Vorlage an den Landrat


6 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

6.1 Grundsätzliche Aufnahme der Vernehmlassungsvorlage


Die vorgeschlagene Teilrevision des EG KVG wird von nahezu allen Vernehmlassungsteilnehmern grundsätzlich begrüsst. Die Subventionierung der Durchschnittsprämie von Kindern und jungen Erwachsenen zu mindestens 50% wird von allen Vernehmlassungsteilnehmern unterstützt. Von der Mehrheit begrüsst werden auch die Festlegung von Einkommensobergrenzen, die Neuberechnung des massgebenden Einkommens, die Regelung des Zahlungsverzugs, des Leistungsaufschubs und des Wegkaufs des Leistungsaufschubs bei Personen, die von der Sozialhilfe unterstützt werden. Der Wegkauf nicht bezahlter Prämien zu Lasten des Kantons wird ebenfalls mehrheitlich begrüsst und als gerechtfertigt erachtet.


Der bisherige Berechnungsmodus mit Richtprämie, Prozentanteil und neu Einkommensobergrenze wird von fast allen Vernehmlassungsteilnehmern grundsätzlich als gutes Modell eingestuft. Die SP und die Grünen lehnen jedoch die Beibehaltung des bestehenden Modells ab und verlangen die Einführung eines progressiven Prozentanteils des massgebenden Einkommens zur Festlegung der Prämienverbilligung. Auch die Sozialhilfebhörde Ormalingen regt die Prüfung eines Systemwechsels an. Dieser sollte sich am Solothurner Modell orientieren.


Die SD hat mit der Begründung keine Stellungnahme abgegeben, dass sie sich noch alle Optionen offen halten möchte.


In den folgenden Kapiteln wird auf die Anliegen zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen eingegangen.



6.2     § 6 Zahlungsverzug der Versicherten


Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer [FDP, SP, Freiheitspartei, VBLG, KOSA, Sozialhilfebehörden Birsfelden und Allschwil, Stadtrat und Sozialhilfebehörde Liestal] verlangen eine Präzisierung des Zeitpunkts für die Meldung der Versicherer an die Sozialhilfebehörden (unverzüglich) und des Begriffs "in Verzug geraten". Eine Präzisierung ist allerdings nicht angezeigt. Einerseits ist in Artikel 90 Absatz 4 der Verordnung über die Krankenversicherung [SR 832.102] der Begriff "in Verzug geraten" präzis festgelegt. Danach muss der Versicherer die ausstehende Forderung spätestens 40 Tage nach der letzten erfolglos gebliebenen Mahnung in Betreibung setzen, wenn die versicherte Person mit der Bezahlung von drei Monatsprämien in Verzug ist und sie erfolglos gemahnt worden ist. Anderseits ermöglicht es die vorgeschlagene Formulierung, den Zeitpunkt der Meldung durch die Versicherer auf Verordnungsebene zu präzisieren, damit Erfahrungen aus der Praxis rasch umgesetzt werden können. Es ist eine möglichst frühzeitige Meldung erwünscht. Es muss eine für die Versicherer praktikable Lösung gefunden werden. Dies um so mehr, als santésuisse einer Meldung zu diesem frühen Zeitpunkt ablehnend gegenübersteht.


Auch die folgenden Anträge zum Zahlungsverzug werden nicht in die überarbeitete Vorlage übernommen:


6.3      § 6a Leistungsaufschub


Absatz 3 wird ersatzlos gestrichen. Die Bestimmung sah vor, dass die Ausgleichskasse Basel-Landschaft den Kantonsspitälern sowie den Kantonalen Psychiatrischen Diensten auf Anfrage hin mitteilt, ob eine Person mit einem Leistungsaufschub belegt ist. Die Prüfung der Rechtmässigkeit dieser Bestimmung durch die Datenschutzbeauftragte des Kantons (Forderung SP) hat ergeben, dass Absatz 3 Datenschutzbestimmungen verletzen könnte. Eine Bekanntgabe von Personendaten wird vom Datenschutz generell als zulässig erachtet, wenn diese gesetzlich vorgesehen und auch verhältnismässig ist (§ 8 und 9 Datenschutzgesetz). Bei der Verhältnismässigkeit ist insbesondere die Erforderlichkeit zu berücksichtigen. Die Bekanntgabe der Personendaten für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe ist erforderlich. Dies ist für die Absatz 1 und 2 zutreffend, weshalb einer solchen gesetzlichen Regelung aus Datenschutzgründen nichts im Weg steht. Bezüglich Absatz 3 bleibt die Frage offen, ob die Bekanntgabe für die Kantonsspitäler und Kantonalen Psychiatrischen Dienste wirklich erforderlich ist. Diese Bekanntgabe sollte, falls wirklich nötig, durch die Betreibungsämter erfolgen. Weiter stellt sich das Problem der Ungleichbehandlung von Privatspitälern und anderen Kliniken und Ärzten und damit die Gefahr, dass diese einen gleichwertigen Zugang zu den Daten verlangen werden. Und somit auch die Gefahr, dass diese sensiblen Personendaten sehr vielen Personen zugänglich werden.


Aus diesem Grund wird Absatz 3 ersatzlos gestrichen. Die Konsequenz der Streichung besteht darin, dass sich die privaten und die kantonalen Leistungserbringer (Spitalbetriebe, Ärzte, Spitex, etc.) wie bisher bei den Betreibungsämtern erkundigen müssen, ob eine Person mit einem Leistungsaufschub belegt ist.


Mit der Streichung entfällt auch die Grundlage für die Kritik, dass mit einer solchen Regelung die privaten Leistungserbringer gegenüber den kantonalen Spitalbetrieben benachteiligt würden (FDP, Ärztegesellschaft Baselland). Der Ärztegesellschaft erschienen auch die Konsequenzen dieser Bestimmung für die Kantonsspitäler und die kantonalen psychiatrischen Dienste unklar. Es stelle sich die Frage, wie sich diese verhalten, wenn ein Leistungsaufschub besteht und eine Behandlung medizinisch notwendig ist, auch wenn es sich nicht um einen Notfall handelt.


Hierzu ist anzumerken, dass die Ungleichbehandlung zwischen privaten und öffentlichen Leistungserbringern sich aufgrund der Behandlungspflicht rechtfertigen würde, welche in den öffentlichen Spitälern zumindest in Notfällen besteht (§ 12 Spitalgesetz). Darauf wurde bereits in der Vorlage hingewiesen (Seite 12). Medizinisch notwendige Behandlungen werden unabhängig von der Sicherstellung der Finanzierung durchgeführt, wobei natürlich ein gewisser Interpretationsspielraum besteht. Es ist in diesem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, dass bereits das Bundesrecht gesundheitspolitisch problematisch ist, weil für einen immer grösseren Teil der Bevölkerung (trotz Versicherungsobligatorium) der Zugang zu medizinischen Leistungen erschwert wird, was letztlich zu einer Zweiklassenmedizin führt. Damit unterläuft der Bundesgesetzgeber grundlegende Ziele des KVG. Das kantonale Recht kann daran grundsätzlich nichts ändern.


Die folgenden Anliegen werden in der überarbeiteten Vorlage nicht berücksichtigt:


6.4     § 6b Wegkauf des Leistungsaufschubes bei unterstützten Personen


Der Begriff "Auskauf" ist im Zusammenhang mit dem Leistungsaufschub nicht korrekt und wird deshalb durch den Begriff "Wegkauf" ersetzt.


Die Beschränkung des Wegkaufs auf Leistungsaufschübe von Personen, die nach dem 1. Januar 2006 verhängt worden sind, stösst auf Unverständnis und wird kritisiert (VSO, diverse Sozialhilfebehörden, VBLG und KOSA). Mit Sicherheit gibt es Personen, die vor dem 1. Januar 2006 mit einem Leistungsaufschub belegt worden sind, die aber erst nach dem 1. Januar 2006 von der Sozialhilfe unterstützt werden. Diese Fälle sind von den Sozialhilfebehörden nicht beeinflussbar. Deshalb wird dieses Anliegen berücksichtigt, und Absatz 1 folgendermassen geändert:


1 Die Sozialhilfebehörde kauft beim Versicherer den Leistungsaufschub gegenüber sozialhilferechtlich unterstützten Personen weg, deren Unterstützung am oder nach dem 1. Januar 2006 begonnen hat.


Der VBLG verlangt, dass die Verzugszinsen beim Wegkauf vom Kanton übernommen werden sollen, wenn nicht der Versicherer zum Erlass bereit ist. Diesem Anliegen kann ebenfalls Rechnung getragen werden. Eine Nachfrage beim Bundesamt für Gesundheit hat ergeben, dass es zulässig ist, die Verzugszinsen an die Prämienverbilligung anzurechnen. Absatz 2 wird deshalb entsprechend angepasst:


2 Der Anteil nicht bezahlter Prämien am Wegkauf sowie die Verzugszinsen erfolgen zu Lasten des Kantons und werden der kantonalen Prämienverbilligungsrechnung für die Bundesbeiträge gemäss Art. 66 KVG belastet. Er gilt für die unterstützte Person nicht als sozialhilferechtliche Unterstützung.


Die Frage wurde gestellt, ob die Übernahme alter Ausstände durch die Sozialhilfe, vor allem der Zinsen und Verfahrenskosten mit dem Sozialhilfegesetz / der Sozialhilfeverordnung vereinbar ist, da zur Schuldenübernahme grundsätzlich kein Rechtstitel besteht (Stadtrat und SHB Liestal).


Hierzu ist festzuhalten, dass das EG KVG als spezielleres und neueres Gesetz dem älteren Sozialhilfegesetz vorgeht.


Die folgenden Anträge werden nicht in die überarbeitete Vorlage übernommen:


6.5      § 8 Anspruch


Die Formulierung von Absatz 3 erweckt den Eindruck, dass sämtliche Prämien in einem Haushalt mit Kindern den Anspruch auf eine Reduktion um mindestens 50 % haben (FDP). In der Tat steht dieser Anspruch ausschliesslich Kindern und jungen Erwachsenen zu. Deshalb wird die Bestimmung entsprechend präzisiert:


3 Für Kinder und junge Erwachsene bis 25 Jahre wird mindestens 50% der entsprechenden kantonalen Durchschnittsprämie ausgerichtet.


Auf die Forderung, dass nur jene jungen Erwachsenen bis zum 25. Altersjahr einen Anspruch auf Prämienverbilligung erhalten sollen, die sich in Ausbildung befinden (SVP), wird nicht eingegangen. Es stimmt zwar, dass diese Einschränkung der bundesrechtlichen Vorgabe entspricht. Sie würde somit entsprechend der Argumentation der SVP im Dienste einer zurückhaltenden Ausschüttung der staatlichen Subventionen stehen. Der Regierungsrat hält trotzdem an der gegenüber dem Bundesrecht grosszügigeren Regelung fest. Es wird in dem Zusammenhang auf die Begründung in Kapitel 4.5 oben verwiesen.


Auf die Forderung, eine nach Einkommenshöhen variable Subventionsgrenze einzuführen (SP, Grüne und Sozialhilfebehörde Ormalingen), wird ebenfalls nicht eingegangen. Sie entspricht dem Anliegen von der als Postulat überwiesenen Motion 2004-271 , die zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen die Einführung eines progressiven Prozentanteils zur Berechnung der Prämienverbilligung verlangt.


Die SP schlägt vor, dass die Höhe der Prämienverbilligung der Differenz zwischen der Jahresrichtprämie und einem linear von 4% bis 11% festgelegten Prozentanteil am massgebenden Jahreseinkommen entsprechen soll. Aus Sicht der Sozialhilfebehörde Ormalingen eignet sich das Solothurner Modell als Orientierungshilfe.


In Kapitel 4.11 oben wurde bereits begründet, wieso der Regierungsrat am bestehenden Berechnungsmodus der Prämienverbilligung festhält. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass im Kanton Basel-Landschaft mit dem bestehenden Modell die Haushalte mit tiefen Einkommen und auch Familien bereits heute in besonderer Weise entlastet werden.


Einerseits entlastet der für alle identische Prozentanteil gerade die Personen mit tiefen Einkommen viel stärker als solche mit höheren Einkommen. Ein Haushalt mit einem massgebenden Einkommen von 40'000 Franken hat heute beispielsweise einen Prozentanteil von 3'000 Franken zu tragen. Ein Haushalt mit einem massgebenden Einkommen von 10'000 Franken hat nur einen Viertel dieses Betrags zu tragen, nämlich 750 Franken.


Anderseits würde die Einführung eines linear von 4% bis 11% festgelegten Prozentanteils am massgebenden Jahreseinkommen gerade die Haushalte mit mittleren Einkommen schlechter stellen als bisher. Solche Haushalte hätten einen gegenüber heute (7.5%) spürbar erhöhten Prozentanteil bis maximal 11% zu tragen. Die Konsequenz bestünde darin, dass diese Haushalte weniger entlastet würden als heute. Zum Beispiel erhält heute eine Familie mit 2 Kindern und einem massgebenden Einkommen von 50'000 Franken eine Verbilligung von 2'130 Franken. Bei einer Erhöhung des Prozentanteils auf 9% erhielte die gleiche Familie noch einen Beitrag von 1'380 Franken, also 750 Franken weniger als bisher.


Der Regierungsrat hält deshalb am bisherigen Berechnungsmodus mit Richtprämie, Prozentanteil und neu Einkommensobergrenze fest. Dieses Modell wird auch von den übrigen Vernehmlassungsteilnehmern grundsätzlich als gutes Modell eingestuft.



6.6 § 8a Einkommensobergrenzen, Prozentanteil und Jahresrichtprämie


Zur Beseitigung von Unklarheiten wurde in Absatz 1 Buchstabe a der Begriff "Haushaltsgrösse" durch "Berechnenungseinheit" ersetzt:


1 Der Landrat legt fest:


a. für verschiedene Berechnungseinheiten die anspruchsabschliessenden Obergrenzen des massgebenden Jahreseinkommens,


Die folgenden Anliegen der Vernehmlassung werden nicht berücksichtigt:


*   1 Der Landrat
a. legt den maximalen anspruchsberechtigten Prozentanteil am massgebenden Jahreseinkommen fest, damit die maximal zur Verfügung stehenden Mittel von Bund und Kanton ausreichen.
b. legt die Untergrenze des massgebenden Einkommens für den maximalen Prozentanteil fest, damit untere und mittlere Einkommen berücksichtigt sind.
2 Der Regierungsrat legt die Jahresrichtprämien für jede bundesrechtliche Prämienkategorie fest. Die Jahresrichtprämie für Erwachsene darf die tiefste effektive Prämie nicht mehr als 5% unterschreiten.


6.7     § 9 Absatz 1


Die folgenden Anliegen aus der Vernehmlassung werden in der überarbeiteten Vorlage nicht berücksichtigt:


6.8     Aufhebung von §11b


Gemeinderat und Sozialhilfebehörde Pratteln nehmen mit Unverständnis die ersatzlose Streichung von §11b Drittausrichtung zur Kenntnis. Die Ausweitung der Drittausrichtung auf alle Prämienverbilligungs-Berechtigten ohne die Einschränkung auf Versicherte mit Prämienrückständen hätte für die Gemeinden eine enorme administrative Vereinfachung dargestellt. Ebenso könnte damit der Zweckentfremdung der Prämienverbilligung wirksamer begegnet werden. Die Direktauszahlung wurde eingehend geprüft und verworfen. Aufgrund der vorgeschlagenen Regelung stimmen die Grünen der Abschreibung von Postulat 2005/095 zu, womit sie eine Auszahlung der Prämienverbilligung direkt an die Versicherer gefordert hatten.



6.9     § 12a Prämienverbilligungsaufschub


In Absatz 1 wird die Ergänzung "an die Berechnungseinheit" eingefügt, damit klar wird, dass die Verbilligung der ganzen Berechnungseinheit nicht mehr bezahlt wird.


Die folgenden Anliegen aus der Vernehmlassung werden nicht in die überarbeitete Vorlage übernommen:


6.10    Dekret (Einkommensgrenzen)


§ 1 Abs. 1: "Berechnungseinheit" wurde anstelle von Haushalte sowie "erwachsene Person" anstelle von "Alleinstehende" und "Ehepaare" eingefügt.


Ein neuer § 1 Abs. 2 wurde eingefügt zur Klarstellung, dass junge Erwachsene auch gemeint sind.


Die vorgeschlagenen Obergrenzen erscheinen gerechtfertigt und zweckmässig. Sie decken die unteren und mittleren Einkommen ab, weshalb daran ohne Änderung festgehalten wird.



7 Politische Vorstösse

7.1 Motion 2005-095 von Madeleine Göschke vom 7. April 2005: Krankenkassenprämienverbilligung direkt an die Versicherungen (am 27. November 2005 überwiesen als Postulat)


Wortlaut des Postulats


Stellungnahme der Regierung
Das Postulat kann ohne Auszahlung an die Versicherer erfüllt werden.


Antrag der Regierung
Das Postulat ist als erfüllt abzuschreiben.



7.2 Motion 2004-271 von Madeleine Göschke vom 28. Oktober 2004: Neuordnung der Krankenversicherungs-Prämienverbilligung zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen (überwiesen am 26. Mai 2005 als Postulat)


Wortlaut des Postulats


Stellungnahme der Regierung
Das Anliegen des Postulats, kleinere und mittlere Einkommen zu entlasten, kann ohne Umstellung des geltenden Verbilligungsmodells erfüllt werden.


Antrag der Regierung
Das Postulat ist als erfüllt abzuschreiben.



7.3 Postulat 2004-268 der SP-Fraktion vom 28. Oktober 2004: Anpassung der Richtprämien (am 10. März 2005 modifiziert überwiesen)


Wortlaut des modifizierten Postulats


Stellungnahme der Regierung
Das Postulat wird mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Richtprämien auf den 1.1.2007 erfüllt.


Antrag der Regierung
Das Postulat ist als erfüllt abzuschreiben.



8 Anträge

Der Regierungsrat beantragt dem Landrat,



Liestal, 13. Juni 2006 Im Namen des Regierungsrates


Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der Landschreiber: Mundschin


Beilagen:
Änderung EG KVG (Entwurf) || Dekret (Entwurf)



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