2006-80 (1)
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Schriftliche Beantwortung der Interpellation 2006-080
von Georges Thüring: »Konkurs der Schmidlin AG Fassadentechnologie, Aesch.«
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vom:
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30. Mai 2006
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Nr.:
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2006-080
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Bemerkungen:
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Acrobat (PDF):
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An der Landratssitzung vom 23. März 2006 reichte der Landrat Georges Thüring, Mitglied der SVP Fraktion, eine Interpellation mit dem Titel «Konkurs der Schmidlin Fassadentechnologie AG» und folgendem Wortlaut ein:
[ Wortlaut der Interpellation ]
Antwort des Regierungsrates
Grundsätzliche Bemerkungen zum Konkursverfahren und -verlauf
Am 16. Februar 2006 informierte der damalige Vorsitzende der Geschäftsleitung der konkursiten Unternehmung den Leiter des KIGA Baselland und den kantonalen Wirtschaftsdelegierten über die betriebliche Situation, die bevorstehende Konkurseröffnung und die Abgabe der Insolvenzerklärung gemäss Artikel 191 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes (SchKG). Da eine Weiterführung des Betriebes generell ausgeschlagen wurde, nahm sich die Konkursverwaltung umgehend der Organisation betreffend Sicherung der Aktiven sowie der Inventaraufnahme an. Um insbesondere die Mitarbeitenden bestmöglichst zu unterstützen, sprachen sich die Konkursverwaltung und das KIGA Basel-Landschaft ab und organisierten die Sofortmassnahmen betreffend das Ausfüllen der entsprechenden Formulare für Insolvenzentschädigung, dem Arbeitslosengeld und Forderungsanmeldung im Konkurs. Ausserdem wurden die notwendigen Vorbereitungen für die Einrichtung eines Job Centers zur Beratung und Vermittlung der betroffenen Mitarbeitenden in Aesch getroffen.
Am 22. Februar 2006 um 0800 Uhr wurde über die Schmidlin AG Fassadentechnologie, mit Sitz in 4147 Aesch, Steinackerstrasse 69, durch das Bezirksgericht Arlesheim, infolge Insolvenzerklärung gemäss Artikel 191 SchKG rechtskräftig der Konkurs eröffnet. Die Publikation mit Ansetzung der Eingabefrist und der Einladung zur 1. Gläubigerversammlung folgte im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) vom 15. März 2006 und im Amtsblatt des Kantons Basel-Landschaft vom 16. März 2006.
Mit der Eröffnung des Konkurses galt das Vermögen der Schuldnerin als Sondervermögen, über das sie nicht mehr eigenmächtig verfügen konnte. Jede Verwaltungs- und Verfügungstätigkeit hinsichtlich dem zur Masse gehörenden Vermögen hörte auf und das Konkursamt trat an die Stelle der konkursiten Gesellschaft. Die Befugnisse der Konkursverwaltung waren vorerst beschränkt auf die Inventaraufnahme und jene Massnahmen, die zur Sicherung des Vermögens erforderlich waren.
Per 14. März 2006 standen nach etlichen Gesprächen lediglich zwei Angebote für eine Globalübernahme und zwei für Teilübernahmen zur Diskussion. Die Konkursverwaltung sah die Möglichkeit eines Notverkaufes im Sinne von Artikel 243 Absatz 2 SchKG als gegeben und lud die Interessenten auf Mittwoch, 15. März 2006 zu einer so genannten Schlussverhandlung zwecks Eruierung von Kaufpreis und Käuferschaft ein. Ein Interessent zog seine Offerte für eine Teilübernahme zwischenzeitlich zurück und für die Globalübernahme vermochte ein Interessent selbst die mindesten Bedingungen nicht zu erfüllen und schied daher aus. In der Folge gab die Konkursverwaltung dem verbleibenden Gesamtangebot den Vorzug, da der offerierte Preis den Vorstellungen der Konkursverwaltung entsprach und zudem die Rettung von zirka 200 Arbeitsplätzen in Aussicht gestellt wurde. Für mindestens 100 Arbeitsplätze leistete die Käuferschaft eine Zusicherung auf 5 Jahre.
Einen Monat nach dem Zusammenbruch der Schmidlin Gruppe in Aesch konnten am 20. März 2006 über 100 bisherige Mitarbeitende ihre Arbeit in den Werkhallen und Büros wieder aufnehmen. Dank der überzeugten und weitsichtigen Investitionsbereitschaft des deutschen Unternehmerehepaars Günther und Ingeborg Tröster gelang es mit flankierender Unterstützung vieler Akteure aus der Privatwirtschaft, den Sozialpartnern sowie der öffentlichen Verwaltung eine Nachfolgelösung zu finden, die auf einer finanziell gesunden Basis die Weiterführung eines grossen Teils des operativen Geschäftes der konkursiten Firma am ehemaligen Betriebsstandort in Aesch ermöglichte. Inzwischen beschäftigt die Nachfolgegesellschaft Schmidlin-TSK AG gemäss eigenen Aussagen bereits wieder über 150 Mitarbeitende.
Zu den einzelnen Fragen
1. Wie konnten der Regierungsrat und die involvierten Amtsstellen aktiv zur Gründung der neuen Firma «Schmidlin TSK» beitragen? Wie sieht der konkrete Beitrag der kantonalen Wirtschaftsförderung aus?
Der Regierungsrat hat das Projekt zur Bildung einer Nachfolgegesellschaft zusammen mit den Sozialpartnern bereits zu einem frühen Zeitpunkt aktiv und unterstützend begleitet. Bereits erste wichtige Weichen für die erfolgreiche Realisierung einer Nachfolglösung wurden seitens der öffentlichen Verwaltung untermittelbar nach Bekanntgabe des Konkursentscheides mit der raschen, effizienten und unbürokratischen Sicherstellung der Beratungs- und Unterstützungsmassnahmen für die betroffenen Mitarbeitenden durch das KIGA Baselland gestellt. Weiter hat der Regierungsrat unmittelbar nach dem Schliessungsentscheid den Einsatz eines Expertenbeirats beschlossen, der dem Konkursverwalter bei der Entwicklung und Umsetzung betrieblicher Nachfolgelösungen bei Bedarf zur Seite stehen konnte.
In der Folge gründeten die Baselbieter Sozialpartner in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsdelegation des Regierungsrates den Verein "Arbeitsplätze Schmidlin erhalten". Dieses landesweit erstmalige Projekt wurde mit dem Ziel geschaffen, soziale und wirtschaftliche Härten der konkursiten Schmidlin-Gruppe zu verhindern beziehungsweise zu mildern. Die damit verbundenen Anstrengungen und Verhandlungen waren letztlich dafür ausschlaggebend, dass das Unternehmerehepaar Tröster als Investor für die neue Schmidlin-TSK AG gewonnen werden konnte.
Die Wirtschaftsdelegation des Regierungsrates selber gelangte nach mehreren Gesprächen mit dem Unternehmerehepaar zur Überzeugung, dass das von ihnen entworfene Betriebskonzept für eine operative Nachfolgelösung aussichtsreiche Chancen für eine erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung haben kann.
Auf befürwortende Empfehlung der Konsultativkommission des Wirtschaftsförderungsgesetzes beschloss der Regierungsrat deswegen am 14. März 2006, die Schmidlin-TSK AG aus den Mitteln des Wirtschaftsförderungsfonds mit einem Finanzierungsbeitrag im Sinne von Einarbeitungszuschüssen zu Gunsten der Sicherstellung von 100 Arbeitsplätzen während einer ersten Übergangsphase nach der Betriebsaufnahme zu unterstützen. Gleichzeitig haben sich die Investoren bereit erklärt, diese Mitarbeitenden für mindestens fünf Jahre zu übernehmen und diese dem GAV des Schreinergewerbes zu unterstellen.
2. Laut Handelsregister Basel-Landschaft wurde die nun konkursite Firma «Schmidlin AG Fas- sadentechnologie» am 22. August 2005 mit einem Aktienkapital von 4 Mio. Franken gegründet und ist also etwas mehr als 7 Monate alt!
a) Trifft es zu, dass die offenbar mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfenden und seit Jahren belasteten Bereiche aus der am 28.11.1957 gegründeten und nach wie vor bestehenden und mit einem Aktienkapital von 22,5 Mio. Franken dotierten Firma «Schmidlin AG Fassaden» herausgelöst wurde?
Im Zusammenhang mit der Gründung der Schmidlin AG Fassadentechnologie wird im Handelsregister mit Eintrag am 23. August 2005 als besonderer Tatbestand ausgewiesen:
«Sacheinlage: Die Gesellschaft übernimmt bei der Gründung einen Teil der Aktiven und Passiven der "Schmidlin AG Fassaden" (vormals firmierend "Schmidlin AG Fassadentechnologie"), in Aesch BL (CH-280.3.911.996-9), nämlich die Geschäftsbereiche Technik, Produktion, Colorsec, Formtec und CWS, gemäss Sacheinlagevertrag vom 22.08.2005 und Übernahmebilanz per 31.07.2005, wonach die übernommenen Aktiven CHF 23'412'00.-- und die übernommenen Passiven CHF 15'412'000.-- betragen, wofür 40'000 Namenaktien zu CHF 100.-- ausgegeben werden. Der Rest des Aktivenüberschusses von CHF 4'000'000.-- wird als Agio den Reserven der Gesellschaft gutgeschrieben.»
b) Trifft es zu, dass es sich beim Aktionariat in beiden Fällen praktisch um die gleichen natürlichen respektive juristischen Personen handelt?
Im Handelsregister sind keine Informationen über die Zusammensetzung des Aktionariats und die Aktienverteilung aufgeführt.
c) Trifft es zu, dass im Besonderen die Credit Suisse bei beiden Firmen eine namhafte Aktionärin ist?
Im Handelsregister sind keine Informationen über die Zusammensetzung des Aktionariats und die Aktienverteilung aufgeführt.
3. Ist es richtig, dass die Firma «Schmidlin AG Fassaden» nach wie vor Inhaberin der Immobilien und des Firmengeländes in Aesch ist? Und trifft es insofern zu, dass sich die neue «Schmidlin TSK» bei der «Schmidlin AG Fassaden» einmieten musste? Wenn ja, erfolgte dies zu einem marktüblichen Preis oder wurde im Rahmen einer ermässigten Miete auch seitens der «Schmidlin AG Fassaden» ein Beitrag zur gefundenen Lösung geleistet?
Die Frage der Mietkonditionen für die Schmidlin-TSK AG ist eine Frage nach Drittverhältnissen und nach Rechtsgeschäften unter Drittpersonen, die für das Konkursverfahren als solches keinerlei Relevanz haben. Solche Geschäfts- und Vertragsverhältnisse unterliegen in der Schweiz nicht der öffentlichen Diskussion, sondern unterfallen richtigerweise dem Amtsgeheimnis und den Datenschutzbestimmungen.
Eigentümeranfragen an das Grundbuch sind indessen erleichtert erhältlich, so dass folgendes festzustellen ist:
Die Schmidlin AG Fassaden ist Eigentümerin folgender Grundstücke:
1.
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Im Grundbuch Aesch
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Liegenschaft Nr. 2658
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Plan Nr. 20, Andlauring
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31'587 m2, Büopavillon und Kantine Nr. 49, Andlauring, Werkstatt und Lagergebäude Nr. 69 A, Andlauring, Heizung- und Trockenraum Nr. 69 B, Andlauring, Fabrik-, Montage und Bürogebäude Nr. 69 C+E, Andlauring, Lagergebäude Nr. 69 D, Andlauring, Montage- und Lagerhalle Nr. 69 G, Andlauring, Bürogebäude Nr. 69 H, Andlauring, Fabrikgebäude mit ged. Vorplatz Nr. 69 K, Andlauring, Hochregallager Nr. 69, Andlauring, Werkhalle und Teil Vordach Nr. 111, Andlauring, Lager- und Fertigungshalle mit Überführung zu Gebäude 69 E Nr. 69 J, Andlauring, Hofraum, Garten.
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2.
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Im Grundbuch Aesch
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Liegenschaft Nr. 3776
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Plan Nr. 20, Neuhofweg
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41 m2 Hofraum
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Sie ist zudem
Baurechtsnehmerin
auf folgendem Grundstück:
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Im Grundbuch Aesch
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Selbständiges und dauerndes Recht Nr. D3642
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Andlauring
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zulasten Grundstück Nr. 2657
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Baurecht auf 7'312 m2, Wiese, Acker, Frist: 31.03.2034
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Das baurechtbelastete Grundstück 2657 seinerseits steht im Eigentum der Einwohnergemeinde Basel.
4. Ist es richtig, dass die leitenden Organe - im Besonderen die Direktion - bei «Schmidlin AG Fassaden» und «Schmidlin AG Fassadentechnologie» identisch sind?
Darüber gibt das Handelsregister Auskunft. Zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Konkurseröffnung über die Schmidlin AG Fassadentechnologie durch das Bezirksgericht Arlesheim am 22. Februar 2006 waren im Sinne der Fragestellung unter den beiden genannten Gesellschaften folgende Personen eingetragen:
Schmidlin AG Fassaden
VR-Präsident: Viktor Balli
VR-Mitglied: Niklaus Nüesch
Vorsitzender der Geschäftsleitung: Michael Dobler
Direktorin: Elke Lüders
Schmidlin AG Fassadentechnologie, in Liquidation
VR-Mitglied: Niklaus Nüesch
Vorsitzender der Geschäftsleitung: Michael Dobler
Direktorin: Elke Lüders
5. Inwiefern können die Firma «Schmidlin AG Fassaden» und ihre leitenden Organe verantwortlich und haftbar gemacht werden für die wirtschaftliche Situation und den drohenden Konkurs der «Schmidlin AG Fassadentechnologie»?
Im Zusammenhang mit der Frage nach der Verantwortlichkeit der Organe wird auf Artikel 752 ff. OR verwiesen, namentlich auf OR 754, der da lautet:
Art. 754
III. Haftung für Verwaltung, Geschäftsführung und Liquidation
1 Die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen.
2 Wer die Erfüllung einer Aufgabe befugterweise einem anderen Organ überträgt, haftet für den von diesem verursachten Schaden, sofern er nicht nachweist, dass er bei der Auswahl, Unterrichtung und Überwachung die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat.
Die Konkursverwaltung, nunmehr die ausseramtliche Konkursverwaltung, Transliq AG, wird diese Fragen im weiteren Verlauf des Konkursverfahrens zu prüfen und zu klären haben.
6. Gedenkt der Regierungsrat bei den Verantwortlichen der Credit Suisse als namhafter Aktionärin zu intervenieren - vor allem im Hinblick auf den skandalösen Ablauf des Konkurses und angesichts der Tatsache, dass kein Sozialplan erstellt und die Behörden offensichtlich nicht rechtzeitig und in der gebührenden Form informiert worden sind?
Hoffnungsvoll unterstellt der Regierungsrat, dass sich die Formulierung "skandalöser Ablauf des Konkurses" nicht auf die Handhabung und bisherige Durchführung des Verfahrens durch das Konkursamt Arlesheim bezieht. Vielmehr nehmen wir an, dass damit die Tatsache des Konkurseintritts überhaupt sowie die mangelhafte Vorbereitung seitens der Verantwortlichen der Gesellschaft bezeichnet werden soll. Dies vorausgeschickt, sei einerseits bemerkt, dass ausserhalb der Bestimmungen von Artikel 725 OR keinerlei Anzeigepflichten bestehen. Andererseits werden staatliche und behördliche Eingriffe in die freie Wirtschaft von der Politik regelmässig als unerwünscht bezeichnet. Dabei wird auf die Selbstregulierungskräfte der Wirtschaft verwiesen.
7. In der (Basler) Stadt-Zeitung vom 10. März 2006 wurde - unter Bezugnahme auf eine ehemalige Buchhaltungs-Mitarbeiterin - der Direktionsvorsitzende der konkursiten «Schmidlin AG Fassadentechnologie» beschuldigt, dass er sich Ende 2005 einen Bonus in der Höhe von «mindestens 86'000 Franken» ausbezahlen liess. Gleichzeitig hätte den MitarbeiterInnen keine Gratifikationen ausbezahlt werden dürfen. Haben unsere Behörden Kenntnis von solchen Vorwürfen und Vorgängen? Hat ein solches Vorgehen gegebenenfalls eine straf- oder zumindest zivilrechtliche Relevanz?
Der Beweis für die von den einzelnen Medien vorgebrachten Behauptungen steht bisher aus. Die Klärung solcher Fragestellung wird ebenfalls Gegenstand des weiteren Konkursverfahrens sein.
Liestal, 30. Mai 2006
Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der Landschreiber: Mundschin
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