2007-176 (2)


1. Einleitung

In Ergänzung zu den Beratungen der Bau- und Planungskommission (BPK) hat sich die Finanzkommission vor allem mit folgenden Schwerpunktthemen der NSNW befasst:
- Oberaufsicht / Finanzaufsicht
- Mehrwertsteuer
- Haftung
- Rechtsform "AG"


Die Finanzkommission erörterte die Vorlage an ihren Sitzungen vom 12. September 2007 und 26. September 2007 im Beisein von Regierungsrat Adrian Ballmer, Finanzverwalterin Yvonne Reichlin, Roland Winkler, Leiter Finanzkontrolle, Kantonsingenieur Ruedi Hofer und Urs Tanner, BUD, Abteilung Wirtschaft und Finanzen.


Nach der abschliessenden Beratung der BPK traf sich die Finanzkommission zwecks Differenzbereinigung am 7. November 2007 zu einer dritten Sitzung, an der zusätzlich Jürg Röthlisberger, Vizedirektor des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) und Leiter der Abteilung Strasseninfrastruktur, teilnahm.




2. Kommissionsberatung


2.1 Oberaufsicht / Finanzaufsicht


Die Finanzkommission beschäftigte sich mit der Frage, ob die parlamentarische Oberaufsicht und die Finanzaufsicht bei der NSNW AG ausgeübt werden kann.


Der Rechtsdienst der BUD führte schriftlich aus, dass der Landrat gemäss Kantonsverfassung (§ 61) grundsätzlich die Oberaufsicht über alle Behörden und Organe ausübe, die kantonale Aufgaben wahrnehmen. Diese Oberaufsicht beziehe sich letztlich auch auf diejenigen Personen, welche vom Kanton in den Verwaltungsrat der NSNW AG delegiert würden. Dem Landrat stünden somit die üblichen Führungs- und Aufsichtsmittel zur Verfügung, im Rahmen derer der Regierungsrat dem Landrat über die Tätigkeit der NSNW AG Rechenschaft ablegen müsse (z.B. in Form der Beantwortung von parlamentarischen Vorstössen).


Entsprechende Regelungen zur Klärung der Oberaufsicht finden sich im Aktionärsbindungsvertrag - im vorliegenden Fall ist dies der "Kooperationsvertrag".


Weiter wird in der Stellungnahme des BUD-Rechtsdienstes dargelegt, der Finanzaufsicht der Finanzkontrolle seien gemäss § 41 FHG Organisationen jeglicher Rechtsform ausserhalb der Kantonsverwaltung unterstellt, denen der Kanton öffentliche Aufgaben übertrage oder an denen er finanziell beteiligt sei. Damit unterstehe auch die NSNW AG der Finanzaufsicht der Finanzkontrolle.


Verwiesen wird auch auf die zusätzlich von den drei Beteiligungskantonen unterzeichnete Absichtserklärung, in der u.a. auch die Kontrollrechte der kantonalen Finanzkontrollen festgeschrieben sind. Der Kanton Baselland werde zudem darauf drängen, dass diese Kontrollrechte der Finanzkontrolle in den Statuten der NSNW AG ausdrücklich verankert würden.


Als weiteres Element der Oberaufsicht ist die Entscheidkompetenz des Parlamentes genannt worden, was die Übertragung des Aktienkapitals vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen angeht. Die Übertragung ist die Voraussetzung dafür, dass der Aktienanteil nach fünf Jahren überhaupt veräussert werden kann.


Einige Mitglieder der Finanzkommission waren nicht überzeugt, dass diese Mittel und Regelungen genügen, um die parlamentarische Oberaufsicht und die Finanzaufsicht wahrnehmen zu können.




2.2 Mehrwertsteuer


Bisher unterlagen die Unterhaltsleistungen, welche das Tiefbauamt BL für die Nationalstrassen auf Kantonsgebiet erbrachte, nicht der Mehrwertsteuer.


In der Kommission stand deshalb die Frage im Vordergrund, ob die künftige NSNW AG mehrwertsteuerpflichtig sein werde. Das ist der Fall, wie umfassende zwischenzeitliche Abklärungen der BUD beim Bund, aber auch ein externes Gutachten ergeben haben.


Grundsätzlich ist jedes Gemeinwesen, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Anstalt oder um eine privatrechtliche Aktiengesellschaft handelt, mehrwertsteuerpflichtig, wenn mehr als 50% des Umsatzes an ein anderes Gemeinwesen erbracht werden. Eine Ausnahme von der Mehrwertsteuerpflicht kann nur geltend gemacht werden, wenn die Gemeinwesen daneben für höchstens 25'000 Franken pro Jahr gleichartige steuerbare Leistungen an Nichtgemeinwesen (Private oder Unternehmen) erbringen. Die von den Gebietseinheiten erbrachten Leistungen an private Dritte - zu denken ist an die Heckenpflege, Schneeräumung, etc. - werden diesen Betrag sicherlich übersteigen, so dass die Ausnahmeregelung nicht zur Anwendung kommen kann. Demnach werden alle neuen Gesellschaften - auch jene Gebietseinheiten mit den "Lead"-Kantonen - ab 1. Januar 2008 mehrwertsteuerpflichtig sein.


Wesentlich scheint allerdings die Zusage des Bundes zu sein, dass sich die in den Leistungsvereinbarungen verabredeten Preise exklusive Mehrwertsteuer verstehen. Der Bund wird den Gebietseinheiten die Mehrwertsteuer zusätzlich abgelten. Damit handelt es sich faktisch um ein Nullsummenspiel: Der Bund kommt für die Mehrwertsteuer auf und nimmt diese auch wieder ein.


Anders sieht es bei den Unterhaltsleistungen für die H2 und H18 aus. Der Kanton Baselland beabsichtigt, die Unterhaltsleistungen für die Hochleistungsstrassen der NSNW zu übertragen, und wird darauf die Mehrwertsteuer zu entrichten haben. Die Mehrwertsteuer wird sich laut Kantonsingenieur Ruedi Hofer auf ca. 150'000 Franken pro Jahr belaufen. Die Kommission erkundigte sich, ob diese Mehrbelastung durch die beabsichtigte Effizienzsteigerung und durch folglich tiefere Preise kompensiert werden könnten. Dies konnte Ruedi Hofer so nicht bestätigen. Er machte allerdings klar, dass das Tiefbauamt die kritische Grösse nicht mehr erreiche, um den Unterhalt der Hochleistungsstrassen betriebswirtschaftlich rentabel selbst ausführen zu können.


Das Mehrwertsteuergesetz soll ab 2012 revidiert werden. Wie die entsprechende Regelung dann aussehen wird, ist im Moment noch offen. Ein allfälliger Wettbewerbsnachteil gegenüber den Rechtsformen der anderen Gebiete ist jedoch nicht auszuschliessen.




2.3 Haftung


Der Finanzkommission wurde von Ruedi Hofer dargelegt, dass die NSNW AG durch ihre Versicherungen bzw. im Bedarfsfall mit dem Aktienkapital hafte. Im Weiteren bestehe die Möglichkeit, auf die Verwaltungsräte Regress zu nehmen.


Obwohl juristisch gesehen keine Leistungspflicht Basellands besteht, wurden in der Kommission doch Zweifel laut, ob es sich der Kanton Baselland politisch gesehen überhaupt leisten könnte, in Haftungsfällen auf weitergehende Forderungen nicht einzugehen.




2.4 Rechtsform "AG" / Fazit


Die dargelegten Vorteile, welche die Rechtsform der Aktiengesellschaft für die NSNW bringen soll, vermochten die Finanzkommission nicht zu überzeugen.


Für einige Mitglieder war klar, dass die parlamentarische Oberaufsicht und die Finanzaufsicht bei einer Aktiengesellschaft nicht gewährleistet ist; sie würden einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, welche auf einem Staatsvertrag basiert, den Vorzug geben.


Zur kritischen Beurteilung trägt ferner der Umstand bei, dass öffentliche Aufgaben einer - privatrechtlichen - Aktiengesellschaft übertragen werden. Die Aktiengesellschaft ihrerseits hat als einzigen Auftraggeber den Bund; die Leistungen werden auf der Basis einer Leistungsvereinbarung erbracht. Es handelt sich also um eine monopolistische Beziehung, was allenfalls auch gewisse Risiken birgt.


Auch der Kooperationsvertrag gab zu Diskussionen Anlass. So enthält er eine Vielzahl von Übertragungsbestimmungen, aufgrund derer nicht klar ist, welche längerfristigen Ziele verfolgt werden. Sollen die Aktienanteile nach fünf Jahren veräussert werden - was allerdings von Jürg Röthlisberger ausdrücklich verneint wurde -, oder soll damit im Gegenteil jegliche Veräusserung der NSNW verhindert werden? Aus den gesetzlichen Bestimmungen und auch den Ausführungen Jürg Röthlisbergers geht jedenfalls hervor, dass der Bund im Falle einer Veräusserung nicht automatisch mit den neuen Anteilseignern der NSNW eine Leistungsvereinbarung abschliessen könnte; vielmehr müssten für die Leistungserbringung zunächst die anderen Kantone angefragt werden.


Im Sinne eines Fazits ist festzuhalten, dass die Finanzkommission mehrheitlich Zweifel am Konstrukt "NSNW AG" und seinen Implikationen hegt.




3. Antrag


Die Finanzkommission beantragt mit 5:4 Stimmen, auf die Vorlage nicht einzutreten.


Binningen, den 15. November 2007


Namens der Finanzkommission
Der Präsident: Marc Joset



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