2007-236 (1)


Mit Datum vom 20. September 2007 reichte Landrat Rolf Richterich folgende Interpellation ein und bat den Regierungsrat um eine schriftliche Antwort:

Der Regierungsrat beantwortet die Interpellation gerne wie folgt.


2. Antwort des Regierungsrates


2.1. Ausgangslage


Die von Landrat Richterich eingereichte Interpellation hat eine Vorgeschichte, deren kurze und zusammenfassende Darstellung die Ausgangslage erläutern kann.


Bereits am 22. September 2005 wurde im Rahmen der Fragestunde die Frage nach dem Ausschluss von Lehrpersonen aus den Sitzungen der Schulräte der Gymnasien gestellt:


„Die Vertretung der Lehrpersonen im Schulrat ist im Bildungsgesetz (§ 81) und in der entsprechenden Verordnung (§ 40) geregelt. Es gibt Schulräte, die die Vertretung der Lehrpersonen für einzelne Traktanden (insbesondere "Personelles") ausschliessen mit der Begründung, die Privatsphäre von zur Sprache kommenden Kolleginnen und Kollegen schützen zu müssen. Andere Schulräte hingegen begrüssen die Vertretung der Lehrpersonen bei allen Traktanden. Gesetzliche Grundlagen gibt es keine, dass der Lehrervertretung zu einem Traktandum das Anhörungs- und Mitspracherecht verweigert wird (selbstverständlich unter Wahrung der Ausstandspflicht für direkt Betroffene).


Fragen:
1. Ist der Regierung der beschriebene Sachverhalt bekannt?
2. Falls ja: Ist die Regierung nicht auch der Meinung, dass diesbezüglich eine für alle Schulräte (und Lehrervertretungen) einheitliche Handhabung angezeigt ist?
3. In welchem Sinne soll dies zukünftig geschehen (Ausschluss, Zulassung)?
4. Falls der Regierungsrat die Meinung vertreten sollte, die Angelegenheit sei weiterhin Sache jeder einzelnen Schule: Welche Instanz entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten?"


Regierungsrat Urs Wüthrich-Pelloli, Vorsteher der Bildungs-, Kultur und Sportdirektion, dem dieser Umstand zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt war, beantwortete die Fragen klar und eindeutig: „Es gibt keine gesetzliche Grundlage für einen Ausstand, es sei denn im Falle einer direkten persönlichen Betroffenheit." Dass diese Antwort impliziert, es sei die gleiche Praxis in allen Schulen anzuwenden und diese Praxis nicht Sache der Schule ist, versteht sich von selbst. Die Antwort von Regierungsrat Urs Wüthrich-Pelloli wurde unverzüglich auch an die Schulräte der basellandschaftlichen Gymnasien geschickt.


An der Praxis der Gymnasien änderte sich indessen nichts. Neu in den Blickpunkt rückten jetzt aber auch die Vertretungen der Schülerinnen und Schüler, die gemäss Bildungsgesetzgebung ebenfalls in den Schulräten Einsitz haben (allerdings ohne Stimmrecht).


Aufgrund verschiedener Rückmeldungen und Korrespondenzen aus den Gymnasien erbat der Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion am 29. März 2007 ein Gutachten des Rechtsdienstes des Regierungsrates „betreffend Zulässigkeit des Ausschlusses von Schülerinnen- und Lehrerkonventsvertretern von Schulratssitzungen". Die Antwort des Rechtsdienstes des Regierungsrates vom 19. April 2007 war in ihrer Aussage unmissverständlich klar: „Zusammenfassend halten wir fest, dass sich aus dem Gesetzeswortlaut von § 81 Bildungsgesetz ergibt, dass es nicht zulässig ist, Schülerinnen- und Schülervertreter sowie Lehrerinnen- und Lehrervertreter bei der Behandlung einzelner Traktanden von der Schulratssitzung auszuschliessen. Eine andere Auslegung der Gesetzesbestimmung ist unseres Erachtens nicht möglich, zumal sich der Landrat anlässlich der Beratung des neuen Bildungsgesetzes am 2. Mai 2002 bewusst gegen einen Ausschluss der Vertreterinnen und Vertreter der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schülerinnen und Schüler von einzelnen Traktanden entschieden hat."


Der Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion bat daher am 12. Juni 2007 in einem erneuten Schreiben an die Präsidentinnen und Präsidenten der Schulräte aller weiterführenden Schulen (ohne aprentas) sowie an deren Schulleitungen, dafür besorgt zu sein, dass an den weiterführenden Schulen endlich eine gesetzeskonforme Praxis eingehalten werde. Diesem Brief lagen zur Verdeutlichung der Meinung des Gesetzgebers die vom Interpellanten erwähnten Kommissionsprotokolle bei.


Nach der Einreichung der Interpellation durch Landrat Richterich - seines Zeichens Präsident des Schulrates des Gymnasiums Laufen - bat der Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion erneut den Rechtsdienst des Regierungsrates, die Vorhaltungen von Landrat Richterich aus juristischer Sicht zu würdigen. Bei der Beantwortung der Fragen des Interpellanten erlaubt sich der Regierungsrat, aus dem vom Rechtsdienst des Regierungsrates am 29. Oktober 2007 erstellten Gutachten „Interpellation Rolf Richterich: Vertraulichkeit von Kommissionsprotokollen (2007/236)" zu zitieren.




2.2 Allgemeine Beurteilung


Zur allgemeinen Situation schreibt der Gutachter:


„1. Obwohl im Recht unseres Kantons nirgendwo ausdrücklich festgeschrieben, gilt (schon) von Verfassungs wegen für sämtliche kantonale Behörden (Landrat, Regierungsrat und Verwaltung, Gerichte, Ombudsman) der "Geheimhaltungsgrundsatz mit Öffentlichkeitsvorbehalt". Zwar statuiert § 55 der Kantonsverfassung (KV) - unter dem Titel Öffentlichkeit - dass die Verhandlungen des Landrats und der Gerichte, gesetzliche Ausnahmen vorbehalten, öffentlich sind (Absatz1) und dass (ebenfalls unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen) jedermann Akten einsehen kann, die sich auf einen in die Zuständigkeit des Landrats fallenden Gegenstand beziehen; hingegen bestimmt Absatz 3 dieses Paragraphen (im Sinne einer Grundregel), dass Anspruch auf Einsicht in "die anderen amtlichen Akten" nur hat, wer ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft machen kann. Dass die Schweigepflicht die Regel bildet, ergibt sich auf der Gesetzesebene im Übrigen aus § 38 Absatz 1 des Personalgesetzes vom 25. September 1997 (PersG), wonach die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verschwiegenheit über Angelegenheiten verpflichtet sind, die ihrer Natur nach oder gemäss besonderer Vorschrift geheimzuhalten sind; die Pflicht zur Verschwiegenheit gilt ausdrücklich auch für die Mitglieder des Regierungsrates (vgl. § 2 Absatz 2 PersG). Demgegenüber gilt für die Gemeinden des Kantons Basel-Landschaft das "Öffentlichkeitsprinzip mit Geheimhaltungsvorbehalt". Dies ergibt sich aus § 21 Absatz 1 des Gemeindegesetzes vom 28. Mai 1970, wonach eine Geheimhaltungspflicht nur gilt, "sofern das öffentliche oder ein privates Interesse dies erfordert".


2. Was die Geschäftsführung des Landrates anbelangt, bestimmt § 55 Absatz 1 des Landratsgesetzes vom 21. November 1994 (LG), dass die Verhandlungen des Landrates öffentlich sind (vgl. aber Absatz 2 betreffend Ausschluss der Öffentlichkeit für die Behandlung bestimmter Geschäfte). Dementsprechend sind auch die Protokolle der (Plenar-)Sitzungen des Landrates (grundsätzlich) allgemein zugänglich. Im Unterschied dazu hält § 22 Absatz 1 LG fest, dass die Sitzungen der Kommissionen und deren Protokolle nicht öffentlich sind. Weiter bestimmt § 69 Absatz 1 LG (unter dem Titel Ausschluss des Akteneinsichtsrechts für die Öffentlichkeit), dass das in § 55 Absatz 2 der Kantonsverfassung vorgesehene Akteneinsichtsrecht für die Öffentlichkeit weder für Akten, die gemäss § 9 dieses Gesetzes vom Einsichtsrecht ausgeschlossen sind, noch für Kommissionsprotokolle besteht. Bezüglich der Kommissionsprotokolle schreibt § 26 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Landrates vom 21. November 1994 (GO) weiter vor, dass diese von den Kommissionen genehmigt und bestimmten Personen, darunter die Mitglieder des Regierungsrates, zugestellt werden. Laut Absatz 3 dieses Paragraphen sind die Kommissionen befugt, ihre Protokolle ganz oder teilweise vertraulich zu erklären und den Kreis der einsichts- und bezugsberechtigten Personen einzuschränken. Von dieser Möglichkeit haben unseres Wissens die Petitions- und die Geschäftsprüfungskommission (in genereller Weise) Gebrauch gemacht. Ihre Sitzungsprotokolle geltend demzufolge nicht nur als "nicht öffentlich" im Sinne des Landratsgesetzes, sondern als vertraulich. Entsprechend werden vertraulich erklärte Protokolle einem vergleichsweise eingeschränkteren Adressatenkreis zugestellt. Im Weiteren unterstehen vertraulich erklärte Kommissionsprotokolle von Gesetzes wegen dem Amtsgeheimnis (§ 6 Absatz 3 Buchstabe d LG).


3. Mit Blick auf den zur Diskussion stehenden Sachverhalt ist zunächst festzustellen, dass sich das kantonale Recht darin erschöpft, zu bestimmen, dass die Protokolle der Sitzungen der landrätlichen Kommissionen nicht öffentlich sind. Demgegenüber finden sich keine Regelungen bezüglich der Frage, ob besagte Protokolle auch anderen Personen zugänglich gemacht werden können als denjenigen, die dem "ordentlichen Adressatenkreis" angehören, wie er in § 26 GO festgeschrieben ist. Ausgehend davon ist zunächst zu prüfen, was unter der Wendung "nicht öffentlich" zu verstehen ist. Da das positive Recht selbst die Begriffe "öffentlich", "nicht öffentlich" sowie "Öffentlichkeit" nicht näher umschreibt, ist deren Gehalt zunächst aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs zu ermitteln. Danach meint "öffentlich" etwa für jeden hörbar und sichtbar, nicht geheim (Duden, Deutsches Universalwörterbuch) oder auch in/vor aller Öffentlichkeit, nicht geheim, vor aller Augen/Welt (Duden, Synonymwörterbuch). Öffentlich ist aufgrund dessen somit all das, was der Allgemeinheit, also jedermann, ohne Einschränkung zugänglich ist. Zum selben Schluss gelangt man, wenn man die fraglichen Begriffe aus den verschiedenen Sachzusammenhängen erklärt. So will etwa § 55 Absatz 1 KV, wonach die Verhandlungen des Landrats und der Gerichte öffentlich sind, zum Ausdruck bringen, dass ihnen grundsätzlich jedermann beiwohnen kann/darf. Damit übereinstimmend stellt das Landratsgesetz bei den Bestimmungen über das Akteneinsichtsrecht den Begriff der Öffentlichkeit demjenigen der (ganzen) Bevölkerung gleich (vgl. den Titel von § 69 LG [Ausschluss des Akteneinsichtsrechts für die Öffentlichkeit] sowie die Überschrift des Gesetzesabschnittes H. [Akteneinsichtsrecht für die Bevölkerung])."


Der Gesetzgeber will ausschliessen, dass die Protokolle von Sitzungen landrätlicher Kommissionen der Allgemeinheit, also der gesamten Bevölkerung, zugänglich sind oder aber zugänglich gemacht werden (können). Dementsprechend besteht der Sinn und Zweck der betreffenden Regelung auch darin, dass sich die Mitglieder der landrätlichen Kommissionen anlässlich der Sitzungen frei äussern können, ohne befürchten zu müssen, im Nachhinein (von welcher Seite und aus weIchen Gründen auch immer) mit ihren eigenen Voten konfrontiert zu werden.


Allerdings ist der Rechtsdienst des Regierungsrates der Auffassung, dass der Inhalt der Protokolle auch einem Personenkreis zugänglich gemacht werden könnte, der über die "ordentlichen Adressaten" hinausgeht. Weil damit aber der "Geheimhaltungsgrundsatz" durchbrochen wird, darf die Herausgabe von Protokollen „nur unter ganz bestimmten (restriktiven) Voraussetzungen geschehen." Die Herausgabe muss mit der Eigenschaft der Protokolle als Gesetzesmaterialen zusammenhängen. Das heisst das Zugänglichmachen von Protokollen muss der Ergründung des gesetzgeberischen Willens dienen. Oft ist nämlich „der (wirkliche) Wille des Gesetzgebers oftmals nur mit Hilfe der Untersuchung der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes zu eruieren. Dazu gehört, als eines der wichtigsten Mittel, der Beizug der Materialien (wie der Sitzungsprotokolle der landrätlichen Kommissionen). Mit Blick darauf ist […] eine ganze Reihe von Institutionen oder einzelnen Personen denkbar, denen Einsicht in die fraglichen Protokolle gewährt wird." Zu denken ist „hierbei in erster Linie an Gerichte, welche die Protokolle bei der Rechtsfindung heranziehen (müssen), oder aber an Mitarbeitende der (kantonalen) Verwaltung, die mit Gesetzgebungsprojekten befasst sind; im Weiteren kommen auch wissenschaftlich tätige Personen, wie etwa dissertierende oder habilitierende Juristinnen und Juristen sowie Historikerinnen und Historiker, in Betracht. Von diesen allen ist zu verlangen, dass sie sich für die Herausgabe auf ein hinreichendes (öffentliches) Interesse berufen können. Im Weiteren muss sichergestellt sein, dass es sich bei den Empfängern von Protokollen um klar definierte Institutionen oder Personen handelt. Selbstverständlich müssen diese dafür besorgt sein, dass die Unterlagen nicht an Unbefugte weitergegeben werden. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, dürfte die Herausgabe von "normalen" Sitzungsprotokollen landrätlicher Kommissionen aus rechtlicher Sicht unbedenklich sein. Vergleichsweise restriktiver muss […] das Zugänglichmachen von vertraulich erklärten Kommissionsprotokollen gehandhabt werden, zumal diese - wie erwähnt - von Gesetzes wegen dem Amtsgeheimnis unterstehen. Solche Protokolle dürfen […] nur herausgegeben werden, wenn hierfür ein gewichtiges öffentliches Interesse geltend gemacht werden kann und wenn die betreffende Kommission damit einverstanden ist."




2.3. Fragen der Interpellation


Zu den einzelnen Fragen der Interpellation äussert sich der Regierungsrat aufgrund des Gutachtens seines Rechtsdienstes wie folgt:


1. Unter welchen Bedingungen ist eine Veröffentlichung von Kommissionsprotokollen möglich?
Veröffentlichen nennt man den Vorgang, wenn etwas der gesamten Bevölkerung, also der Allgemeinheit - ohne jede Einschränkung - zugänglich gemacht wird. Die vom Interpellanten erwähnten Protokolle der Sitzungen der landrätlichen Erziehungs- und Kulturkommission wurden nicht öffentlich gemacht. Sitzungsprotokolle können einer speziellen, eng begrenzten Gruppe von Personen ausserhalb des ordentlichen Adressatenkreises zugestellt werden. „Die Herausgabe der Protokolle (oder von Teilen davon) setzt allerdings voraus, dass diese der Ergründung des Willens des Gesetzgebers, mithin der richtigen Rechtsanwendung, dient." Für die Herausgabe muss ein hinreichendes Interesse bestehen und die Aussagen in den Protokollen keine sensiblen Bereiche betreffen und keine diffizilen Äusserungen enthalten. Als vertraulich erklärte Protokolle unterliegen dem Amtsgeheimnis. Die Protokolle der landrätlichen Erziehungs- und Kulturkommission wurden nie als vertraulich erklärt. Im Gegenteil: Sie dienten immer wieder dazu, den tieferen Sinn von Regelungen der Bildungsgesetzgebung zu ergründen.


2. Wurden die allenfalls vorhandenen Bedingungen beim erwähnten Fall eingehalten?
Mit seinem Brief vom 12. Juni 2007 liess der Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion den Präsidien der Schulräte der Gymnasien und der Berufsfachschulen sowie den Schulleitungen der weiterführenden Schulen unseres Kantons die Protokolle zweier Sitzungen der landrätlichen Erziehungs- und Kulturkommission des Jahres 2001 zukommen. Er beabsichtigte, ihnen seinen Standpunkt und die Rechtslage in Bezug auf die Teilnahme von Schüler- und Lehrervertretungen an Sitzungen der Schulräte zu erläutern. Er wollte den Willen des Landrates bezüglich der erwähnten Regelungen offen legen. Schliesslich hatten die Schulräte während Jahren eine Praxis verfolgt, die mit dem Bildungsgesetz nicht vereinbar ist, ohne dass die frühere Aufforderung des Vorstehers der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion beziehungsweise in seinem Auftrag jene des Generalsekretärs der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion bei den betroffenen Schulbehörden zu einem Umdenken geführt hätte. Der Rechtsdienst des Regierungsrates beurteilt die Vorgehensweise des Direktionsvorstehers als „aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden". „Ganz im Gegenteil" erachtet er es „unter den gegebenen Umständen gar als geboten, dass der Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf die korrekte Anwendung der (neuen) Bildungsgesetzgebung pochte. Die Herausgabe der beiden Protokolle erscheint dem Rechtsdienst „zu diesem Zweck als unbedenklich, zumal diese weder vertraulich erklärt sind noch irgendwelche sensiblen Inhalte aufweisen. Auch sind die Protokolle durchaus geeignet, den vom Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion eingenommenen Standpunkt zu untermauern."


3. Falls nein, was für Konsequenzen zieht der Regierungsrat aus diesem Fall?
Weil das Vorgehen des Vorstehers der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion im Gutachten des Rechtsdienstes des Regierungsrates ohne Einschränkung als korrekt und sogar als geboten beurteilt wird, hat der Regierungsrat keine Konsequenzen zu ziehen.


4. Liegt allenfalls gar eine strafrechtlich relevante Handlung vor?
Das Gutachten des Rechtsdienstes ist nach Auffassung des Regierungsrates eindeutig: „Ausgehend davon, dass der zur Diskussion stehende Vorgang aus Sicht des kantonalen öffentlichen Rechts, wie sich ergeben hat, keinen Anlass zur Beanstandung gibt, liegt der Schluss nahe, dass damit auch kein strafrechtlich relevantes Verhalten verbunden ist." Es liegt weder eine Verletzung des Amtsgeheimnisses (Artikel 320 des Schweizerischen Strafgesetzbuches = StGB) noch die Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Artikel 293 StGB) vor. Die Sitzungsprotokolle der landrätlichen Erziehungs- und Kulturkommission wurde nur einem engen Kreis von Adressatinnen und Adressaten zugestellt. Schon aus diesem Grund kommt keiner der erwähnten Straftatbestände in Betracht. Darüber hinaus sind die Protokolle ausschliesslich denjenigen Stellen zur Kenntnis gebracht worden, die direkt mit der Umsetzung des Bildungsgesetzes betraut sind, nämlich den Schulräten! Der Rechtsdienst des Regierungsrates schliesst daraus, „dass das vom Interpellanten beanstandete Verhalten keine strafrechtliche Relevanz aufweist".


5. Wie gedenkt der Regierungsrat zukünftig der Vertraulichkeit nachzuleben?
Der Regierungsrat hat keinerlei Anlass anzunehmen, dass er der Vertraulichkeit nicht oder nur ungenügend nachlebe. Er hielt das Prinzip der Vertraulichkeit stets sehr hoch. Er wird dies auch weiterhin tun. Im Interesse einer möglichst offenen Diskussionskultur in den Kommissionen ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Protokolle vor der Herausgabe anonymisiert und mit einem Klassifizierungsvermerk an die Adresse der Empfängerinnen und Empfänger versehen werden sollen.


6. Wie wird der Verteiler der Kommissionsprotokolle in der Verwaltung gehandhabt?
Die Protokolle der Kommissionssitzungen werden auf der Grundlage der festgelegten Verteiler an die zuständigen Verwaltungsstellen weitergeleitet. Dabei gilt das vom Rechtsdienst des Regierungsrates angeführte Kriterium, dass hin und wieder zur Eruierung des Willens des Gesetzgebers die Kommissionsprotokolle hilfreich sein können. Die sorgfältige Nutzung der Kommissionsprotokolle ist also in einzelnen Fällen angezeigt und dient durchaus dem Respekt gegenüber dem gesetzgebenden Landrat.




3. Fazit


Zusammenfassend hält der Regierungsrat aufgrund des Gutachten des Rechtsdienstes der Regierungsrates fest, dass der Umstand, „dass die Protokolle von Sitzungen landrätlicher Kommissionen von Gesetzes wegen "nicht öffentlich" sind, nicht bedeutet, dass die Protokolle nicht einem klar beschränkten Kreis von Personen herausgegeben werden könnten, der über den ordentlichen Adressatenkreis hinausgeht. Ein derartiges Vorgehen ist insbesondere dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn dadurch der 'wirkliche Wille des Gesetzgebers ergründet und vermittelt werden soll, d.h. wenn die Herausgabe (dem übergeordneten öffentlichen Interesse) der richtigen Rechtsanwendung dient." Die Herausgabe der beiden Protokolle, die weder vertraulich erklärt sind noch sensible Inhalte aufweisen, hatte zum Zweck, den Willen des Gesetzgebers zur Teilnahme von Lehrer- und Schülervertretungen an Schulratssitzungen zu erläutern und den Willen des Vorstehers der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion deutlich zu machen. Dagegen ist aus der juristischen Sicht des Gutachters nichts einzuwenden; „ganz im Gegenteil war die Herausgabe unseres Erachtens geboten, um einer fortgesetzten, unrichtigen Rechtsanwendung Einhalt zu gebieten." Das fragliche Vorgehen ist aus strafrechtlicher Sicht unbedenklich. Es wurden weder Geheimnisse offenbart noch geheim erklärte Akten an die Öffentlichkeit gebracht.


Der Regierungsrat weist in diesem Zusammenhang nochmals ausdrücklich auf den Willen des Gesetzgebers hin. Die Äusserungen im Landrat, welche im Protokoll der Landratssitzung vom 2. Mai 2002 zum Ausdruck kommen, sind eindeutig. In der seinerzeitigen Debatte ging es ganz konkret um die Frage einer Ausstandsregelung für die Vertretung der Lehrpersonen sowie der Schülerinnen und Schüler. Dem Antragsteller für eine solche Einschränkung der Mitwirkung hielt die aktuelle Präsidentin des Schulrats des Gymnasiums Liestal laut Landratsprotokoll entgegen: „...dass ein Schulrat, der seine Aufgabe ernst nehme mit Offenheit und Transparenz umgehen könne". Der Antrag wurde mit klarer Mehrheit abgelehnt.


Selbstverständlich vertritt der Regierungsrat die Auffassung, dass die Vertretung der Lehrpersonen sowie der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage einer ordentlichen Wahl durch das zuständige Gremium und für einen klar definierten Zeitraum erfolgen muss.


Im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion über die Mitwirkung der Schülerinnen und Schüler in den Schulräten scheint dem Regierungsrat ein Aspekt besonders bedenklich: Die Grundhaltung der Schulräte der Gymnasien lässt nicht erkennen, dass die Schülerinnen und Schüler der Gymnasien von den Aufsichtsbehörden als verantwortungsbewusste, eigenständige, kritische und aktiv mitdenkende junge Menschen und mündige Bürgerinnen und Bürger betrachtet werden. Gerade im Rahmen des Projekts „Model United Nations", das unlängst am Gymnasium Liestal mit grossem Erfolg und erfreulich zahlreicher Beteiligung realisiert wurde, haben engagierte und motivierte Schülerinnen und Schüler den Beweis erbracht, dass ihnen die Zukunftsgestaltung im Rahmen unserer demokratischen Gesellschaftsordnung ein ernsthaftes Anliegen ist.


Eine Änderung eines aufgrund der bestehenden, geltenden gesetzlichen Grundlagen von den Schulräten des Gymnasien als störend eingeschätzten Umstandes kann nur über den Weg einer neuerlichen Diskussion des Gesetzgebers in die Wege geleitet werden.


Liestal, 4. Dezember 2007


Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Pegoraro
Der Landschreiber: Mundschin



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