2006-35


1. Die Petition
Am 22. November 2005 haben die Jungen Grünen Nordwest beim Landrat mit 1'091 Unterschriften die Petition «für Massnahmen gegen Geländefahrzeuge im dichtbesiedelten Gebiet» eingereicht. Darin sind die folgenden Forderungen aufgeführt:

2. Vorgehen der Petitionskommission
Die Petitionskommission hat bei der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion eine Stellungnahme zur obgenannten Petition angefordert, die Petition an ihrer Sitzung vom 20. Dezember 2005 behandelt und dabei die Petenten wie auch eine Vertretung der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion angehört.


3. Die Anhörung der Petenten
Die Petenten liessen sich durch die Herren Fabio Gassmann (Kaisten) und Simon Trinkler (Allschwil) vertreten. Diese führten aus, dass mit der vorliegenden Petition sowohl ökologische Anliegen wie auch Anliegen der Verkehrssicherheit ausgedrückt würden.

Das ökologische Anliegen:
Im Vergleich zum durchschnittlichen in der Schweiz gebräuchlichen Personenwagen würden «Offroader» massiv mehr Kraftstoff verbrauchen. Die meisten dieser Fahrzeuge seien mit über 1'750 kg Leergewicht viel zu schwer und würden deshalb und auch wegen des grösseren Reibungswiderstandes durch zusätzlich mitbewegte Getriebteile übermässig Treibstoff verbrauchen. Die Schweiz habe das Kyoto-Protokoll ratifiziert, sei aber noch weit davon entfernt, die Emissionsreduktionsziele zu erreichen. Dies vor allem, weil der motorisierte Individualverkehr sehr ineffizient sei.
Die Petenten erheben deshalb die folgenden ökologisch begründeten Forderungen:

Die Anliegen der Verkehrssicherheit:
«Offroader» würden wegen ihres hohen Gewichtes wie auch der höher liegenden Fahrzeugfront bei Zusammenstössen mit herkömmlichen Personenwagen grösseren Schaden anrichten. Crash-Tests hätten gezeigt, dass sich das höhere Fahrzeug dabei über das niedrigere schiebe und darum dessen Insassen einem höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt seien. Bedingt durch die starre Fahrzeugstruktur (Leiterrahmen) vermöchten die Offroader bei einem Zusammenstoss auch nur einen geringen Teil der Aufprallenergie mit ihrer Fahrzeugverformung aufzufangen. Stärker gefährdet seien darum wiederum die Insassen des «weicheren» Fahrzeuges, aber auch die Insassen des Geländewagens bekämen den Aufprall stärker zu spüren, als dies bei einem crashoptimierten Personenwagen der Fall wäre. Der höher liegende Schwerpunkt der Offroader erhöhe auch die Gefahr von Unfällen durch Überschlagen des Fahrzeuges.
Verheerend wirke sich der Zusammenprall eines Offroaders mit einem Fussgänger aus. Die Motorhaube würde ein Kind präzis auf Kopfhöhe treffen. Auch erwachsene Fussgänger würden weggeschleudert und nicht wie bei konventionellen Personenwagen auf der Motorhaube aufgefangen. EuroNCAP habe unter definierten Bedingungen Fussgängerschutz-Tests durchgeführt. Die meisten Offroaders hätten dabei sehr schlecht abgeschnitten. Ein völliger Unsinn seien die Frontschutzbügel an Offroadern. Was in der Prärie allenfalls als sogenannter Kuhfänger sinnvoll sein könne, sei im städtischen Verkehr ein völliger Schwachsinn. Diese Frontschutzbügel seien für alle anderen Verkehrsteilnehmer ausserordentlich gefährlich und gehörten deshalb verboten.
Die Petenten sind sich der Schwierigkeiten bei der genauen Definition eines Geländewagens bewusst. Mittlerweile seien zwischen einem herkömmlichen Personenwagen mit Vierradantrieb und eigentlichen Geländefahrzeugen, wie sie in der Forstwirtschaft Verwendung finden, alle nur erdenklichen Zwischenformen auf dem Markt erhältlich.
Da viele der verkehrenden Geländefahrzeuge gar nicht in die Kategorie der vom Gesetz definierten Geländefahrzeuge fallen würden, sei eine neue Fahrzeugkategorie zu schaffen. Ein Gewicht zwischen 1500 und 3'500 kg, Vierradantrieb, eine Bodenfreiheit von 1800 mm und Böschungswinkel von 20-25° hätten dabei als Kriterien zu gelten.
Ganz generell gaben die Petenten zu bedenken, dass die Offroader dem Fahrzeuglenker zwar ein subjektives Gefühl der Sicherheit vermittelten, aber objektiv ein erhebliches Risiko der Verkehrssicherheit darstellten. Stéphane Johner von der Universität Lausanne habe die Filme von Radarmessgeräten ausgewertet und sei in einer Studie zum Schluss gekommen, dass der typische Raser männlich sei, einen deutschen Geländewagen fahre und auf Wetter, Sicht und Strassenzustand keinerlei Rücksicht nehme.


4. Stellungnahme der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion
Die schriftliche Stellungnahme der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion erläuterte Herr Beat Schüpbach, Hauptabteilungsleiter Verkehrssicherheit der Polizei Basel-Landschaft.
Er machte eine grundsätzliche Unerfüllbarkeit der Forderung der Petenten darin aus, dass die Fahrzeuge, die sie mit einer Zusatzsteuer belasten und mit Verkehrseinschränkungen belegen möchten, gar nicht gesondert erfasst würden. Die sogenannten SUVs (Sport Utility Vehicles) gelten vom Gesetz her gemeinhin als Personenwagen. Vom Gesetz als «Geländefahrzeug» erfasst werde eine Fahrzeugkategorie, die für den wirklichen Geländeeinsatz konstruiert sei und in der Forst und Landwirtschaft zum Einsatz komme.
Die Definition der Fahrzeugkategorien sei Sache des Bundes und im Strassenverkehrsgesetz enthalten. Dieses lehne sich weitgehend an EU-Richtlinien an. Die Kantone hätten einzig in der Besteuerungsart Freiheiten. Die Einführung einer neuen Fahrzeugkategorie müsste jedoch auf Bundesebene geschehen.
Aus ökologischer Sicht sei jedoch eine solche neue Kategorie nicht sinnvoll. Moderne SUVs hätten kaum einen höheren Benzinverbrauch und CO 2 -Ausstoss als herkömmliche Personenwagen oder ein 4x4-Kombi. Es gäbe auch andere Fahrzeugvarianten, wie Vans, die ebenso schwer und nicht sparsamer seien. Von diesen würden sich die SUVs auch kaum in der Bodenfreiheit unterscheiden.
Das höhere Unfallrisiko von SUVs bezeichnete Beat Schüpbach als reine Behauptung. Ein höheres Überschlagrisiko sei beim Elchtest nicht nachgewiesen worden. Zudem würden diese grossen und schweren Autos anders gefahren, so dass solch fahrdynamisch heikle Situationen bei ihnen kaum auftreten dürften. Da die SUVs in der Unfallstatistik nicht besonders ausgewiesen würden, lassen sich keine Aussagen über Unfallhäufigkeit und Schwere der Folgen machen. Beides dürfte aber im unterdurchschnittlichen Bereich liegen, da mit SUVs wegen der Fahrzeuggrösse generell defensiver gefahren werde.
Viele der SUVs seien konstruktiv mit herkömmlichen Personenwagen verwandt und verfügten über die gleichen Knautschzonen wie Personenwagen. Beim Zusammenstoss mit Fussgängern bestehe bei SUVs wegen der grösseren Fahrzeughöhe eine erhöhte Verletzungsgefahr. Dieses Risiko würden sich aber die SUVs mit den verbreiteten Vans und Kleinbussen teilen.
Anders liege dies bei den angebauten Frontschutzbügeln. Diese hätten bei Zusammenstössen mit Fussgängern und Velofahrern tödliche Wirkung und gehörten verboten.
Die Forderung nach einem Fahrverbot für SUVs im städtischen Gebiet sei nicht umsetzbar. An sich sei der Einsatz eines SUV im städtischen Stop-and-Go-Verkehr ökologisch ebenso wenig sinnvoll wie derjenige anderer schwerer und stark motorisierter Autos. Aber gerade im Kanton Baselland wäre die Abgrenzung nicht praktizierbar. Ein Auto dürfte dann in Lausen und Sissach verkehren, in Liestal aber nicht.


5. Beratung in der Kommission
Überraschenderweise zeigte es sich, dass in der Petitionskommission von der vorliegenden Petition direkt Betroffene, bzw. Experten mit eigener Erfahrung mit Geländefahrzeugen Einsitz haben. Entsprechend wurde auch ein zumindest zweistimmiger Lobgesang auf die Vorzüge der sogenannten SUVs gesungen. Dank des Vierradantriebes seien sie bei schwierigen Strassenverhältnissen sicherer. Die erhöhte Sitzposition erlaube einen besseren Überblick auf das Verkehrsgeschehen. Die Grösse des Fahrzeuges führe von selbst zu einer gemächlicheren und genüsslicheren Fahrweise. Der Mehrverbrauch sei äusserst gering. Bei Ferienreisen müsse wegen des grossen Innenraumes des Autos kein Dachgepäckträger mitgeführt werden. Ausserdem würden viele Besitzer ein SUV anschaffen, weil sie wegen ihrer erhöhten Wohnlage oder wegen eines Ferienhauses in den Bergen darauf angewiesen seien.
Die Statistik der Versicherungsgesellschaften würden belegen, dass die SUVs unterdurchschnittlich an Unfällen beteiligt seien. Verursacher der klassischen Raserunfälle seien mehrheitlich Junglenker mit Sportwagen oder übermotorisierten Kleinwagen und nicht die gesetzten Herren mit ihren SUVs.

Zu den einzelnen Forderungen der Petition wurde Folgendes vorgebracht:

1. Verbot von Geländefahrzeugen im Stadtgebiet
Der ständig ansteigende Energieverbrauch gerade auch im Individualverkehr müsse zu denken geben. Er sei darauf zurück zu führen, dass trotz verbesserter Energieeffizienz der Autos zunehmend schwerere Fahrzeuge wie SUVs gekauft würden. Aus ökologischer Sicht sei deshalb das Anliegen der Petition, den Gebrauch von SUVs für Mobilitätsaufgaben, für welche sie denkbar ungeeignet seien, einzuschränken, nachvollziehbar. Das geforderte Fahrverbot im Stadtgebiet sei jedoch nicht praktikabel. Einerseits bestehe keine gesetzliche Handhabe, um SUVs von andern Autos zu unterscheiden, andererseits sei auch die Durchsetzung des Verbots in einer Agglomeration, wo ländliche Siedlungen fliessend in städtische übergehen, unmöglich.

2. Ein striktes Verbot von Frontschutzbügeln
Die Kommission stimmt zu, dass solche unsinnig und in hohem Masse gefährlich sind. Allerdings liegt der Erlass von Bestimmungen über die Ausrüstung von Motorfahrzeugen in der Kompetenz des Bundes.

3. Eine Infokampagne über die Gefahren von Geländefahrzeugen
Diese Gefahren seien zum Teil nicht grösser als bei andern Autos; und dort, wo sie sich von diesen konstruktionsbedingt unterscheiden würden, seien die Risiken hinlänglich bekannt.

4. Eine zusätzliche Steuerpauschale für Geländewagen
Eine solche kann deshalb nicht für SUVs erhoben werden, da diese vom Gesetzgeber nicht als besondere Fahrzeugkategorie ausgewiesen werden. Mit einer zusätzlichen fiskalischen Belastung für Geländewagen könnten nur wenige Fahrzeuge aus der Land- und Forstwirtschaft erfasst werden, nicht aber die SUVs. Unser Kanton kennt bereits die Fahrzeugbesteuerung nach Gewicht. Somit werden Halter schwerer Fahrzeuge bereits stärker zur Kasse gebeten. Einige Kommissionsmitglieder könnten sich eine Besteuerung der Fahrzeuge progressiv nach Gewicht vorstellen. Allerdings ist dies nicht explizit eine Forderung der Petition.


6. Antrag an den Landrat
Aufgrund der oben aufgeführten Empfehlungen hat die Petitionskommission einstimmig beschlossen, dem Landrat wie folgt Antrag zu stellen:
Die Forderungen 1, 3 und 4 der Petition «für Massnahmen gegen Geländefahrzeuge in dichtbesiedeltem Gebiet» seien abzulehnen.
Die Forderung 2 sei so aufzunehmen, als der Landrat in einem Schreiben an das Bundesamt für Verkehr das Verbot von Frontbügeln an leichten Motorwagen fordert.


Pratteln, 1. Februar 2006

Für die Petitionskommission:
Robert Ziegler, Präsident



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