LR Protokoll 25. November 1999 (Teil 6)
Protokoll der Landratssitzung vom 25. November 1999
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Übersicht Landratssitzungen (Traktanden und Protokolle)
Nr. 226
11 1999/240
Fragestunde (4)
Landratspräsident Walter Jermann stellt fest, dass der Regierungsrat die Fragen der fortgeschrittenen Zeit wegen schriftlich beantworten werde.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei
Nr. 227
5 1999/147
Berichte des Regierungsrates vom 29. Juni 1999 und der Umweltschutz- und Energiekommission vom 14. Oktober 1999: Lärmschutzmassnahmen an den Kantonsstrassen in den Gemeinden Bottmingen und Oberwil
Jacqueline Halder , Präsidentin der Umweltschutz- und Energiekommission, fasst ihren Bericht kurz zusammen und weist darauf hin, dass - entgegen der ursprünglichen Aussagen von Regierung und Verwaltung - der Bund allenfalls bereit wäre, Subventionen auch bei sog. Erleichterungen zu leisten, wie aus einem Schreiben der Gemeinderäte von Bottmingen und Oberwil hervor gehe. Der Beschlussesentwurf im Kommissionsbericht ist um eine Ziffer 4 erweitert worden , wonach der Landrat zur Kenntnis nehme, dass nach dem heutigen Stand Bundesbeiträge in der Höhe von ca. 53% der Investitionskosten zu erwarten seien.
Weil es vor allem darum gehe, die betroffene Bevölkerung möglichst bald vom Lärm zu entlasten, bitte sie den Rat, auf das Geschäft einzutreten und den Landratsbeschluss zu verabschieden.
Röbi Ziegler stellt den Ordnungsantrag, die Beratungen während 10 Minuten zu unterbrechen. Bei dieser Vorlage handle es sich um ein finanziell und materiell nicht unbedeutendes Geschäft, das eine bessere Präsenz im Saal verdiene.
://: Der Ordnungsantrag Ziegler wird mit grosser Mehrheit angenommen und die Sitzung für 10 Minuten unterbrochen.
Max Ribi beantragt namens der FDP-Fraktion Rückweisung der Vorlage an die Umweltschutz- und Energiekommission.
Esther Bucher stellt als Sprecherin der SP-Fraktion fest, dass es bei dieser Vorlage darum gehe, die Wohnqualität der lärmgeplagten Bevölkerung an den stark befahrenen Strassen in Bottmingen und Oberwil zu verbessern. Weil es nicht möglich sei, die Lärmprobleme durch einfache Verkehrsberuhigungsmassnahmen zu beseitigen, bleibe nichts anderes übrig, als an oder unmittelbar bei der Bausubstanz einzugreifen. Lärmschutzfenster hätten gegenüber Lärmschutzwänden neben den unbestreitbaren Vorteilen den Nachteil, dass man sie kaum je offen stehen lassen könne und die Bewohner und ihre Kinder in den Vorgärten doch nicht geschützt wären.
Die SP-Fraktion findet es ungerecht, dass vor allem in der Kernzone als Folge der sog. Erleichterungen vielen Bewohnerinnen und Bewohnern kein Lärmschutz angeboten wird, obwohl die Lärmimmissionsgrenzwerte erreicht sind. Aus diesem Grund könne sich eine grössere Mehrheit der SP-Fraktion nicht hinter die Vorlage in der vorliegenden Form stellen. Sie wolle aber nicht zum Mittel der Rückweisung greifen, sondern mit Änderungsanträgen auf das Projekt direkt Einfluss nehmen.
Max Ribi sieht sich gerade durch die Argumentation der SP-Fraktion in der Ansicht bestätigt, dass Rückweisung der einzig richtige Weg sei, um zu einer befriedigenden Lösung zu kommen. Die Kanalisierung der Verkehrswege durch Lärmschutzwände stelle einen nicht zu unterschätzenden Eingriff in das Ortsbild dar, so dass es sich aufdränge, auf die Errichtung solcher Wände dort zu verzichten, wo Schallschutzfenster angebracht werden könnten. Weil es so oder so um schwerwiegende Eingriffe gehe, sollte die Vorlage nach Ansicht der FDP-Fraktion nicht übers Knie gebrochen, sondern einer erneuten Überprüfung unterzogen werden.
Uwe Klein unterstützt namens der CVP/EVP-Fraktion den Rückweisungsantrag, weil sich die Situation grundlegend geändert habe, nachdem fest stehe, dass gemäss Bundesverordnung doch mit Subventionen gerechnet werden könne. Zugleich werde der Regierung Gelegenheit gegeben, zu den Anliegen der heutigen Antragsteller Stellung zu nehmen.
Hanspeter Ryser gibt bekannt, dass die SVP-Fraktion beantrage, das Geschäft an den Regierungsrat zurück zu weisen, weil die in der Vorlage vorgesehenen Lärmschutzmassnahmen nicht in allen Fällen realisiert werden könnten, z.B. wenn die Errichtung einer Schallschutzmauer nicht möglich sei und an den Fenstern der betreffenden Liegenschaft die Alarmgrenze nicht erreicht werde. Von den in der Vorlage genannten 182 Liegenschaften ohne Massnahmen wiesen lediglich 37 keine lärmempfindlichen Räume auf, was bedeute, dass 145 Liegenschaften keiner Lärmsanierung zugeführt würden. Andererseits stehe im Kommissionsbericht, dass die bisherige, in Binningen angewendete Praxis aus Präjudizgründen nicht geändert werden könne. Weil es sich um ein kantonsweites Problem handle, müsse man es im jetzigen Zeitpunkt einer grundlegenden Lösung zuzuführen versuchen.
Mit der Rückweisung werde der Kommission Gelegenheit gegeben, die festgestellten Mängel der Vorlage zu beheben und über die heute gestellten Anträge zu diskutieren.
Margrit Blatter erklärt, dass die SD-Fraktion der Vorlage einstimmig zustimme. Die Versäumnisse der Vergangenheit im Bau- und Verkehrswesen hätten leider auch für die Öffentlichkeit nun einmal ihren Preis, und es sei nur zu hoffen, dass daraus für die Zukunft die richtigen Lehren gezogen würden. Ihre Fraktion lehne eine Rückweisung ab.
Alfred Zimmermann gibt seinem Erstaunen über die Haltung einiger Fraktionen Ausdruck, die plötzlich allerlei Bedenken geltend machten, obwohl ihre Vertretungen in der Kommission für die Vorlage gestimmt hätten. Der 12:0-Entscheid sei dort nur zustande gekommen, weil der Vertreter der Grünen, der gegen die Vorlage gestimmt hätte, nicht anwesend gewesen sei. Seine Fraktion lehne diese Vorlage eben so ab wie sie diejenige vor drei Jahren abgelehnt habe, wo es um die Lärmsanierungen in Binningen gegangen sei, weil sie den gewählten Ansatz als grundsätzlich falsch erachte und ein Leben hinter Lärmschutzwänden und -fenstern für unzumutbar halte.
Im ganzen Umweltschutzbereich gelte das Prinzip, dass die Verursacher von Immissionen zur Kasse gebeten werden müssten. Im Falle der Lärmschutzverordnung den Kanton als Verursacher zu bezeichnen, sei nichts weiter als eine rein juristische Konstruktion, weil natürlich nicht der Kanton, sondern die Masse von Autofahrenden den Lärm erzeugten. Es wäre der logischere Ansatz, bis zur Befreiung aller EinwohnerInnen vom Verkehrslärm einen Lärmschutzzuschlag auf die Autosteuer zu erheben oder "Tempo 30" einzuführen.
Die Fraktion der Grünen trete für Rückweisung ein, weil sie sich damit die Gelegenheit verschaffen wolle, in der UEK für ihre besseren Ideen zu werben.
Röbi Ziegler ist im Gegensatz zum Vorvotanten der Meinung, dass "Tempo 30" die Bevölkerung nicht von der Belästigung durch Strassenlärm befreie, weil diese Massnahme lediglich noch grössere Staus zur Folge haben würde. Max Ribi müsse bedenken, dass die Lärmbekämpfungsmöglichkeiten an den Fahrzeugen in den letzten Jahrzehnten weitgehend ausgereizt worden seien, so dass man in sie keine grossen Erwartungen mehr setzen sollte. Einzig in einer Einflussnahme auf die Fahrweise der Leute sehe er noch ein gewisses Potenzial.
Ein weiteres Problem bestehe darin, dass vielen BewohnerInnen in den Kernzonen wegen Platzmangels oder aus Gründen des Ortsbildschutzes kein Lärmschutz angeboten werden könne.
Abschliessend müsse er sein Befremden über die Desinformation der UEK durch die kantonale Fachstelle für Lärmschutz bezüglich der Bundessubventionen zu Protokoll geben. Wenn es sich sogar um eine bewusste Täuschung gehandelt haben sollte, hätte er jetzt allen Grund, sehr erbost zu sein. Um diese Subventionen in Anspruch nehmen zu können, beantrage er, in den Landratsbeschluss folgende neue Ziffer aufzunehmen:
2. neu Wo der Immissionsgrenzwert überschritten, der Alarmwert jedoch nicht erreicht ist und Lärmschutzwände aus Gründen des Ortsbildschutzes oder aus räumlichen Gründen nicht errichtet werden können, spricht der Kanton Beiträge an Schallschutzfenster oder ähnliche Massnahmen. Gleichzeitig beantrage er, den Kredit gemäss Ziffer 1 um 1,8 Mio. Franken zu erhöhen. Von einer Rückweisung verspreche er sich weder neue Erkenntnisse noch neue politische Mehrheiten, sondern bloss eine Verzögerung der Lärmschutzmassnahmen in den betroffenen Gebieten um mindestens ein halbes Jahr.
Ernst Thöni hält fest, dass die drei Vertreter der FDP-Fraktion nicht von dieser, sondern von der Post des BUWAL betreffend Bundessubventionen zur Meinungsänderung veranlasst worden seien. In der UEK habe er sich für das Aufbringen von "Flüsterbelägen" eingesetzt und nachträglich feststellen müssen, einer falschen Auskunft hinsichtlich Auswirkungen der Geschwindigkeit aufgesessen zu sein. Was "Tempo 30" anbelange, müsse der Argumentation von Röbi Ziegler nichts mehr hinzu gefügt werden. In dieser Situation beantrage er dem Rat, das Geschäft an die Kommission zurückzuweisen.
Peter Tobler bittet die Umwelt- und Energiekommission, bei einer allfälligen Rückweisung die Frage der Rechtsgrundlagen, Subventionsbestimmungen usw sorgfältig zu prüfen, weil er in verschiedenen Bereichen die Erfahrung gemacht habe, dass das BUWAL mittels Rundschreiben, Artikeln und Briefen zu legiferieren versucht und sich darauf beschränkt habe, nur das mitzuteilen, was einem Sachbearbeiter gerade in den Kram gepasst habe. Die Kommission wäre auch gut beraten, den Ortsbildschutz in die Überlegungen einzubeziehen.
Regierungsrätin Elsbeth Schneider erklärt, sich nicht zur Rückweisung äussern zu wollen, weil es Sache des Rates sei, darüber zu entscheiden. Was die Bau- und Umweltschutzdirektion angehe, glaube sie, der UEK korrekt Auskunft erteilt zu haben.
Zum Thema Lärmschutzwände müsse sie feststellen, dass von den 410 Objekten in Bottmingen und Oberwil 135 mit solchen versehen würden. Die eidgenössische Lärmschutzverordnung schreibe als Alarmwert 70 db vor, und der Kanton Basel-Landschaft habe diesen auf 68 db herab gesetzt, so dass viel mehr BewohnerInnen in den Genuss von Lärmschutzwänden und Schallschutzfenstern kämen.
Befürchtungen, dass die Ortskerne wahllos mit Lärmschutzwänden verunstaltet werden könnten, seien angesichts des hohen Stellenwerts der Ortsbilder in diesem Kanton und des Mitspracherechts der Denkmalpflege, der Ortsbildschutzpflege und der Gemeinden völlig unbegründet.
Die 240 anderen Objekte, von denen behauptet werde, dass sie durch die Maschen des Netzes fielen, wiesen eine Lärmbelastung von 65 bis 67 db auf. Durch die Herabsetzung des Alarmwerts um 2 db habe der Kanton die Schallschutzzone auf 15 Meter erweitert, so dass auch nicht direkt an die Strassen angrenzenden Objekte in den Genuss von Lärmschutzfenstern kämen. Im Übrigen verweise sie auf § 13 des kantonalen Umweltschutzgesetzes. Bei 410 in Frage kommenden Objekten wäre es allein schon aus administrativen Gründen problematisch, den Betroffenen die freie Wahle zwischen Schallschutzfenstern und -wänden zu überlassen. Letztlich sei alles eine Preisfrage, und in Oberwil und Bottmingen müsste man dann mit Mehrkosten von 3,2 Mio. Franken rechnen. Selbst wenn man statt 35 Lärmschutzwände die gleiche Anzahl Lärmschutzfenster vorsähe, käme man noch auf 1,6 Mio. Franken Mehrkosten. Abgesehen davon wäre es ungerecht, in diesen beiden Gemeinden eine grosszügigere Lösung vorzusehen als seinerzeit in Binningen. Eben so wenig könnte man im Hinblick auf künftige Begehren die Praxis wieder herunter fahren. Basel-Stadt habe die Baselbieter Lösung als sehr geschickt befunden und übernommen.
Roland Meury weist darauf hin, dass das Umweltschutzgesetz die Einführung von "Tempo 30" auf Kantonsstrassen aus Umweltschutzgründen durchaus zulasse und diese Massnahme nach einer zuverlässigen Studie eine reale Verminderung des Lärmpegels um 10 bis 4 db bringe. Wenn man dieses Resultat mit dem Effekt der Herabsetzung der Alarmgrenze um 2 db vergleiche, die man mit 3,2 Mio. Franken Mehrkosten erkaufe, sollte man eigentlich zu einer anderen als der in diesem Rat mehrheitlich vertretenen Bewertung der zu Gebote stehenden Massnahmen gelangen. Was die Durchsetzbarkeit eines Niedriggeschwindigkeitsszenarios angehe, könne in Stosszeiten wegen der Staus ohnehin niemand schneller als 30 km/h fahren und in den übrigen Zeiten entstehe bei diesem Tempo gar keine Stau. Wenn man alle Alternativen nur der Bequemlichkeit halber zum vornherein ablehne, komme man nie auf einen grünen Zweig.
Jacqueline Halder denkt, dass Rückweisung an die Kommission eine Mehrheit finden werde, obwohl die Aussicht, dass eine nochmalige Diskussion zu mehrheitlich anderen Ergebnissen führen werde, als sehr gering einzuschätzen sei. Es tue ihr persönlich für die betroffene Bevölkerung leid, dass sie wegen der Rückweisung eine weitere Verzögerung werde in Kauf nehmen müssen.
://: Die gleichlautenden Anträge der FDP- und der SVP-Fraktion, dass die Vorlage an die Kommission zurück zu weisen sei, werden grossmehrheitlich angenommen.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei
Nr. 228
Mitteilungen
Landratspräsident Walter Jermann macht darauf aufmerksam, dass am Sonntag, 28. November 1999, in Binningen ab 19.00 Uhr ein Apéro zu Ehren des neu gewählten Ständerats des Kantons Basel-Landschaft stattfinde: Seitens der Gemeinde ist signalisiert worden, dass der Landrat dort herzlich willkommen ist.
Für das Protokoll:
Erich Buser, Landeskanzlei
Die nächste Landratssitzung findet statt am Mittwoch, 15. Dezember 1999, 16 Uhr