2007-147 (1)


1. Einleitung

Am 14. Juni 2007 hat Herr Landrat Eric Nussbaumer-Wälti eine Interpellation betreffend Anerkennung der Berufsmaturität an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) eingereicht.


Wortlaut



2. Stellungnahme des Regierungsrates

1.1. Einleitung


Das Fachhochschulgesetz (FHSG [Bundesgesetz über die Fachhochschulen (Fachhochschulgesetz, FHSG) vom 6. Oktober 1995, Stand 13. Juni 2006 (SR 414.71)] ) regelt in Art. 5 den prüfungsfreien Zugang zu den Fachhochschulen und damit auch zu den Hochschulen für Gestaltung und Kunst (HGK). Inhaberinnen und Inhaber einer Berufsmaturität werden gemäss FHSG gleich behandelt wie Inhaberinnen und Inhaber mit einer eidgenössischen oder eidgenössisch anerkannten Maturität und einer mindestens einjährigen Arbeitswelterfahrung. Gemäss Art. 5 Abs. 2 gelten für die Zulassung zum Fachhochschulstudium auf der Bachelorstufe in den Bereichen Gesundheit, Soziale Arbeit, Musik, Theater und andere Künste, angewandte Psychologie sowie angewandte Linguistik die Beschlüsse der Plenarversammlung der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK). Für die HGK gilt somit das von der EDK am 10. Juni 1999 (mit Änderungen vom 28./29. Oktober 2004) verabschiedete Profil der Hochschulen für Gestaltung und Kunst, das in Ziff. 4.4 das Bestehen einer gestalterischen resp. künstlerischen Eignungsabklärung als Zulassungsbedingung vorsieht.


Gemäss Verordnung des EVD über die Zulassung zu Fachhochschulstudien vom 2. September 2005 (SR 414.715, Stand 4. Oktober 2005), Art. 6, kann die Fachhochschule für Studierende im Fachbereich Design eine Eignungsabklärung über die gestalterischen und künstlerischen Fähigkeiten durchführen.


Alle HGK in der Schweiz führen diese Eignungsabklärungen durch, da nur eine beschränkte Anzahl Studienplätze zur Verfügung steht.


Im Unterschied zu den meisten anderen FH-Fachbereichen - Technik und Informationstechnologie, Architektur-, Bau- und Planungswesen, Chemie und Life Sciences, Wirtschaft, Soziale Arbeit, Psychologie, Linguistik - gibt es in den Fachbereichen Design sowie Musik, Theater und andere Künste keine parallelen universitären Ausbildungsangebote. Die HGK's nehmen somit gleichermassen Inhaberinnen und Inhaber einer Berufsmaturität wie einer gymnasialen Maturität auf.


Für die Darstellung der Zulassungsbeschränkungen an der FHNW sei auf die Beantwortung der Interpellation Nr. 2007/148 verwiesen (Interpellation von Eric Nussbaumer-Wälti: Zulassungsbeschränkungen an der FHNW, vom 14. Juni 2007).



1.2. Beantwortung der Fragen des Interpellanten


1. Wie viele Studienwillige mit einer eidg. Berufsmaturität gestalterischer Richtung wurden bei der FHNW im Jahre 2006 und im Jahre 2007 bei BA-Studiengängen im Fachbereich Design abgewiesen?


Die FHNW führt im Fachbereich Design fünf Bachelor-Studiengänge:


- Industrial Design
- Innenarchitektur und Szenographie
- Mode-Design
- Visuelle Kommunikation
- Hyperwerk


Die Statistik zum Aufnahmeverfahren der Jahre 2006 und 2007 bei den BA-Studiengängen im Fachbereich Design an der HGK FHNW präsentiert sich wie folgt:


In den Jahren 2006 und 2007 wurden jeweils 44 Kandidatinnen und Kandidaten mit einer Berufsmaturität gestalterischer Richtung nicht zugelassen. Dies entspricht einem Anteil von 55% (2006) bzw. 65% (2007) aller Kandidatinnen und Kandidaten mit einer Berufsmaturität gestalterischer Richtung. Von den Inhaberinnen und Inhabern einer gymnasialen Maturität wurden 66% (2006) bzw. 69% (2007), von der Gesamtzahl aller Kandidatinnen und Kandidaten 67% bzw. 71% nicht zugelassen. Die Zahlen zeigen, dass Inhaberinnen und Inhaber einer Berufsmaturität in der Eignungsabklärung überdurchschnittlich erfolgreich sind.



2. Teilt der Regierungsrat die FHNW-Meinung, dass Lernende mit einer Berufsmaturität gestalterischer Richtung und mit beruflicher Grundausbildung in einem der Studienrichtung verwandten Beruf nicht in der Lage sind, einen BA-Studiengang im Fachbereich Design ohne Eignungstest erfolgversprechend zu beginnen?


Diese Meinung wird weder von der FHNW noch vom Regierungsrat vertreten. Die Möglichkeit der Durchführung einer Eignungsabklärung im Fachbereich Design ist in Art. 6 der Verordnung des EVD über die Zulassung zu Fachhochschulstudien (SR 414.715) vorgesehen und entspricht gemäss Absprachen zwischen den Fachhochschulen schweizerischem Standard für den Bereich Design. Da die Anzahl Studienplätze an allen HGK's aus finanziellen und räumlichen Gründen beschränkt ist, können nur Studierende mit besonderer Begabung und Talent im gestalterisch-künstlerischen Ausdruck und Denken aufgenommen werden. Wie die Darstellung unter Frage 1 zeigt, bewerben sich für die gestalterisch-künstlerischen Ausbildungen an der Fachhochschule sehr viel mehr Studierende, als Plätze angeboten werden können. Das Verhältnis der zur Eignungsabklärung zugelassenen Kandidatinnen und Kandidaten variiert je nach Studiengang von rund 1:6 (120 Anmeldungen, 22 Studienplätze) bis rund 1:1.5 (Hyperwerk). Inhaberinnen und Inhaber einer Berufsmaturität werden in der Eignungsabklärung gleich behandelt wie Inhaberinnen und Inhaber einer gymnasialen Maturität.



3. Warum ist eine Berufsmaturität technischer Richtung eine genügende Voraussetzung für eine Studien-Zulassung im Fachbereich Technik und Informationstechnologie an der FHNW und warum ist eine Berufsmaturität gestalterischer Richtung an der FHNW keine genügende Voraussetzung für einen Studienbeginn im Fachbereich Design?


Im Gegensatz zum Fachbereich Technik, wo in den vergangenen Jahre ein Mangel an interessierten Studierenden festzustellen ist, übersteigt im Fachbereich Design die Nachfrage an Studienplätzen das finanzierbare und bildungspolitisch sinnvolle Angebot. Eine Beschränkung der Zulassung erfolgt deshalb - in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben und in Absprache zwischen allen HGK's - aufgrund von Eignungsabklärungen. Eignungsabklärungen werden gleichermassen für Inhaberinnen und Inhaber einer Berufsmatur oder einer gymnasialen Matur durchgeführt. Würden die HGK's der Schweiz alle Inhaberinnen und Inhaber einer Berufs- oder gymnasialen Maturität ohne Eignungsabklärung aufnehmen, müssten z.B. in der Visuellen Kommunikation jährlich 700 Studierende ausgebildet werden, die vom Arbeitsmarkt nicht aufgenommen werden könnten.



4. Sind die Schwerpunktfächer der Berufsmaturität gestalterischer Richtung so "kreuzfalsch" festgelegt, dass auch ein erfolgreicher Absolvent oder eine erfolgreiche Absolventin dieser Berufsmaturität nicht für ein FH-Studium im Fachbereich Design zugelassen werden kann?


Wie oben ausgeführt, werden Inhaberinnen und Inhaber einer Berufsmaturität im Zulassungsverfahren genau gleich behandelt wie Inhaberinnen und Inhaber einer gymnasialen Maturität. Die Schwerpunktfächer der Berufsmaturität gestalterischer Richtung sind nach Meinung des Regierungsrates wie auch der Leitung der HGK nicht falsch festgelegt. Die Eignungsabklärung erfolgt denn auch nicht zur Überprüfung der Vorbildung.



5. Wie viele Studienplätze sind pro BA-Studiengang und Jahrgang im Fachbereich Design im Neubau der Hochschule für Gestaltung und Kunst im Dreispitz geplant und über wie viele entsprechende Studienplätze verfügt die FHNW heute?


Studierendenzahlen per Oktober 2007:
Bereich Design: 403
Bereich Kunst und LGK: 131
Total: 534 Studierende


Das Raumprogramm 2010 für die HGK FHNW am Standort Dreispitz Münchenstein (BL) plant mit einem Raum-Raster, der mit 25 Studierenden pro Jahr und Studiengang rechnet. Folglich stehen zur Verfügung:


Bereich Design: 450 Studienplätze
Bereich Kunst und LGK: 150 Studienplätze
Masterstudiengänge: 120 Studienplätze
Weiterbildung (MAS etc.) 30 Studienplätze
Total: 750 Studienplätze


Da 2007/08 am Standort Aarau noch ein 4. Diplomjahr geführt wird (rund 30 Studierende), wird im Bereich Design mit einer sinnvollen und massvollen Zunahme von rund 80 Studierenden geplant.



6. Ist der Regierungsrat bereit, sich bei den Leitungsorganen der FHNW dafür einzusetzen, dass InhaberInnen der gestalterischen Berufsmaturität mit der Beschränkungsmassnahme "Warteliste" (Staatsvertrag § 8 Absatz 2) zu den BA-Studiengängen in ihrem Fachbereich zugelassen werden?


Der Staatsvertrag sieht als mögliche Massnahmen zur Beschränkung der Zulassung sowohl Wartelisten als auch Eignungstests vor. Für den Fachbereich Design werden gemäss Art. 6 der Verordnung des EVD über die Zulassung zu Fachhochschulstudien (SR 414.715) Eignungsabklärungen durchgeführt. In diesem Fachbereich gibt es auch an keiner anderen Fachhochschule oder Hochschule der Künste Wartelisten.



7. Was meint der Regierungsrat zum sich schleichend bemerkbaren Phänomen, dass trotz bestens bestandener Berufsmaturität ein FH-Studium nicht möglich ist?


Das Studium im Fachbereich Design an der FHNW ist nach klar festgelegten und schweizweit gültigen Aufnahmekriterien möglich. Die in der Antwort auf Frage 1 aufgeführte Übersicht zeigt, dass Inhaberinnen und Inhaber einer Berufsmaturität gegenüber Inhaberinnen und Inhabern einer gymnasialen Maturität nicht benachteiligt werden. Der Anteil der beiden Maturitätskategorien bei den Zulassungen zur FHNW ist schwankend.



8. Was gedenkt der Regierungsrat bildungspolitisch und im Hinblick auf die nächste Leistungsauftragsperiode der FHNW zu unternehmen, dass die Berufsmaturität gegenüber der gymnasialen Maturität keine weitere Ungleichbehandlung in Sachen Studiumsmöglichkeiten erfährt und der berufliche Werdegang über das duale Bildungssystem nicht noch weiter vernachlässigt wird?


Die Berufsmaturität erfährt für den Fachbereich Design keine Ungleichbehandlung gegenüber der gymnasialen Maturität. Kandidatinnen und Kandidaten beider Maturitätskategorien sind gleichermassen zur Eignungsabklärung zugelassen. Inhaberinnen und Inhaber einer gymnasialen Maturität haben keinen erleichterten Zugang zu den HGK, und es gibt für sie auch keine alternativen Studienmöglichkeiten in Gestaltung und Kunst.


Mit dem Neubau auf dem Dreispitz wird die Anzahl der Studienplätze in der HGK moderat erhöht werden.


Es besteht kein weiterer Handlungsbedarf für den Regierungsrat.



Liestal, 29. Januar 2008 Im Namen des Regierungsrates


Die Präsidentin: Pegoraro
Der Landschreiber: Mundschin



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