2006-55 (1)
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Beantwortung der Interpellation «Schaffung einer Kontrollkommission zur Ueberwachung der Durchsetzung der formellen Steuerharmonisierung» von Daniela Schneeberger ( 2006/055 )
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vom:
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16. Mai 2006
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Nr.:
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2006-055
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Bemerkungen:
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Acrobat (PDF):
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Landrätin Daniela Schneeberger reichte am 16. Februar 2006 die Interpellation 2006/055 ein.
II. Antwort des Regierungsrats
Zu Frage 1:
Inwiefern wird eine solche Kommission in die Organisationsautonomie unseres Kantons eingreifen respektive eingreifen können?
Antwort:
Die Kontrollkommission wird nicht in die Organisationsautonomie der Kantone eingreifen, da sie nur die durch das Steuerharmonisierungsgesetz (StHG) geregelten Bereiche überprüfen kann. Bezüglich der Umsetzung des StHG haben die Kantone aber bereits heute nur noch eine beschränkte Autonomie, da dieses Gesetz eine Vielzahl zwingender Bestimmungen kennt. Hinzu kommt das das Bundesgerichts in seinen jüngsten Entscheiden klar zum Ausdruck gebracht hat, dass das StHG auch tatsächlich umzusetzen sei.
Zu Frage 2:
Findet mit der vorgeschlagenen Lösung nicht ein empfindlicher Eingriff in die kantonale Steuer- und Finanzautonomie statt? Besteht zudem nicht die Gefahr, dass der Bund unter dem Deckmantel der formellen Steuerharmonisierung versucht, mit dem Instrument einer solchen Kontrollinstanz die Steuerhoheit auch materiell an sich zu reissen?
Antwort:
Die vorgeschlagene Regelung sieht in einer ersten Stufe (nicht streitiges Verfahren) vor, dass eine Kontrollkommission, die aus eigener Initiative oder auf Meldung des Bundes, eines Kantons oder der Finanzdirektorenkonferenz (FDK) einen kantonalen Steuererlass oder eine Steueranwendungspraxis auf die Vereinbarkeit mit dem StHG überprüfen kann. Sie gibt dann zuhanden des betroffenen Kantons eine Stellungnahme ab, welcher dieser akzeptieren oder verwerfen kann.
In einer zweiten Stufe (justizielles Verfahren) können nach Abgabe der Stellungnahme der Kontrollkommission diese selber, der betroffene Kanton oder der Bund eine richterliche Überprüfung des untersuchten Falles bei der zuständigen kantonalen Gerichtsinstanz verlangen. Neben dem betroffenen Kanton und dem Bund soll auch die Kontrollkommission den kantonalen Gerichtsentscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weiterziehen können. In Fällen, in denen ein Kanton eine Vorschrift oder Praxis weiterhin anwendet, obwohl er deren Unvereinbarkeit mit dem StHG im Kontrollverfahren anerkannt oder einen entsprechenden Entscheid des kantonalen Gerichts nicht ans Bundesgericht weiter gezogen hat, besteht die Möglichkeit der staatsrechtlichen Klage ans Bundesgericht durch den Bund.
Der Regierungsrat ist der Auffassung, dass mit dem vorgeschlagenen zweistufigen Verfahren ein zu starkes Instrument zur Kontrolle der Anwendung des StHG in den Kantonen geschaffen werden soll. Er ist daher der Ansicht, dass in einer ersten Versuchsphase die Kommission nur ermächtigt werden sollte, Empfehlungen oder direkte Hinweise auf kantonale Harmonisierungswidrigkeiten abzugeben. Auf die zweite Stufe, das Beschwerderecht an richterliche Instanzen, sollte vorerst verzichtet werden.
Im Rahmen der durch das StHG gesetzten Schranken müssen die Kantone nach wie vor ihr Steuerrecht frei gestalten können. Mit einer zu restriktiven Kontrolltätigkeit durch die geplante Kontrollkommission könnte der noch verbleibende harmonisierungsrechtliche Gestaltungsspielraum eine Einschränkung erfahren, die im Grenzbereich zur materiellen Steuerharmonisierung liegen könnte. Der Regierungsrat plädiert daher dafür, dass die Kantone die Mehrheit der Kontrollkommissionsmitglieder stellen können. Diese Meinung hat er auch in seiner Vernehmlassung zum Bericht der Expertenkommission «Um- und Durchsetzung der Steuerharmonisierung» vom 12. Juli 2005 geäussert.
Die Gefahr, dass in empfindlicher Weise in die kantonale Steuer- und Finanzautonomie eingegriffen wird oder dass der Bund mittels dieser Kontrollkommission die Steuerhoheit auch materiell an sich zu reissen versucht, besteht hingegen nicht. Denn einerseits sind die vom StHG vorgesehenen kantonalen Freiräume und Regelungsbereiche, insbesondere die Tarifhoheit, unbestritten, und andererseits ist in der Bundesverfassung lediglich die formelle Steuerharmonisierung postuliert. Für eine materielle Steuerharmonisierung, also die eigentliche Vereinheitlichung der Steuerbelastung, müsste daher die Bundesverfassung geändert werden.
Zu Frage 3:
Schwächt eine solche vom Bund dominierte Kontrollkommission nicht die Exekutivgewalt in den Kantonen einerseits und stärkt sie andererseits nicht die Bundesadministration, im Besonderen die eidg. Steuerverwaltung und die Schweizerische Steuerkonferenz?
Antwort:
Diese Gefahr ist für den Regierungsrat nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass in der Schweizerischen Steuerkonferenz alle kantonalen Steuerverwaltungen vertreten sind und es sich bei dieser Institution nicht um einen Teil der Bundesadministration handelt. Die Kontrollkommission selbst soll ferner eine unabhängige Stellung haben. Es ist vorgesehen, sie lediglich administrativ dem Eidg. Finanzdepartement anzugliedern.
Zu Frage 4:
Ist der Regierungsrat nicht auch der Meinung, dass der Vollzug der Steuerharmonisierungs-Gesetzgebung ausschliesslich Sache der Kantone sein sollte?
Antwort:
Die Umsetzung des StHG im kantonalen Steuergesetz und der Vollzug des Letzteren ist zweifelsfrei kantonale Angelegenheit. Die Umsetzung und der Vollzug haben aber aus folgendem Grund im Rahmen der vom StHG gesetzten Schranken zu erfolgen:
Für einen fairen Steuerwettbewerb ist ein harmonisiertes und auch durchsetzbares Steuerrecht Voraussetzung. Denn im Falle von kantonalen, harmonisierungswidrigen Gesetzesbestimmungen zu Gunsten der Steuerpflichtigen wird der Steuerwettbewerb in unzulässiger Weise verzerrt. Es besteht daher ein gewisser Kontrollbedarf zur Durchsetzung der formellen Steuerharmonisierung, der durchaus im Interesse des Regierungsrats und unseres Kantons liegt.
Zu Frage 5:
Bestehen mit dem Mittel der Steuerharmonisierungsbeschwerde nicht genügend Rechtsmittel, um die formelle Steuerharmonisierung durchzusetzen?
Antwort:
Die Antwort lautet nein, denn es besteht tatsächlich eine Kontrolllücke. Wenn der kantonale Gesetzgeber eine mit dem StHG nicht kompatible gesetzliche Regelung zu Ungunsten der Steuerpflichtigen erlässt, können diese mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde die fehlende StHG-Konformität der strittigen gesetzlichen Regelung durch das Bundesgericht überprüfen lassen. Eine solche Prüfung fehlt hingegen dort, wo eine StHG-widrige kantonale Regelung sich zu Gunsten der Steuerpflichtigen auswirkt. Theoretisch hat die Eidgenössische Steuerverwaltung zwar mit Art. 73 Abs. 2 StHG bereits heute ein Beschwerderecht gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide. Dieses kommt aber nicht zum Tragen, wenn gegen die Veranlagungsverfügung kein Rekurs bei einer kantonalen richterlichen Behörde erhoben wird. Dies dürfte jedoch regelmässig der Fall sein, wenn StHG-widrige Verfügungen zu Gunsten der Steuerpflichtigen ergehen («wo kein Kläger, kein Richter»).
Zu Frage 6:
Müsste anstelle einer solchen bürokratisch aufgeblähten und zweifellos kostspieligen Kontrollkommission die Lösung nicht vielmehr in Richtung Eigenverantwortung der Kantone oder gegebenenfalls Kollektivverantwortung der Kantone gesucht werden? Weshalb haben die Kantone im Rahmen der Finanzdirektorenkonferenz den Aspekt der Eigenverantwortung aufgegeben und welche Stellung nahm unser Finanzdirektor dabei ein? Auf welche Beschlüsse und Entscheide stützte sich im Übrigen die Haltung unseres Finanzdirektors?
Antwort:
Der Regierungsrat ist der Auffassung, dass eine moderate Einflussnahme auf die Kantone anzustreben ist, die aber einen möglichst grossen Gestaltungsspielraum im Rahmen des gegebenen Steuerharmoniserungsrechts bei den Kantonen belässt. Im Hinblick auf einen fairen Steuerwettbewerb ist ein vom Bundesgesetzgeber vorgegebenes, formell harmonisiertes Steuerrecht jedoch notwendig. Der Regierungsrat und auch der Finanzdirektor haben deshalb eine zwar grundsätzlich zustimmende Haltung zu den geplanten Neuerungen eingenommen, aber mit gewissen Vorbehalten. Die Eigenverantwortung der Kantone im Vollzug wird im Übrigen nicht aufgegeben, weil auch bei Schaffung einer moderat operierenden Kontrollkommission ein grosser Freiraum bleiben würde.
Zu Frage 7:
Teilt der Regierungsrat die Meinung, dass die fiskalischen Rahmenbedingungen für die Standortattraktivität einer Region bzw. eines Kantons entscheidende Bedeutung haben und deshalb auch in Zukunft ein Steuerwettbewerb möglich sein muss?
Antwort:
Der Regierungsrat teilt die Meinung, dass zur Erhaltung oder gar Erhöhung der Standortattraktivität die Kantone genügend Einfluss auf die Gestaltung ihrer Steuergesetze haben müssen. Ein
fairer Steuerwettbewerb wird daher ausdrücklich begrüsst. Dies bedeutet insbesondere auch, dass künftig keine materielle Steuerharmonisierung erfolgen darf, den Kantonen also auf jeden Fall die uneingeschränkte Tarifautonomie bleibt.
Zu Frage 8:
Wie beurteilt der Regierungsrat die von verschiedenen Kreisen geäusserte Befürchtung, dass die Kontrollkommission und die von ihr entfalteten Aktivitäten zwangsläufig zu einer Erhöhung der generellen Steuerbelastung führen wird und das Steuerklima in der Schweiz grundsätzlich gefährdet?
Antwort:
Von einer zwangsläufigen Erhöhung der generellen Steuerbelastung und einer grundsätzlichen Gefährdung des schweizerischen Steuerklimas zu sprechen, ist aus Sicht des Regierungsrats
übertrieben. Es ist schwierig vorauszusagen, ob die geplante Kontrollkommission überhaupt einen Einfluss auf die generelle Steuerbelastung oder das Steuerklima haben wird. Mit den vom Regierungsrat angeregten Modifikationen (siehe Antwort zur Frage 2 ) würde dieser Einfluss aber jedenfalls verhindert werden können.
Liestal, 16. Mai 2006
IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der Landschreiber: Mundschin
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