2006-31 (1)
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Beantwortung der Interpellation 2006/031 von Margrit Blatter vom 26. Januar 2006 betreffend "Working Poor in der Schweiz - Arm trotz Erwerbstätigkeit"
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vom:
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21. März 2006
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Nr.:
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2006-031
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Bemerkungen:
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Vorlage
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In der Schweiz gelten 6,7 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung als Working Poor. Die Zahl der Erwerbstätigen, die unter die Armutsgrenze fallen, ist im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen. Zu den Risikogruppen zählen Alleinerziehende, Familien mit mindestens drei Kindern sowie Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Auch unter Angestellten aus EU-Staaten gibt es überdurchschnittlich viele Working Poor. Eine Prognose für die weitere Entwicklung ist schwierig.
Für Personen, die arbeiten und dennoch arm sind, gibt es seit einigen Jahren eine Bezeichnung. Die Statistik nennt sie Working Poor und schätzt deren Anteil an der Gesamtbevölkerung jeweils auf Grund von Erhebungen. Im Jahr 2004 galten 6,7 Prozent der 20- bis 59-Jährigen, die in einem Haushalt lebten, in dem die Bewohner zusammen ein Arbeitspensum von mindestens einer Vollzeitstelle aufweisen, als arm. Das entspricht etwa 211'000 Personen.
Damit ist die Quote nach einem Anstieg von 6,4 auf 7,4 Prozent in den Jahren 2002 und 2003 wieder leicht zurückgegangen. Das dürfte eine Folge des Wirtschaftswachstums sowie der Stabilisierung der Arbeitslosenquote sein. Insgesamt war die Quote in den ersten vier Jahren des 21. Jahrhunderts tiefer als in der Periode von 1996 bis 2000, als sie zwischen 8 und 9 Prozent schwankte.
Da die Mehrheit der Working Poor in Mehrpersonenhaushalten lebt, sind weit mehr Personen als nur die eigentlichen Working Poor von dieser Armut betroffen. Die in der Schweiz gezählten 231'000 Working Poor leben in 137'000 Haushalten mit insgesamt 513'000 Haushaltsmitgliedern (davon 233'000 Kinder).
Krankenkassenprämien sollten von solchen Menschen von den Steuerrechnungen abgezogen werden können. Es muss mehr Gerechtigkeit herrschen, damit die Menschen von ihrem Gehalt die normal anfallenden Rechnungen wie Miete, Krankenkasse, Lebensunterhalt, Kleider und Essen bezahlen können. Und es darf nicht sein, dass die Ärmsten so ausgenützt werden und andere ihre Millionen kaum verbrauchen können.
Ich frage den Regierungsrat an:
1. Wie viele Working Poor hat der Kanton Baselland in den Jahren 2004 und 2005?
2. Wie viele Kinder sind davon betroffen?
3. Was gedenkt die Regierung für die Zukunft in dieser Angelegenheit zu unternehmen?
Der Regierungsrat nimmt dazu wie folgt Stellung:
Nach den jüngsten Ergebnissen des Bundesamtes für Statistik (BFS) für das Jahr 2004 kann festgehalten werden:
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Gesamtschweizerisch waren 6,7 Prozent jener 20- bis 59-jährigen Erwerbspersonen arm, die in einem Haushalt mit einem Erwerbsumfang von mindestens einer Vollzeitstelle leben. 2003 hatte dieser Anteil noch 7,4 Prozent betragen. Die Working-Poor-Quote ist in den ersten fünf Jahren des neuen Jahrtausends unter dem Stand der fünf Jahre davor geblieben.
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Der Blick auf die Entwicklung der Working-Poor-Quote im vergangenen Jahrzehnt zeigt, dass sich die Quote zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit ihren Schwankungen zwischen 6,4 und 7,9 Prozent systematisch auf tieferem Niveau bewegte als in der Periode 1996 bis 2000, als Werte zwischen 8,0 und 9 Prozent gemessen wurden. Diese Spitzen waren die zeitlich leicht verzögerte Konsequenz der vorangehenden speziell harten Zeiten auf dem Arbeitsmarkt.
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Das Risiko, ein Working Poor zu werden, variiert stark je nach Kategorie von Erwerbstätigen. Folgende soziodemografischen und sozioprofessionellen Gruppen sind am stärksten betroffen: Einelternhaushalte, Haushalte mit drei oder mehr Kindern, Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Ländern, Personen ohne nachobligatorische Ausbildung (die beiden letztgenannten Gruppen überschneiden sich stark), Selbständigerwerbende ohne Mitarbeitende sowie Arbeitnehmende mit befristetem Anstellungsvertrag. Überdurchschnittlich, aber etwas weniger ausgeprägt als in den vorgenannten Gruppen, ist das Risiko auch für Erwerbstätige aus dem Süden Europas und für Personen mit einem Unterbruch ihrer beruflichen Laufbahn.
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Zur Definitionen Working Poor
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Working Poor sind erwerbstätige Personen im Alter von 20 bis 59 Jahren, die in einem armen Haushalt leben. Als erwerbstätig gelten Personen, die mindestens eine Stunde pro Woche gegen Bezahlung arbeiten.
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Die Kategorie der Working Poor ist beschränkt auf die erwerbstätigen Personen, die in einem Haushalt leben, dessen Mitglieder einen kumulierten Erwerbsumfang von mindestens 36 Stunden pro Woche aufweisen; der genannte Erwerbsumfang entspricht im Minimum einer Vollzeitbeschäftigung (90 Prozent oder mehr).
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Armutsgrenze
Die in der Studie verwendete Armutsgrenze ist von den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) abgeleitet. Die Armutsgrenze (Grundbedarf wie Lebensmittel, Kleidung, Verkehrsmittel, Kommunikation, Energie, mittlere Miete und Krankenkassenprämien) für einen Einpersonenhaushalt liegt bei 2'490 Franken und bei 4'603 Franken für ein Paar mit zwei Kindern. Als arm gilt ein Haushalt, dessen Einkommen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Steuern unter der Armutsgrenze liegt. Bei diesem Ansatz steht das soziale Existenzminimum im Zentrum. |
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Working-Poor-Quote
Anteil der Erwerbstätigen, die in einem (gemäss SKOS-Richtlinien) armen Haushalt leben und dessen Mitglieder zusammen mindestens 36 Stunden arbeiten, geteilt durch die Anzahl der in einem Haushalt mit demselben Erwerbsumfang lebenden Erwerbstätigen. |
Working Poor in Baselland
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Das oberste Ziel aller Anstrengungen beinhaltet die klare Forderung, den Menschen im sog. zweitletzten sozialen Netz - oberhalb der Sozialhilfe - Rahmenbedingungen zu schaffen, welche ein Leben über dem sozialen Existenzminimum aus eigener Kraft ermöglichen kann.
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In der Sozialhilfestatistik BL sind per 31. Dezember 2005 196 Fälle mit total 500 Personen als "Working Poor" erfasst. Dies sind 0,2 Prozent der Bevölkerung. Von den 500 Personen sind zirka 70 Prozent davon Personen ausländischer Herkunft. Gesamthaft sind in unserem Kanton 2 Prozent der Bevölkerung auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen.
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Die Hauptrisikogruppen seien nochmals klar hervorgehoben:
- Einelternhaushalte. - Haushalte mit drei oder mehr Kindern. - Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Ländern. - Personen ohne nachobligatorische Ausbildung. |
Die mit der Interpellation gestellten Fragen beantwortet der Regierungsrat wie folgt:
1. Wie viele Working Poor hat der Kanton Baselland in den Jahren 2004 und 2005?
Die für die Schweiz berechnete Quote basiert auf einer Stichprobe der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE). Aus der Stichprobe können keine kantonalen Daten ermittelt werden (oder höchstens mittels einer sehr kostspieligen Erhöhung der Stichprobengrösse). Die SAKE weist deshalb keine Daten für den Kantons Basel-Landschaft aus. Aufgrund der Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur kann man davon ausgehen, dass die Quote im Baselbiet deutlich tiefer liegt.
2. Wie viele Kinder sind davon betroffen?
Das Verhältnis Haushalte zu den betroffenen Kindern dürfte nicht allzu stark vom schweizerischen Mittel abweichen.
3. Was gedenkt die Regierung für die Zukunft in dieser Angelegenheit zu unternehmen?
Die Regierung hat bereits verschiedene Projekte initialisiert, welche eine nicht geringe Auswirkung auf Menschen haben wird, welche bereits als Working Poor gelten, aber auch für die Menschen, welche knapp über diesem Minimum stehen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier stellvertretend erwähnt:
a. Die im Rahmen des Bildungsgesetzes eingeführten Blockzeiten bieten sowohl Alleinerziehenden als auch Familien verbesserte Rahmenbedingungen zur Erlangung eines reduzierten oder zusätzlichen Erwerbseinkommens. Mittagstische und Tagesschulen könnten die Ausgangslagen noch markant verbessern.
b. Mit der sich zurzeit in der Vernehmlassung befindlichen Steuergesetz-Revision werden sowohl Einelternfamilien als auch Ehepaare mit mindestens zwei Kindern bei einem Nettolohn II von unter 60'000 Franken (ohne andere Einkommensquellen) im Endeffekt keine Einkommenssteuern mehr bezahlen müssen. Der "Abhalteffekt" für eine zweite Erwerbstätigkeit des Ehegatten wird zudem mit dem Vollsplitting und dem Abzug der Kinderbetreuungskosten vollständig eliminiert. Der steuerliche Abzug der Kosten für die Kinderbetreuung durch Drittpersonen kommt auch Einelternfamilien zugute, bei denen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen werden muss.
c. Die tieferen Einkommen werden auch weiterhin die grössten Beiträge aus der Prämienverbilligung erhalten. Mit jeder Erhöhung der Richtprämien nehmen die Beiträge an die Haushalte mit den tiefsten Einkommen am meisten zu.
d. Im Rahmen des vorgesehenen Integrationsgesetzes wird auch die Integrationsförderung im Hinblick auf die wirtschaftliche Teilnahme und die berufliche Eingliederung enthalten sein. So regeln beispielsweise
- § 1 Abs.2: Ziel des Gesetzes ist die Herstellung der Chancengleichheit im Hinblick u.a. auf die Teilnahme am wirtschaftlichen Leben.
- § 4 Abs. 2: Bei der Umsetzung der Integrationsförderung ist den besonderen Anforderungen der Integration von Familien, Erziehenden, Kindern und Jugendlichen Rechnung zu tragen.
- § 4 Abs. 3: Kanton und Gemeinden fördern insbesondere u.a. die berufliche Eingliederung.
- § 6 Abs. 2 sieht vor, dass die Nutzer von staatlich geförderten Sprach- und Integrationskursen sich unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse an den Kurskosten beteiligen.
e. In der Arbeitslosenentschädigung besteht die Möglichkeit, dass unter gewissen Voraussetzungen bei Zwischenverdienst Kompensationszahlungen ausgerichtet werden.
f. Im Bereich der Kinder- und Ausbildungszulagen wurden die Zulagen mit dem neuen Familienzulagengesetz erhöht. Ebenso wurde der Grundsatz "ein Kind = eine Zulage" eingeführt.
g. Die Möglichkeit von Mietzinszuschüssen - ausserhalb und zur Verhinderung der Sozialhilfe - im Rahmen der Gemeindekompetenz.
h. Die vorberatende Kommission "Gesetzesentwurf Familienergänzende Kinderbetreuung" erarbeitet zurzeit die entsprechende Vorlage für das Betreuungsangebot im Vorschulbereich. Wichtiges vorausschauendes Ziel eines schrittweisen Ausbaus der Betreuungsangebote (Kinderkrippen, Tagesfamilien) ist die höhere Erwerbspartizipation der Eltern und Alleinerziehenden. Dies führt zur Sicherung und Stabilisierung des Haushaltseinkommens und zur Verringerung der Sozialhilfekosten.
Liestal, 21. März 2006
Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der Landschreiber: Mundschin
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