2007-190


Am 2. Januar 2006 reichte Regula Meschberger das folgende Postulat ein:

Wortlaut des Postulats 2006-015


Das Postulat wurde am 2. November 2006 vom Landrat überwiesen.


Der Regierungsrat hat das Postulat durch die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion und die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion prüfen lassen und kann wie folgt berichten:



1. Ausgangslage

Die Initiantin zeigt sich mit Recht sehr besorgt darüber, dass offenbar vermehrt Minderjährige Kinderpornografie konsumieren. Sie geht davon aus, dass ein solcher Konsum die Persönlichkeitsentwicklung Jugendlicher nachhaltig stören kann. Sie möchte Jugendliche und Eltern informieren, was Kinderpornografie für die Opfer bedeutet. Auch möchte sie den jugendlichen Konsumenten von Kinderpornografie Ausstiegshilfen anbieten, um ihnen eine normale Entwicklung zu ermöglichen und eine eventuelle Straffälligkeit zu verhindern. Sie schreibt: "Ich bitte deshalb den Regierungsrat zu prüfen, ob der Kanton eine Stelle schaffen könnte, die Ausstiegshilfen für jugendliche Kinderpornografie-Konsumenten anbietet. Diese Stelle hätte gleichzeitig die Aufgabe der Information und Sensibilisierung von Jugendlichen und deren Erziehungsberechtigten. Allenfalls kann diese Aufgabe einer bereits existierenden Stelle übergeben werden."


Der Vorstoss bezieht sich explizit auf Kinderpornografie. Nun verhält es sich aber so, dass in diesem spezifischen Bereich sowohl die Jugendanwaltschaft als auch die Polizei Basel-Landschaft keine aktenkundlichen bzw. beanzeigten Fälle melden. Es ist leider gerade in diesen gesellschaftlich hoch sensitiven Bereichen oft so, dass Wahrnehmung und Faktenlage nicht deckungsgleich sind.



2. Würdigung

Die Initiantin nimmt sich eines heiklen Problems an. Tatsächlich erhalten auch Jugendliche über das Internet die Möglichkeit, pornografisches Material zu konsumieren. Oft entspringt solches Tun dem jugendlichen Wunsch, sich an Grenzen zu bewegen, über Zulässiges hinauszugehen und eben nicht mehr Zulässiges auszuprobieren. Die wenigsten Jugendlichen sind sich bewusst, welchen Einfluss diese Bilder auf ihre Entwicklung haben. Sie sind sich auch nicht bewusst, dass Pornokonsum eine geradezu suchtähnliche Dynamik entwickeln kann. Sie wissen aber in fast jeden Fall, was verboten und was gerade noch erlaubt ist. Ebenso wissen die wenigsten Eltern darüber Bescheid, was ihre Kinder im Internet tatsächlich betrachten.


Zusätzlich bietet die neuste Generation von Mobiltelefonen die Möglichkeit, mit anderen Jugendlichen Videos auszutauschen. Die Presse hat bereits von Fällen berichtet, wo auf Handys von Jugendlichen verbotene pornografische Clips gefunden wurden. Auch persönliche Nachfragen bei Jugendarbeiter/innen haben dieses Phänomen bestätigt. Es ist davon auszugehen, dass, wie im Internet, alle Möglichkeiten pornografischer Darstellungen ausgereizt werden und diese unkontrollierbar verbreitet werden können. Noch wurden der Fachstelle Kinder- und Jugendschutz keine Fälle bekannt, bei denen kinderpornografische Bilder oder Videos unter Jugendlichen ausgetauscht wurden.


Expertinnen und Experten sind sich im Übrigen darin einig, dass diese ausgreifende „Pornografisierung" des Alltags nicht ohne Folgen auf das Verhalten der Menschen (nicht nur der Jugendlichen) bleiben wird. Hier wächst ein bedrohliches Potenzial.


Der Regierungsrat legt Wert darauf zu betonen, dass überall, wo immer auch Konsum von Pornografie und Kinderpornografie Jugendlicher ruchbar oder angezeigt wir, dieser mit dem nötigen Mass zu verfolgen und zu sanktionieren ist.


Besitz und Konsum von Kinderpornografie darf nicht folgenlos geschehen!



3. Erwägungen

Die Problembeschreibung und das Anliegen der Initiantin sind richtig. Jugendliche und Eltern müssen darüber aufgeklärt werden, was der Konsum von Pornografie für die persönliche sexuelle Entwicklung und welche Leiden es für die Opfer bedeutet. Auch ist bekannt, dass Konsumenten von Pornografie jeglicher Art Mühe damit haben, auf den Konsum zu verzichten. Eher berichten diese vom Bedürfnis nach weiteren Stimulantien, sprich härteren Bildern. Auch in diesem Fall sind Ausstiegshilfen notwendig.


Der Regierungsrat geht aufgrund seiner Prüfung davon aus, dass die Schulleitungen, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter, dass Lehrerinnen und Lehrer, aber auch der Schulpsychologische Dienst und der kantonale Jugendpsychiatrische Dienst sich der betroffenen Jugendlichen annehmen und entsprechende Behandlung anbieten oder empfehlen können. Der Schulpsychologische Dienst und der kantonale Jugendpsychiatrische Dienst verfügen über die Anschriften der privaten Ansprechpartnerinnen und -partner, der spezialisierten Psychologinnen und Psychologen. Möglicherweise würde die Veröffentlichung einer Adressliste spezialisierter Fachpersonen die Hilfesuche erleichtern. Auch kann zusätzlich die Problematik in die entsprechenden Fachgremien eingebracht werden.


Die Idee der Sensibilisierungs- und Informationsstelle muss in einen grösseren Kontext gestellt werden. Die Palette von Entwicklungsaufgaben, welche Jugendliche bewältigen müssen, ist immens. Die Themen reichen von Aids und Arbeitslosigkeit, über Drogen und den Umgang mit Genussmitteln, Spiritualität und Sekten, von Konsumkrediten bis Zahlungsunfähigkeit. Jedes Jahr kommen neue Themen dazu. Sogar im Verbund von Eltern und Schule kann kaum noch die ganze Fülle abdeckt werden, immer wieder tun sich neue Lücken auf.


Der Regierungsrat glaubt nicht, dass eine weitere spezialisierte Stelle die Aufgabe vereinfachen würde. Der beträchtliche Aufwand (Lohn, Raum, Infrastruktur oder pauschale Abgeltung an Dritte) bringt wenig Nutzen, der über die bestehenden Institutionen nicht auch erreicht werden kann.


Die Problematik des Pornografiekonsums muss als Querschnittaufgabe in verschiedene Bereiche einfliessen: In die Sexualerziehung, in EIternratgeber, in Erziehungszeitschriften, in Pressebeiträge, in Jugendzentren, in Firm- und Konfirmationsunterricht. Schulen und Schulsozialarbeit, Jugendarbeit, Schulpsychologischer Dienst, Externe Psychiatrischen Dienste, die Gesundheitsförderung, die Fachstelle für Kindes- und Jugendschutz, die Jugendanwaltschaft; sie alle arbeiten an dieser wichtigen Vernetzung.


Nichts aber, keine Einrichtung, keine Institution ersetzt die öffentliche Diskussion darüber, wer für die Steuerung der "Lebensschulung" von Jugendlichen verantwortlich zeichnen soll.


Neu wäre wohl ein Ansatz, der aus den „ErziehungsBERECHTIGTEN" „ErziehungsVERPFLICHTETE" machen könnte. Eltern brauchen offenbar immer mehr „Erziehungsbildung". Zurzeit läuft die Kampagne „Stark durch Erziehung". Der Regierungsrat hat eine überdirektionale Arbeitsgruppe eingesetzt und damit die Chance wahrgenommen, die breite Öffentlichkeit zu informieren und für die Lösung der Erziehungsfrage zu sensibilisieren. Auch hier wird im Netzwerk gearbeitet. Es ist wichtig, dass die kantonalen Stellen gemeinsam Anstrengungen unternehmen, dass die Eltern, egal ob nun zur Erziehung der Kinder und Jugendlichen verpflichtet und/oder berechtigt, wieder vermehrt ErziehungsBEFÄHIGTE werden.



4. Antrag

Der Regierungsrat beantragt, das Postulat 2006/015 als erfüllt abzuschreiben.



Liestal, 28. August 2007


Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Pegoraro
Der Landschreiber: Mundschin



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