Vorlage an den Landrat

2. Einleitung

2.1. IRV als Teil der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung
Die Interkantonale Rahmenvereinbarung IRV steht in engem Zusammenhang mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen: Zur Stärkung und Weiterentwicklung des schweizerischen Föderalismus setzt die NFA auf die vier Instrumente Finanzausgleich im engeren Sinne, Entflechtung der Aufgaben und Finanzierung, Neuregelung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen bei Verbundaufgaben und eben die Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich.

Die Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit ist gemäss NFA ein Auftrag des Bundes und der Kantone. Die Aufgabe des Bundes besteht in der Befähigung der Kantone zur Zusammenarbeit. Mit dem neuen Art. 48a BV erhält er die Möglichkeit, die interkantonale Zusammenarbeit in neun abschliessend aufgeführten Aufgabenbereichen verbindlich zu erklären. Im Weiteren sind die Kantone gemäss Art. 13 des Bundesgesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG) verpflichtet, für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich eine Rahmenvereinbarung mit bestimmten Mindestinhalten zu erarbeiten. Die eigentliche materielle Ausgestaltung der Zusammenarbeit ist und bleibt aber Sache der Kantone. Der Wille zur Zusammenarbeit muss nach wie vor von den Kantonen formuliert werden. In der Rahmenvereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich regeln die Kantone im Sinne einer „Verfassung der interkantonalen Zusammenarbeit" in genereller Weise Grundsätze, Prinzipien und Verfahren der Zusammenarbeit und des Lastenausgleichs. Die IRV führt damit noch zu keiner gemeinsamen Aufgabenerfüllung, sie erleichtert aber die Erarbeitung der einzelnen Zusammenarbeitsverträge durch die Vorgabe verschiedener Grundlagen.
Die Bedeutung der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich für das Gesamtprojekt NFA wird dadurch unterstrichen, dass der Bundesrat bei der Inkraftsetzung der NFA den Stand der Umsetzung der interkantonalen Zusammenarbeit zu berücksichtigen hat (Art. 24 Abs. 3 FiLaG). Diese Bestimmung wurde in den Diskussionen stets dahingehend ausgelegt, dass zum Zeitpunkt der Inkraftsetzung der NFA die IRV von einer Mehrheit der Kantone ratifiziert sein muss.



2.2. Entstehung der IRV
Die IRV ist als Teil des NFA-Projektes zu betrachten. Sie wurde im Rahmen der NFA-Projektorganisation erarbeitet: Das politische Steuerungsorgan NFA hat 1997 einer Projektgruppe das Mandat erteilt, die Verhandlungsmodalitäten und die rechtlichen Voraussetzungen eines funktionierenden interkantonalen Lastenausgleichs auf Verfassungs-, Gesetzes- und Vereinbarungsstufe zu erarbeiten und dabei alle relevanten Problembereiche aufzuarbeiten sowie Lösungsvorschläge zu skizzieren. Der Vorschlag der Projektgruppe sah vor, auf Bundesebene neue Verfassungsgrundlagen für die interkantonale Zusammenarbeit zu schaffen und in einem neuen Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich die Grundzüge der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich zu regeln. Die Kantone ihrerseits sollten die Grundprinzipien der interkantonalen Zusammenarbeit sowie die Grundsätze und Verfahren des Lastenausgleichs in einer Rahmenvereinbarung festlegen. Die Projektgruppe legte dazu einen Vereinbarungsentwurf vor. Dieser wurde von der Konferenz der Kantonsregierungen weiter bearbeitet, bereinigt und an der Plenarversammlung vom 6. Oktober 2000 verabschiedet. Bis am 1. November 2000 erklärten sich 22 Kantonsregierungen (darunter auch der Kanton Basel-Landschaft) bereit, die IRV unter Vorbehalt der Ratifikation durch das Kantonsparlament zu paraphieren, sofern das vom politischen Steuerungsorgan zuhanden des Bundesrates zu verabschiedende NFA-Gesamtpaket für die Kantonsregierungen als akzeptabel erscheint. Diese grundsätzliche Zustimmung zum Entwurf ermöglichte es, die IRV als wesentlichen Teil der NFA zusammen mit der NFA-Botschaft des Bundesrates zu publizieren.
Die NFA-Vorlage mit den neuen Verfassungsgrundlagen und dem Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich erfuhr in der Beratung und Beschlussfassung durch die Bundesversammlung vom 3. Oktober 2003 noch verschiedene Änderungen, die eine Überarbeitung der IRV notwendig machten. Die federführende KdK stellte dazu eine Arbeitsgruppe zusammen, in der neben den Kantonsregierungen auch eine Vertretung der Parlamente, der Direktorenkonferenzen, der Städte und Gemeinden Einsitz nahmen. Die überarbeitete und neu strukturierte IRV wurde den Kantonsregierungen im Sommer 2004 zur Vernehmlassung unterbreitet. Grundsätzlich fielen die Antworten der Kantone sehr positiv aus. Die neue Struktur wurde einstimmig befürwortet und den meisten der vorgeschlagenen wesentlichen Änderungen mit grossem Mehr zugestimmt. Die definitive Fassung der IRV wurde an der Plenarversammlung der KdK vom 24. Juni 2005 einstimmig - bei zwei Enthaltungen - zuhanden der Ratifikation in den Kantonen verabschiedet.
2.3. Bundesrechtliche Vorgaben
Die IRV kann nicht allein als Resultat interkantonaler Zusammenarbeit betrachtet werden. Sie ist ein Glied des gesamten NFA-Systems und hat daher verschiedene Bundesvorgaben zu beachten.
Die Bundesverfassung hält den Bund an, Vorschriften über einen angemessenen Finanz- und Lastenausgleich zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen den Kantonen zu erlassen, der namentlich auch die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich fördert (Art. 135 Abs. 2 lit. d BV). Gestützt darauf enthält das neue Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich, FiLaG, verschiedene Bestimmungen über die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (Art. 10 bis 17 FiLaG). Insbesondere werden die Kantone verpflichtet, für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich eine interkantonale Rahmenvereinbarung abzuschliessen, die vom Bund auf Antrag von mindestens 21 Kantonen allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Darin haben die Kantone insbesondere festzulegen (Art. 13 FiLaG):

Der Bund beschränkt sich nicht auf die Bezeichnung der von der IRV mindestens zu regelnden Grundsätze, Verfahren und Einzelfragen. Zusätzlich enthält das FiLaG auch Mindestvorschriften materieller Art. Vorgegeben werden die Ziele der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich und die Grundsätze des Lastenausgleichs: Anzustreben hat die Zusammenarbeit die Sicherstellung einer Mindestversorgung mit öffentlichen Leistungen, eine wirtschaftliche Erfüllung kantonaler Aufgaben im Verbund mit anderen Kantonen sowie einen gerechten Ausgleich kantonsübergreifender Leistungen bei angemessener Mitsprache und Mitwirkung der betroffenen Kantone (Art. 11 FiLaG). Für den Ausgleich kantonsübergreifender Leistungen zu berücksichtigen sind insbesondere die effektive Beanspruchung dieser Leistungen, der Umfang der Mitsprache- und Mitwirkungsrechte sowie damit verbundene erhebliche Standortvorteile und -nachteile (Art. 12 FiLaG).
Vor allem aber legt der Bund den Geltungsbereich der IRV fest: Die Bundesverfassung zählt in Art. 48a BV abschliessend auf, in welchen Aufgabengebieten der Bund die Kantone mittels Allgemeinverbindlicherklärung oder Beteiligungsverpflichtung zur Zusammenarbeit verpflichten kann. Es sind dies die Bereiche des Straf- und Massnahmenvollzugs, der kantonalen Universitäten, der Fachhochschulen, der Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung, der Abfallbewirtschaftung, der Abwasserreinigung, des Agglomerationsverkehrs, der Spitzenmedizin und Spezialkliniken sowie der Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von Invaliden. Ein Recht, allgemeine Grundsätze und Verfahren der interkantonalen Zusammenarbeit allgemeinverbindlich zu erklären, hat der Bund nicht. Aus diesem Grunde kann er auch die IRV nur für die Bereiche der Pflichtzusammenarbeit gemäss Art. 48a BV als allgemeinverbindlich erklären, was ursprünglich zum Anlass genommen wurde, den Geltungsbereich der IRV auf diese Bereiche zu beschränken. Die bereinigte IRV sieht nun aber ausdrücklich vor, dass die Kantone die Grundsätze und Prinzipien der Rahmenvereinbarung freiwillig auch für andere Verträge anwendbar erklären können. Damit soll die interkantonale Zusammenarbeit über die Felder der Pflichtzusammenarbeit hinaus vereinfacht und gefördert werden.



2.4. Partnerschaftsverhandlungen mit dem Kanton Basel-Stadt
Aufgrund der seit Jahrzehnten entwickelten Kooperation gelten Basel-Landschaft und Basel-Stadt in der Schweiz als Pioniere der Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen hinweg. Im November 2003 hat der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft den Bericht zur regionalen Zusammenarbeit vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die beiden Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt auch hinsichtlich der vertraglichen Abmachungen stark miteinander verbunden sind. Die Kooperation BS/BL basiert auf 84 finanzwirksamen Dach- bzw. Einzelvereinbarungen. Dazu kommen neun Dach- bzw. Einzelvereinbarungen zwischen dem Baselbiet und anderen Kantonen, vor allem mit Aargau und Solothurn.
Zur weiteren Verbesserung der Kooperation auf einer transparenten Grundlage haben die beiden Regierungen der Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt gemeinsame Regelungen für den Lastenausgleich erarbeitet (BL/BS-Standards). Diese wurden am 4. Januar 2005 in Kraft gesetzt. Dabei wurde beschlossen, die BL/BS-Standards in erster Priorität bei den folgenden Verhandlungsdossiers anzuwenden: Universität, Regionale Spitalplanung (Dienstleistung sowie Lehre und Forschung), Kultur und St. Jakob.
Die BL/BS-Standards sollen zudem in Zukunft bei der Aushandlung von neuen und auslaufenden partnerschaftlichen Vereinbarungen sowie bei unbefristeten Vereinbarungen auf Initiative eines Vereinbarungskantons angewendet werden. Somit wird infolge der Beachtung der Standards die Zusammenarbeit zwischen den beiden Kantonen schrittweise systematisiert.
Die BL/BS-Standards regeln die finanziellen und inhaltlichen Grundsätze für den Lastenausgleich zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt. Sie erfüllen damit das vom Kanton Basel-Landschaft im Partnerschaftsbericht vorgebrachte Anliegen nach einer transparenten und fachlich fundierten Grundlage für die Zusammenarbeit bei gemeinsamen Aufgaben. Die Standards bauen auf der IRV auf und konkretisieren sie in gewissen Bereichen, wie z.B. bei der Abgeltung.
Die beiden Kantonsregierungen stellen die Berücksichtigung der Standards bei der Formulierung konkreter Vereinbarungen zwischen BL und BS sicher. Da die Standards von den beiden Regierungen beschlossen werden, verpflichten sie die beiden Kantone nicht wie parlamentarisch genehmigte interkantonale Verträge. Im interkantonalen Verhältnis besteht somit keine (unmittelbare) rechtliche, sondern eine politische Verbindlichkeit. Im innerkantonalen Verhältnis kommt den Standards hingegen im Sinne einer Weisung an die Direktionen bzw. Departemente Rechtsverbindlichkeit zu. Diese Verpflichtung bezieht sich auf die Berücksichtigung der Standards bei der Vorbereitung konkreter Vereinbarungen über spezifische Leistungsbereiche, welche in der Folge den Parlamenten unterbreitet werden.
Fortsetzung >>>
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