LR Protokoll 28. Oktober 1999 (Teil 4)

Protokoll der Landratssitzung vom 28. Oktober 1999



Zur Traktandenliste dieser Sitzung

Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)





Nr. 134

4 1999/076
Motion der Fraktion der Grünen vom 15. April 1999: Verbot von Motorrennsport - Veranstaltungen

Landratspräsident Walter Jermann gibt bekannt, dass die Regierung den Antrag macht, die Motion nicht zu überweisen.

RR Andreas Koellreuter: Anlass für die Motion sind einerseits das regelmässig durchgeführte Motocross in Roggenburg sowie das vor kurzem erstmals durchgeführte sogenannte "Indoor-Motocross" in der St. Jakobhalle.
Konkrete Lärm-Grenzwerte bestehen für diese Art von Veranstaltungen nicht, und es kann auch kaum von einer übermässigen Belastung der betroffenen Bevölkerung gesprochen werden, zum einen weil das Motocross von Roggenburg - zumindest nach Auskunft der Gemeindeverwaltung - von der ganzen Bevölkerung getragen wird, zum andern, weil das Indoor-Motocross in der St. Jakobhalle nur die direkten Zuschauer in der Halle betrifft, welche sich diesem Lärm ja bewusst aussetzen.
Aufgrund eines Gutachtens des Rechtsdienstes hat der Regierungsrat am 23. März dieses Jahres festgestellt, dass das von ihm am 15. Juli 1955 angeordnete Verbot für motorrennsportliche Veranstaltungen im Kanton Baselland nichtig ist. Für die Durchführung von motorrennsportlichen Veranstaltungen sind in unserem Kanton das Strassenverkehrsrecht des Bundes, der Laufentalvertrag und die kantonale Verordnung zum Strassenverkehrsgesetz zu beachten.
Die Umweltschutzgesetzgebung enthält keine Rechtsgrundlagen, welche zu einer wesentlichen Einschränkung oder gar einem Verbot von Motorrennsport-Veranstaltungen führen würden. Die direkten Auswirkungen solcher Anlässe auf die Umwelt, vor allem in bezug auf Lärm und Luft, sind zwar nicht zu vernachlässigen. Da es sich indessen um einmalige und jeweils nur kurz dauernde Anlässe handelt, sind die Auswirkungen, im Verhältnis zu den übrigen Umweltbelastungen, objektiv auch nicht von immenser Bedeutung.
Aus der Lärmschutz-Verordnung kann in Fällen wie oben erwähnt bloss eine allgemeine Pflicht abgelesen werden, die Emissionen so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist. Auch in bezug auf die Luftbelastung solcher Anlässe bestehen keine Emissions-Grenzwerte. Dies bedeutet, dass auch im Bereich Luft "bloss" die allgemeine Regel gilt, wonach Emissionen so weit wie technisch und betrieblich möglich, wirtschaftlich tragbar zu vermindern sind.
Gemäss all diesen genannten Rechtsgrundlagen können Motocrossveranstaltungen nach Anhören der Gemeinde vom Polizeikommando bewilligt werden, wenn der Veranstalter erstens Gewähr bietet für die einwandfreie Durchführung der Veranstaltung;
Zweitens wenn die nötigen Sicherheitsmassnahmen getroffen worden sind; und wenn drittens die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung abgeschlossen worden ist.
Allerdings besteht kein Anspruch auf Erteilung der Bewilligung. Das Polizeikommando kann die Bewilligung verweigern, selbst wenn an sich sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Einzig die Durchführung der bedeutenden Motocrossveranstaltung von Roggenburg ist durch eine separate Bestimmung im Laufentalvertrag garantiert.
Aufgrund des geltenden Rechts haben die kantonalen Behörden die Möglichkeit, die Durchführung von motorrennsportlichen Veranstaltungen einzelfallweise zu bewilligen. Dazu muss ein - auch unter dem Aspekt des Natur- und Landschaftsschutzes - geeignetes Renngelände zur Verfügung stehen.
Die Bestimmungen des Umweltschutzrechts, der Luftreinhalteverordnung, der Lärmschutzverordnung und des Strassenverkehrsrechts sind einzuhalten. Die kantonale Bewilligungsbehörde muss vom Veranstalter verlangen, dass alle erforderlichen Sicherheitsmassnahmen zum Schutz des Publikums und der Teilnehmer getroffen werden.
Das bestehende rechtliche Instrumentarium ermöglicht den kantonalen Behörden, die Durchführung von motorrennsportlichen Veranstaltungen in bestimmten Einzelfällen und wenn sämtliche "natürlichen" und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, zu bewilligen. Ein gänzliches Verbot von motorrennsportlichen Veranstaltungen ist unverhältnismässig und unnötig. Die bestehenden Rechtsgrundlagen sind ausreichend.
Weiter hat es aber auch noch eine staatspolitische Komponente: Bitte belasten sie nicht das gute Verhältnis zu unserem jüngsten Bezirk, dem Laufental durch ein Verbot vom Motocross in Roggenburg.
Darum stellt der Regierungsrat den Antrag, diese Motion nicht zu überweisen.

Alfred Zimmermann weist darauf hin, dass im Laufentalvertrag, der zehn Jahre gültig ist, festgehalten wurde, das die Motocrossveranstaltung in Roggenburg weiter durchgeführt werden kann. Aber die betroffenen Personen rechneten damals damit, dass nach diesen zehn Jahren das Motocross verboten wird, wie es im übrigen Kanton der Fall ist.
Der Landrat ruft die Vorgeschichte in Erinnerung: Anno 1955 hatte der damalige Regierungsrat einen Entschluss gefällt: Jede motorrennsportliche Veranstaltung im Baselbiet wurde verboten.
1998 hat der Regierungsrat eine Motocrossshowveranstaltung in der St. Jakobhalle bewilligt, unter dem Vorwand, es sei eigentlich nur eine Show und kein Rennen. Es sei in Sachen Lärm und Abgas genau auf das Gleiche herausgekommen. Der Regierungsrat merkte, dass der Beschluss, der 1955 gefasst wurde, auf etwas wackligen Beinen stand und es wurde ein Gutachten gemacht.
Als Nichtjurist glaubt der Landrat, dass dieser Beschluss auf wackligen Beinen steht. Darum sei es jetzt am Landrat und am Volk, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen.
Es ginge bei diesem Vorstoss nicht darum zu entscheiden, was eine sinnvolle und was eine sinnlose Freizeitbeschäftigung sei.
Alfred Zimmermann betont, dass es ein umweltpolitisches Anliegen sei. Diese Motocrossmotorräder hätten seines Wissens keine Lärmdämpfer und keine Katalysatoren. Wenn es nicht dem Umweltschutzgesetz widerspricht, dann widerspricht dessen dem Geist. Der Kanton werde damit beauftragt, den Lärm einzudämmen und die Abgase zu reduzieren.
Alfred Zimmermann macht an die Baudirektorin die Anfrage, ob sie nicht bereit wäre, bei einem solchen Rennen in der St. Jakobhalle Luftmessungen zu machen.
Der Landrat bittet den Landrat, mehr Mut zu beweisen als die Regierung und die Motion zu überweisen.

Roger Moll geht auf ein Votum von Alfred Zimmermann ein und erläutert, warum 1955 die Baselbieter Regierung dieses Verbot ausgesprochen habe. Dieses führe auf zwei tödliche Unfälle zurück. Zu Punkt 1 der Motion ist der Landrat der Meinung, dass die Exekutive sich nicht in sportliche Organisationen und Strukturen einmischen darf. Auch sollte diese Sportart gleichermassen wie andere behandelt werden, dass diese Teilnehmenden sich auch im Wettkampf messen können. Weiter sei es falsch, dass solche Anlässe einfach mit einem Verbot belegt werden. Auch sei Roggenburg ein Bestandteil des Laufentalervertrages, das könne nicht einfach über den Haufen geworfen worden.
Die FDP ist gegen die Überweisung der Motion.

Paul Schär legt ein gutes Wort für Roggenburg ein. Er macht den Vergleich, dass wenn man Basel die Fasnacht wegnehme, sei das etwa das Gleiche, wie wenn man Roggenburg dieses Rennen wegnähme. Der Landrat telefonierte mit verschiedenen Personen aus Roggenburg. Seit 30 Jahren findet diesen Rennen statt und die Hälfte des Dorfes helfe mit. Das Rennen finde eineinhalb Tage statt, anschliessend werde der Platz sofort wieder begrünt. Das lauteste im Dorf sei der Lautsprecher.
Er sei auch ganz klar gegen diese Motion.

Uwe Klein gibt bekannt, dass auch die CVP/EVP-Fraktion grundsätzlich gegen ein Verbot solcher Motorsportveranstaltungen ist. Die Fraktion ist ebenfalls gegen ein Verbot gegen solche Shows, wie sie in der St. Jakobhalle stattgefunden hat. Grundsätzlich sei es so, dass die Infrastruktur vorhanden sein müsse, dass überhaupt solche Veranstaltungen durchgeführt werden können, inklusive Bewilligung von Gemeinde und Kanton.
Bekanntlich darf Roggenburg gemäss Laufentalvertrag bis ins Jahre 2003 seine Motorcrossrennen durchführen. Die Fraktion ist der Ansicht, dass vielen Freunden dieser Veranstaltung nicht gedient ist, wenn nach dem Ablauf dieser Vertragspflicht dieses traditionelle Rennen verboten würde.

Willy Grollimund eröffnet, dass die SVP-Fraktion ebenfalls gegen die Überweisung der Motion ist. Nicht aus dem Grund, dass man die Veranstaltung in Roggenburg über alles setzte, aber aus Prinzip. Wenn alle Veranstaltungen mit Lärmemissionen verboten werden müssten, wären da manche Sportveranstaltungen betroffen.
Im Speziellen habe das Rennen in Roggenburg einen hohen Stellenwert. Es werden Weltmeisterschaftsläufe ausgetragen.

Ruedi Moser weist als überzeugter Motorsportler darauf hin, dass der Motorsport einer der ersten Sportarten war, welche vom Olympischen Verband aufgenommen wurde.

Heinz Aebi hält fest, dass die SP-Fraktion zu diesem Thema keine einheitliche Meinung hat. Mehrheitlich ist die Fraktion für eine Überweisung des Vorstosses, aber als Postulat. Das Verbot, das bis jetzt angewendet wurde und welches scheinbar keine rechtsgenügende Basis hat, ist trotz allem während mehr als 40 Jahren genügend gewesen, solchen Veranstaltungen entgegen zu wirken. Die SP-Fraktion ist der Meinung, dass bei der Überweisung des Postulats der Status Quo beibehalten werden sollte, wie er sich in den 44 Jahren gebildet hat. Das würde bedeuten, dass keine neuen motorrennsportlichen Veranstaltungen mehr durchgeführt werden können, aber dass die vorhanden - namentlich Roggenburg - weiterhin beibehalten werden können.
Abschliessend stellt der Landrat die Frage, wieviele Gesuche solcher Motorrennveranstaltungen seit dem März eingegangen sind und wieviele allenfalls schon bewilligt worden wären.

Heinz Mattmüller gibt die Ablehnung des Vorstosses der SD-Fraktion bekannt.

Heinz Jermann ist der Meinung, dass die Motion am Problem vorbeigeht. Es sei nicht die Veranstaltung an sich, die viel Emissionen veranstalte, sondern die vielen Fans, die von überall her anfahren, die vor allem für Luftschadstoffe sorgen. Und dies sei ja nicht nur bei Motorrennsport der Fall, sondern auch bei allen anderen Sportveranstaltungen. Auch wäre ein Verbot nur eine Verlagerung des Problems, weil die Veranstalter dann nach Frankreich gehen würden und Schadstoffe bekanntlich nicht vor Staatsgrenzen haltmachen.

Alfred Zimmermann tritt nochmals für seinen Vorstoss ein. Die einmal pro Jahr stattfindende Veranstaltung bringt nicht so viele Schadstoffe und Lärm hervor, wie es dies die vielen Trainings an den Wochenenden machen.
Der Landrat ist gegen eine Umwandlung seiner Motion in ein Postulat, denn es soll ein Gesetz ausgearbeitet werden.
Weiter überlegt sich Alfred Zimmermann, ob bei Ablehnung nicht ein neuer Vorstoss verfasst werden soll, der ein Verbot für zusätzliche Motorrennsportveranstaltungen verlangt.
An Regierungsrat Andreas Koellreuter stellt der Landrat die Frage, ob er bereit wäre, sich dafür einzusetzen, dass die Rennmaschinen mit einem Katalysator und einer Schalldämpfung ausgerüstet werden?

RR Andreas Koellreuter gibt auf die Frage Antwort, wieviel Gesuche neben Roggenburg eingegangen sind. Neben Roggenburg, die das Gesuch immer neu stellen, war das zusätzlich die Veranstaltung in der St. Jakobhalle, die jetzt nicht mehr als Show sondern als Rennen durchgeführt werden soll. Als Show konnte die Veranstaltung schon vor der Aufhebung des Regierungsratsbeschluss bewilligt werden.
Unter der alten Kantonsverfassung hatte der Regierungsratsbeschluss noch Gültigkeit. Seit der neuen Kantonsverfassung 1984 braucht jedes Verbot eine gesetzliche Grundlage.
Auf die Frage von Alfred Zimmermann antwortet der Justizdirektor mit einem klaren nein, aus dem Grund, dass sich der Regierungsrat nicht in die internationalen Gepflogenheiten des internationalen Motorsportes einmischen kann. Der betreffende Verband gibt die technischen Standards bekannt.
Weiter könnte es bei der Aussprechung eines Verbotes zu weiterführenden Problemen führen, was den Laufentalvertrag anbelangt. Es wurde vom Bezirksrat 1989 ein Fragekatalog von über 200 Fragen dem Regierungsrat überreicht. Eine dieser Fragen war, ob das Verbot des Motocross von Roggenburg auch nach 10 Jahren Übergangsfrist noch möglich sei. Der damalige Regierungsrat beantwortete diese Frage mit Ja. Weiter kommt die Diskussion um den Laufentalvertrag ins Spiel, ob dieser auf Gesetzesstufe oder irgendwo zwischen Verfassung und Gesetz Gültigkeit hat.

://: Die Motion wird abgelehnt.

Für das Protokoll:
Colette Schneider, Landeskanzlei



Nr. 135

5 1999/117
Postulat der FDP-Fraktion vom 3. Juni 1999: Zahl der Staatsanwälte

Landratspräsident Walter Jermann gibt bekannt, dass das Postulat der FDP-Fraktion von der Regierung entgegengenommen wird.

Bruno Steiger stellt die Frage, wenn es um personelle Angelegenheiten beim Gericht geht, ob da nicht auch die Gewaltentrennung in Spiel kommen sollte. Der Landrat möchte darauf aufmerksam machen, dass der Arbeitsanfall beim Gericht gar nicht genau festzuhalten ist. Die SD ist dagegen, eine solche Aufstockung der Staatsanwälte auf Vorrat vorzunehmen. Daher stellen die Schweizer Demokraten den Antrag, das Postulat abzulehnen.

Sabine Pergoraro bittet darum das Postulat zu überweisen. Die Situation sei im Postulat klar geschildert. Es sei ein Bedürfnis, dass im Bereich Staatsanwälte klare Verhältnisse geschaffen werden.

RR Andreas Koellreuter verweist darauf, dass momentan in der Vernehmlassung das Gerichtsverfassungsgesetz behandelt wird. Das Thema wird in diesem Rahmen behandelt. Der Regierungsrat geht sogar noch einen Schritt weiter: Er beantragt dem Landrat in der Vorlage, die in der Vernehmlassung ist, dass nicht mehr der Landrat, sondern der Regierungsrat die Staatsanwälte wählt. Der Staatsanwalt ist der "Ankläger des Staates". Einmischen kann sich weder Regierungsrat noch Landrat.

Hans Bloch spricht die Zustimmung der SP-Fraktion zur Überweisung des Postulates aus.

Matthias Zoller verweist auf die letzte Landratssitzung Traktandum 6, Erhöhung der Bezirksgerichtspräsidiumsstelle Liestal. Genau aus der gleichen Argumentation heraus wollte man keine ao-Stelle schaffen. Dieser Ansicht waren auch die SD. Darum könne man jetzt nicht aus der genau entgegengesetzten Argumentation gegen dieses Postulat sein.

://: Das Postulat wird überwiesen.

Für das Protokoll:
Colette Schneider, Landeskanzlei

Fortsetzung des Protokolls vom 28. Oktober 1999


Back to Top