2006-212 (1)


1. Einleitung

Am 7. September 2006 hat Landrat Karl Willimann eine Interpellation "Life Sciences in der Fachhochschule Muttenz - wurden der Landrat und das Baselbiet getäuscht?" mit folgendem Wortlaut eingereicht und den Regierungsrat um Beantwortung gebeten:


Wortlaut der Interpellation 2006-212



2. Beantwortung der Fragen

2.1. Einleitung: Generelles


Berichte in der Tagespresse über den Aufbau der Hochschule für Life Sciences der FHNW haben mehrere Mitglieder des Landrates zu Fragen veranlasst. Am 7. September 2006 haben Landrätin Rita Bachmann (CVP) und Landrat Karl Willimann (SVP) zwei Interpellationen eingereicht und den Regierungsrat um Beantwortung gebeten ( 2006-198 betreffend "Life Sciences in Muttenz" sowie 2006-212 betreffend "Life Sciences in der Fachhochschule Muttenz - wurden der Landrat und das Baselbiet getäuscht?").


Die Life Sciences bilden ein neues Angebot der Fachhochschule, das von den verantwortlichen Dozierenden innert kürzester Zeit erfolgreich entwickelt wurde. Integraler Bestandteil der Hochschule für Life Sciences sind die bisherige Abteilung Chemie mit dem Studiengang Chemie und das bestehende Institut für Umwelttechnik. Zwei neue Bachelor-Studiengänge, einer davon als Weiterentwicklung des Chemie-Studienganges, beginnen wie geplant diesen Herbst in Muttenz. Die Nachfrage bei den Studierenden ist gross: Es liegen 130 Neuanmeldungen vor, gegenüber jeweils rund 30 im Studiengang Chemie in den früheren Jahren. Das ist eine beachtliche Leistung. Sie entspricht dem optimalen Szenario des Business Plans.


Voraussetzung für den Start der Studiengänge sind ausreichend und qualitativ hochstehende Laborplätze für Lehre und Forschung. Diese stehen zur Zeit in den FHNW-Gebäuden in Muttenz nur beschränkt zur Verfügung. Einerseits sind die Räume im bestehenden Labor-Trakt bis Ende 2008 durch die Hochschule für Technik voll belegt. Andererseits müssen die bestehenden technischen Labors und Werkstätten danach in chemische und biologische Labors umgerüstet werden.


Der erwünschte zügige Aufbau der Life Sciences macht Übergangslösungen unvermeidlich. Die intensive (und belegbare) Suche nach ausreichend Laborfläche in der Umgebung der Gründenstrasse Muttenz, die schnell für Provisorien zur Verfügung gestellt werden könnten, blieb erfolglos. Aus diesem Grund hat der FHNW-Rat Ende Juni 2006 entschieden, für zehn Jahre Laborplätze bei der Syngenta auf dem Basler Rosentalareal (vis-a-vis Badischer Bahnhof) zu mieten, in unmittelbarer Nachbarschaft zum ETH-Institut für Systembiologie, dem Zentrum für Biomedizin der Universität Basel (DKBW) sowie dem Friedrich Miescher Institut. Dort werden die Forschung und einzelne Lehrveranstaltungen der Hochschule für Life Sciences stattfinden. Der Löwenanteil der Lehre wird in Muttenz durchgeführt, die Studierenden werden in den dort bestehenden Räumen und chemischen Labors unterrichtet. Die Hochschule für Life Sciences ist also vorerst - suboptimal - auf zwei Standorte verteilt. Die Mietdauer von zehn Jahren - mit einer Ausstiegsklausel ab fünf Jahren - weist auf die Zeitachse für die weitere Planung hin. Während des Aufbaus der Hochschule ist eine Mietlösung vorteilhaft, da das Risiko von (teuren) Fehlinvestitionen minimiert werden kann, falls sich der Fachbereich langfristig - entgegen den Erwartungen - nicht wie geplant entwickelt.


Die Raumplanung der FHNW hat mehrere Dimensionen, die eng miteinander verwoben sind. Einerseits muss eine zukunftsfähige Lösung für den Bereich Life Sciences gefunden werden. Andererseits geht es um die Gesamtentwicklung des Fachhochschulstandorts Muttenz, der um die Hochschulen für Pädagogik und Soziale Arbeit erweitert werden soll. Das heisst, es kommen nach dem Auszug der Technik und zusätzlich zu den Studierenden und Mitarbeitenden der Hochschule für Life Sciences, der Hochschule für Bau, Architektur und Geomatik und des Studienganges trinationale Mechatronik neu über 1'000 Studierende im Grundstudium, gegen 300 Studierende im Nachdiplomstudium sowie rund 250 Mitarbeitende in Pädagogik und Sozialer Arbeit neu nach Muttenz (Aufhebung der Standorte in Liestal und Basel). Der Hochschulstandort Muttenz wird dadurch entscheidend gestärkt. Nicht weit weg davon, auf Münchensteiner Boden und realisiert vom Kanton Basel-Stadt, wird die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) mit rund 750 Studienplätzen ihr neues Domizil haben (Aufhebung der Standorte Basel und Aarau).


Die Labor-Infrastruktur für die Life Sciences ist sehr kostenintensiv. Es wäre deshalb unverantwortlich, wenn drei vom Kanton Basel-Landschaft mitfinanzierte Hochschulen - Universität, Fachhochschule und ETH - unverbunden planen und investieren würden. Die Zusammenarbeit, die aus historischen Gründen bisher nur auf die Universität und die ETH bezogen wurde, muss im Sinne des optimalen Wissenstransfers und des effizienten Ressourceneinsatzes um die FHNW ergänzt und ernsthaft ausgelotet werden. Über das sinnvolle Ausmass der Zusammenarbeit besteht noch keine konzeptionelle Grundlage, es fanden noch keine verbindlichen Gespräche statt.


Unabhängig von diesen Szenarien, ist der Investitionsbedarf in die Labors am Standort Muttenz seit längerem bekannt und in die kantonale Investitionsplanung aufgenommen (Renovation der Lüftung). In die Zukunftsüberlegungen wird zudem miteinbezogen, dass heute zur Vermeidung eines Sicherheitsrisikos Chemielabors nicht mehr in den 7. und 8. Stock eines Schulgebäudes eingerichtet würden. Die Neuausrichtung auf die Life Sciences hat den Investitionsbedarf im rund 30jährigen Laborgebäude noch erhöht. Das konkrete Raumprogramm der Life Sciences für den Vollausbau 2010 wird gegenwärtig erstellt. Dabei sind Synergien auf verschiedenen Ebenen - standortintern wie standortübergreifend - auszuloten.


Der Regierungsrat wird seine Entscheidungen nach Vorliegen von klaren Analysen und Szenarien treffen. Noch liegt dem Regierungsrat kein konkreter Antrag des Fachhochschulrates oder des Regierungsausschusses FHNW zum Ausbaubedarf der Life Sciences vor. Es ist dem Regierungsrat ein vordringliches Anliegen, dass die Mittel, die der Kanton in Lehre und Forschung an den Hochschulen investiert, zur Stärkung des Standorts optimal eingesetzt werden und einen für die Bevölkerung und die Wirtschaft der Region höchst möglichen Ertrag im Sinne des Wissenstransfers erbringen. Dies bedarf einer sorgfältigen und vorausschauenden Analyse über einen Zeitraum von realistischerweise 7-10 Jahren, die der Regierungsrat derzeit unternimmt. Er wird das weitere Vorgehen mit dem Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt abstimmen, da die beiden Kantone die Hochschulen gemeinsam führen, je zur Hälfte Eigentümer der FHNW-Gebäude in Muttenz sind und auch Investitionen für die FHNW in der Region gemeinsam tragen. Über die definitiven Investitionen - und damit über den Standort der Life Sciences Aktivitäten der FHNW - entscheiden die Parlamente: Zu gegebenem Zeitpunkt, mit klarem Antrag, sachgerecht und auf der Grundlage von Fakten statt von Vermutungen.



2.2. Beantwortung der einzelnen Fragen

1. Trifft es zu, dass Planungen im Gange sind, die mittel- oder langfristig Life Sciences nach Basel verlegen, resp. Life Sciences der FHNW mit dem Biozentrum der Universität und dem ETH Institut für Systembiologie in Basel-Stadt vereinigen wollen?


Gestützt auf die einleitend dargelegten Überlegungen findet ein Teil der Life Sciences-Aktivitäten der FHNW im Sinne einer Übergangslösung auf dem Rosental-Areal in Basel statt. Der Fachhochschulrat FHNW möchte, aufgrund neuestem Planungsstand für das Raumprogramm der Fachbereiche, mit den Partnerorganisationen in der Region Basel Gespräche über die weitere Zusammenarbeit aufnehmen. Der Fachhochschulrat denkt an einen Cluster der Hochschule für Life Sciences der FHNW mit andern Life Sciences-Institutionen der Universität Basel oder dem ETH-Institut für Systembiologie. Wie dieser Cluster aussehen könnte, allem voran die Frage der Standorte, ist noch völlig offen. Der Regierungsrat hat - so wenig wie der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt - zu diesem Antrag noch keine Stellung genommen. Der Standort des ETH-Instituts für Systembiologie und des geplanten biomedizinischen Zentrums der Universität ist noch nicht bestimmt.



2. Wie beurteilt der Regierungsrat die Lehraufbauplanung für Life Sciences, wenn kurz vor Beginn des ersten Lehrganges erkannt wird, dass Laborplätze fehlen? Im Businessplan Life Sciences vom 30. Juni 2005 in Ziffer 5 wurde nämlich der Raumbedarf in Muttenz als im Vollausbau ausreichend dargestellt. Seit wann ist dem Regierungsrat bekannt, dass in Muttenz Raum- und Laborprobleme für Life Sciences bestehen?


Der Regierungsrat nimmt erfreut zur Kenntnis, dass die neuen Studiengänge dem besten von ihm erwogenen Szenario entsprechen, am Markt überzeugen und bereits im ersten Jahr rund 130 Studierende anziehen. Es ist ihm ein grosses Anliegen, dass die Studierenden ihr Studium zu bestmöglichen Bedingungen absolvieren können und die Forschung auf hohem Niveau erfolgt. Die Hochschulleitung hat, wie im Businessplan Life Sciences angekündigt und trotz unsicherem politischem Entscheidungsgang, die Detailplanung (inkl. räumliche Rochaden und Übergangslösungen) mit hohem Engagement erledigt und die nötigen Vorkehrungen für einen erfolgreichen Start getroffen.


Der Investitionsbedarf in den bestehenden Labors ist dem Regierungsrat, wie einleitend dargelegt, seit längerem bekannt.



3. Bekommen jene Kritiker recht, die im Vorfeld darauf hingewiesen haben, dass die Fachdirektion für Life Sciences nicht öffentlich ausgeschrieben wurde, indem als Lösung von Anfang an eine in Fachkreisen umstrittene Berufung gewählt wurde?


Der Regierungsrat hält fest, dass gegenwärtig von der Hochschule für Life Sciences und damit auch von deren Direktorin hervorragende Arbeit geleistet wird. Die Direktorin der Hochschule nahm ihre Arbeit unter sehr anspruchsvollen Bedingungen auf und hatte zunächst gegen jene Stimmen zu kämpfen, die unverständlicherweise behaupteten, bei Life Sciences "sei kein Fleisch am Knochen", es handle sich um eine "Wolke".


Die derzeitige Direktorin wurde nach einem ordentlichen, für sämtliche Hochschulleitungen der FHNW geltenden Verfahren durch den Fachhochschulrat gewählt. Es erfolgte eine Ausschreibung der Projektleitung "Life Sciences" in einer internen Ausschreibung innerhalb der Vorläufer-Fachhochschulen. Die Auswahl als Projektleiterin und später die Wahl zur Direktorin erfolgte aus einem Kreis von mehreren wählbaren Kandidaturen. Es fanden die üblichen Bewerbungsgespräche statt, Referenzen wurden eingeholt und die zukünftige Direktorin stellte sich einem Assessment.


Die Um- und Neugestaltung einer Hochschule nach einer Fusion, insbesondere der Aufbau eines völlig neuen Studiengangs, ist eine schwierige Aufgabe, die ohne Konflikte kaum zu bewältigen ist. Es ist kein aussergewöhnlicher Vorgang, dass neben innovativen, veränderungswilligen Mitarbeitenden, die sich aktiv in den anspruchsvollen Entwicklungsarbeiten engagieren, auch Widerstände auftreten. Aus der Sicht des Regierungsrates ist die Weitergabe von tendenziösen, nicht substanziierten Behauptungen in einer Interpellation ein problematischer Vorgang. Auch die leitenden Mitarbeitenden der FHNW haben Anspruch auf Respekt und den Schutz ihrer Persönlichkeit.



4. Kann der Regierungsrat verstehen, dass der Eindruck im Landrat aufkommt, das Baselbiet sei von den Verantwortlichen der Fachhochschule und vom zuständigen Bildungsdirektor bei den Staatsvertragsverhandlungen getäuscht worden? Wenn ja: Welche Konsequenzen werden daraus gezogen?


Von einer Täuschung des Landrats zum Zeitpunkt der Staatsvertragsverhandlungen kann keine Rede sein. Zum genannten Zeitpunkt wurden die bekannten Planungen und der Stand des Wissens im Fachhochschulrat wie der politischen Projektleitung FHNW offen und ohne "hidden agenda" kommuniziert. Die Studiengänge der Hochschule für Life Sciences starten wie geplant im Oktober am Hauptstandort Muttenz. Es gehört hingegen zu den strategischen Aufgaben des Regierungsrates wie des Fachhochschulrates, in rollender Planung und vorausschauend einen längerfristigen Zeitraum zu überblicken und zu analysieren und zum gegebenen Zeitpunkt adäquate Lösungswege vorzuschlagen. Die hier diskutierten Optionen bezüglich Life Sciences wurden Ende Juni 2006 im Fachhochschulrat der FHNW diskutiert und befinden sich nun - nach der Sommerpause - auf dem ordentlichen politischen Diskussions- und Entscheidungsweg.


Der Regierungsrat bedauert, dass aufgrund einer Indiskretion zu früh, zu einseitig und zu unvollständig eine Debatte zu diesem Thema eingeläutet wurde. Der Regierungsrat würde allfällige Abweichungen von gültigen Standortentscheiden dem Landrat begründet und auf politisch korrektem Weg vorschlagen und behandeln lassen.


Angesichts der Zusprache des neuen Fachbereichs Life Sciences und der nun mit dem Regierungsrat von Basel-Stadt vereinbarten Ansiedlung der Hochschulen für Pädagogik, Soziale Arbeit sowie Gestaltung und Kunst auf basellandschaftlichem Terrain kann der Kanton Basel-Landschaft nach Ansicht des Regierungsrates im übrigen nicht als "grosser Fusionsverlierer" bezeichnet werden. Die Standorte der drei letztgenannten Hochschulen waren zum Zeitpunkt der Vertragsgenehmigung noch offen und wurden nun nach Kriterien der Zweckmässigkeit zugeteilt, obwohl die Hochschule für Gestaltung und Kunst sowie der Komplementärstandort der Hochschule für Soziale Arbeit dem Kanton Basel-Stadt zugeteilt sind.



5. Ist der Regierungsrat gewillt, für Life Sciences auf dem Schwerpunktsstandort Muttenz gemäss dem rechtsgültigen Staatsvertrag zu bestehen?


Der Regierungsrat lässt keinen Zweifel daran, dass er auf den unterzeichneten Verträgen besteht. Der Schwerpunktsstandort Muttenz für Life Sciences ist im rechtsgültigen Leistungsauftrag dem Kanton Basel-Landschaft zugeordnet, wobei - wie die obigen Beispiele Pädagogik, Gestaltung und Kunst und Soziale Arbeit zeigen, die beiden Basel sich bezüglich ihrer Grossinvestitionen im Binnenverfahren jeweils über die künftige und endgültige Platzierung und Aufteilung der Investitionen einigen. Die Verantwortung für die erfolgreiche operative Umsetzung der Verträge im Rahmen der gesprochenen Mittel liegt bei der FHNW; sie braucht und erhält den für ein Unternehmen ihrer Grösse nötigen Handlungsspielraum.



Liestal, 12. September 2006
Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Wüthrich-Pelloli
Der Landschreiber: Mundschin



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