LR Protokoll 28. Oktober 1999 (Teil 2)
Protokoll der Landratssitzung vom 28. Oktober 1999
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Nr. 131
3 1999/168
Motion von Esther Aeschlimann vom 2. September 1999: Alters- und Pflegeheimdekret - § 12 Finanzielle Leistungskraft / Änderung des Vermögens-Freibetrages
Regierungsrat Erich Straumann begründet die Bereitschaft der Regierung, die Motion als Postulat entgegen zu nehmen, damit, dass der Beschluss des Landrats vom 24. Juni 1999, die Vermögensgrenze von 50'000 auf 100'000 Franken heraufzusetzen, unter den Baselbieter Gemeinden einige Unruhe ausgelöst habe. Die von ihm nach den Sommerferien sofort veranlasst Überprüfung habe ergeben, dass der Landratsbeschluss für die Gemeinden eine grosse finanzielle Mehrbelastung in der Grössenordnung von etwa 2,5 Mio Franken zur Folge haben werde. Nachdem er die Gemeinden im Hinblick auf die Budgetierung davon unterrichtet habe, seien bei ihm einige Reklamationen eingegangen, in denen sich Gemeinden insbesondere darüber beschwert hätten, dass der Landrat trotz ihrer negativen Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren die Vermögensgrenze herauf gesetzt habe.
Er müsse zugeben, den seinerzeitigen, mit 36:31 Stimmen ziemlich knapp ausgefallenen Landratsbeschluss mitgetragen zu haben. Heute sei er der Meinung, dass man den Mut aufbringen und der Regierung mit der Überweisung des Vorstosses in Postulatform die Möglichkeit geben sollte, nochmals über die Bücher zu gehen, neue Lösungsmodelle zu prüfen und insbesondere die Gemeinden in die Diskussion einzubeziehen. Er könne sich gut vorstellen, dem Landrat schon auf die nächste oder übernächste Sitzung hin eine neue Vorlage unterbreiten zu können. Um die Sache zu beschleunigen, habe das Büro des Landrats sogar die Möglichkeit, diese Vorlage direkt beraten zu lassen.
Ein gewisses Entgegenkommen gegenüber den Gemeinden sei auch deshalb gerechtfertigt, weil sie ihm Rahmen der Aufgabenteilung noch nicht im vorgesehenen Ausmass hätten entlastet werden können. Den besonders betroffenen kleineren Gemeinden aus dem Härtefonds unter die Arme greifen zu müssen, würde bedeuten, dass letztlich doch der Staat die Folgen der Anhebung der Vermögensgrenze zu tragen hätte.
Rita Kohlermann gibt bekannt, dass die FDP-Fraktion dem Aufruf von Regierungsrat Erich Straumann zum Mut nicht entsprechen könne und die Motion ablehne. Nachdem die anfangs der achtziger Jahre angepasste Regelung damals noch hauptsächlich Altersheiminsassen betroffen habe, betreffe sie heute zu 75% Pflegeheiminsassen, so dass der Vermögensfreibetrag nun einen ganz anderen Stellenwert habe. Aus diesem Grund erachte ihre Fraktion eine Anpassung als verhältnismässig.
Der in den Gemeinden und in den Medien immer wieder als unüberlegt kritisierte Landratsbeschluss vom vergangenen Juni sei zumindest aus bürgerlicher Sicht keineswegs ein "Schnellschuss" gewesen, wie die Gemeinden der Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse hätten entnehmen können und wie auch ein Blick in die Protokolle der beratenden Kommission zeige.
Bei allem Verständnis für die Gemeinden könne die FDP-Fraktion nur einen Teil ihrer Vorwürfe akzeptieren, weil sie die Honorierung des Sparwillens, den jemand sein ganzes Leben lang bewiesen habe, schon immer sehr hoch veranschlagt habe. Sie werde darum auch nicht den Einwand gelten lassen, der eigenen Forderung nach Eigenverantwortung nicht nachzuleben, indem sie sich für die Beibehaltung des erhöhten Vermögensfreibetrages einsetze. Es gehe hier um Leute, die ihre Eigenverantwortung sehr wohl wahrgenommen hätten, und nicht um luxuriöse Objekte wie Villen, sondern um normale Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen, die oft ihr einziges Vermögen darstellten. Dieses Anliegen sei der FDP-Fraktion zu wichtig, als dass sie zu diesem Zickzackkurs Hand bieten könnte, den Regierungsrat Erich Straumann als mutige Tat verkaufen wolle.
Das wichtigste Argument hätten die Gemeinden übersehen, nämlich die Tatsache, dass die Änderung des Altersheimdekrets eine Neuerung enthalte, die sich auf ihre Kostenbeteiligung zum Teil massiv positiv auswirkten. Der Regierungsrat müsse sich den leisen Vorwurf gefallen lassen, diesen wichtigen Punkt in der Vorlage zu wenig hervor gehoben zu haben, so dass er sehr leicht habe übersehen werden können. Aus diesem Grund gestatte sie sich, darauf hinzuweisen, dass gemäss Abs. 3 von § 12 bei der Berechnung der finanziellen Leistungsfähigkeit nach einer "Durststrecke" von drei Jahren vom Katasterwert auf den Verkehrswert übergegangen werden solle. Diese Neuregelung werde höchstwahrscheinlich zur Folge haben, dass durch diese massiven Mehreinnahmen die Mindereinnahmen wegen der Heraufsetzung des Vermögensfreibetrags mehr als kompensiert würden.
Aus all diesen Gründen beantrage die FDP-Fraktion, die Motion nicht zu überweisen.
Patrizia Bognar erklärt, dass ein Teil der CVP-Fraktion diesen Vorstoss unterstütze und der andere die Meinung vertrete, dass man es beim Entscheid vom vergangenen Juni belassen solle.
Als EVP-Landrätin gestatte sie sich, darauf hinzuweisen, dass es sich beim kritisierten Entscheid nicht um einen "Schnellschuss" gehandelt habe, was allein schon aus dem sehr kontroversen Diskussionsverlauf in der Kommission und im Plenum hervor gehe, der damit geendet habe, dass das letztere den mit Stichentscheid des Präsidenten zustande gekommenen Entscheid der ersteren umgestossen und ihrem Kompromissvorschlag den Vorzug gegeben habe.
Was die Kritik der Gemeinden anbelange, sei sie gewiss nicht von allen getragen worden. Man neige ja dazu, nur die lautesten Stimmen wahrzunehmen. Für die betroffenen alten Menschen müsse es sicher frustrierend sein zu hören, welch grosse Last sie für ihre Gemeinde seien. Dazu komme noch, dass man alle denkbaren Kreise und nur sie nicht in die Diskussion einbezogen habe und dass sie, die ihr Leben lang gespart hätten, bestraft werden sollen, während die öffentliche Hand für die anderen, die nichts auf die hohe Kante gelegt hätten, bereitwillig einspringe.
Nicht zuletzt aus Rücksicht auf die Tatsache, dass die Zukunft aller das Alter sei, beantrage sie, auf den Entscheid vom 24. Juni 1999 nicht zurück zu kommen und die Überweisung der Motion abzulehnen.
Heinz Mattmüller vertritt namens der SD-Fraktion den Standpunkt, dass der Landrat am 24. Juni 1999 einen Fehlentscheid getroffen habe, der es eigentlich angezeigt erscheinen lasse, nochmals über die Bücher zu gehen. Sie wolle allerdings noch den weiteren Verlauf dieser Diskussion abwarten, bevor sie zur Motion abschliessend Stellung nehme.
Esther Aeschlimann denkt, dass die hier vorgebrachten Argumente gegen die Überweisung der Motion diesen Schritt eigentlich rechtfertigten, weil die genannten Zahlen der genauen Überprüfung bedürften, bevor man in der Lage sei, in der Sache zu entscheiden.
Hans Schäublin appelliert an den Rat, den getroffenen Entscheid nicht leichtfertig umzustossen, weil dies als Zugeständnis ausgelegt werden könnte, dass er ihn unüberlegt getroffen habe. Dies treffe aber auf die SVP-Fraktion überhaupt nicht zu. Sie sei damals aufgrund der Vernehmlassungen der Gemeinden davon ausgegangen, dass diese den Entscheid über den Vermögensfreibetrag dem Landrat überlassen wollten.
Man müsse sich gut überlegen, ob es richtig sei, Leute, die Wohneigentum angespart und dabei oft auch ihren Nachkommen einen gewissen Konsumverzicht zugemutet hätten, gegenüber denjenigen zu benachteiligen, die ihr Geld immer ausgegeben hätten und davon ausgegangen seien, die Sicherung ihres Alters der öffentlichen Hand überlassen zu dürfen.
Von den Heimen müsse auch Bereitschaft zum Sparen gefordert werden, denn es wäre stossend, wenn diese sich auf das "Ausmelken" ihrer Insassen beschränkten.
Die SVP-Fraktion lehne die Überweisung der Motion ab.
Eugen Tanner ist der Meinung, dass man in guten Treuen unterschiedlicher Auffassung darüber sein könne, ob die Anhebung des Freibetrags richtig gewesen sei oder nicht. Der entscheidende Punkt für ihn sei jedoch das Verhältnis zwischen Kanton und Gemeinden und die Frage, ob es angehe, seitens des ersteren Bestimmungen zu erlassen und deren Folgen die letzteren ausbaden zu lassen.
Aus diesem Grund sei es durchaus gerechtfertigt, nochmals über die Bücher zu gehen. Er persönlich würde nicht überrascht sein, wenn man danach in materieller Hinsicht wieder am Ausgangspunkt ankäme.
Franz Bloch schliesst sich dieser Auffassung an und rät dem Rat zum Mut und zur Grösse, die Einwände der Betroffenen, die im Verfahren offensichtlich zu kurz gekommen seien, ernst zu nehmen und sich die Sache nochmals durch den Kopf gehen zu lassen.
Maya Graf nimmt für die Fraktion der Grünen in Anspruch, dass sie schon damals gegen die Heraufsetzung des Vermögensfreibetrages gestimmt habe. Daran habe sich bis heute nichts geändert. Andererseits nehme sie mit einem Schmunzeln zur Kenntnis, dass die Ratsrechte, die sonst jede Gelegenheit wahrzunehmen pflege, sich als Freund der Kommunen zu positionieren, nun, wo es um die Interessen ihrer Kreise gehe, die Gemeinden sozusagen links liegen lassen wolle.
Die Rechnung sei eigentlich einfach, denn alles, was am einen Ort gegeben werde, müsse an einem anderen Ort wieder herein geholt werden, in konkreten Fall bei der Gemeinde, also bei allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Für ihre Fraktion habe das Allgemeinwohl und die Solidarität Vorrang vor der Honorierung des privaten Sparwillens.
Die Fraktion der Grünen bitte den Rat, dem Regierungsrat mit der Überweisung der Motion die Möglichkeit zu geben, nochmals über die Bücher zu gehen.
Peter Meschberger bezeichnet den Landratsentscheid vom Juni 1999 als politischen Entscheid und erinnert daran, dass damals sämtliche Einwände der Gemeinden ignoriert worden seien. Daher dürfe man sich über ihre nachträglichen Reaktionen nicht wundern. Der Landrat tue gut daran, auf die faire Offerte des Regierungsrats einzugehen und die Motion zu überweisen.
Rita Kohlermann hält es für nicht ganz richtig, die Problematik nur aus der Optik der Gemeinden zu betrachten und völlig ausser Acht zu lassen, dass deren Mehrbelastung zufolge der Anhebung der Vermögensgrenze künftig durch Mehreinkünfte aus dem Systemwechsel vom Kataster- zum Verkehrswert sehrwahrscheinlich mehr als kompensiert werde.
Dieter Völlmin kann aus der Feststellung, dass der Landrat damals politisch entschieden habe, keinen Vorwurf an dieses politische Gremium ableiten, zumal dieser politische Entscheid auch ein richtiger Entscheid gewesen sei. Die bürgerliche Seite des Rats würde sich widersprüchlich verhalten, wenn sie einerseits in jedem Wahlkampf den Mittelstand zu unterstützen behaupte und andererseits dann, wenn für diesen einmal etwas getan werden könnte, diese Möglichkeit nicht wahrnähme.
Das Verhalten, das die Regierung in dieser Sache an den Tag lege, halte er für gefährlich, weil präjudizielle Auswirkungen befürchtet werden müssten, wenn sie bei einem verhältnismässig knappen Entscheid nicht nur einen Vorstoss, mit dem dieser rückgängig gemacht werden solle, entgegen nehme, sondern sich gerade auch noch bereit erkläre, die Vorlage entsprechend umzugestalten und sie vorzugsweise ohne Kommissionsberatung im Plenum "durchboxen" zu lassen. Die Fragwürdigkeit dieses Vorgehens müsse jedem aufgehen, der sich vorstelle, was geschähe, wenn der Entscheid auch beim zweiten Mal knapp ausfallen und von den Unterlegenen zum Anlass genommen werden sollte, wiederum zu versuchen, ihn mittels einer Motion umzukippen und beispielsweise die Grauen Panther zu mobilisieren, sofern diese sich benachteiligt fühlten.
Rita Bachmann erinnert daran, dass sich die CVP-Fraktion am 24. Juni 1999 aus formellen Gründen sehr stark gegen die Erhöhung der Vermögensfreigrenze und insbesondere das übereilte Vorgehen zur Wehr gesetzt habe.
Die heute vorgebrachten Argumente und Zahlen bedürfen einer Überprüfung, bevor man sich materiell entscheiden könne. Aus diesem Grund, aber auch mit Rücksicht auf die schon in der Vernehmlassung manifest gewordene Opposition der Gemeinden sei eine Überweisung der Motion gerechtfertigt.
Esther Aeschlimann macht geltend, dass den Gemeinden in diesem Fall das ihnen zustehende Anhörungsrecht nicht gewährt worden sei.
Hans Ulrich Jourdan fordert, dass auch die Interessen der betroffenen alten Menschen und der verfassungsmässig garantierte Schutz des Eigentums und der Vermögenswerte sowie die Förderung der Bildung von Privateigentum zur Selbstnutzung durch Kanton und Gemeinden gebührend zu beachten seien.
Peter Meschberger erinnert ihn an die MitbürgerInnen, die diese Sorgen nicht hätten, weil sie nichts hätten.
Regierungsrat Erich Straumann gibt Dieter Völlmin zu bedenken, dass die Regierung keine Kehrtwendung mache, weil sie die Vermögensgrenze schon immer bei 50'000 Franken habe belassen wollen.
Rita Kohlermann habe mit ihrem Hinweis auf den Systemwechsel recht, berücksichtige aber nicht, dass diese Umstellung nicht synchron mit den Folgen der Anhebung der Vermögensgrenze laufen werde. Wenn man vermeiden könne, dass kleinere Gemeinden dadurch in Schwierigkeiten gerieten, sollte die Gelegenheit zu einer ganzheitlichen Prüfung wahrgenommen werden.
Landratspräsident Walter Jermann gibt bekannt, dass 13 Landratsmitglieder namentliche Abstimmung beantragt hätten.
://: Die Motion wird bei 3 Enthaltungen mit 39:37 Stimmen überwiesen.
Es stimmten mit Ja:
Aebi, Aeschlimann, Ammann, Bachmann, Bächtold, Bloch, Bollinger, Brassel, Bucher, Chappuis, Fuchs, Gallacchi, Graf, Halder, Hilber, Jäggi, Janiak, Jermann H., Jermann W., Krähenbühl B., Laube, Maag, Mattmüller, Meschberger, Nussbaumer, Plattner, Portmann, Rudin Ch., Rudin K., Schmied, Schneider, Steiger, Stöcklin, Tanner, Weller, Wyss D., Ziegler, Zimmermann A., Zoller.
Es stimmten mit Nein:
Baumann, Bognar, Brunner, Degen, Engel, Franz, Frey, Fritschi, Geier, Gerber, Grollimund, Haas, Holinger, Jourdan, Klein, Kohlermann, Krähenbühl J., Meier, Moll, Moser, Nufer, Pegoraro, Ribi, Ritter, Rohrbach, Ryser, Rytz, Schär, Schäublin, Schneeberger, Steiner, Thöni, Tschopp, Van der Merwe, Völlmin, Wegmüller, Wullschleger
Der Stimmen enthielten sich:
Blatter, Mangold, Wyss P.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei
Nr. 132
Verabschiedung von Landrat Claude Janiak
Landratspräsident Walter Jermann würdigt die Arbeit von Claude Janiak im Landrat, dankt ihm herzlich für sein grosses Engagement für den Kanton Basel-Landschaft und erklärt sich davon überzeugt, dass er dessen Anliegen auch in Bern bestens vertreten werde. Er wünsche ihm im Namen des Rats alles Gute für die Zukunft.
Der Rat bekräftige diese Laudatio mit Akklamation.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei
Fortsetzung des Protokolls vom 28. Oktober 1999