Vorlage an den Landrat
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Vorlage an den Landrat |
Titel: | Teilrevision des Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung (Verwaltungsprozessordnung, VPO) | |
vom: | 19. Juni 2007 | |
Nr.: | 2007-153 | |
Bemerkungen: | Inhaltsübersicht dieser Vorlage || Verlauf dieses Geschäfts |
4. Anpassung des Verfahrens in Sozialversicherungssachen an neue bundesrechtliche Bestimmungen
4.1 Anpassung an das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG)
Das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG; SR 830.1) ist auf den 1. Januar 2003 in Kraft getreten. Der ATSG bringt keine allgemeine Harmonisierung des Sozialversicherungsrechts, sondern nur eine weitgehende Harmonisierung des Verfahrens. Es fasst zahlreiche Bestimmungen, die bisher in einzelnen Gesetzen enthalten waren, zusammen und führt so zu einer formellen Koordination der Verfahren und zu einer Harmonisierung der Begriffe. Es hat Auswirkungen auf die versicherten Personen, auf die Sozialversicherungen und ihre Durchführungsorgane sowie auf die Kantone und die Justiz.
Artikel 52 ATSG sieht vor, dass zunächst gegen alle Verfügungen eines Sozialversicherungsträgers innert 30 Tagen bei der verfügenden Instanz Einsprache erhoben werden kann. Von der Einsprache ausgenommen sind die prozess- und verfahrensleitenden Verfügungen. Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann Beschwerde erhoben werden. Zur Beurteilung derselben haben die Kantone gemäss Artikel 57 ATSG ein Versicherungsgericht als einzige Instanz zu bestellen.
Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Artikel 59 ATSG). Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach der Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung einzureichen (Artikel 60 ATSG).
Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht muss schliesslich den in Artikel 61 ATSG statuierten Vorgaben genügen. Dieser lautet wie folgt:
Artikel 61 Verfahrensregeln
" Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a. Das Verfahren muss einfach, rasch, in der Regel öffentlich und für die Parteien kostenlos sein; einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, können jedoch eine Spruchgebühr und die Verfahrenskosten auferlegt werden.
b. Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
c. Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.
d. Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist.
e. Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden.
f. Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.
g. Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
h. Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet.
i. Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein."
Die Kantone haben ihre Bestimmungen über die Rechtspflege innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des ATSG (das heisst bis zum 1. Januar 2008) anzupassen.
Sowohl das basellandschaftliche verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren in Sozialversicherungssachen als auch das Verfahren vor der Abteilung Sozialversicherungsrecht des Kantonsgerichts entsprechen bereits heute den im ATSG statuierten bundesrechtlichen Vorgaben. Es sind lediglich kleinere, vor allem redaktionelle Anpassungen der VPO notwendig. Diesbezüglich wird auf den Kommentar zu den einzelnen Gesetzesänderungen verwiesen (§§ 21 und 54 ff. VPO sowie Anpassungen des Einführungsgesetzes zur AHV und IV und des Gesetzes über die Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenversicherung).
Die Anpassung des Ergänzungsleistungsgesetzes zur AHV und IV, die im Vernehmlassungsentwurf ebenfalls enthalten war, wurde in das Gesetz über die Umsetzung NFA und die Lastenverteilung auf Kanton und Gemeinden (Vorlage Nr. 2007/021 ) integriert.
4.2 Anpassung an die Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 16. Dezember 2005 (Massnahmen zur Verfahrensstraffung)
Mit dieser am 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Teilrevision des IVG (Artikel 57a und 69 IVG) soll das IV-Verfahren gestrafft werden. Deshalb wurde im Bereich der Invalidenversicherung das Einspracheverfahren nach ATSG aufgehoben und das Vorbescheidverfahren wieder eingeführt. Zudem können die in der Folge erlassenen Verfügungen der kantonalen IV-Stellen - im Unterschied zu Verfügungen anderer Sozialversicherungen (vgl. Übersicht auf Seite 7) - nicht mehr mit Einsprache, sondern direkt mit Beschwerde beim kantonalen Versicherungsgericht angefochten werden (Artikel 69 Absatz 1 IVG).
Schliesslich wurde der im ATSG statuierte Grundsatz der Kostenlosigkeit des Verfahrens vor dem kantonalen Versicherungsgericht (vgl. Artikel 61 lit. a ATSG) in den die Invalidenversicherung betreffenden Beschwerdeverfahren aufgehoben. Dementsprechend ist das Verfahren vor dem Kantonsgericht betreffend die Verweigerung oder Bewilligung von IV-Leistungen neu kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand im Rahmen von Fr. 200.-- bis Fr. 1'000.-- festgelegt (Artikel 69 Absatz 1 bis IVG). Die Einführung der Kostenpflicht vor dem kantonalen Versicherungsgericht soll dazu führen, dass die Rechtssuchenden die Gründe für und gegen eine Beschwerdeerhebung sorgfältig prüfen und auf unnütze Beschwerden eher verzichten (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 4. Mai 2005 in: Bundesblatt [BBl] 2005, S. 3079 ff.).
Diese bundesgesetzlichen Änderungen verlangen nach einer Anpassung der kantonalen Vorschriften betreffend die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Sozialversicherungssachen. Für weitere Ausführungen wird auf den Kommentar zu den einzelnen Gesetzesänderungen verwiesen (§§ 20 und 54 VPO).
4.3 Anpassung an das kantonale Familienzulagengesetz vom 9. Juni 2005
Das am 1. Januar 2006 in Kraft getretene kantonale Familienzulagengesetz vom 9. Juni 2005 (FamilienzulagenG; SGS 838) löste das bisherige Kinderzulagengesetz ab, eliminiert die anerkannten Mängel des bisherigen Systems und stärkt die Solidarität zwischen den Branchen. Durchgeführt wird das Gesetz durch die anerkannten Familienausgleichskassen, welche die unterstellten Arbeitgebenden anzuschliessen, die Beiträge zu erheben und die Familienzulagen auszurichten haben. Zu diesem Zweck erlassen sie die notwendigen Verfügungen, gegen die innert 30 Tagen bei der verfügenden Familienausgleichskasse Einsprache erhoben werden kann (§ 39 FamilienzulagenG). Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann innert 30 Tagen beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, Beschwerde erhoben werden (§ 40 FamilienzulagenG).
Das neue Familienzulagengesetz bedingt ebenfalls Anpassungen der Vorschriften betreffend das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren in Sozialversicherungssachen. Für weitere Ausführungen wird auf den Kommentar zu den einzelnen Gesetzesänderungen verwiesen (§ 54 VPO).
Fortsetzung >>>
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