Vorlage an den Landrat
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Vorlage an den Landrat |
Titel: | Totalrevision des Wirtschaftsförderungsgesetzes | |
vom: | 27. Juni 2006 | |
Nr.: | 2006-177 | |
Bemerkungen: | Inhaltsübersicht dieser Vorlage || Verlauf dieses Geschäfts |
5. Herausforderungen der heutigen Wirtschaftsförderungspolitik
I.Das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Umfeld hat sich im Verlauf der letzten 25 Jahre fundamental geändert und weiter entwickelt. Mit der zunehmenden und unaufhaltbaren Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft, des Handels und der Märkte sieht sich auch die kantonale Wirtschaftspolitik und die Wirtschaftsförderung laufend neuen Aufgaben und Herausforderungen gegenübergestellt.
Die regionale Wirtschaftsentwicklung wird zwar nach wie vor massgebend durch die nationale und internationale Konjunktur beeinflusst, doch die Tatsache der überdurchschnittlichen Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsraums Nordwestschweiz zeigt, dass kantonale und regionale Faktoren eine wesentliche Rolle spielen.
Die umfangreichen Veränderungen und einschneidenden Entwicklungen haben zu einer neuen wirtschaftspolitischen Ausgangslage geführt, die sich folgendermassen charakterisieren lässt:
5.1 Neue Dimension des Standortwettbewerbes
Nicht nur Unternehmen, auch Gebietskörperschaften operieren heute zunehmend in einem von Konkurrenz geprägten Umfeld. Die Globalisierung der Märkte, eine verstärkte europäische Integration und die Mobilisierung zentraler Produktionsfaktoren wie Wissen, Kapital und qualifizierte Arbeitskräfte führen zu einer Ablösung der komparativen zugunsten der kompetitiven Standortvorteile.
Volkswirtschaftliche Leistungsparameter und Kerngrössen wie Wirtschaftswachstum, Wohlstandsent-wicklung und Innovationsfähigkeit sind mit zunehmender Internationalisierung des Handels, Liberalisierung der Märkte und Verflechtung unseres Wirtschafts- und Lebensraumes heute immer mehr im regionalen Kontext zu verstehen. Während sich bis Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts der Förderungs-aspekt wirtschaftsförderungspolitischer Massnahmen noch vorwiegend auf den kantonalen Wirtschaftsraum konzentrierte, ist mit zunehmender regionaler Verflechtung und Vernetzung der funktionale Raumbegriff in den Vordergrund der wirtschaftspolitischen Betrachtungsweise gerückt.
Diese Entwicklung hat zu neuen Spielregeln, insbesondere aber zu einem verschärften Wettbewerb der Standorte und Regionen geführt, dem sich auch der Wirtschafts- und Lebensraum Nordwestschweiz nicht entziehen kann. Aus diesem sich verschärfenden Konkurrenzkampf zwischen in- und ausländischen Regionen hat sich in den vergangenen Jahren für die Wirtschaftsförderungspolitik ein Handlungsbedarf entwickelt, dem bei der Entstehung des heutigen Gesetzes noch nicht Rechnung zu tragen war.
Damit erhält der Standortwettbewerb eine ganz neue Dimension. Im Zentrum des Interesses stehen heute die Attraktivität und die Qualität eines Standortes. Dabei wird seine internationale Sichtbarkeit und Wahrnehmung wesentlich durch die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit seiner Produktions- und Dienstleistungssysteme bestimmt.
Als Konsequenz aus diesen Erkenntnissen muss die kantonale Wirtschaftsförderungspolitik darauf ausgerichtet sein, einen aktiven Beitrag an die Gestaltung der Konkurrenzfähigkeit der massgebenden Standortfaktoren zu leisten und ein wahrnehmbares Standortmarketing zu betreiben.
5.2 Anhaltender Strukturwandel
Die wirtschaftliche Situation Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, welche die Entstehung und Ausrichtung des heutigen Wirtschaftsförderungsgesetzes massgeblich geprägt hat, zeigt in einigen Ausprägungen grosse Ähnlichkeit mit der aktuellen Lage unserer Volkswirtschaft: Neben der konjunkturellen Situation und der Verfassung des Arbeitsmarktes ist es heute vor allem der Strukturwandel, der unseren Wirtschaftsraum im Verlauf der letzten beiden Jahre im landesweiten Vergleich heftig erfasst hat. Lange Zeit blieb die regionale Wirtschaft von dieser Entwicklung verschont, während in der übrigen Schweiz der "Tertialisierungsprozess" aufgrund der Globalisierung und eines steigenden Wettbewerbsdruckes auf wertschöpfungsschwache Arbeitsplätze zu starken Strukturbereinigungen führte. Nach wie vor ist aber der Anteil industrieller Arbeitsplätze in der kantonalen Wirtschaft mit über 30 Prozent deutlich höher als der landesweite Durchschnittswert. Dies lässt vermuten, dass im Produktionsstandort Baselland, infolge eines anhaltenden Wettbewerbs- und Kostendruckes auf industrielle Arbeitsplätze, in den kommenden Jahren weitere Verlagerungsprozesse ausgelöst werden.
Dieses an für sich normale Phänomen der wirtschaftlichen Veränderung und Dynamik ist nichts Negatives. Vielmehr ist gerade ein kontinuierlicher Strukturwandel Kennzeichen für eine zunehmend arbeitsteilige Wirtschaft und für die Steigerung des Wohlstandes. Eine permanente Erneuerung sowie Modernisierung einer Volkswirtschaft ist somit wünschenswert, ja letztlich sogar überlebensnotwendig. Die wirtschaftliche Entwicklung über die letzten Jahrhunderte hinweg führte von einer agrarisch geprägten Wirtschaftsstruktur, über die Industriegesellschaft bis hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Eine Volkswirtschaft ist somit einem dauernden Wandel unterworfen, der massgeblich vom technologischen Fortschritt, einer Verschiebung von Konsumentenpräferenzen und einer wachsenden Exportorientierung getrieben wird. Vor allem für eine kleine, offene, rohstoffarme Volkswirtschaft ist diese Anpassungsfähigkeit evident.
Worin liegen nun die Rolle des Staates und die Aufgaben einer Wirtschafts- respektive Wirtschafts-förderungspolitik?
Strukturwandel ist - ob politisch gefördert oder gebremst - immer ein Kennzeichen einer gut funktionieren-den Marktwirtschaft. Er ist Basis für Wohlstand und Wachstum. Bei intaktem Wettbewerb vollzieht er sich problemlos in Form von technologischem Fortschritt und meist unbeachtet von Politik und Medien. Erfolgt allerdings ein heftiger und rascher Wandel, kann er die Anpassungskräfte der Märkte temporär überfordern. Grössere Betriebsschliessungen, Massenentlassungen, soziale und politische Spannungen sowie mediale Ereignisse sind die Folgen. Finden die freigesetzten Arbeitskräfte keine sofortige Beschäftigung, werden nicht nur Bedenken über die erneuernde Wirkung des Strukturwandels geäussert, sondern auch Zweifel an der Kraft der Marktwirtschaft zur Selbsterneuerung gehegt. Der Ruf nach staatlichem Handeln zur Verhinderung zukünftiger Krisen wird laut.
Die Wirkung staatlicher Interventionen in Form von strukturpolitischen Massnahmen ist begrenzt und vor allem langfristig nicht nachweisbar. Für aktive Wirtschaftsförderung lassen sich kaum Erfolgsindizien finden. Untersuchungen [ Dr. Kersten Kellermann (2005): Wirksamkeit und Effizienz von steuer- und industriepolitischen Instrumenten zur regionalen Strukturanpassung. Strukturberichterstattung Nr. 31, Studienreihe des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), Bern. ] belegen, dass Kantone, die sich in den vergangen 20 Jahren in der Wirtschaftsförderung engagiert haben, nicht schneller gewachsen sind als solche, die bezüglich Wirtschaftsförderung zurückhaltend geblieben sind. Schlussendlich waren es die Kräfte der Privatwirtschaft, vor allem der betroffenen Unternehmen selber, die die Strukturprobleme respektive den -wandel bewältigt haben. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Flexibilität des Arbeitsmarktes, der die wirtschaftliche Anpassungsfähigkeit wesentlich unterstützt hat. Trotz markantem Strukturwandel und geringem Wachstum ist die Arbeitslosigkeit in der Schweiz wie im regionalen Wirtschaftsraum im internationalen Quervergleich relativ tief geblieben.
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich folgern, dass sich die Politik - statt aktiv den Strukturwandel beein-flussen zu wollen - auf die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen konzentrieren muss. Standortvor-aussetzungen, die die erforderlichen Anpassungsprozesse erleichtern, die den Unternehmen ein flexibles Handeln gestatten und die rasche Anpassung der Qualifikationen von Arbeitskräften an den wirtschaftlichen Wandel ermöglichen und begünstigen.
Ein vorrangiges Ziel der kantonalen Wirtschaftspolitik muss es deshalb nach Auffassung des Regierungsrates sein, diese Erfolgsgaranten gewährleisten zu können.
5.3 Beschleunigung des Innovationswettbewerbes
Der technologische Wandel ist eine der zentralen Triebfedern wirtschaftlichen Wachstums und hat das Wirtschaftswachstum in unserem Land seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts massgeblich geprägt. In technologischer Hinsicht steht die Schweiz heute nach wie vor in vielen Bereichen mit an der Weltspitze.
Allerdings beruht die heutige Wettbewerbsstellung bei technologischen Gütern in grossem Umfang auf Vorleistungen früherer Jahre, ist nicht mehr ausreichend genug auf die neuen Wachstumsfelder ausgerichtet und zeigt stagnierende Tendenzen auf hohem Niveau. Im Weltvergleich sollten die Aktivitätsschwerpunkte noch konsequenter auf Bereiche mit grossem Innovationspotenzial, hoher Forschungs- und Entwicklungsintensität und enger Wissenschaftsbindung fokussiert werden. Insbesondere stellt das Aufkommen neuer, anspruchsvoller Technologien mit hohem Innovationspotenzial stets grössere Anforderungen an das technisch-wissenschaftliche Können der Arbeitswelt. Damit sind die technologischen Fähigkeiten und Kompetenzen der Unternehmen stark gefordert.
Das Bestehen im weltweiten Innovationswettbewerb entwickelt sich somit immer stärker zur zentralen Herausforderung für alle Politikbereiche. Die Sicherung von Wohlstand und Lebensqualität in der Schweiz ist nur möglich, wenn die Unternehmen im globalen Innovationswettbewerb erfolgreich sein können. Der Bildung, Forschung und Technologie kommt deshalb eine enorme Bedeutung zu. Ebenso wichtig sind die Wechselwirkungen an den Schnittstellen von Wissenschaft, Technik, Berufsbildung, Unternehmen und internationalen Netzwerken.
Unsere Wirtschaftsregion verfügt über eine solide, ja hervorragende wissenschaftliche und technologische Ausgangslage, um den Anschluss an diese Entwicklung nicht zu verlieren und im globalen Innovations-wettbewerb auch künftig bestehen zu können. Die Basis dafür bilden unsere Hochschulen und die "Life Sciences"-Industrie mit ihren Grundpfeilern Pharma, Biotechnologie sowie den beteiligten Forschungs- und Entwicklungsorganisationen. Viele Firmen sind gut in das internationale Netz der Technik-Erzeugung eingebunden und die Teilnahme regionaler Partner in internationalen, wissenschaftlichen und technologieorientierten Programmen ist hoch.
Der Kanton Basel-Landschaft hat in jüngster Zeit mit einigen wegweisenden innovations- und bildungspolitischen Massnahmen wichtige Voraussetzungen zur Stärkung unserer regionalen Wirtschaft und unserer Standortattraktivität geschaffen. In diesem Kontext können die Anschubsfinanzierung für das neue ETH-Institut, die Bildung eines „Life Sciences-Schwerpunktes" an der Fachhochschule sowie die bevorstehende Verständigung auf eine partnerschaftliche Finanzierung der Universität Basel durchaus auch als wirtschaftsfördernde Massnahmen betrachtet werden.
5.4 Funktionale Wirtschaftsräume, Kooperationen und Netzwerke
Wohlstand, Wirtschaftswachstum und Innovationsfähigkeit machen heute nicht mehr vor Kantonsgrenzen halt. Der kantonale Wirtschaftsraum lässt sich deswegen nicht mehr isoliert und eigenständig entwickeln. Seine zunehmende regionale und trinationale Verflechtung ist eine unmittelbare Konsequenz der Internationalisierung der Wirtschaft und der Vernetzung von Wertschöpfungssystemen.
Kooperationen in allen Politikbereichen auf nationaler und internationaler Ebene sind zunehmend bedeutungsvoller und für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region unumgänglich geworden. Kooperationen bieten darüber hinaus grosse Chancen, gemeinsame Vorteile zu nutzen, die sich dem Einzelnen für sich allein nicht bieten.
Wettbewerbsstarke flexible Produktionssysteme sind heute als Netzwerke konstituiert. Kooperationen als wichtige Koordinationsform wirtschaftlicher Aktivitäten zwischen entscheidungsunabhängigen Einheiten grosser und kleiner Unternehmen senken die Transaktionskosten, indem sie raschen Zugang zu neuen Technologien und neuen Märkten schaffen, die Umsetzungskosten reduzieren und die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit erhöhen.
Die Urbanisationsvorteile des Stadtgebietes und der angrenzenden Agglomeration zur Bildung und flexiblen Anpassung solcher Netzwerke können zwar in den peripheren Regionen des Baselbietes nicht kompensiert werden, aber die daraus resultierenden Vorteile gelten, wenn auch in abgeschwächter Form, ebenso für diese Regionen.
5.5 Neue Regionalpolitik des Bundes (NRP)
Die neue Regionalpolitik des Bundes (NRP) will vermehrt auf Anreize setzen. Die zur Verfügung stehenden Mittel sollen dafür verwendet werden, die Entwicklungspotenziale aller Regionen - der reichsten (Agglomerationen, Zentren) ebenso wie der ärmsten - auszuschöpfen.
Mit diesem Strategiewechsel - weg von der interregionalen Umverteilung, hin zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des ganzen Landes wie auch seiner Teilräume - wird sich der Bund künftig darauf konzentrieren, ungenutzte Potenziale zu nutzen und Projekte mit ausgeprägten Entwicklungsimpulsen zu fördern. Die Regionalpolitik, wie sie die Schweiz während den vergangenen drei Jahrzehnten mit dem Konzept des Abbaus regionaler Disparitäten schwergewichtig betrieben hat, ist somit nicht mehr zielführend.
Der Ausgleich der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gliedstaaten und ihrer Regionen wird künftig weitgehend über den neuen bundesstaatlichen Finanzausgleich (NFA) erfolgen.
Während der Kanton Basel-Landschaft mit der bisherigen Regionalpolitik des Bundes kaum Berührungspunkte oder Gemeinsamkeiten aufwies, eröffnen sich mit der neuen Konzeption einige Möglichkeiten, von denen vor allem die Agglomeration und damit der regionale Wirtschaftsraum Nordwestschweiz und mit ihm auch der Kanton Basel-Landschaft in Zukunft in projektbezogener Hinsicht einen gewissen Nutzen ziehen könnte.
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