2006-81 (1)
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Schriftliche Beantwortung der Interpellation 2006/081
von Hanspeter Frey: Belohnt werden soll wer Lernende ausbildet!
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vom:
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22. August 2006
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Nr.:
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2006-081
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Bemerkungen:
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Acrobat (PDF):
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An der Landratssitzung vom 23. März 2006 reichte Landrat Hanspeter Frey, Mitglied der FDP Fraktion, eine Interpellation mit dem Titel "Belohnt werden soll wer Lernende ausbildet!" und folgendem Wortlaut ein.
Antwort des Regierungsrates
Umfeld
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft ist sich der Bedeutung der Lehrlingsausbildung bewusst und anerkennt die Leistungen der Ausbildenden.
Unbestrittenermassen stellt die Lehrlingsausbildung einen Eckpfeiler des dualen Ausbildungsmodells dar und ist aus bildungs- und sozialpolitischen Gesichtspunkten begrüssenswert. Einerseits bietet die Lehrlingsausbildung denjenigen Schülerinnen und Schülern, die keine höhere Schulbildung absolvieren können oder wollen, eine Grundausbildung im Berufsleben und andererseits ist die Lehrlingsausbildung auch ein Reservoir zur Förderung des Berufsnachwuchses der Unternehmungen.
Nur steht die Lehrlingsausbildung in keinem direkten Zusammenhang mit der Leistungserbringung, und es darf davon ausgegangen werden, dass Anbietende, die auch Lehrbetriebe sind, im Beschaffungsverfahren nicht benachteiligt sind. In der Erbringung ihrer Leistung kann ihnen der Einbezug ihrer Auszubildenden auch zum Vorteil gereichen.
Auf Grund der zu beschaffenden Leistungen seitens des Kantons, der Gemeinden oder Körperschaften der öffentlichen Hand kommen Ausbildungsbetriebe, die zum Beispiel Verkaufspersonal im Detailhandel, kaufmännische Angestellte bei Banken oder Versicherungen sowie Restaurants und Hotels, die unter anderem Köche ausbilden, kaum jemals in die Lage, für die öffentliche Hand ein Angebot einreichen zu können. Durch den in diesen Sparten fehlenden Bedarf an öffentlichen Beschaffungen können einige Ausbildungsbetriebe niemals in den allfälligen Genuss einer Entschädigung ihrer Bemühungen via öffentliches Beschaffungswesen kommen.
Die Zulässigkeit des Kriteriums "Lehrlingsausbildung" ist juristisch umstritten. Es existieren einige Entscheide, die aber nicht einheitlich sind. Oft wird das Kriterium "Lehrlingsausbildung" als unzulässig erklärt, oft wird explizit darauf hingewiesen, es dürfe in nur sehr untergeordneter Bedeutung bemessen werden. Eine eindeutige Klärung des Bundesgerichts steht noch aus.
Trotz eines fast gleichlautenden Gesetzes in den beiden Basel, hat sich seit dessen Einführung die Umsetzung und Gerichtsbarkeit in den beiden Basel unterschiedlich entwickelt. Ein ähnliches Bild kann auch gesamtschweizerisch verzeichnet werden. Die kantonale Gesetzgebung, welche auf der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVÖB) basiert, hat die unterschiedlichsten Entwicklungen zu verzeichnen. In einigen wenigen kantonalen Gesetzgebungen ist die Lehrlingsausbildung als Kriterium aufgeführt. In anderen Kantonen, so auch im Kanton Basel-Landschaft, hingegen nicht.
Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt hat die von Grossrat Peter Malama (Direktor Gewerbeverband Basel-Stadt) eingereichte Motion betreffend Berücksichtigung von Lehrbetrieben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge am 15. Februar 2006 als Anzug überwiesen und dem Regierungsrat Frist bis 15. Februar 2010 zur Ausarbeitung einer Vorlage gewährt. [ Beschluss des Grossen Rats des Kantons Basel-Stadt vom 15.02.2006 ]
Die unverbindlichere Form in der Überweisung als Anzug anstelle einer Motion lässt dem Regierungsrat die Freiheit, um mit dem Kanton Basel-Landschaft über eine partnerschaftliche Lösung zu verhandeln. [ Nachzulesen in der Medienmitteilung des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt vom 20.12.2005 ]
Seitens der KMU-Wirtschaftsvertreter wird immer wider der administrative Aufwand moniert, der die Unternehmungen belaste. Diesem Aspekt kann insofern Rechnung getragen werden, in dem kein neues Formular eingeführt wird. Insbesondere ist auf ständige Listen im Beschaffungswesen, zum Beispiel Lehrbetriebe, zu verzichten. Einerseits werden die Lehrbetriebe im Amt für Berufsbildung und Berufsberatung administriert und andererseits lösen ständige Listen im Beschaffungswesen einen erheblichen administrativen Aufwand für die Beschaffungsstelle aus. Es gilt zu beachten, dass nicht nur die Prüfung zur Aufnahme und Registrierung in einer ständigen Liste anfällt, die ständigen Listen sind periodisch zu aktualisieren.
Schlussendlich sei noch auf das Beschaffungsgesetz verwiesen. Im § 1 wird der Zweck des Gesetzes wie folgt umschrieben:
Der Kanton will mit diesem Gesetz das Verfahren von öffentlichen Vergaben regeln und transparent gestalten, den Wettbewerb stärken, den wirtschaftlichen Einsatz der öffentlichen Mittel fördern und die Gleichbehandlung aller Anbietenden gewährleisten .
Die stipulierte Gleichbehandlung aller Anbietenden steht in gewissem Widerspruch zur Interpellation, die eine bevorzugte Berücksichtung von Anbietenden, die ausbilden, anstrebt.
Beantwortung der Fragen
1. Ist der Regierungsrat bereit die Ausbildung von Lernenden ebenfalls als Kriterium ins Gesetz resp. Verordnung aufzunehmen?
Im Gesetz über die öffentlichen Beschaffungen sind die Eignungskriterien und in der Verordnung zum Gesetz über die öffentlichen Beschaffungen die Zuschlagskriterien im Grundsatz abgehandelt. Im Gesetz wie auch in der Verordnung ist aber keine Auflistung möglicher Kriterien aufgeführt. Die Auftraggebenden sind gehalten, die Eignungs- und Zuschlagskriterien auf Grund des gewählten Beschaffungsverfahrens sowie der zu beschaffenden Leistung angemessen festzulegen. Eine abschliessende Auflistung der Kriterien in Gesetz und Verordnung würde dem widersprechen, respektive könnte in der Praxis dazu führen, dass nur wenige, einfach zu handhabende Kriterien festgelegt würden.
Da die Eignungskriterien "Killerkriterien" darstellen, erfüllt oder nicht erfüllt , ist die Lehrlinsgausbildung als solches nicht geeignet. Es gilt die Gleichbehandlung aller Anbietenden zu gewährleisten. Ein potentieller Anbieter, der aus welchen Gründen auch immer keine Lehrlingsausbildung nachweisen kann und somit aus einem Verfahren wegen Nichterfüllen des Eignungskriteriums ausgeschlossen würde, hätte im Beschwerdefall gute Chancen, wegen diskriminierender Ausschreibung Recht zu erhalten.
Als Zuschlagskriterium könnte die Lehrlingsausbildung in gewissen Fällen denkbar sein. Auf Grund der gefällten Gerichtsurteile und der daraus resultierenden Praxis kann die Gewichtung dieses Kriteriums aber nur in einem bescheidenen Mass erfolgen (z.B. 10% der Gewichtung aller Zuschlagskriterien). Gerade auch bei Beschaffungen von Gütern mit Marktpreisen oder wenn der Preis grundsätzlich zu 100% Zuschlagskriterium ist, korrespondiert das Kriterium "Lehrlingsausbildung" kaum mehr mit dem Grundsatz den wirtschaftlichen Einsatz der öffentlichen Mittel sicherzustellen (§1 Beschaffungsgesetz).
2. Wenn Nein, was für Auswirkungen hat das einseitige Verfahren von Basel-Stadt für Anbieter aus dem Baselland.
Grundsätzlich ist im Beschaffungsgesetz des Kantons Basel-Stadt, wie auch in der IVÖB die Gleichbehandlung aller Anbietenden festgehalten. Im offenen und/oder selektiven Verfahren können die Anbietenden gegen eine aus ihrer Sicht diskriminierende Ausschreibung Beschwerde einreichen.
Mögliche Auswirkungen bei einer allfälligen Umsetzung im freihändigen oder Einladungsverfahren können zum heutigen Zeitpunkt nicht abschliessend beurteilt werden.
3. Wenn Ja soll das Zuschlagskriterium nur beim freihändigen Verfahren und im Einladungsverfahren für Anbieter zum Tragen kommen.
Sofern das Zuschlagskriterium "Lehrlingsausbildung" angewandt würde, so wäre dies im Einladungsverfahren denkbar. Im Freihändigen, wie auch im Einladungsverfahren ist es der Beschaffungsstelle freigestellt, nach welchen Kriterien sie den, respektive die Anbietenden zur Erstellung eines Angebots einlädt. Die Lehrlingsausbildung kann ein Auswahlkriterium darstellen. Die Auswahl der Anbietenden darf aber nicht nur durch dieses Auswahlkriterium geleitet sein. Vielmehr sind Aspekte wie die bisherigen Erfahrungen, die Qualität der Leistungserbringung, die Termin- oder Kostentreue zu berücksichtigen.
Im Einladungsverfahren kann als eines der Zuschlagskriterien, sofern sinnvoll, die Lehrlinsgausbildung festgelegt werden. Die Gewichtung kann, wie vorgängig bereits erwähnt, nur eine untergeordnete Stellung einnehmen.
4. In welcher Form werden die Gemeinden in das Verfahren eingebunden.
Das Gesetz über öffentliche Beschaffungen gilt nach § 4 unter anderem für den Kanton, die Gemeinden und andere Träger kantonaler oder kommunaler Aufgaben.
5. Wie gedenkt man dem möglichen eingeschränkten Markt, auch gegenüber Anbieter aus Baselland zu begegnen.
Die Lehrlingsausbildung kann auf Grund der aktuellen Gesetzeslage sowie der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVÖB) zu keiner Beschränkung des Beschaffungs- oder Anbietermarktes führen. Dies gilt insbesondere für Verfahren im Bereich des WTO-Übereinkommens.
Praxis
Die Zuschlagskriterien sind für jedes Beschaffungsverfahren aus fachlicher, ökologischer und ökonomischer Sicht festzulegen und dienen zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots.
In der Verordnung zum Beschaffungsgesetz des Kantons Basel-Landschaft, wie auch des Kantons Basel-Stadt, wurde auf eine Auflistung möglicher Kriterien verzichtet. Ohne dass dies in der bisherigen Praxis zum Nachteil der ausschreibenden Stelle geworden wäre. Vielmehr ist die ausschreibende Stelle gefordert, prägnante, auf das gewählte Verfahren und die anzubietende Leistung bezogene Kriterien festzulegen.
Die Lehrlingsausbildung als Kriterium im Beschaffungswese kann keinesfalls als Eignungskriterium angewandt werden. Die Gleichbehandlung aller Anbietenden ist zu gewährleisten und Eignungskriterien sind "Killerkriterien", die bei Nichterfüllung automatisch den Ausschluss des Anbietenden aus dem Beschaffungsverfahren bewirken.
Im Staatsvertragsbereich ist die Lehrlingsausbildung auch als Zuschlagskriterium nicht denkbar. Da die berufliche Grundbildung wie sie die Schweiz kennt, in dieser Form im benachbarten Ausland sowie in Europa nicht stattfindet und somit der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Anbietenden (Lehrbetrieb) kaum gewährleistet werden kann. Im Beschwerdefall hätte die ausschreibende Stelle einen schwiereigen Stand.
Der Nachweis bezüglich Lehrlingsausbildung hat durch den Anbietenden zu erfolgen und die einzureichende Bestätigung sollte von einer anerkannten (staatlichen) und befähigten Stelle ausgestellt sein. Im weiteren muss sichergestellt sein, dass die Bestätigung befristet ist und bei Änderungen des Sachverhalts (Auflösung Lehrverhältnis, Lehrstelle nicht besetzt etc.) auch die Aberkennung geregelt ist.
Eine Selbstdeklaration oder Kopie des Lehrvertrags als Nachweis ist problematisch, da diese Angaben nur mit einem enormen administrativen Aufwand überprüfbar sind und dies kaum Aufgabe der ausschreibenden Stelle sein kann und soll.
Vor der erstmaligen Festlegung der Lehrlingsausbildung als Zuschlagskriterium wären die nachfolgenden Punkte zu klären und die entsprechenden Rahmenbedingungen festzulegen.
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Wer ist legitimiert, eine Bestätigung auszustellen?
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Wie kann der Nachweis erfolgloser Bemühungen zur Einstellung eines Lehrlings erbracht werden und durch wen wird dies überprüft?
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Wie sind Anbietende zu bewerten, die durch ihre Betriebsgrösse nicht in der Lage sind, einen Lehrling auszubilden? (Kleinunternehmungen, 1-2 Personen)
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Wie sind Anbietende zu bewerten, die durch die Neugründung ihres Betriebs noch nicht in der Lage sind, Lehrlinge auszubilden?
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Wie sind Betriebe in einem Lehrstellenverbund zu bewerten?
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Wie können ausserkantonale Anbietende eine adäquate Bestätigung erhalten?
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Muss der Nachweis der Lehrlingsausbildung zwingend mit der angebotenen Leistung verbunden sein? (z.B. KV-Lehrling im Schreinereibetrieb)
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Als Zuschlagskriterium kann die Lehrlingsausbildung nur mit einer bescheidenen Gewichtung, maximal 10 % aller Kriterien festgelegt werden und nur zur Entscheidungsfindung herangezogen werden, wenn nach der Prüfung und Bewertung aller Angebote zwei praktisch gleichwertige Angebote vorliegen.
Fazit
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft erteilt den ausschreibenden Stellen der kantonalen Verwaltung den Auftrag, das Kriterium Lehrlingsausbildung in den kantonalen Beschaffungsverfahren wann immer möglich und konform zur Rechtssprechung, die das Kriterium zulässt, anzuwenden.
Auf Grund der eingereichten parlamentarischen Vorstösse in den beiden Basel, sowie der Beibehaltung einer gleichlautenden Gesetzgebung in beiden Basel, wird die Zentrale Beschaffungsstelle der Bau- und Umweltschutzdirektion die weitere Entwicklung der Geschäfte verfolgen, den Kontakt mit dem Submissionsbüro Basel-Stadt sicher stellen und dem Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft über die weitere Entwicklung berichten.
Der Regierungsrat strebt eine partnerschaftliche Lösung mit dem Kanton Basel-Stadt an, mit dem Ziel einer gleichlautenden Gesetzgebung im Beschaffungswesen der beiden Kantone, die mittels Verhandlungen zu erreichen ist.
Auf eine explizite Nennung der Lehrlingsausbildung als Zuschlagskriterium im Beschaffungsgesetz ist zurzeit zu verzichten.
Auf Grund der laufenden Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen sowie der Tendenz, die kantonalen Gesetzgebungen im Rahmen der IVÖB an die Bundesgesetzgebung anzupassen, darf davon ausgegangen werden, dass auch das kantonale Gesetz sowie die Verordnung in nicht allzulanger Zeit anzupassen sind.
Liestal, 22. August 2006
Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Wüthrich-Pelloli
Der Landschreiber: Mundschin
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