2007-277
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Stellungnahme zur formulierten Gesetzesinitiative "Für einen leistungsstarken Öffentlichen Verkehr (ÖV-Initiative)"
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vom:
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6. November 2007
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Nr.:
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2007-277
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Bemerkungen:
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Acrobat (PDF):
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1. Zusammenfassung
Die vorliegende Initiative "Für einen Leistungsstarken Öffentlichen Verkehr (ÖV-Initiative)" wurde am 24. Januar 2007 eingereicht und mit dem Landratsbeschluss 2007/122 vom 21. Juni 2007 für gültig erklärt. Die Initiative verlangt einerseits die Schaffung eines Fonds für die Finanzierung der Investitionen im öffentlichen Verkehr und andererseits die rasche Realisierung von drei konkreten Bauvorhaben.
Die Schaffung eines Fonds für den öffentlichen Verkehr weist gegenüber der heutigen Finanzierung über die laufende Rechnung des Kantons hauptsächlich Nachteile auf. Mit dem neuen Finanzierungsinstrument werden verschiedene neue Gefahren für den kantonalen Haushalt geschaffen, obwohl sich keine Notwendigkeit zur Ablösung des bisherigen Systems der Objektfinanzierung im öffentlichen Verkehr ergibt.
Erfahrungen mit einem solchen Fonds liegen vor allem aus dem Kanton Zürich vor. Diese müssen aber auch vor dem Hintergrund einer grundlegend unterschiedlichen Organisation des öffentlichen Verkehrs (Verkehrsverbund) gesehen werden und können nicht auf den Kanton Basel-Landschaft übertragen werden.
Die in der Initiative enthaltenen Projekte sind unbestritten wichtige Vorhaben zur Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs in den nächsten Jahren. Die vorgegebene Realisierung erster Bauvorhaben bis 2010 und die damit in Aussicht gestellten Angebotsverbesserungen sind nicht realistisch. Da die Vorhaben insbesondere im Bereich der Regio-S-Bahn einen Umfang von mehreren Hundert Millionen Franken haben, ist eine namhafte Mitfinanzierung des Bundes notwendig. Sollte ein solches Programm auf Gesetzesstufe verankert werden, so hätten der Landrat und der Regierungsrat kaum noch eine Möglichkeit, auf neue Entwicklungen zu reagieren. Zudem hat die geforderte Einleitung der Planung für diese Projekte in den meisten Fällen schon stattgefunden. Die Umsetzung der Initiative ist in diesem Bereich also bereits teilweise erfolgt, was wiederum deren Unnötigkeit unterstreicht.
Der Regierungsrat empfiehlt aufgrund der dargelegten Gründe dem Landrat die Ablehnung der Initiative.
2. Ausgangslage
Die vorliegende Initiative "Für einen Leistungsstarken Öffentlichen Verkehr (ÖV-Initiative)" wurde am 24. Januar 2007 eingereicht und mit dem Landratsbeschluss 2007/122 vom 21. Juni 2007 für gültig erklärt. Die „ÖV-Initiative" ist als formulierte Gesetzesinitiative gemäss § 28 Abs. 2 der Kantonsverfassung ausgestaltet. Sie verlangt die Ergänzung des kantonalen Gesetzes zur Förderung des öffentlichen Verkehrs (ÖVG; SGS 480) durch die Paragraphen 6a und 14a:
§ 6a Kantonaler Verkehrsfonds
1
Die Investitionsbeiträge gemäss § 6 dieses Gesetzes werden durch einen Fonds finanziert.
2
Der Landrat weist dem Fonds mit dem Voranschlag jährlich Einlagen von mindestens 15 Mio. Franken zu. Der Regierungsrat erstattet jährlich mit dem Voranschlag Bericht über den Stand des Fonds sowie das Investitionsprogramm und dessen Finanzierung.
3
Der Landrat beschliesst über den Verzicht auf weitere jährliche Einlagen in den Fonds, falls solche zur Erreichung seines Zwecks nicht mehr nötig sind.
4
Kredite können im Zeitpunkt der Bewilligung den Bestand des Fonds übersteigen.
§ 14a Angebotsverbesserungen ab 2010
1
Zur Angebotsverbesserung ab dem Jahr 2010 leiten die kantonalen Behörden unter der Federführung des Regierungsrates unverzüglich alle rechtlichen und sachlich notwendigen Schritte zur Bewilligung und unverzüglichen Umsetzung folgender Massnahmen ein:
a. Bauliche Infrastrukturanpassungen im Bahnhof Liestal (Wendegleis) und im Birstal (Doppelspurinseln) zur Einführung des 15-Minuten-Takts auf der S-Bahn-Linie Liestal - Basel - Laufen, verbunden mit der Gewährung eines kantonalen Investitionsbeitrages an die Ausbaukosten.
b. Bauliche Infrastrukturerweiterungen zur Verlängerung der Tramlinie 2 von Binningen nach Bottmingen, oder alternativ Bauprojektierung des „Margarethenstichs" (Direktverbindung Leimental - Bahnhof SBB Basel), verbunden mit der Gewährung eines kantonalen Investitionsbeitrages an ie Ausbaukosten.
c. Bauliche Infrastrukturerweiterung zur Schaffung einer leistungsfähigen Tramverbindung zwischen Dornach-Arlesheim und Reinach via das Gebiet Kägen, oder alternativ eine leistungsfähige Buserschliessung.
2
Der Regierungsrat erstattet der Öffentlichkeit über die eingeleiteten Schritte und über den Sachstand jährlich Bericht.
Der Regierungsrat hat sich mit dem Beschluss (RRB 0794/2007) eingehend mit der Frage der Rechtsgültigkeit der Initiative befasst. Der Rechtsdienst des Regierungsrates hat in seinem Bericht festgehalten, dass keine Gründe für die Ungültigkeit der Initiative vorliegen. Insbesondere ist die Einheit der Materie gewahrt, auch wenn die Initiative aus zwei vordergründig unterschiedlichen Forderungen besteht. Einerseits soll ein Fonds für Investitionsbeiträge des Kantons an den öffentlichen Verkehr geschaffen werden, andererseits sollen konkrete Bauprojekte realisiert werden. Da jedoch ein innerer Sachzusammenhang zwischen diesen beiden Zielen besteht, ist das Erfordernis der Einheit der Materie erfüllt.
Die Initiative kann nur als Ganzes zur Abstimmung kommen. Für die Beurteilung der Initiative ist dies insofern von Bedeutung, als dass nur eine gesamthafte Empfehlung auf Ablehnung oder Unterstützung erfolgen kann, unabhängig von der Beurteilung der einzelnen Bestandteile.
3. Die Teile der Initiative im Einzelnen
3.1. § 6a Kantonaler Verkehrsfonds
3.1.1. Absatz 1: Fonds für die Investitionen in den öffentlichen Verkehr
Die Investitionsbeiträge gemäss § 6 dieses Gesetzes werden durch einen Fonds finanziert.
Der Absatz 1 stellt eine fundamentale Umstellung der bisherigen Finanzierungspraxis im öffentlichen Verkehr dar. Dabei gilt es stets folgende grundsätzliche Unterscheidung zu berücksichtigen:
Abbildung 1: Unterschiedliche Finanzierungsarten im öffentlichen Verkehr
§ 6 ÖVG behandelt lediglich die Finanzierung der Investitionen in die Infrastruktur. Die Beiträge an den Regionalen Personenverkehr (RPV) als auch an den Betrieb der Infrastruktur sind davon nicht betroffen und bleiben somit von der Initiative unberührt.
Bislang erfolgte die Finanzierung solcher Vorhaben über objektbezogene Verpflichtungskredite. Aktuelle Beispiele sind die Regio-S-Bahn Basel und die Depoterweiterung der BLT in Oberwil. Bei Projekten, welche Privatbahnen betrafen, beteiligte sich auch der Bund an der Finanzierung. Dabei wurden Vereinbarungen zwischen Bund, Kanton und der beteiligten Transportunternehmung (TU) abgeschlossen. Bundesseitig erfolgte seit dem 1. Januar 2007 ein Praxiswechsel. Zukünftig wird die Finanzierung der Infrastrukturerweiterungen nicht mehr über einzelne Vereinbarungen erfolgen, sondern über die jährlichen Finanzierungstranchen des Bundes an die Transportunternehmen. Dabei werden die Infrastrukturbauten getrennt abgerechnet (Abschreibungsrechnung) und der Finanzierungssaldo entsprechend ausgeglichen. Finanzierungslücken müssen durch die TU langjährig im Voraus durch die sogenannte Mittelfristplanung angekündigt werden. Diese Mittelfristplanung ist integraler Bestandteil der jährlichen Finanzierungsvereinbarung. Es handelt sich dabei um eine Vorstufe zu zukünftig vorgesehenen mehrjährigen Programmvereinbarungen zwischen dem Bund und den einzelnen TU.
Die Finanzierung der Infrastruktur der Privatbahnen ist eine Verbundaufgabe zwischen Bund und Kantonen. Es ist den Kantonen freigestellt, zukünftig entweder ebenfalls Programmfinanzierungen mit den TU abzuschliessen oder beim bisherigen System der Objektfinanzierung zu bleiben. Der Kanton Basel-Landschaft sieht keinen Grund, von der Praxis der Objektfinanzierung abzuweichen.
Im Gegensatz zur Infrastrukturfinanzierung der Privatbahnen erfolgt die Finanzierung der SBB Infrastruktur in der Regel alleine durch den Bund. Wünscht ein Kanton jedoch gezielte zusätzliche Infrastrukturausbauten, welche über die Bundesprogramme hinausgehen, so erfolgt die Finanzierung dieser Zusatzwünsche ohne Bundeshilfe nur zwischen der SBB und dem betroffenen Kanton. Die Regio-S-Bahn Basel ist ein typisches Beispiel für diese besondere Art der Finanzierung. Sie wird vom bestehenden Bundesrecht bislang nicht erfasst. Sollte eine Fondsfinanzierung auf kantonaler Stufe ins Auge gefasste werden, so müssten auch diese Investitionen darin erfasst werden.
Die Finanzierung über einen Fonds ist aufgrund des kantonalen Finanzhaushaltsgesetzes (FHG) eine mögliche Finanzierungsart für kantonal mitfinanzierte Infrastrukturen. Es ist formell und materiell durchaus möglich, einen Fonds nach § 17 FHG für den öffentlichen Verkehr einzurichten.
3.1.2. Absatz 2: Höhe des Fonds und Kompetenz
Der Landrat weist dem Fonds mit dem Voranschlag jährlich Einlagen von mindestens 15 Mio. CHF zu. Der Regierungsrat erstattet jährlich mit dem Voranschlag Bericht über den Stand des Fonds sowie über das Investitionsprogramm und dessen Finanzierung.
Dieser Absatz enthält sowohl eine materielle Aussage über die Höhe der Einlagen als auch eine Kompetenzzuweisung betreffend die Führung des Fonds. Betreffend die Höhe der Fondseinlagen lohnt sich ein Vergleich mit den Ausgaben für die Infrastrukturerweiterungen in den vergangenen Jahren:
Jahr
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2001
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2002
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2003
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2004
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2005
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2006
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2007 Budget
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2008 Budget
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o 2001 - 2008
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Beiträge Bund (in Tsd. CHF)
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1'615
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0
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254
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433
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1'903
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2'661
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1'447
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unb.
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1'039
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Beiträge Kanton (in Tsd. CHF)
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8'365
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0
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1'173
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2'000
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22'972
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23'081
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22'272
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12'540
|
11'550
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Die Tabelle 1 zeigt, dass für die Investitionen der vergangenen Jahre ein kantonaler Anteil von durchschnittlich ca. 11,5 Mio. CHF aufgewendet wurde. Die vorgeschlagene Zahl von 15 Mio. CHF wäre also durchaus ausreichend gewesen. Dabei wären sogar durchschnittlich 4 Mio. CHF nicht benötigt worden. Theoretisch hätte der Fonds über diese acht Jahre hinweg kumuliert einen Bestand von rund 28 Mio. CHF angehäuft.
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die kantonalen Beiträge in den vergangenen Jahren starken Schwankungen unterworfen waren. Seit dem Jahr 2005 werden diese Beiträge nicht mehr über die Investitionsrechnung, sondern über die laufende Rechnung des Kantons verbucht. Grund dafür ist der nach der Projektausführung in der Regel erfolgende Eigentumsübergang. Das führt dazu, dass der Saldo des Amts für Raumplanung Schwankungen von bis zu 20 Mio. CHF pro Jahr unterworfen ist. Die Begründung dieser Schwankungen in der laufenden Rechnung ist bei der aktuell allgemein positiven Finanzlage des Kantons zweifellos einfacher als bei konjunkturellen oder gar strukturellen Defiziten auf kantonaler Ebene. Die Einrichtung eines Fonds würde eine Möglichkeit darstellen, die zu budgetierenden Mittel für Investitionen in den öffentlichen Verkehr zu verstetigen. Allerdings würde keine kostendämpfende Wirkung erzielt und in einzelnen Jahren eine unnötige Belastung für den kantonalen Haushalt bewirkt. Dies wiederum könnte andere baureife kantonale Vorhaben blockieren.
Die Formulierung "mindestens" lässt dem Parlament die Möglichkeit, je nach Notwendigkeit, dem Fonds zusätzliche Mittel zukommen zu lassen. Damit könnten auf Wunsch des Parlaments zusätzliche Investitionen getätigt werden. Im Vergleich mit der heutigen Regelung stellt dies aber keine Veränderung dar, da aktuell keine formale Begrenzung für einen Kreditantrag an das Parlament besteht. Das Parlament ist in der Genehmigung von Mitteln frei, soweit das Volk nicht aufgrund eines Referendums die Vorlage nachträglich ablehnt.
Die Kompetenzzuweisung an den Regierungsrat ist ein weiterer zentraler Punkt dieses Absatzes. Dass die Verwaltung für die praktische Durchführung der Zahlungen zuständig wäre, ist unbestritten. Die Pflicht des Regierungsrates zur Berichterstattung über den Stand des Fonds und des Investitionsprogramms stellt eine Analogie zur ordentlichen Berichterstattung des Regierungsrates an das Parlament dar. Insofern ergeben sich keine Verschiebungen bei der Zuweisung der Kompetenzen zwischen Parlament und Regierung. Offen bleiben aber folgende Fragen:
Welches Organ beschliesst über die zu realisierenden Projekte? Der Initiativtext macht zwar unter § 14a konkrete Vorschläge, welche Projekte unbedingt mit den Mitteln des Fonds finanziert werden müssen, was aber mit weiteren Projekten geschieht, wird nicht dargelegt. Laut § 6 ÖVG ist der Kanton für die Gewährung von Krediten zuständig. Innerhalb des Kantons fällt diese Kompetenz nach § 26 und § 34 FHG dem Landrat zu, da es sich eindeutig um Verpflichtungskredite handelt. Damit kein Abbau der Mitspracherechte des Volkes vorgenommen wird, muss auch gewährleistet sein, dass diese Beschlüsse weiterhin dem fakultativen Referendum unterstehen. Selbst bei Annahme der Initiative wären somit die unter § 14a des Initiativtextes vorgesehenen Projekte vor dem Bau durch das Parlament zu bewilligen, inklusive des dafür vorgesehenen Kostenrahmens zulasten des Fonds. Die Initiative stellt keine Ausgabenermächtigung dar. Ob die Initiative die vorgesehenen Ziele überhaupt zu erreichen vermag, wäre also auch bei einer Annahme keineswegs sicher.
Ebenfalls unbeantwortet lässt dieser Abschnitt des Initiativtextes die Frage nach der Ausgestaltung des Leitungsgremiums über den Fonds. Es wäre in einem Fondsreglement festzulegen, welche Direktionen und Dienststellen in die Entscheidungen betreffend den Fonds mit einzubeziehen sind. Auch die parlamentarische Kontrolle muss in einem adäquaten Mass gewährleistet sein. In diesem Bereich ist die Initiative unpräzise.
3.1.3. Absatz 3: Anpassung der Einlagen
Der Landrat beschliesst über den Verzicht auf weitere jährliche Einlagen in den Fonds, falls solche zur Erreichung seines Zwecks nicht mehr nötig sind.
Dieser Absatz gibt dem Landrat das Recht, auf weitere Einlagen in den Fonds zu verzichten, soweit der Zweck des Fonds erfüllt ist. Wie die Erfüllung des Zwecks zu messen ist, lässt der Text aber offen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Initianten nicht nur die Erfüllung der im § 14a des Initiativtextes geforderten Projekte anstreben, sondern mit der Schaffung des Fonds eine grundsätzliche Umstellung des Finanzierungssystems für Infrastrukturprojekte im öffentlichen Verkehr erreichen wollen. Da jedoch an Projekten, welche man mit dem Fonds finanzieren könnte, wohl kaum je Mangel herrschen wird, muss es der parlamentarischen Entscheidung überlassen werden, über weitere Einlagen in den Fonds im Zweifelsfall zu entscheiden.
3.1.4. Absatz 4: Kreditbewilligungen über den Fondsbestand hinaus
Kredite können im Zeitpunkt der Bewilligung den Bestand des Fonds übersteigen.
Dieser Absatz ermöglicht es, auch über die aufgelaufenen Mittel aus der Differenz von Fondseinlage und Fondsentnahme hinaus Kredite zulasten des Fonds zu gewähren. Über die mögliche Höhe einer solchen Verschuldung des Fonds wird keine Aussage gemacht. Dies ist insofern kritisch zu würdigen, da auch keine Aussage über die Rückzahlungsfrist gemacht wird. Die Gefahr einer dauernden Verschuldung des Fonds ist angesichts der umfangreichen Liste möglicher Projekte und Wünsche nicht von der Hand zu weisen. Überdies ist zu beachten, dass derartige "Vorausentnahmen" aus dem Fonds liquiditätswirksam sind.
3.2. § 14a Angebotsverbesserungen ab 2010
Der zweite Teil der Initiative fordert den Bau von insgesamt drei Bauwerken zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs im Kanton Basel-Landschaft. Es ist vorgesehen, dass diese Bauwerke durch den vorgesehenen Verkehrsfonds finanziert werden sollen, wobei davon auszugehen ist, dass diese Liste nicht abschliessend ist, sondern ein Minimalprogramm darstellt. Der Fonds würde nach erfolgter Finanzierung dieser Projekte aller Voraussicht nach bestehen bleiben und anderen Vorhaben zur Verfügung stehen.
3.2.1. Absatz 1: Projektliste
1 Zur Angebotsverbesserung ab dem Jahr 2010 leiten die kantonalen Behörden unter der Federführung des Regierungsrates unverzüglich alle rechtlichen und sachlich notwendigen Schritte zur Bewilligung und unverzüglichen Umsetzung folgender Massnahmen ein:
a.
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Bauliche Infrastrukturanpassungen im Bahnhof Liestal (Wendegleis) und im Birstal (Doppelspurinseln) zur Einführung des 15-Minuten-Takts auf der S-Bahn-Linie Liestal - Basel - Laufen, verbunden mit der Gewährung eines kantonalen Investitionsbeitrages an die Ausbaukosten.
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b.
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Bauliche Infrastrukturerweiterungen zur Verlängerung der Tramlinie 2 von Binningen nach Bottmingen, oder alternativ Bauprojektierung des „Margarethenstichs" (Direktverbindung Leimental - Bahnhof SBB Basel), verbunden mit der Gewährung eines kantonalen Investi-tionsbeitrages an die Ausbaukosten.
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c.
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Bauliche Infrastrukturerweiterung zur Schaffung einer leistungsfähigen Tramverbindung zwischen Dornach-Arlesheim und Reinach via das Gebiet Kägen, oder alternativ eine leistungsfähige Buserschliessung.
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Die geforderte Einrichtung eines Viertelstundentaktes zwischen Liestal, Basel und Laufen ist eine bekannte Forderung, welcher auch die Regierungen der Nordwestschweizer Kantone die nötige Beachtung schenken. Es ist aufgrund des aktuellen Wachstums der Passagierzahlen auf der S3 (Olten - Basel - Laufen - Delémont - Porrentruy) absehbar, dass die Kapazität in den nächsten Jahren nicht mehr ausreichen wird. Kurzfristig ist der Einsatz einer dritten Komposition pro Zug (dreifacher Flirt) möglich. Darüber hinaus sind aber mit der bestehenden Infrastruktur keine Verbesserungen mehr möglich. Da grosse Infrastrukturausbauten immer sehr viel Planungszeit brauchen, hat die Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs in der Nordwestschweiz (KöV NWCH) im Juni 2006 der SBB einen Planungsauftrag für einen weiteren Ausbau der Regio-S-Bahn Basel erteilt. Die KöV NWCH hat an der Sitzung vom 1. Juni 2007 von den Ergebnissen des Planungsauftrags Kenntnis genommen. Als favorisierte mögliche Angebotserweiterungen gelten die Einführung eines zusätzlichen Schnellzuges zwischen Delémont und Basel, sowie die Einführung des Viertelstundentaktes zwischen Liestal und Basel. Einer dieser zusätzlichen Züge könnte über Liestal hinaus bis Gelterkinden verlängert werden. Dieses Ausbauprogramm würde Kosten von ca. 500 Mio. CHF verursachen. Besonders hohe Kosten verursachen dabei die notwendigen Entflechtungsbauwerke in Muttenz und Pratteln. Diese belaufen sich zusammen auf ca. 300 Mio. CHF. Die Wendegleise in Liestal und Gelterkinden kosten nochmals 60 Mio. CHF. Im Laufental werden Doppelspurabschnitte zwischen Zwingen und Grellingen sowie der Ausbau der Bahnhöfe Bärschwil und Duggingen notwendig. Da diese Projekte die Finanzierungsmöglichkeiten des Kantons bei weitem übersteigen, sind diese Projekte zur Aufnahme in die Gesamtschau des Bundes über die zukünftige Entwicklung der Bahnprojekte (ZEB) angemeldet. Die Projekte sind ebenfalls Bestandteil des Agglomerationsprogramms Basel. So sollte eine Mitfinanzierung des Bundes in jedem Fall gewährleistet sein. Der Regierungsrat wird über den Stand der Planungen 2008 Bericht an den Landrat erstatten. Die von den Initianten geforderte Einleitung der Planungen für den Ausbau des öV auf dem Abschnitt Liestal - Basel - Laufen ist also bereits erfolgt. Eine rasche Realisierung hängt aber von der Bereitschaft des Bundes und des Kantons ab, die Kosten zu tragen. Selbst im besten Fall ist aber eine Realisierung vor 2018 aufgrund der langen Planungs- und Entscheidungsprozesse sowie der notwendigen Mitfinanzierung durch den Bund (Agglomerationsprogramm) nicht realistisch.
Die Verbesserung der Anbindung des Leimentals an den Bahnhof Basel SBB mit dem öffentlichen Verkehr ist schon seit über 20 Jahren eines der Ziele der Regierung des Kantons Basel-Landschaft. 2007 wurden die Grundlagen für einen Variantenentscheid zwischen der Verlängerung der Tramlinie 2 und dem Margarethenstich ausgearbeitet. Dieser Grundlagenbericht wurde von Mai bis August 2007 in eine breite Vernehmlassung geschickt. Es ist vorgesehen, die Ergebnisse rasch auszuwerten und einen Entscheid herbeizuführen. Danach ist die Machbarkeit vertieft zu prüfen und das Vorprojekt auszuarbeiten. Es ist vorgesehen, dieses Projekt mit sehr hoher Priorität voranzutreiben. Entsprechend ist es im Agglomerationsprogramm als Projekt auf der A-Liste vermerkt. Auch in diesem Fall kann gesagt werden, dass der Kanton die geforderte Einleitung der nötigen Planungsschritte bereits vorgenommen hat und die Initiative insofern bereits teilweise erfüllt wurde.
Die Erweiterung der Infrastruktur und des Angebotes auf der Tangentialverbindung zwischen dem Leimental und dem Birsigtal ist ebenfalls im Agglomerationsprogramm enthalten. Die Planungen dafür werden in den nächsten Jahren anlaufen. Angesichts der rasch wachsenden Bedeutung der tangential zu Basel verlaufenden Verkehrsströme bestehen gute Chancen auf einen zügigen Projektverlauf.
3.2.2. Absatz 2: Bericht des Regierungsrates
Der Regierungsrat erstattet der Öffentlichkeit über die eingeleiteten Schritte und über den Sachstand jährlich Bericht.
Diese Forderung ergibt sich folgerichtig aus dem vorgesehenen § 6a Abs. 2 des Initiativtextes. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Regierungsrat operativ über den Fonds verfügen würde. Die genaue Zuteilung der Kompetenzen müsste in einem Fondsreglement auf der Grundlage von § 17 FHG erfolgen.
4. Würdigung der Initiative
Eine Beurteilung der Initiative kann nur getrennt nach den § 6a und § 14a erfolgen, da die aufgestellten Forderungen zwar einen Zusammenhang aufweisen, jedoch grundsätzlich unterschiedliche politische und rechtliche Sachgebiete betreffen.
4.1. Beurteilung der Idee eines Fonds
Die Forderung nach Einrichtung eines kantonalen Verkehrsfonds für den öffentlichen Verkehr weist einen Vorteil auf:
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Gegenüber dem Bund kann die Planungssicherheit betreffend die kantonale Mitfinanzierung von Investitionsvorhaben erhöht werden. Dies ist insbesondere bei der Umsetzung des Agglomerationsprogramms ein Vorteil. Eine aktive Steuerung des Fonds würde die konkret mögliche Höhe der kantonalen Mitfinanzierung transparent machen.
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Es wird eine zusätzliche Einrichtung geschaffen, obwohl das bestehende System bislang gut funktioniert hat.
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Die jährliche Ausstattung des Fonds mit 15 Mio. CHF ist aufgrund der absehbaren (und im Initiativtext geforderten) Projekte eher schwach. Sollten diese Projekte durch den Bund mitfinanziert werden, so ergibt sich aber immer noch eine minimale Beteiligung des Kantons im Umfang von 250 Mio. CHF (resp. ca. 50 % von 500 Mio. CHF für die Regio-S-Bahn bis 2018). Die Finanzierung über einen solchen Fonds erweist sich somit als unrealistisch.
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Die Verwendung des Fonds für ein nicht finanzierbares "Wunschkonzert" ist nicht ausgeschlossen. Die Verschuldungsmöglichkeit kann zu Finanzierungsentscheiden führen, welche die Staatskasse dauerhaft belasten und zukünftigen Generationen zusätzliche Lasten aufbürden.
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Der Fonds kann bei entsprechend schlechter Budgetlage rasch zum Spielball von einzelnen Interessen werden. Während gute Rechnungsabschlüsse zu zusätzlichen Einlagen verleiten können, lässt die vorliegende Formulierung auch die Kürzung der Einlage zu, wenn das Parlament den Zweck als erfüllt ansieht. Diese Entscheidungen unterliegen in erster Linie politischen und nicht sachlichen Beurteilungen.
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Mit den Fondseinlagen würden andere kantonale Projekte blockiert, wenn im öV zum Zeitpunkt der Einlage keine Ausgaben fällig sind.
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4.2. Beurteilung der Projektliste
Auch betreffend des zweiten, projektbezogenen Teils der Initiative können positive Argumente angeführt werden:
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Die Initiative stellt dem Bürger eine klare Prioritätenliste vor. Bei einer Annahme ist der Regierungsrat an ein Programm gebunden, was mit einem starken politischen Auftrag gleichgesetzt werden kann.
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Die Projekte entfalten nach bisherigem Erkenntnisstand eine gute verkehrliche Wirkung. Insbesondere kann von einem positiven Effekt auf den Anteil des öffentlichen Verkehrs im Vergleich zum Individualverkehr ausgegangen werden.
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Die vorgesehenen Projekte sind in der Prioritätenliste bereits hoch eingestuft, teilweise gar schon im Finanzplan enthalten. Folglich ist die Initiative überflüssig.
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Die Ausarbeitung der Projekte braucht bedeutend mehr Zeit als dies die Initianten vorgeben. Das macht die fristgerechte Erfüllung der Initiative unmöglich und bringt für den Regierungsrat wiederkehrenden Rechtfertigungsdruck, ohne dass dies für die Projekte förderlich wäre.
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Die gesetzlich festgeschriebene Projektliste lässt kaum Spielraum, um in der Zeit bis zur Umsetzung auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können. Insbesondere die Unsicherheiten bei der Mitfinanzierung durch den Bund verlangen ein hohes Mass an Flexibilität. Hier zeigt sich generell die Problematik der Verankerung von detaillierten Projektvorstellungen auf Gesetzesstufe. Auch wenn diese auf dem Initiativweg zu formellem Gesetzesrecht werden, so bleiben sie doch materiell ein Fremdkörper.
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4.3. Vergleich mit dem Kanton Zürich
Schweizweit ist vor allem der Kanton Zürich bekannt für das Modell einer Fondsfinanzierung der Infrastrukturausbauten.
Auszug aus dem Gesetz über den öffentlichen Personenverkehr des Kantons Zürich
V. Verkehrsfonds
Zweck § 30.
Mittelzuweisung § 31.
Der Kantonsrat beschliesst über den Verzicht auf weitere jährliche Einlagen in den Fonds, falls solche zur Erreichung seines Zwecks nicht mehr nötig sind. Kredite können im Zeitpunkt der Bewilligung den Bestand des Fonds übersteigen. |
Der Initiativtext entspricht in weiten Teilen dem oben dargestellten "Vorbild" aus Zürich. Trotzdem sind auch einige gravierende Unterschiede festzustellen. So ist der Fonds im Kanton Zürich in die Struktur der Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV) eingebunden. Das heisst, dass der öffentliche Verkehr grundsätzlich anders strukturiert ist.
In dieser Organisation geben einerseits die Transportunternehmen einen Teil ihrer Kompetenzen (Tarife, Angebotsgestaltung, Marketing) an den Verbund ab. Im Gegenzug nimmt der ZVV auch hoheitliche Aufgaben des Kantons wahr (Angebotsbestellung, Verhandlungen mit den Transportunternehmen). Diese Struktur erlaubt es, zukünftige Angebotsausbauten in sehr enger Abstimmung mit den Transportunternehmen einerseits und den politischen Verantwortungsträgern andererseits abzustimmen. Es ist folgerichtig, dass die Anforderungen an eine langfristige Planbarkeit der zur Verfügung stehenden Mittel in diesem System von grosser Bedeutung ist.
Abbildung 2: Organisation des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV)
Diese Struktur erscheint auf den ersten Blick verlockend, da insbesondere das Wissen der verschiedenen Partner (Kantone und Transportunternehmen) gebündelt werden kann. Im Kanton Zürich hat man mit dieser Struktur gute Erfahrungen gemacht. Diese können aber nicht einfach auf die Nordwestschweiz übertragen werden. Insbesondere während der Anfangsphase war der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) weitgehend auf den Kanton Zürich beschränkt. Mehr als 40 verschiedene Transportunternehmen teilten sich die Verkehrsleistungen im Kanton. Der Angebotsraum der Nordwestschweiz erstreckt sich hingegen über fünf Kantone (BL, BS, AG, SO und JU), wobei aber nur sechs konzessionierte Transportunternehmen im Regionalverkehr tätig sind (SBB, BVB, BLT, Postauto, AAGL und WB).
Die tatsächlich vorgenommenen Einlagen in den Fonds sind im Kanton Zürich jedoch höher als im Gesetz vorgesehen und erreichten im Jahr 2006 91 Mio. CHF. Eine Verschuldungsmöglichkeit ist im Kanton Zürich trotz des ebenfalls unterschiedlich interpretierbaren § 31 Abs. 3 des oben erwähnten Gesetztes aber im Gegensatz zur vorliegenden Initiative nicht möglich, da der § 13 des Finanzhaushaltsgesetztes des Kantons Zürich diese klar ausschliesst.
Es kann festgehalten werden, dass sich das "Zürcher Modell" nicht ohne weiteres auf die Nordwestschweiz übertragen lässt. Die rechtlichen und institutionellen Vorraussetzungen sind unterschiedlich und bedürfen somit auch unterschiedlicher Finanzierungsmodelle. Die vorliegende Initiative bietet unter den gegebenen Rahmenbedingungen keine Gewähr für eine verbesserte Wirkung der Finanzmittel im öffentlichen Verkehr.
4.4. Weitere zu berücksichtigende Punkte
Das Agglomerationsprogramm enthält entsprechend seinem Zweck auch öV-Projekte. Die in jedem Fall notwendige kantonale Mitbeteiligung kann über Objektkredite, Programmvereinbarungen oder einen Fonds abgewickelt werden. Die Schaffung eines kantonalen Fonds ist also keine Notwendigkeit für die Teilnahme an diesem wichtigen Finanzierungsinstrument des Bundes. Die in der Initiative enthaltenen Projekte sind bereits Bestandteil des Agglomerationsprogramms.
Die in der Region überaus wichtige interkantonale Zusammenarbeit bei Infrastrukturausbauten erfordert bislang gleichlautende Beschlüsse der Kantone für die entsprechenden Projekte. Der Kanton Basel-Landschaft sollte aus diesem System nicht ausscheren. Was die konkreten Projekte betrifft, so könnte die fixe Liste der Initiative durchaus auf kritische Reaktionen stossen. So haben beispielsweise für den Kanton Basel-Stadt eine neue unterirdische Schienenverbindung zum Badischen Bahnhof (Herzstück) und der Anschluss an den EuroAirport eine hohe Priorität. Der Kanton Basel-Landschaft hätte aber aufgrund der ohnehin schon teuren Forderungen der Initianten kaum noch Spielraum, sich zusätzlich an einem solchen Projekt zu beteiligen, selbst wenn sich dies als sinnvoll erweisen würde. Die Infrastrukturausbauten auf dem Schmalspurnetz von BVB und BLT werden aufgrund der geltenden Vereinbarung über die Basler Verkehrs-Betriebe und die BLT Baselland Transport AG (SGS 480.7, Staatsvertrag) nach dem Territorialprinzip nur vom jeweiligen Standortkanton finanziert. Noch fehlt eine Regelung über die Geltung des Territorialprinzips für die Ausbauvorhaben im Bereich der Normalspurbahnen mit dem Kanton Basel-Stadt.
4.5. Gesamtbeurteilung
Gesamthaft gesehen weist die Initiative erhebliche Nachteile auf. Namentlich die unnötige Belastung des kantonalen Haushalts ist in finanziell schwierigen Zeiten sehr nachteilig. Weitere Nachteile der Initiative liegen vorwiegend in der nicht geregelten Verschuldungsmöglichkeit des Fonds und den zu engen, projektbezogenen Vorgaben bei der Verwendung. Die Initiative ist also einerseits unnötig und schränkt andererseits das Parlament in seiner Entscheidungsfindung zum öffentlichen Verkehr ein. Die namentlich im Kanton Zürich zu beobachtenden positiven Wirkungen einer Fondsfinanzierung beruhen auf anderen Strukturen und lassen sich folglich nicht auf den Kanton Basel-Landschaft übertragen
5. Empfehlung des Regierungsrates
Der Regierungsrat hat in den letzten Jahren dem öffentlichen Verkehr stets die nötige Beachtung geschenkt und geht mit den Initianten einig, dass die Förderung des öffentlichen Verkehrs in der Agglomeration Basel eine hohe Priorität haben muss. Einzelne Forderungen wurden bereits erfüllt. Die Initiative als Ganzes ist aber nicht ausgewogen und berücksichtigt insbesondere die finanziellen Risiken für den kantonalen Haushalt zu wenig. Der Regierungsrat empfiehlt die Initiative aufgrund der dargelegten Gründe zur Ablehnung.
Liestal, 6. November 2007
Im Namen des Regierungsrates
die Präsidentin: Pegoraro
der Landschreiber: Mundschin
Beilage
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Entwurf Landratsbeschluss
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