2006-148
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Nichtformulierte Volksinitiative „für eine Schule mit Qualität (Qualitäts-Initiative)"
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vom:
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30. Mai 2006
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Nr.:
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2006-148
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Bemerkungen:
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Landratsbeschluss
(Entwurf) ||
Verlauf dieses Geschäfts
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Acrobat (PDF):
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1 Zusammenfassung
Mit der am 17. April 2002 eingereichten unformulierten Initiative wird gefordert, den Eintritt ins Gymnasium und in andere weiterführende Schulen - namentlich in die Fachmaturitätsschule (vormals Diplommittelschule 3) und in die Handelsmittelschule - vom Bestehen einer besonderen Prüfung abhängig zu machen. Die Prüfung habe zu eruieren, ob die in den Lehrplänen festgelegten Leistungsziele erreicht worden seien und ob die Schülerin bzw. der Schüler über die für das Bestehen der nächstfolgenden Schulstufe erforderlichen Fähigkeiten verfüge. Bei der Ermittlung des Ergebnisses der Prüfung könnten die beiden letzten Erfahrungsnoten höchstens zur Hälfte berücksichtigt werden.
Der Regierungsrat ist der Auffassung, die Einführung einer Abschlussprüfung würde für die Sekundarschulen des Kantons Basel-Landschaft eine Sonderlösung einrichten, die in Widerspruch zu den Bemühungen zur interkantonalen Kooperation und Koordination der Volksschule steht. Er meint, die Anliegen der Initiative könnten gut auf dem bereits eingeschlagenen Weg der verstärkten Schul- und Berufswahlvorbereitung sowie der Leistungsmessung und Lerndiagnostik aufgenommen werden. Der Regierungsrat strebt ein interkantonal abgestimmtes Abschlussverfahren der Sekundarstufe I mit Abschlusszertifikat und interkantonalen Leistungsmessungen zur Überprüfung der Abschluss-qualifikationen an. Die Abschlüsse der Sekundarstufe I und die Abschlussverfahren sind heute in den nordwestschweizerischen Kantonen unterschiedlich und deshalb unübersichtlich. Damit die Abschlüsse der Sekundarstufe I der einzelnen Kantone vergleichbar werden, müssen die Kantone
einen gemeinsamen Bezugsrahmen für die Lernanforderungen bereitstellen. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat mit dem Projekt Harmonisierung der obligatorischen Schule (HarmoS) die Schaffung von Bildungsstandards im 2., 6. und 9. Schuljahr für die Erstsprache und die Fremdsprachen sowie für Mathematik und die Naturwissenschaften in Auftrag gegeben. Ergänzend bereiten die Bildungsdirektionen der deutschsprachigen Kantone gegenwärtig ein Projekt für einen gemeinsamen Volksschullehrplan auf 2011 vor. Parallel dazu bestehen Projekte zur Bereitstellung verbesserter Instrumente zur Leistungsmessung. Mit interkantonal koordinierten Anforderungen wird es möglich, das Abschlussverfahren und die Abschlüsse interkantonal zu harmonisieren und zu koordinieren.
Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, die nichtformulierte Initiative „für eine Schule mit Qualität (Qualitäts-Initiative)" abzulehnen und den Stimmberechtigten zur Abstimmung zu unterbreiten. Den Stimmberechtigten wird empfohlen, die Initiative abzulehnen.
2 Ausgangslage
2.1 Zustandekommen und Wortlaut der Initiative
Am 17. April 2002 reichte das Initiativkomitee der Landeskanzlei die nichtformulierte Volksinitiative „für eine Schule mit Qualität (Qualitäts-Initiative)" ein.
Mit Verfügung vom 23. Mai 2002, publiziert im Amtsblatt vom 30. Mai 2002, stellte die Landeskanzlei, gestützt auf § 73 des Gesetzes vom 7. September 1981 über die politischen Rechte sowie auf die Prüfung der Unterschriftenlisten der Gemeinden, das Zustandekommen der Volksinitiative mit 1'784 gültigen Unterschriften fest.
Die Initiative hat folgenden Wortlaut:
Volksinitiative "Für eine Schule mit Qualität" (Qualitäts-Initiative)
Die unterzeichnenden Stimmerberechtigten des Kantons Basel-Landschaft stellen gestützt auf § 28 Abs. 1 und 3 der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984 das folgende nicht-formulierte Begehren:
1. Der Übertritt von der Sekundarstufe I zum Gymnasium sowie zu anderen weiterführenden Schulen, wie insbesondere zur Diplommittelschule 3 und zur Handelsmittelschule, wird vom Bestehen einer besonderen Prüfung abhängig gemacht.
2. Diese Prüfung hat im Sinne einer wirksamen Qualitätssicherung zu eruieren, ob die in den Lehr-plänen der vorangegangenen Schulstufe festgelegten Leistungsziele erreicht worden sind und die Schülerin bzw. der Schüler über die für das Bestehen der nächstfolgenden Schulstufe erforderlichen Fähigkeiten verfügt.
3. Bei der Ermittlung des Ergebnisses der Prüfung können die beiden letzten Erfahrungsnoten der vorangegangenen Schulstufen höchstens zur Hälfte berücksichtigt werden."
2. 2 Neuregelung in der Bildungsgesetzgebung und in der Verordnung
Mit der Bildungsgesetzgebung vom 6. Juni 2002 [GS 34.0637, SGS 640, vgl. Gesetzessammlung ] wurde die Beurteilung neu geregelt. Der Vorschlag der Neuregelung des Übertrittsverfahrens in die Gymnasien, die Handelsmittelschule und die Fach-maturitätsschule (vormals DMS 3) im Sinne der Volksinitiative wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgenommen bzw. verworfen. Die Bestimmungen des Bildungsgesetzes zur Schülerbeurteilung lauten wie folgt:
§ 65 Beratung und Beurteilung
1
Die Schülerinnen und Schüler werden durch die Lehrerinnen und Lehrer im Bildungsprozess beraten und ihre Leistungen werden regelmässig beurteilt.
2
Die Beratung und Beurteilung unterstützt ihre Lern- und Persönlichkeitsentwicklung und dient als Entscheidungsgrundlage für den Übertritt in nachfolgende Ausbildungsgänge.
3
Das Nähere regelt die Verordnung.
Ergänzend hält das Bildungsgesetz in § 28 Absatz 2 fest, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der Sekundarschule eine Abschlussqualifikation erhalten, welche über die erreichten Leistungen in den einzelnen Anforderungsniveaus Auskunft gibt.
Nach Anhörung des Bildungsrates hat der Regierungsrat am 9. November 2004 auf Schuljahr 2005/06 eine neue Verordnung über Beurteilung, Beförderung, Zeugnis und Übertritt [GS 35.0273, 640.21 Gesetzessammlung ] , vgl. (VO BBZ) in Kraft gesetzt. Der Übertritt in die Gymnasien, die Handelsmittelschule, die Fachmaturitätsschule und die Berufsmaturitätsschule sowie die Abschlussqualifikation sind in der VO BBZ wie folgt geregelt:
III. Übertritt aus der Sekundarschule
§ 39 Übertritt im Allgemeinen
Der Übertritt in den schulischen Teil der beruflichen Grundausbildung an den Berufsfachschulen setzt die Erfüllung der Schulpflicht und das Vorliegen eines vom Amt für Berufsbildung und Berufsberatung genehmigten Lehrvertrages voraus.
§ 40 Übertritt aus dem Niveau A
1
Die Aufnahme in die Diplommittelschule 2 setzt im ersten Zeugnis der 4. Klasse einen Durchschnitt der vier Zeugnisnoten aus den Fächern Deutsch, Französisch, Englisch und Mathematik von mindestens 5,25 sowie eine Empfehlung des Klassenkonvents voraus.
2
Wird der verlangte Notendurchschnitt auch im zweiten Zeugnis erreicht, erfolgt die Aufnahme definitiv, andernfalls provisorisch.
§ 41 Übertritte aus dem Niveau E
1
Die Aufnahme in die Maturitätsabteilung des Gymnasiums sowie die Aufnahme in die Berufsmaturitätsschule setzt im ersten Zeugnis der 4. Klasse einen Durchschnitt der Zeugnisnoten aus den Fächern Deutsch, Französisch, Englisch und Mathematik von mindestens 5,00 voraus. Die Noten aus den Fächern Französisch und Englisch werden dabei als eine Note gerechnet. Die Aufnahme in die Maturitätsabteilung des Gymnasiums erfolgt provisorisch.
2
Die Aufnahme in die Fachmaturitätsschule und in die Handelsmittelschule setzt im ersten Zeugnis der 4. Klasse einen Durchschnitt der Zeugnisnoten aus den Fächern Deutsch, Französisch, Englisch und Mathematik von mindestens 4,50 voraus. Die Noten aus den Fächern Französisch und Englisch werden als eine Note gerechnet. Wird der verlangte Notendurchschnitt auch im zweiten Zeugnis erreicht, erfolgt die Aufnahme definitiv, andernfalls provisorisch.
3
Die Aufnahme in die Diplommittelschule 2 setzt im ersten Zeugnis der 4. Klasse eine definitive Beförderung voraus. Wird die definitive Beförderung auch im zweiten Zeugnis erreicht, erfolgt die Aufnahme definitiv, andernfalls provisorisch.
§ 42 Übertritte aus dem Niveau P
1
Die definitive Aufnahme in die Maturitätsabteilung des Gymnasiums setzt die Abschlussqualifikation des Niveaus P gemäss § 44 Absatz 2 voraus. Werden die besonderen Bedingungen für die Abschlussqualifikation nur in einem der beiden Zeugnisse der 4. Klasse erreicht, erfolgt die Aufnahme an der Maturitätsabteilung des Gymnasiums provisorisch.
2
Die prüfungsfreie Aufnahme in die Berufsmaturitätsschule erfolgt, wenn die Bedingungen für die definitive oder provisorische Aufnahme gemäss § 42 Absatz 1 erfüllt werden. Die Aufnahme erfolgt definitiv.
3
Die Aufnahme in die Fachmaturitätsschule und die Handelsmittelschule setzt im ersten Zeugnis der 4. Klasse eine definitive Beförderung voraus. Wird die definitive Beförderung auch im zweiten Zeugnis erreicht, erfolgt die Aufnahme definitiv, andernfalls provisorisch.
4
Am Ende der 4. Klasse nicht beförderte Schülerinnen und Schüler werden provisorisch in die Fachmaturitätsschule und die Handelsmittelschule aufgenommen, wenn sie im zweiten Zeugnis der vierten Klasse einen Notendurchschnitt von mindestens 4,00 in den folgenden Fächern erreichen: Deutsch, Französisch, Englisch, Mathematik, Geschichte, Geographie, Biologie mit Chemie, Physik, Bildnerisches Gestalten und Musik.
5
Die Aufnahme in die Diplommittelschule 2 setzt den Besuch der 4. Klasse voraus.
§ 43 Aufnahmeprüfung für die Berufsmaturitätsschule
Werden die Bedingungen für die Aufnahme in die Berufsmaturitätsschule gemäss §§ 41 und 42 nicht erfüllt, kann eine Aufnahmeprüfung absolviert werden.
§ 44 Abschlusszeugnis Sekundarschule
1
Das Abschlusszeugnis mit Abschlussqualifikation der Anforderungsniveaus A und E erhalten alle Schülerinnen und Schüler, die im zweiten Zeugnis der 4. Klasse definitiv befördert worden sind.
2
Das Abschlusszeugnis mit Abschlussqualifikation des Anforderungsniveaus P erhalten alle Schülerinnen und Schüler, die in beiden Zeugnissen der vierten Klasse eine definitive Beförderung sowie einen Durchschnitt aus den drei Zeugnisnoten der Fächer Deutsch, Mathematik und Französisch von mindestens 4,00 erreichen.
3
Das Abschlusszeugnis mit Abschlussqualifikation bestätigt, dass die Schülerin oder der Schüler die Anforderungen des Niveaus A, E oder P gemäss Stufenlehrplan erfüllt hat und dokumentiert ihre oder seine während der Ausbildung erbrachten zusätzlichen Leistungen im ergänzenden Angebot der Schule.
4
Schülerinnen und Schüler, welche den jeweiligen Abschluss nicht erreichen, erhalten das Zeugnis.
Die Verordnung sieht zudem mit der Orientierungsarbeit und den Vergleichsarbeiten Prüfungsformen vor, welche die Anliegen der Initiative zur Qualitätssicherung aufnehmen und eine Verbesserung der Vergleichbarkeit der Noten und Abschlüsse bewirken. In der 5. Klasse der Primarschule, in der 4. Klasse (9. Schuljahr) der Niveaus A, E und P der Sekundarschule sowie in der 2. Klasse (11. Schuljahr) am Gymnasium werden Orientierungsarbeiten durchgeführt. Ergänzend können den Schulen als Beurteilungsinstrumente Vergleichsarbeiten und allgemeine Leistungsprüfungen zur Verfügung gestellt werden. Die einzelnen Bestimmungen in der Verordnung lauten wie folgt:
§ 5 Orientierungsarbeiten
1
Orientierungsarbeiten sind kantonale Prüfungen. Sie dienen zur Leistungsbeurteilung,
zur Standortbestimmung der Schülerin oder des Schülers, zur Überprüfung des Unterrichts durch die Lehrerin oder den Lehrer und die Schulleitung sowie zur kantonalen Überprüfung der erreichten Lernergebnisse gemäss Stufenlehrplan.
2
Sie werden gemäss lernzielorientierter Bezugsnorm nach den Zielen des Stufenlehrplans und nach kantonalem Notenmassstab bewertet.
3
Die Note wird als Einzelnote für die Zeugnisnote des geprüften Fachs berücksichtigt.
4
Die Schulleitungen erhalten eine anonymisierte Auswertung der Ergebnisse nach Klassen im kantonalen Vergleich. Die eigenen Ergebnisse erhalten die Schulleitungen nicht anonymisiert zur internen Verwendung.
5
Die Lehrerinnen und Lehrer haben Anspruch auf eine nachvollziehbare und fachlich abgestützte Bearbeitung der Ergebnisse.
§ 6 Vergleichsarbeiten
1
Vergleichsarbeiten sind Prüfungen nach lernzielorientierter Bezugsnorm, die mit den erreichten Leistungen einer Vergleichsgruppe ausgewertet werden können.
2
Durchführung und Benotung liegen in der Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer.
§ 7 Allgemeine Leistungsprüfungen
Allgemeine Leistungsprüfungen sind Tests, welche die schulische Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu den erreichten Leistungen einer Vergleichsgruppe feststellen.
Die Leistungsbeurteilung bezieht sich auf die Vorgaben des Stufenlehrplans Sekundarschule mit den Anforderungsniveaus A, E und P, wie ihn der Bildungsrat am 15. September 2004, aufsteigend mit den ersten Klassen, auf Schuljahr 2005/06 in Kraft gesetzt hat. Analog zum Stufenlehrplan für den Kindergarten und die Primarschule war eine wichtige Vorgabe für die Entwicklung des Stufenlehrplans für die Sekundarschule die Schaffung evaluierbarer Treffpunkte. Kompetenzen für das Weiterlernen müssen in Form von Treffpunkten so plastisch formuliert sein, dass sie mit entsprechenden Aufgaben auch überprüft werden können. Die Orientierungsarbeiten im 9. Schuljahr in wechselnden Fächern sind Teil der kantonalen Qualitätssicherung. Sie dienen dazu, das tatsächliche Erreichen der Lehrplananforderungen kontinuierlich zu überprüfen. Werden die Lehrplananforderungen nicht erfüllt, können entweder die Anforderungen angepasst oder aber Massnahmen für das bessere Erreichen eingeleitet werden. Die Vorgaben im Stufenlehrplan einerseits und die Ergebnisse der Leistungsmessungen andererseits müssen eine Entsprechung haben. Lehrpersonen, die einzelnen Schulen und die kantonalen Behörden erhalten Informationen, die zur Verbesserung der Lernbedingungen in der einzelnen Klasse, an einer Schule und im ganzen Kanton genutzt werden können und sollen.
2. 3 Internationale Kompetenzmessungen
Weitere Überprüfungen der tatsächlich erworbenen Kompetenzen erfolgen über interkantonale oder internationale Leistungsmessungen. So hat sich der Kanton Basel-Landschaft mit einer kantonal auswertbaren Stichprobe an der Third International Mathematics and Science Study (TIMSS 1997) beteiligt. Die Ergebnisse wurden sowohl für die Sekundarstufe I als auch für den Abschluss der Gymnasien publiziert. Der Kanton Basel-Landschaft hat sich ferner in den Jahren 2000 und 2003 an PISA (Programme für International Student Assessment) beteiligt. PISA 2006 wird die Kompetenzbereiche Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften abdecken, nun mit Natur-wissenschaften als Schwerpunktgebiet. Neben der Schweiz werden 57 Länder mitwirken, und der Kanton Basel-Landschaft wird mit einer kantonal auswertbaren Stichprobe teilnehmen. Die Ergebnisse werden für eine interkantonale und kantonale Standortbestimmung genutzt. Im Kanton Basel-Landschaft werden die Ergebnisse auch im Lichte der besonderen Erwartungen bezüglich der naturwissenschaftlichen Kenntnisse und der Schwerpunktbildung und Nachwuchssicherung in „Life Science" zu reflektieren sein.
2. 4 Schweizerische Bildungsstandards, sprachregionale Lehrpläne und interkantonale Leistungsmessungen
Eine Harmonisierung der Lerninhalte sowie eine verstärkte und koordinierte Steuerung der obligatorischen Schule bis hin zur kohärenten Evaluation und Qualitätsentwicklung des gesamten schweizerischen Bildungssystems sind Ziele, welche die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren mit dem Projekt HarmoS (Harmonisierung der obligatorischen Schule) verfolgt. Bis 2008 werden Bildungsstandards im 2., 6. und 9. Schuljahr für die Erstsprache, die Fremdsprachen, für Mathematik und für Naturwissenschaften entwickelt. Vorgesehen ist zudem, dass diese Bildungsstandards nicht nur geschaffen und in einer interkantonalen Vereinbarung verbindlich gefasst werden, sondern auch mit Leistungsmessungen geprüft wird, ob die Schülerinnen und Schüler diese tatsächlich erreichen.
Ergänzend planen gegenwärtig die deutschschweizerischen Kantone, bis 2011 einen gemeinsamen Lehrplan für die Volksschule zu entwickeln. Dieser soll durch die Kantone ratifiziert werden und die bisher rein kantonalen Lehrpläne ablösen. Damit das tatsächliche Erreichen der Bildungsstandards gemäss HarmoS überprüft werden kann, arbeiten die EDK-Regionalkonferenzen der deutschsprachigen Schweiz an einem Konzept für die interkantonal koordinierte Leistungsmessung. Ziel ist, dass auf die Bildungsstandards abgestimmte Leistungsmessungen in interkantonaler Kooperation kostengünstig entwickelt und für die Qualitätssicherung und -entwicklung eingesetzt werden.
2. 5 Zu viele oder die „falschen" Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien, Handels-mittelschulen oder Fachmaturitätsschulen?
2. 5. 1 Gymnasien
Die nachfolgende Darstellung 1 zeigt die Maturitätsquote im interkantonalen Vergleich. Der Kanton Basel-Landschaft liegt mit der Maturitätsquote im schweizerischen Durchschnitt. Da die Maturitäts-quote in der französischsprachigen Schweiz und im Tessin im interkantonalen Vergleich hoch ist, liegt der Kanton Basel-Landschaft bei einem Vergleich nur mit den deutschsprachigen Kantonen relativ hoch, allerdings deutlich tiefer als der Partnerkanton Basel-Stadt. Die Maturitätsquote der Frauen liegt mit 20,8 % unter dem schweizerischen Durchschnitt von 22,0 %, die Maturitätsquote bei den Männern liegt mit 16,8 % leicht über dem schweizerischen Durchschnitt von 16,2%.
Darstellung 1: Gymnasiale Maturitätsquote nach Geschlecht und Kanton, 2003
Männer
|
Frauen
|
Total
|
|
GE
|
23.5%
|
36.2%
|
29.8%
|
TI
|
26.4%
|
29.5%
|
28.0%
|
NE
|
21.5%
|
28.6%
|
25.0%
|
BS
|
23.1%
|
25.7%
|
24.4%
|
VD
|
19.8%
|
26.9%
|
23.3%
|
JU
|
18.3%
|
27.4%
|
22.9%
|
FR
|
17.5%
|
25.4%
|
21.3%
|
Schweiz
|
16.2%
|
22.0%
|
19.0%
|
VS
|
16.8%
|
21.0%
|
18.9%
|
BL
|
16.6%
|
20.8%
|
18.6%
|
ZH
|
15.9%
|
20.8%
|
18.3%
|
OW
|
11.4%
|
24.6%
|
17.8%
|
BE
|
14.7%
|
20.9%
|
17.7%
|
ZG
|
18.6%
|
16.3%
|
17.5%
|
LU
|
14.6%
|
19.8%
|
17.1%
|
NW
|
11.5%
|
21.6%
|
16.6%
|
SZ
|
13.4%
|
18.8%
|
16.0%
|
AR
|
11.7%
|
20.7%
|
15.8%
|
TG
|
11.4%
|
20.2%
|
15.6%
|
GR*
|
13.6%
|
16.6%
|
15.1%
|
UR
|
16.7%
|
13.1%
|
15.0%
|
SH
|
9.8%
|
20.1%
|
14.6%
|
SG
|
12.5%
|
16.5%
|
14.4%
|
AI
|
13.5%
|
15.2%
|
14.3%
|
SO
|
12.4%
|
16.4%
|
14.3%
|
AG
|
11.7%
|
16.1%
|
13.8%
|
GL
|
8.7%
|
16.4%
|
12.2%
|
Quelle: Bundesamt für Statistik
Auch die Entwicklung der Übertrittsquoten an die Gymnasien im Kanton Basel-Landschaft belegen, dass durch die Sekundarschulen das Tor zum gymnasialen Bildungsgang nicht verbreitert worden ist. Die Übertrittsquote der Schülerinnen und Schüler, die von der Primarschule in die progymnasiale Abteilung der Sekundarstufe I übertreten, hat sich in den Jahren 1976 - 2004 zwischen 23,6 und 26,8 Prozent bewegt.
Die Übertrittsquote der Schülerinnen und Schüler, die nach der 4. Klasse des Niveaus P ins Gymnasium übertreten, hat in diesen Jahren konstant bei gut 80 Prozent gelegen. Auffallend ist, dass sich im letzten Schuljahr des Progymnasiums bis zu 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler für einen anderen Bildungsweg als den gymnasialen entscheiden.
In der regionalen Verteilung nach gymnasialen Einzugsgebieten im Kanton Basel-Landschaft gibt es traditionell erhebliche Unterschiede. Im urbanen Einzugsgebiet von Gymnasien und letztlich in Gebieten mit hohen Bodenpreisen gibt es viele Familien mit hoher „Bildungsaspiration" und mit Kindern, die anspruchsvolle Bildungsabschlüsse erlangen.
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass die „falschen" Schülerinnen und Schüler oder zu viele Schülerinnen und Schüler das Gymnasium besuchen. Die zeitweise zu hohen Remotionsquoten in der ersten Klasse der Gymnasien sind - auch aufgrund der neuen Bestimmungen der Verordnung - wieder zurückgegangen, die Ergebnisse von TIMSS 1997 haben den Gymnasien in den geprüften Bereichen insgesamt gute Leistungen attestiert, und die Informationen aus den Studienverläufen der Baselbieter Absolventinnen und Absolventen des Hochschulinformationssystems sind durchwegs positiv bzw. im schweizerischen Rahmen. Die Maturitätsprüfungen werden in der Regel bestanden, und es gibt von den Expertinnen und Experten regelmässig positive Rückmeldungen über die Leistungen der Maturandinnen und Maturanden an Baselbieter Gymnasien. Mit der Einführung kantonaler Orientierungsarbeiten in der 2. Klasse der Gymnasien werden inskünftig besser als bis anhin Zwischenergebnisse dargestellt und analysiert werden können. Auf schweizerischer Ebene werden in einer zweiten Phase der Evaluation der Umsetzung des Maturitäts-Anerkennungsreglements von 1995 (EVAMAR) die Kompetenzen und die Anforderungen beim Abschluss überprüft. Es sind derzeit bezüglich der Schülerinnen und Schüler der Gymnasien weder quantitative noch qualitative Vorbehalte anzubringen.
2. 5. 2 Handelsmittelschule und Fachmaturitätsschule
Im Vergleich zu anderen Kantonen der deutschsprachigen Schweiz hat der Kanton Basel-Landschaft aufgrund des hochwertigen Angebotes der HMS und der FMS einen grösseren Anteil an Vollzeitschülerinnen und -schülern. Im Unterschied zur deutschsprachigen Schweiz ist in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz der Anteil Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Vollzeitschulen der Sekundarstufe II höher. Im internationalen Vergleich sind die allgemein bildenden Vollzeitausbildungen bis zum Abschluss der Sekundarstufe II bzw. die staatlich finanzierte und organisierte Berufsausbildung in Schulen und Lehrwerkstätten vorherrschend. Die Berufslehre in Betrieben in Kombination mit Unterricht an staatlichen Berufsschulen hat im deutschsprachigen Raum indes eine starke Verbreitung und Tradition.
Im Vergleich zu den Zahlen zu Beginn der 90er-Jahre haben sich die Schülerzahlen an der Handelsmittelschule und der Fachmaturitätsschule verdoppelt. Die nachfolgende Darstellung 2 zeigt diese Entwicklung der Schülerzahlen:
Darstellung 2: Entwicklung der Schülerzahlen im 10. Schuljahr der Fachmaturitätsschule (vormals DMS 3) und der Handelsmittelschule
Jahr
|
FMS
|
HMS
|
TOTAL
|
90/91*
|
136
|
211
|
347
|
91/92*
|
138
|
168
|
306
|
92/93*
|
142
|
201
|
343
|
93/94*
|
257
|
212
|
469
|
94/95
|
263
|
202
|
465
|
95/96
|
221
|
215
|
436
|
96/97
|
239
|
238
|
477
|
97/98
|
284
|
268
|
552
|
98/99
|
274
|
258
|
532
|
99/00
|
279
|
280
|
559
|
00/01
|
263
|
320
|
583
|
01/02
|
203
|
332
|
535
|
02/03
|
244
|
285
|
529
|
03/04
|
250
|
271
|
521
|
04/05
|
408
|
218
|
626
|
05/06**
|
450
|
268
|
718
|
* ohne Laufental ** Planungsdaten Schulen
Dieses Wachstum der Schülerzahlen kann als Vertrauen gegenüber diesen Institutionen gelesen werden, dass eine hochwertige Grundausbildung vermittelt wird, die dann direkt oder indirekt gute Anschlusslösungen eröffnet. Wenn möglichst alle Schülerinnen und Schüler im Sinne eines „kulturellen Minimums" zu einem Abschluss der Sekundarstufe II hingeführt werden sollen, ist ein differenziertes Angebot an Ausbildungsplätzen unverzichtbar. Zu einem solchen Angebot gehören neben Lehrstellen für unterschiedliche Begabungen und Neigungen auch die HMS und FMS als anspruchsvolle Vollzeitausbildungen. Die gestellten Anforderungen werden erfüllt.
2. 6 Schul- und Berufswahlvorbereitung
Mit der Einführung der neuen Stundentafel und des Stufenlehrplans für die Niveaus A, E und P der Sekundarschule wird die Schul- und Berufswahlvorbereitung als Prozess vom 6. bis 9. Schuljahr mit verpflichtenden Treffpunkten für alle Schülerinnen und Schüler gestaltet. Die langjährigen Bemühungen zur Aufwertung der Schul- und Berufswahlvorbereitung in Verbindung mit der kantonalen Berufs- und Studienberatung haben mit dem neuen Stufenlehrplan einen stimmigen Rahmen erhalten. Als Effekt ist zu erwarten, dass die Schülerinnen und Schüler gut abgestützte Entscheide für eine weiterführende Ausbildung treffen.
Die Berufswahlvorbereitung erfolgt soweit als möglich in Zusammenarbeit mit Betrieben aus dem Umfeld der Schule. Ausserdem ist sie mit der Wirtschaft abgestimmt, was u. a. durch die Berufsschau und durch Schnuppertage im Betrieb zum Ausdruck kommt. Die Selbst- und Sozialkompetenz der Schülerinnen und Schüler wird in diesem Rahmen durch direkte Kontakte mit der Arbeitswelt gefördert.
Gegenwärtig sind die Schul- und Berufswahlinformationen noch stark nach Institutionen geordnet. Bei der Überarbeitung der Unterlagen wird darauf geachtet, dass diese Informationen vermehrt nach Berufsfeldern strukturiert werden. Dies heisst z. B., dass inskünftig nicht die Fachmaturitätsschule neben dem Gymnasium präsentiert wird, sondern die Ausbildung für Pflegeberufe einerseits über den Weg der Ausbildung zur Fachangestellten Gesundheit und andererseits über den Weg der Fach-maturitätsschule. Das Ausbildungsziel wird dadurch im Vergleich zum „Schulhaus" stärker in den Vordergrund gerückt.
3 Erwägungen - Beurteilung von Abschlussprüfungen an der Sekundarschule
Auf den ersten Blick scheint es einleuchtend, mit einer Prüfung am Ende der Sekundarstufe I die zahlenmässige Entwicklung der Ausbildungen auf der Sekundarstufe II zu steuern. Den Schülerinnen und Schülern würden zudem Anreize vermittelt, die obligatorische Schulzeit sozusagen bis zum letzten Tag aktiv zu nutzen.
Bei näherer Betrachtung wird allerdings klar, dass es eine Reihe von Gründen gibt, die dieser Auffassung widerspricht:
-
|
Für die Wahl einer weiterführenden Ausbildung muss, wenn sie nachhaltig sein soll, ein längerer Beratungs- und Entscheidungsprozess vorausgehen. Die schulischen Fähigkeiten sind eine Voraussetzung und öffnen ein Spektrum weiterführender Ausbildungsmöglichkeiten. Die Wahl der weiterführenden Ausbildung selbst sollte aufgrund der Auseinandersetzung mit persönlichen Neigungen, Interessen und Fähigkeiten erfolgen.
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-
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Prüfungen werden oft auf kognitive Fähigkeiten und auf ein eingeschränktes Fächerspektrum - vornehmlich auf Mathematik und Deutsch - ausgerichtet. Sie berücksichtigen zudem kaum, dass später im beruflichen und privaten Umfeld persönlichkeitsbezogene und überfachliche Fähigkeiten eine ebenso wichtige Rolle spielen. Müsste eine Abschlussprüfung tatsächlich die Leistungsanforderungen im fachlichen wie auch im überfachlichen Bereich überprüfen, wäre ein erheblicher Aufwand zu betreiben. Der neue Stufenlehrplan der Sekundarschule umfasst 3 Anforderungsniveaus, 6 Bildungsbereiche und 25 Fächer bzw. Teilbildungsbereiche.
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Prüfungsresultate lassen sich durch vorausgehenden Drill in der Schule oder zu Hause beeinflussen. Sie vermitteln deshalb nicht selten ein Trugbild von den Fähigkeiten der Jugendlichen. Da die Abschlussprüfung zumindest für den kleinen Teil der „gefährdeten" Schülerinnen und Schüler sehr wichtig ist, wird der Unterricht zu deren Gunsten in der Tendenz zur Prüfungsvorbereitung reduziert.
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Viele Lehrbetriebe schliessen die Lehrverträge bereits Monate vor Abschluss der Sekundarschule ab. Eine Abschlussprüfung am Ende der Sekundarstufe I hätte demnach für diese Gruppe von Schülerinnen und Schülern gar keine Relevanz mehr.
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-
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Die weiterführenden Schulen müssen das kommende Schuljahr Monate im Voraus planen. Sie können mit der Bildung ihrer Klassen nicht warten, bis sie aufgrund der Abschlussprüfung an der Sekundarstufe I wissen, wieviele Schülerinnen und Schüler bei ihnen eintreten.
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Und schliesslich bleibt die in diesem Zusammenhang wohl drängendste Frage ungelöst, was mit denjenigen Schülerinnen und Schülern passieren soll, die an der Abschlussprüfung scheitern und deren Anschlusslösung sozusagen in letzter Minute wegbricht. Schülerinnen und Schüler, die nicht sicher sind, ob sie die erforderlichen Prüfungsresultate erreichen werden, werden sich als Konsequenz bei verschiedenen Ausbildungen anmelden. Doppelanmeldungen beeinträchtigen wiederum die Planungssicherheit der Schule.
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Die Bezirksschul-Abschlussprüfung des Kantons Aargau deckt sich wohl am ehesten mit den Forderungen der Initiative, wobei die mindestens hälftige Gewichtung der Abschlussprüfung nicht erfüllt wird (Gewichtung 9 Erfahrungsnoten und 3 Noten der Abschlussprüfung). Der Kanton Aargau ist zudem daran, die Bezirksschul-Abschlussprüfung zu Gunsten eines differenzierteren Verfahrens mit einer Zertifizierung der Abschlussqualifikation abzulösen. Vorgesehen ist ein Zertifikat mit den 3 Komponenten 1. Oberstufentest 8. Schuljahr, 2. Erfahrungsnoten 9. Schuljahr sowie 3. eine bewertete Projektarbeit am Ende des 9. Schuljahres. Gemäss Absichtserklärung der Bildungs-direktoren der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn soll eine Koordination des Abschlussverfahrens angestrebt werden. Angestrebt wird für die Verbesserung der Vergleichbarkeit und die Verbesserung der Instrumente, dass in den Kantonen dieselben Instrumente - d. h. Leistungstests und Komponenten von Volksschulabschlüssen - unter möglichst gleichen Bedingungen zum Einsatz kommen.
Die Anliegen der Initiantinnen und Initianten sind nach Auffassung des Regierungsrates mit der geltenden Verordnung und den Bemühungen zur Qualitätssicherung gemäss neuer Bildungs-gesetzgebung gut berücksichtigt. Er möchte den eingeschlagenen Weg fortsetzen und die Chancen der interkantonalen Kooperation bei der Entwicklung und Überwachung der Bildungsstandards nutzen. Eine kantonale Sonderlösung lehnt er ab. Der bisher eingeschlagene Weg ist für die interkantonale Schulkoordination und -kooperation offen.
4 Antrag
Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, über die vorliegende nichtformulierte Volksinitiative „für eine Schule mit Qualität" gemäss beiliegendem Landratsbeschluss zu beschliessen.
Liestal, 30. Mai 2006
Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der Landschreiber: Mundschin
Beilage: Entwurf Landratsbeschluss
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