2006-146


Am 21. April 2005 überwies der Landrat das folgende, von 21 Landratsmitgliedern mitunterzeichnete Postulat von Hanni Huggel an den Regierungsrat:

[ Wortlaut des Postulats ]



Der Regierungsrat hat das Postulat betreffend Schulung für Menschen, die freiwillig als Vormund oder Beistand in den Gemeinden arbeiten, geprüft und nimmt dazu wie folgt Stellung:

1. Worum geht es?


Vormundschaftliche Mandate (Vormundschaften, Beiratschaften und Beistandschaften) werden einerseits von Personen übernommen, zu deren Stellenprofil die Führung solcher Mandate gehört (nachstehend professionelle Mandatsträger- und trägerinnen genannt). Es handelt sich dabei um Mitarbeitende der kantonalen Amtsvormundschaften sowie der kommunalen Sozialdienste. Gewisse Mandate werden auch von der unter anderem auf diesem Gebiet spezialisierten Birmann-Stiftung in Liestal übernommen.


Ein weiterer Teil der vormundschaftlichen Mandate wird andererseits - diesen sprechen die Postulanten denn auch an - von privaten Personen übernommen (nachstehend private Mandatsträger- und trägerinnen genannt).


Die Postulanten weisen nun bei den "freiwilligen", d.h. privaten Mandatsträgern und -trägerinnen auf eine mögliche Lücke hinsichtlich deren Schulung hin. Diese sei dadurch bedingt, dass das Forum für Freiwilligenarbeit der Region sich vor Jahren aufgelöst habe. Das Forum habe bis zum Jahre 2001 entsprechende Kurse für private Mandatsträger und -trägerinnen durchgeführt, welche von den privaten Personen als sehr hilfreich erachtet worden seien.



2. Ausgangslage hinsichtlich der Einsetzung von Mandatsträgern und -trägerinnen

Es gibt zahlreiche vormundschaftliche Mandate, welche sich aufgrund schwieriger oder komplexer Verhältnisse im persönlichen oder finanziellen Bereich der betroffenen Personen nicht dazu eignen, von Privaten übernommen zu werden. So werden bspw. fast alle Fälle betreffend den Kindesschutz professionellen Mandatsträgern und -trägerinnen, das heisst den Amtsvormündern, Sozialarbeitern der Gemeinden oder der Birmann-Stiftung übertragen. Das Gleiche gilt für Fälle, bei denen die betroffenen Personen aufgrund psychischer Störungen, Suchtprobleme usw. einer professionellen Betreuung bedürfen, oder Fälle, bei denen komplexe Vermögensverhältnisse oder grosse Vermögen vorliegen, die eine professionelle Verwaltung erfordern. Mit der Übernahme letzterer Fälle werden Treuhänder und Anwältinnen und Anwälte beauftragt. Der Einsatzbereich der privaten Mandatsträger und -trägerinnen beschränkt sich somit von vornherein auf die einfacheren vormundschaftlichen Mandate.



3. Zuständigkeit für die Instruktion und Schulung von privaten Mandatsträgern und -trägerinnen

Zuständig für die Ernennung der vormundschaftlichen Mandatsträger und -trägerinnen sowie für die Aufsicht über dieselben ist aufgrund Bundesrecht die Vormundschaftsbehörde (vgl. Artikel 307, 308, 309, 325, 379, 396, 420, 421, 423, 445 ff. ZGB). Für die Instruktion und Schulung der privaten Mandatsträger und -trägerinnen sind folgerichtig die kommunalen Vormundschaftsbehörden zuständig.


Das Kant. Vormundschaftsamt ist Aufsichtsbehörde über die kommunalen Vormundschaftsbehörden und ist zuständig für deren Schulung, d.h. Aus- und Weiterbildung. So hat das Kant. Vormundschaftsamt im Jahr 2005 einen Grundkurs und im Mai 2006 einen Kurs zum zivilrechtlichen Kindesschutz durchgeführt. An diesen Kursen nehmen je nach Thema auch Mitarbeitende der kommunalen Sozialdienste sowie der kantonalen Amtsvormundschaften teil.



4. Konzept für die Rekrutierung, Schulung und Begleitung von privaten Mandatsträgern und -trägerinnen und Schulungsordner sowie "Wegleitung für vormundschaftliche Organe"

Unter dem Namen "Konferenz der kantonalen Vormundschaftsbehörden" (VBK) besteht ein Verbindungsorgan zwischen den vormundschaftlichen Aufsichtsbehörden der Kantone. Die VBK bezweckt unter anderem die Aus-, Fort- und Weiterbildung von im Vormundschaftswesen tätigen Personen. Zu diesem Zwecke hat sie im Jahre 1996 ein Konzept für die Rekrutierung, Schulung und Begleitung von privaten Mandatsträgern und -trägerinnen erarbeitet. Das Konzept geht von einer Schulung mit drei Modulen von je 7 bis 8 Einheiten a zirka 3 Lektionen zu je 45 Minuten aus.


Aufgrund dieses Konzeptes wurde in der Folge ein Schulungsordner (mit Leitfaden für die privaten Mandatsträger und -trägerinnen) zuhanden der Kantone erstellt, der seit dem Jahre 1998 zum Preis von Fr. 150.-- beim Sekretariat der VBK bezogen werden kann. Der Ordner wurde im Dezember 2004 vollständig überarbeitet.


Der Ordner enthält folgende Unterlagen:


Vom Verein zürcherischer Gemeindeschreiber und Verwaltungsbeamter wurde im Jahre 1989 die "Wegleitung für vormundschaftliche Organe" von Christoph Häfeli herausgegeben. Diese Wegleitung wurde im Jahre 2005 vollständig überarbeitet und erweitert. Sie enthält unter anderem eine umfassende Darstellung der vormundschaftlichen Massnahmen und setzt sich auch ganz konkret mit der Ausübung der vormundschaftlichen Mandate auseinander.


Den Vormundschaftsbehörden stehen somit umfangreiche Unterlagen zur Verfügung, aufgrund derer sie ihre privaten Mandatsträger und -trägerinnen schulen können. Das Kant. Vormundschaftsamt verweist in seinem Handbuch für die Vormundschaftsbehörden und jeweils auch in Kreisschreiben an die Vormundschaftsbehörden auf den von der VBK herausgegebenen Schulungsordner und auf die vorgenannte Wegleitung.



5. Umfrage bei Vormundschaftsbehörden, die Schulungen anbieten

Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion hat bei Vormundschaftsbehörden, welche Schulungen für private Mandatsträger und -trägerinnen anbieten, eine Umfrage über die Modalitäten und die Bedürfnisse solcher Schulungen durchgeführt. Das Ergebnis dieser Umfrage sieht wie folgt aus:


Acht Vormundschaftsbehörden des Unterbaselbiets (Aesch, Arlesheim, Binningen, Bottmingen, Münchenstein, Oberwil, Reinach und Therwil) haben sich zusammengeschlossen und eine Wegleitung für die Amtsführung von Beiständen, Beiräten und Vormündern erarbeitet. Diese wird den rekrutierten privaten Mandatsträgern und -trägerinnen der jeweiligen Gemeinde abgegeben. Die konkrete Schulung der einzelnen Personen gestaltet sich je nach Vormundschaftsbehörde unterschiedlich. So gibt es Vormundschaftsbehörden, die beispielsweise sämtliche privaten Mandatsträger und -trägerinnen zu einem freiwilligen Vortrag aufbieten (etwa Münchenstein). An einem Abend (ca. 2 Stunden) werden hier die wesentlichen Rechte und Pflichten einer Beistandschaft (z.B. die Problematik von Interessenkollisionen; zustimmungpflichtige Geschäfte usw.) aufgezeigt. Stellen sich in einem konkreten Fall Fragen, können die privaten Mandatsträger und -trägerinnen bei der zuständigen Person der Vormundschaftsbehörde rückfragen und den konkreten Einzelfall besprechen. Andere Vormundschaftsbehörden wiederum (z.B. Binningen) schulen die privaten Mandatsträger und -trägerinnen jeweils einzeln. Dabei wird die Wegleitung in einem rund einstündigen Gespräch durchbesprochen. Auch hier gilt, dass sich die Privatpersonen jederzeit an die Vormundschaftsbehörde wenden und Fragen stellen können. Dies wird von den Vormundschaftsbehörden in der Regel sogar sehr begrüsst, bleiben sie doch auf diese Weise über die einzelnen Fälle im Bild und können auch ihre Aufsichtsfunktion gegenüber den privaten Mandatsträgern und -trägerinnen wahrnehmen. Zahlreiche Vormundschaftsbehörden übergeben lediglich die "einfacheren" Fälle, insbesondere die Beistandschaften, an Privatpersonen. Bei den Beiratschaften, bei denen es in der Regel im Wesentlichen um die Vermögensverwaltung geht, werden oft Treuhänder oder Anwälte beigezogen. Die komplexen Fälle schliesslich, in der Regel Vormundschaften, werden Spezialisten (z.B. therapeutisch geschulte Personen) anvertraut. In diesen Fällen erfolgen denn auch immer Einzelgespräche über den konkreten Fall. Ein genereller Informationsabend lohnt sich in diesen Fällen offenbar nicht.


Auch andere Vormundschaftsbehörden (z.B. Liestal) haben eine Wegleitung erarbeitet, welche die Aufgaben der Mandatsträger und -trägerinnen, die rechtlichen Grundlagen, Checklisten usw. enthält. Die Vormundschafsbehörde Liestal als Beispiel lädt zudem rund alle zwei Jahre einen Fachspezialisten ein, welcher an zwei Abenden zu zirka 21/2 Stunden über die Rechte und Pflichten der privaten Mandatsträger und -trägerinnen aufklärt, aber auch von seinen Erfahrungen berichtet. Im Rahmen eines Apéros werden die privaten Mandatsträger und -trägerinnen zudem speziell verdankt und ihre wichtige Arbeit gewürdigt. In der konkreten Umsetzung haben die Privatpersonen schliesslich jederzeit die Möglichkeit, sich an die Vormundschaftsbehörde zu wenden. Dies ermöglicht es auch den Vormundschaftsbehörden, die Privatpersonen bei deren Tätigkeit kennen zu lernen und nötigenfalls auch entsprechende Sanktionen zu treffen. Die Vormundschaftsbehörde Liestal plant zusätzlich eine Veranstaltung im Herbst, die unter anderem als Plattform für den Erfahrungsaustausch genutzt werden soll können.


Aus den Rückmeldungen, welche die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion von den diversen Vormundschaftsbehörden erhalten hat, ist grundsätzlich zu schliessen, dass mehrheitlich eine Schulung im grösseren Umfang als bereits vorgesehen (also bspw. 7 bis 8 Abende zu 3 Stunden) nicht für notwendig und für zu aufwändig erachtet wird. Auch seien die personellen und finanziellen Ressourcen für eine solch umfassende Schulung nicht vorhanden. Von den privaten Mandatsträgern und -trägerinnen sei zudem bisher kaum das Bedürfnis nach zusätzlicher oder weitergehender Schulung geäussert worden. Probleme würden sich in der Regel erst bei der konkreten Umsetzung im Einzelfall ergeben. Wichtig sei hier, dass die Vormundschaftsbehörde als zuverlässige Ansprechpartnerin "Red und Antwort" stünde. Nicht die primäre Schulung, vielmehr die Begleitung und Betreuung der einzelnen Personen werde als zentral betrachtet.



6. Folgerungen

Die kommunalen Vormundschaftsbehörden sind zuständig für die Instruktion und Schulung ihrer privaten Mandatsträger- und trägerinnen. Hierzu steht ihnen umfangreiches Schulungsmaterial sowie die "Wegleitung für vormundschaftliche Organe" von Christoph Häfeli zur Verfügung. Diverse Vormundschaftsbehörden haben auf dieser Basis eine eigene, kurze Wegleitung für Privatpersonen erarbeitet, an welcher sich Letztere orientieren können. In der Umsetzung beim konkreten Einzelfall stehen die Vormundschaftsbehörden begleitend und beratend zur Seite. Ein Bedürfnis der privaten Mandatsträger und -trägerinnen nach einer umfassenderen Schulung besteht offenbar nicht. Auch von Seiten der befragten Vormundschaftsbehörden wurde ein solches Bedürfnis mehrheitlich verneint. Die Vermittlung der Theorie sei nicht das Problem; vielmehr würden gewisse Privatpersonen in der Umsetzung der Theorie manchmal an ihre Grenzen stossen. Die sich stellenden Fragen und Probleme müssten "eins zu eins" besprochen und gelöst werden. Eine generelle Schulung im Vorfeld bringe hier wenig. Vormundschaftsbehörden (in der Regel in kleineren Gemeinden), welche noch keine Schulung für private Mandatsträger und -trägerinnen anbieten, können sich an der Praxis der anderen Gemeinden orientieren und auf der Grundlage des vorhandenen Schulungsmaterials und der bestehenden Wegleitungen ebenfalls entsprechende Richtlinien erarbeiten. Weiter besteht die Möglichkeit - etwa im Zusammenschluss mit anderen Gemeinden - die Schulung an professionelle Fachpersonen zu übertragen (siehe etwa am Beispiel von Liestal). Für spezielle Fragen schliesslich, welche die Vormundschaftsbehörden nicht beantworten können, stehen sowohl das Kant. Vormundschaftsamt als auch die Amtsvormundschaften zur Verfügung. Von dieser Möglichkeit wird bei besonderen Fragen und in besonderen Fällen auch Gebrauch gemacht.


Die Einführung eines kantonalen (zusätzlichen) Schulungsmoduls für Menschen, die freiwillig als Vormund oder Beistand in den Gemeinden arbeiten, würde mit Blick auf die bereits vorhandenen Schulungsinstrumente und auf den "Schulungsalltag" bei zahlreichen Vormundschaftsbehörden wenig Sinn machen. Das Angebot würde sodann gemäss Erfahrung der Vormundschaftsbehörden nur von wenigen, sehr motivierten und interessierten privaten Mandatsträgern und -trägerinnen genutzt. Die anderen Privatpersonen müssten weiterhin im bisherigen Sinne geschult und persönlich betreut werden. Dies würde zu einer Doppelspurigkeit führen. Dies wäre - nicht zuletzt auch kostenmässig - wohl kaum verhältnismässig.



7. Antrag

Mit dem vorliegenden Bericht hat der Regierungsrat auftragsgemäss das Postulat geprüft und über seine Abklärungen berichtet. Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, das Postulat 2005/006 von Hanni Huggel betreffend Schulung für Menschen, die freiwillig als Vormund oder Beistand in den Gemeinden arbeiten, als erfüllt abzuschreiben.



Liestal, 30. Mai 2006


Im Namen des Regierungsrates
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der Landschreiber: Mundschin



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