gnadenhalber erliesse, während er selbst den Erlass einer Strafe von 5 Monaten abgelehnt hatte. Er empfehle dem Rat, dem Antrag der Mehrheit der Petitionskommission zu folgen und dem Begnadigungsgesuch des G. J. nicht statt zu geben.

Röbi Ziegler stellt richtig, dass die SP-Fraktion nicht Begnadigung des Gesuchstellers beantrage, sondern Rückweisung des Geschäfts an die Petitionskommission zur Beschaffung sauberer Unterlagen, die ihr eine faire, korrekte und sachlich gerechtfertigte Entscheidung zu treffen ermöglichten.

Paul Schär sieht sich herausgefordert, auf den zeitlichen Ablauf der Delinquenz des Gesuchstellers hinzuweisen, der zeige, dass G. J. noch am 4. Februar1998 - also erst vor anderthalb Jahren - wegen gewerbsmässigen Betrugs, Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer sowie Verstosses gegen das AHV-Gesetz verurteilt worden sei. Von klaglosem Verhalten in den letzten drei Jahren könne also keine Rede sein.

://: Der Rückweisungsantrag der SP-Fraktion wird abgelehnt.

://: Der Landrat beschliesst grossmehrheitlich wie folgt:

Landratsbeschluss
betreffend Begnadigungsgesuch des G.J.


Vom 28. Oktober 1999

Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft beschliesst:

Das Begnadigungsgesuch des G. J. wird abgelehnt.


Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei




Nr. 130

2 1999/165
Berichte des Regierungsrates vom 31. August 1999 und der Justiz- und Polizeikommission vom 13. Oktober 1999: Dekret zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch über Ehe- und Partnerschaftsvermittlung, Eheungültigkeit, Ehescheidung und Ehetrennung

Dieter Völlmin , Präsident der Justiz- und Polizeikommission, fasst den Kommissionsbericht kurz zusammen und hebt hervor, dass der kantonale Legiferierungsspielraum in dieser Vorlage ausgenützt worden sei, z.B. in § 7 , wo eine im Vergleich mit der übrigen Schweiz relativ originelle Lösung getroffen worden sei, indem die Parteien sich auf eine andere als die normalerweise zuständige Instanz einigen und sie als zuständig erklären könnten.

Im Weiteren werde das neue Scheidungsrecht für die Gerichte einen gewissen Mehraufwand zur Folge haben, so durch die in der Regel vorgeschriebene Anhörung der von einer Scheidung betroffenen Kinder, aber auch dadurch, dass das Bundesrecht eine intensivere Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Scheidungswilligen verlange.

In der Kommissionsberatung sei eigentlich nur die Frage umstritten gewesen, ob die Fünfer- oder die Dreierkammer des Gerichts vor allem bei "Kampf"-Scheidungen zuständig sein solle. Während in der Vernehmlassungsvorlage die Dreierkammer vorgesehen gewesen sei und die Regierung aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse in der Landratsvorlage der Fünferkammer den Vorzug gegeben habe, sei die Kommission mit klarer Mehrheit wieder auf die erstere zurück gekommen. Irrtümlicherweise habe man dem Kommissionsbericht einen Dekretsentwurf beigeheftet, wo in § 6 im Titel die Fünferkammer und im Text die Dreierkammer erwähnt werde. Der aufgliegende grünfarbige Dekretsentwurf enthalte die von der Kommission effektiv beschlossene und von der Redaktionskommission bereinigte Fassung, auf der die heutige Beratung basiere.

Für die Anpassung an das neue Bundesrecht habe die Regierung die Dekretsform gewählt, um in der Anwendung des neuen Gesetzes Erfahrungen sammeln zu können, bevor man diese Bestimmungen in zwei bis drei Jahren im Rahmen einer Revision entweder in der vorliegenden oder in abgeänderter Fassung ins Einführungsgesetz zum ZGB überführen werde. Die Justiz- und Polizeikommission habe dieses Vorgehen für gut befunden.

Der Kanton Basel-Stadt habe die Anpassungen an das neue Scheidungsrecht im Rahmen einer Gesetzesrevision vorgenommen, und bei dieser Gelegenheit sei es wegen der Alimentenbevorschussung bekanntlich zu kontroversen Diskussionen gekommen. Die Justiz- und Polizeikommission sei über dieses Thema nicht einfach hinweg gegangen, sondern zur Überzeugung gelangt, dass die Problematik im Rahmen der Revision des Sozialhilfegesetzes , in dem heute schon die Alimentenbevorschussung für Kinderunterhaltsbeiträge geregelt sei, diskutiert und einer Lösung zugeführt werden solle.

Die Justiz- und Polizeikommission schlage dem Landrat mit 12:1 Stimmen vor, gemäss Antrag im Kommissionsbericht zu beschliessen.

Eintretensdebatte

Franz Bloch erklärt namens der einstimmigen SP-Fraktion Eintreten auf die Vorlage. Sie begrüsse die Wahl der Dekretesform für die Anpassung an das Bundesgesetz, das dem Kanton in Art. 52 ausdrücklich das Recht zugestehe, diese statt durch Änderung des Einführungsgesetzes vorübergehend durch Erlass einer Verordnung vorzunehmen. Seine Fraktion lege Wert auf die Feststellung, dass es sich bei diesem Dekret nur um eine provisorische Lösung handeln könne und die Neuregelungen, die heute hoffentlich beschlossen würden, in ein bis zwei Jahren unter Berücksichtigung der in der Übergangszeit gemachten Erfahrungen in das EG ZGB übergeführt werden müssten.

Was die Kindesanhörung angehe, setze sie als selbstverständlich voraus, dass die für solche Anhörungen vorgesehenen Fachleute entweder über die notwendige Ausbildung verfügten oder sie sich aneignen würden.

Die SP-Fraktion habe in der Kommissionsberatung die Zuständigkeit der Dreierkammer beantragt und damit die rechtsstaatlichen Bedenken des Rechtsdienstes in den Wind geschlagen, weil § 13 bis des Baselbieter Gerichtsverfassungsgesetzes dem Landrat die Möglichkeit zugestehe, bei Einführung eines neuen Bundesgesetzes auch die richterliche Behörde zu bezeichnen, und ihrer Meinung nach diese Bestimmung in Kombination mit dem eingangs erwähnten Art. 52 als Rechtsgrundlage für diesen Schritt ausreiche. Die Dreierkammer halte sie für die geeignete Instanz, weil sie im Scheidungsverfahren eine höchst persönliche Angelegenheit sehe, welche die Betroffenen vor einem möglichst kleinen Gremium durchstehen möchten.

Die SP-Fraktion teile das von Max Ribi anlässlich der Beratung in der Justiz- und Polizeikommission zum Ausdruck gebrachte Unbehagen darüber, dass das neue Scheidungsrecht des Bundes für den Kanton Basel-Landschaft eigentlich einen Rückschritt gegenüber seiner in den letzten Jahren entwickelten kundenfreundlicheren und speditiveren Praxis bedeute. Sie gehe aber davon aus, dass die hiesigen Gerichtsbehörden dank ihrer Flexibilität auch diese Situation so zu meistern in der Lage seien, dass man innert kürzester Zeit wieder dort stehen werde, wo man sich vor der Revision befunden habe.

Sabine Pegoraro gibt bekannt, dass die FDP-Fraktion einstimmig auf diese Vorlage eintrete und die Dekretslösung für eine gewisse Übergangszeit begrüsse, weil man in den zwei bis drei Jahren bis zur Überführung der neuen Bestimmungen ins EG ZGB Gelegenheit haben werde, deren Tauglichkeit in der Praxis zu erproben und sie nötigenfalls zu korrigieren. Dass die neue Bundesgesetzgebung Schwachstellen aufweise, habe Franz Bloch mit seiner Bemerkung über ihre Rückständigkeit gegenüber der liberalen basellandschaftlichen Praxis nachgewiesen. Sie habe den Eindruck, dass "Bern" stark an der Realität vorbei revidiert habe, denn auch andere Kantone, z.B. Basel-Stadt und Solothurn, hätten bei der einvernehmlichen Scheidung eine fortschrittlichere Praxis gepflegt. Im Kanton Basel-Landschaft habe die Verschlechterung des Verfahrens bereits dazu geführt, dass man das Bezirksgericht Liestal personell habe aufstocken müssen. So bleibe nur die Hoffnung, dass es trotzdem gelingen werde, wieder zu einer liberaleren Praxis zurück zu kehren.

Wie sich die Neuerungen, z.B. die Kindesanhörung und die Regelung des Besuchsrechts , bewähren würden und die zusätzlichen Aufgaben von den Vormundschaftsbehörden bewältigt werden könnten, müsse sich in der Übergangszeit weisen.

Die FDP-Fraktion teile die Meinung der Justiz- und Polizeikommission, dass man sich bei den strittigen Verhandlungen, die ja den kleinsten Teil der Fälle ausmachten, auf die Zuständigkeit der Dreierkammer beschränken solle, weil die gesetzlichen Grundlagen trotz der nicht ganz von der Hand zu weisenden rechtsstaatlichen Bedenken des Rechtsdienstes ausreichen sollten.

Elisabeth Schneider beantragt namens der CVP/EVP-Fraktion, auf die Vorlage einzutreten und das Dekret in der vorliegenden Form zu verabschieden. Sie teile die Auffassung der Justiz- und Polizeikommission, dass die Dreierbesetzung des Gerichts auch für strittige Fälle genüge und ein schlankerer Urteilskörper keinen Nachteil bedeute, auch wenn es bei "Kampf"-Scheidungen um heiklere Entscheide gehe. Ausserdem seien ihr keine stichhaltigen Argumente bekannt, die für eine Fünferbesetzung sprächen.

Eine besonderes Augenmerk sei aus Sicht ihrer Fraktion darauf zu richten, dass die Kinderzuteilung durch professionelle Dienste abgeklärt und das Wohl des Kindes in den Vordergrund gestellt werde. Aus diesem Grund halte sie gut ausgebildete Sozialdienste auch auf Gemeindeebene für eine wichtige Voraussetzung.

Fredy Gerber stellt fest, dass die neuen bundesrechtlichen Vorgaben dem Kanton Basel-Landschaft kaum Vorteile brächten, weil man hier schon vorher eine fortschrittliche Gerichtspraxis bezüglich Scheidungs- und Trennungsrecht gepflegt habe. Der SVP-Fraktion erscheine besonders wichtig, dass in strittigen Fällen auch künftig im Bezirksgericht eine Fünferkammer zum Einsatz komme; so blieben die langjährigen bewährten Richter im Nebenamt in der Übung. Wie ein grosser Teil der Bevölkerung halte seine Fraktion die Mitwirkung juristischer Laien an den Bezirksgerichten für wichtig und wertvoll.

Die SVP-Fraktion trete trotz dieses Vorbehalts auf die Vorlage ein.

Bruno Steiger bezeichnet es als absehbar, dass die Anpassung an das Bundesrecht für die Gerichte einen beträchtlichen Mehraufwand und entsprechende Mehrkosten zur Folge haben werde. Leider sei das Referendum gegen das neue Scheidungsrecht wegen der fehlenden Unterschriftenzahl bereits gescheitert. Weil somit das Gesetz am 1. Januar 2000 in Kraft treten werde, bleibe den Kantonen nichts anderes übrig, als ihre Anschlussgesetzgebung anzupassen.

Dass eine Scheidung nicht mehr in die Länge gezogen werden könne, auch wenn die Zuteilung des Sorgerechts für die Kinder noch nicht abgeklärt sei, und dass die Möglichkeit eines gemeinsamen Sorgerechts geschaffen werde, seien so ziemlich die einzigen positiven Errungenschaften des neuen Scheidungsrechts.

Als unnötigen Aufwand gegenüber der heutigen Gerichtspraxis erachte die SD-Fraktion die Neuerung, dass bei einer Scheidungskonvention eine zweite Anhörung zwingend stattfinden müsse, obwohl sich beide Parteien grundsätzlich einig geworden seien. Sie halte es auch für sehr bedenklich, dass in Zukunft die Hauptleidtragenden bei einer Scheidung, die Kinder, in der Regel befragt und von Staates wegen gezwungen werden könnten, zuungunsten eines Elternteils auszusagen, obwohl sie normalerweise beiden Eltern zugetan seien.

Die SD-Fraktion störe auch die Abkehr von der Eventualmaxime , weil sie einen Mehraufwand zur Folge haben werde, und die künftig vorgesehene Bevorschussung des Unterhaltsbeitrages an den geschiedenen Partner , weil sie dem Grundsatz der Eigenverantwortung zuwider laufe.

Weil seine Fraktion nicht mehr gewillt sei, alles, was von Bern komme, vorbehaltlos zu akzeptieren, habe sie eine entsprechende Standesinitiative eingereicht. Ferner werde sie sich bei der Abstimmung über das Dekret der Stimme enthalten, weil mit ihm hauptsächlich Negatives ins Spiel gebracht werde.

Maya Graf gibt bekannt, dass die Fraktion der Grünen einstimmig auf die Vorlage eintrete und dem Dekret unter der Voraussetzung zustimmen werde, dass es nur für eine möglichst kurze Übergangsfrist gelten und anschliessend in das Einführungsgesetz überführt werden solle. Sie sei ebenfalls darüber enttäuscht, dass die fortschrittlichen Verfahren bei einvernehmlicher Scheidung verkompliziert und verlängert werden sollen.

Als positiv beurteile ihre Fraktion u.a. die Neuerung, dass das Sorgerecht unter bestimmten Voraussetzungen beiden Eltern zugestanden werden könne und mit der Einführung der Anhörung der Kinder deren Rechte ausgebaut worden seien. Da man sich hier in einem sehr heiklen Bereich bewege, müsse in der Übergangszeit sorgfältig evaluiert und das dabei zum Einsatz gelangende Personal zwingend geschult werden.

Kritisch beurteile die Fraktion der Grünen auch die neuen Aufgaben, die der Vormundschaftsbehörde aufgebürdet würden, obwohl deren Neuorganisation noch gar nicht geregelt sei, sondern erst im Schosse der Justiz- und Polizeikommission beraten werde. Für die aus der Kinderzuteilung entlassene Fachsstelle Sonderschulung, Jugend- und Behindertenhilfe müsse sowohl auf kantonaler als auch auf kommunaler Ebene geeigneter, professioneller Ersatz gesucht werden.

Regierungsrat Andreas Koellreuter gibt all jenen Recht, die beklagten, dass die Vorteile des neuen Bundesrechts dessen Nachteile nicht überwiegen würden. Er sei deshalb froh, dass der Rat das vom Regierungsrat vorgeschlagene Vorgehen - Dekret in der Übergangsphase und späterer Nachvollzug in der Einführungsgesetzgebung - akzeptieren und ihm damit eine Beobachtungszeit einräumen wolle.

Mit der Schulung des Personals habe man schon anfangs dieser Woche mit einer ersten Veranstaltung für die kommunalen Vormundschaftsbehörden begonnen.

Der Justiz- und Polizeikommission und dem Landrat, sofern er der ersteren folge, gratuliere er zum Mut, auf die von der Regierung ursprünglich vorgeschlagene Variante mit der Dreierkammer des Bezirksgerichts zurück zu kommen, obwohl die Gefahr, in der abstrakten Normenkontrolle hängen zu bleiben, relativ gross sei.

://: Eintreten ist unbestritten.

Detailberatung des Dekrets

Titel und Ingress: Keine Wortbegehren

§§ 1 - 5: Keine Wortbegehren

§ 6

Fredy Gerber beantragt im Auftrag der SVP-Fraktion folgende Änderungen im Titel und in Abs. 1 von § 6:

"§ 6 Fünferkammer des Bezirksgerichts

1 Klagen auf Scheidung und Trennung beurteilt die Fünferkammer des Bezirksgerichts."


Die an sich festgeschriebene Fünferbesetzung könne höchsten durch eine Gesetzesänderung reduziert werden, nicht jedoch per Dekret. Zudem befürchteten die nebenamtlichen Richter, immer wie weniger Gelegenheit zu erhalten, ihres Amtes zu walten, und deswegen aus der Übung zu kommen.

Franz Bloch verweist auf sein Eintretensvotum und stellt fest, dass er nach wie vor keinen sachlichen Anlass sehe, es plötzlich mit der Angst zu tun zu bekommen. Er empfehle dem Rat, den Antrag der SVP-Fraktion abzulehnen.

Sabine Pegoraro schliesst sich dieser Argumentation an und macht zusätzlich geltend, dass die Befürchtungen der nebenamtlichen Richter, plötzlich arbeitslos zu werden, unbegründet seien, weil die Scheidungsfälle, bei denen es zu einer gerichtlichen Beurteilung komme, sich an einer Hand abzählen liessen. In anderen Fällen bleibe die Kompetenz der Fünferkammer bestehen. Aus diesen Gründen bitte sie den Rat, dem Antrag der SVP-Fraktion nicht zuzustimmen.

Elisabeth Schneider gibt bekannt, dass die CVP/EVP-Fraktion den Antrag ebenfalls ablehne, weil es keine stichhaltigen Gründe gebe, der Justiz- und Polizeikommission in diesem Punkte nicht zu folgen.

Bruno Steiger hält namens der SD-Fraktion an deren Ansicht fest, dass für die Beurteilung dieser Fälle eine Dreierbesetzung ausreiche. Sie lehne darum den Antrag der SVP-Fraktion ab.

://: Der Antrag der SVP-Fraktion wird mit grosser Mehrheit abgelehnt.

Franz Bloch beantragt, § 6 wie folgt zu ergänzen:

" 3 In der Dreierkammer sind beide Geschlechter vertreten."

Mit dieser Ergänzung beabsichtige die SP-Fraktion sicher zu stellen, dass jede Frau und jeder Mann davon ausgehen könne, nicht von einem einseitig aus Personen des jeweils anderen Geschlechts zusammen gesetzten Gremium beurteilt zu werden. Dem möglichen Argument, dass diese Bestimmung mit der Volkswahl der RichterInnen nicht vereinbar sei, könne der praktische Einwand entgegen gehalten werden, dass es innerhalb der bestehenden Gerichtskörper möglich sein sollte, eine Besetzung zusammen zu stellen, der mindestens eine Frau bzw. ein Mann angehöre.

Dieter Völlmin erwidert, dass Franz Bloch das gewichtigste Argument gegen diese Ergänzung gleich selbst erwähnt habe, nämlich die Volkswahl. Wenn beim Beschluss, in § 6 statt der Fünfer- die Dreierkammer vorzusehen, von Mut die Rede gewesen sei, müsse im Falle dieses Antrags von Übermut gesprochen werden. Er bitte den Rat, ihn abzulehnen.

Maya Graf erklärt, dass die Fraktion der Grünen den Antrag Bloch schon darum unterstütze, weil die Erfüllung seiner Forderung beim ausgeglichenen Anteil der Geschlechter in den Gerichten keine Schwierigkeiten bereiten werde.

Max Ribi führt zugunsten des Antrages von Franz Bloch noch das Argument ins Feld, dass sich mit dieser vernünftigen Lösung zum vornherein ausschliessen lasse, dass die unterlegene Partei ihren Misserfolg der einseitigen Zusammensetzung des Gerichts anlasten könne.

://: Der Rat stimmt dem Antrag Bloch mehrheitlich zu.

§§ 7 - 17: Keine Wortbegehren

Rückkommen wird nicht beantragt.

://: Das Dekret wird bei einigen Enthaltungen mit der in § 6 beschlossenen Ergänzung grossmehrheitlich verabschiedet.


Dekret zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch über Ehe- und Partnerschaftsvermittlung, Eheungültigkeit, Ehescheidung und Ehetrennung


Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei

Fortsetzung des Protokolls vom 28. Oktober 1999


Back to Top