2007-74
Parlamentarischer Vorstoss |
Titel:
|
Interpellation der Fraktion der Grünen: Chemikalien im Trinkwasser der Hardwasser AG seit 1980 bekannt
|
|
Autor/in:
|
Jürg Wiedemann
, Grüne
|
|
Eingereicht am:
|
22. März 2007
|
|
Nr.:
|
2007-074
|
|
„Nach den hydrogeologischen Verhältnissen muss eigentlich angenommen werden, dass eine Verfrachtung [von chemischen Schadstoffen] aus der ehemaligen Deponie Feldreben in irgendeiner oder mehreren Richtungen stattfindet. Der Einfluss solcher Verfrachtungen auf das Hardgrundwasser [und somit auf das Trinkwasser von Hardwasser AG und Gemeinde Muttenz] und/oder auf benachbarte Grundwasservorkommen [der Gemeinden Muttenz und Birsfelden] ist aber offenbar nicht stärker als der anderer Verunreinigungsquellen" wie dem Rheinwasser und der Atmosphäre. Dieses Fazit zieht Hansjörg Schmassmann aus den hydrogeologischen und chemischen Analysen, die der Kanton Basel-Landschaft 1980 in Auftrag gegeben hat. Mit anderen Worten: Ein Teil der bis zu 17 Chemikalien, die 1980 das Trinkwasser der Hardwasser AG sowie der Gemeinden Muttenz und Birsfelden verschmutzen, stammen aus der Chemiemülldeponie Feldreben. Da der Kanton Basel-Landschaft in der Folge nichts gegen die Verunreinigungen des Trinkwassers u.a. durch die Chemiemülldeponien unternahm, ist davon auszugehen, dass auch die Regierung des Kantons Basel-Landschaft die zusätzliche Verschmutzung des Trinkwassers durch die Chemiemülldeponien von Novartis, Ciba, Clariant und Syngenta zumindest in Kauf genommen hat. So lässt der Kanton Basel-Landschaft bis heute z.B. keinen Aktivkohlefilter zur Aufbereitung des Trinkwassers vorschalten, um wenigstens teilweise die von Rheinwasser und Chemiemülldeponien eingeschleppten Chemikalien aus dem Trinkwasser herauszufiltern, wie es andere Wasserwerke ohne Chemiemülldeponien am Rhein seit langem tun.
In den Berichten von 1980 werden aufgrund von hydrogeologischen und hydrochemischen Untersuchungen u.a. folgende Trinkwasserbrunnen, Industriebrunnen und Grundwasserrohre (Piezometer) als gefährdet bezeichnet:
Trinkwasserbrunnen Hardeck (17A1, Hardwasser AG)
Trinkwasserbrunnen 21A2 (heute: B2, Hardwasser AG)
Trinkwasserbrunnen 21A20 (heute B20, Hardwasser AG)
Trinkwasserbrunnen 21A104 (Gemeinde Muttenz)
Trinkwasserbrunnen 21A105 (Gemeinde Muttenz)
Industriebrunnnen 21E15 (Novartis)
Piezometer 21T1
Piezometer 21C80
Piezometer 21C81
Zu den gefährdeten Trinkwasserbrunnen lassen sich auch die Pumpwerke 21A103 (Muttenz), 21A101 und 21A111 (Birsfelden) zählen.
Aus den gefährdeten Trinkwasserbrunnen lässt sich schliessen, dass schon 1980 ein Abfluss von verschmutztem Grundwasser von der Feldrebengrube u.a. Richtung Nordwesten und Norden, also zu den Trinkwasserbrunnnen in der Muttenzer Hard, als möglich beurteilt wurde, was Schmassmann in seinem Bericht explizit erwähnt.
Von 1980 bis heute wurde das Rheinwasser viel sauberer. So findet sich z.B. seit mehr als einem Jahrzehnt darin kein Hexa- und Tetrachlorbutadiene mehr. Trotzdem tauchen diese Stoffe heute noch immer im Trinkwasser der Hardwasser AG auf. Aber: Im Gegensatz zum Rheinwasser finden sich diese zwei Stoffe - wie 1980 - heute auch im Grundwasser bei den Muttenzer Chemiemülldeponien.
In der Historischen Studie 2002 bzw. bei der 1. Etappe der technischen Untersuchung der Muttenzer Chemiemülldeponien werden jedoch die entscheidenden Erkenntnisse aus der Untersuchung von 1980 nicht berücksichtigt. So findet sich weder ein Hinweis auf die gefährdeten Trinkwasser-, Industriebrunnen und Grundwasserrohre noch wurden die Analyseergebnisse von 1980 berücksichtigt. Deshalb wurden 14 Stoffe, die 1980 im Grundwasser bei der Deponie sowie z.T. im Trinkwasser gefunden wurden, weder 2002 (Analysen im Kontext der Historischen Studie) noch 2005 (1. Etappe technische Untersuchung) mittels Einzelstoffanalysen gesucht. Zu dieser Gruppe gehören die schon erwähnten Stoffe Hexachlorbutadien und Tetrachlorbutadien, aber auch Hexachlorethan. Das krebsfördernde Hexachlorethan ist ein typischer Stoff für die chemische Industrie Basel. Er fiel z.B. bei der Herstellung von grünen Phthalocyanin-Pigmenten bei Geigy in der Grössenordnung von 3 bis 5 Tonnen pro Woche als Abfall an und wurde u.a. in der Feldrebengrube abgelagert. Hexachlorethan war 1980 der Stoff, welcher das Grundwasser bei der Deponie am stärksten belastete (bis zu 35 mikrog/l). Er wurde auch im Trinkwasser gefunden. Trotzdem wird er bei den neuen Untersuchungen 2002 und 2005 nicht gesucht, taucht dann aber bei den Screening-Analysen auf - und verschmutzt wie 1980 auch 2005 das Grundwasser bei der Deponie am stärksten.
Ich bitte den Regierungsrat um schriftliche Beantwortung der folgenden Fragen:
1.
|
Warum wurden die Analyseergebnisse der grössten Untersuchung von Trink- und Grundwasser aus dem Jahr 1980 in der historischen Studie 2002 nicht berücksichtigt?
|
|
2.
|
Warum wurden bei der Historischen Studie 2002 und der 1. Etappe der technischen Untersuchung die 1980 als gefährdet erwähnten Trinkwasserbrunnen nicht untersucht, obwohl 1980 festgehalten wurde, dass von einer Beeinträchtigung des Trinkwassers durch die Deponien ausgegangen werden muss, wenn Schmassmann schreibt:
„der Einfluss solcher
Verfrachtungen [aus dem Bereich Deponie Feldreben]
auf das Hardgrundwasser
[und somit auf das Trinkwasser von Hardwasser AG und Gemeinde Muttenz]
und/oder auf benachbarte
Grundwasservorkommen [der Gemeinden Muttenz und Birsfelden]
ist aber offenbar nicht stärker als der anderer Verunreinigungsquellen"
?
|
|
3.
|
Was hält die Regierung von den acht Substanzen, die 1980 ausschliesslich im Trink- und Grundwasser der Hard und im Grundwasser bei der Deponie festgestellt worden sind?
|
|
4.
|
Gewisse dieser acht Stoffe (z.B. unbekannte Substanz, Pentachlorpropan), so wird 1980 argumentiert, seien bei der qualitativen Analyse im Deponiegrundwasser nur schwach zu erkennen gewesen. Deshalb seien sie vermutlich nur
„zufälligerweise"
in einzelnen Hard-Trinkwasserbrunnen und -Grundwasserrohren
„noch nachweisbar"
gewesen. Mit dieser Argumentation werden diese zwei Chemikalien abgetan, obwohl sie 1980 gar nicht quantifiziert wurden und deshalb weder über die Konzentration im Grundwasser bei der Deponie noch im Trink- und Grundwasser der Hard Aussagen gemacht werden können. Wie beurteilt die Regierung diese damalige Argumentation aus heutiger Sicht? Ist sie auch der Ansicht, dass
„zufälligerweise"
nicht die richtige Kategorie zur Beurteilung von Grund- und Trinkwasserverschmutzungen sein kann?
|
|
5.
|
Sind die Erkenntnisse und Analyseergebnisse von 1980 aus dem Historischen Bericht 2002 herausgefallen, weil Mitarbeiter des AUE und der chemischen Industrie (Novartis, Syngenta, Ciba) den Original-Bericht des privaten Geotechnischen Instituts überarbeitet haben? Ist die Regierung bereit, den Originalbericht des Geotechnischen Instituts offen zu legen?
|
|
6.
|
Hexachlorethan ist ein typischer Tracer für den Abfall aus der chemischen Industrie, der in grossen Mengen angefallen und deponiert worden ist (siehe oben). Es war die Substanz, die 1980 das Grundwasser bei der Deponie am stärksten verschmutzt hat. Da Hexachlorethan in der Historischen Studie 2002 nicht erwähnt wird, wurde erst nach 3 Jahren Untersuchung mittels Screening-Analysen festgestellt, dass es auch noch heute dieser Stoff ist, der das Grundwasser bei der Deponie am stärksten verunreinigt. Was hält die Regierung davon, dass es 3 Jahre dauerte, bis dies erkannt wurde, obwohl es aus alten Berichten hervorgeht?
|
|
7.
|
In den Trinkwasserbrunnen wurden 1980 bis zu 17 Substanzen in unbekannter Konzentration gefunden, weil die meisten dieser Stoffe nicht quantifiziert worden sind. Die 7 Substanzen, die damals quantifiziert worden sind, ergeben eine Belastung von 350 ng/l bis 10'214 ng/l. Die Regierung schreibt in ihrer
Beantwortung
der Interpellation
2006-167
vom Juli 2006:
„Diese Belastung des Trinkwassers lag immer deutlich unter den geltenden Grenzwerten für die Trinkwasserqualität."
|
|
a)
|
Wie kommt die Regierung zu dieser Beurteilung, obwohl 1980 die meisten der gefundenen Stoffe im Trinkwasser gar nicht quantifiziert worden sind und gemäss Bericht von Hansjörg Schmassmann von 1981, S. 19 über die Giftwirkung der im Trinkwasser gefundenen Stoffe praktisch nichts bekannt ist?
|
|
b)
|
Auf welche Grenzwerte von welchen Substanzen von 1980 beruft sich die Regierung in ihrer Antwort zur Interpellation 2006-167 vom Juli 2006?
|
|
8.
|
Teilt die Regierung die Ansicht, dass die damalige Belastung des Trinkwassers allein mit den 7 quantifizierten Substanzen aus heutiger Sicht hoch war, erst recht, wenn im Total bis zu 17 Substanzen im Trinkwasser nachgewiesen worden sind?
|
|
9.
|
Im Juli 2006 wurden Proben aus Trinkwasserbrunnen und Piezometern im Umfeld der Muttenzer Hard genommen.
|
|
a)
|
Welche Grundwasserrohre und Trinkwasserbrunnen wurden im Einzelnen beprobt?
|
|
b)
|
Wurden dabei alle Trinkwasserbrunnen und Grundwasserrohre beprobt, die Schmassmann 1980 als gefährdet bezeichnet hat und die oben aufgelistet sind? Wenn nein, warum nicht?
|
|
10.
|
Schon 1980 wird betont, dass durch die intensive Nutzung des Hardgrundwassers die Grundwasserfliessrichtungen stark variieren. (Schmassmann, 1981, S. 6). Teilt die Regierung die Meinung, dass deshalb eine einmalige Probennahme wie im Juli 2006 kein schlüssiges Bild über die Gefährdung bzw. Belastung des Trinkwassers mit Chemikalien ergibt?
|
|
11.
|
Erachtet die Regierung eine Vorbehandlung des Trinkwassers noch immer als unnötig?
|
Back to Top