2006-3 (1)
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Schriftliche Beantwortung der dringlichen Interpellation Eugen Tanner, CVP-Fraktion, «Eigenmächtiger Steuervogt?», eingereicht am 12. Januar 2006
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vom:
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12. Januar 2006
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Nr.:
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2006-003
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Bemerkungen:
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Acrobat (PDF):
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Vorlage
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Text der Anfrage:
Unter diesem Titel war der NZZ am Sonntag vom 18. Dezember 2005 zu entnehmen, dass sowohl die Steuerverwaltung wie auch der zuständige Regierungsrat in ein Verfahren verwickelt sind, das dem Kanton nicht nur unnötige Kosten verursachen dürfte sondern vor allem dem Ruf und Ansehen der Steuerverwaltung und damit letztlich auch jenem des Kantons abträglich ist. Es geht um die Rückerstattung einer irrtümlich bezahlten Nachsteuerrechnung in der Höhe von CHF 53'000.-- vom Oktober 2000.
Auch wenn es beim Einfordern von Steuerguthaben oftmals eine nicht geringe Portion Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit braucht, hat sich der Staat - konkret die Steuerverwaltung - letztlich auch Entscheiden des Gerichtes zu unterziehen, welches als übergeordneter Schiedsrichter über die Rechtmässigkeit oder Unrechtmässigkeit einer Forderung entscheiden muss.
Ich bitte den Regierungsrat, in diesem Zusammenhang zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen.
Vorbemerkungen des Regierungsrats:
Um es vorweg zu sagen: In diesem Verfahren hat die Steuerverwaltung zwei schwere Formfehler begangen:
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Zunächst hat sie ein Nach- und Strafsteuerverfahren gegen zwei Ehegatten nicht je einzeln gegen die beiden Personen geführt. Die Anforderungen an ein Strafsteuerverfahren sind heute dieselben wie an ein normales Strafverfahren, während dies früher weniger streng gehandhabt worden ist.
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Dann hat sie es unterlassen, in einem Einspracheentscheid, welcher der letzte in einer Reihe von Verfügungen gewesen ist, die Steuerfaktoren und den Steuerbetrag nochmals explizit aufzuführen.
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Dies hat das Steuergericht als schwere Formfehler eingestuft und zweimal auf Nichtigkeit der entsprechenden Verfügung erkannt. Die Urteile des Steuergerichts haben sich ausschliesslich zu diesen Formalien ausgesprochen, über den zugrunde liegenden Sachverhalt hat es nie geurteilt.
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1. Trifft der in der NZZ vom Sonntag wiedergegebene Sachverhalt grundsätzlich zu?
Antwort des Regierungsrats:
Der in der 'NZZ am Sonntag' wiedergegebene Sachverhalt trifft teilweise zu, zum Teil ist er unvollständig und zum Teil ist er falsch. Es ist für die involvierten Stellen allerdings schwierig, sich zu Anschuldigungen, wie sie im Zusammenhang mit dem dargelegten Fall «Ronaldini» vorgebracht werden, zu äussern, da das Amts- und das Steuergeheimnis ihnen gebietet, über Kenntnisse von individuellen Steuerverhältnissen Stillschweigen zu bewahren. Insbesondere gegenüber den Medien dürfen keinerlei Auskünfte erteilt werden, die Rückschlüsse auf die Steuerangelegenheiten von einzelnen Personen zulassen. In diesen engen Schranken lassen sich zum in der 'NZZ am Sonntag' dargestellten Sachverhalt trotzdem folgende Ergänzungen und Berichtigungen anbringen:
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Der Sachverhalt ist wesentlich komplexer, als er in der 'NZZ am Sonntag' beschrieben ist. Wird dort von einem Nachsteuerverfahren gesprochen, so handelte es sich in Tat und Wahrheit um ein weit umfassenderes und vielschichtigeres Verfahren bzw. um mehrere Verfahren. Zudem betraf der Fall «Ronaldini» mehrere Amtsstellen.
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Was zutrifft, ist, dass Herr «Ronaldini» im Herbst 2003 eine Strafanzeige gegen den Finanzdirektor, den Steuerverwalter und einen weiteren Mitarbeiter der Steuerverwaltung eingereicht hat. Strafanzeigen können bekanntlich auch ohne stichhaltige Begründung eingereicht werden. Ob dies dem Ruf und Ansehen der Steuerverwaltung - begründet - schaden wird, hängt vom Ausgang dieses Verfahrens ab. Der Regierungsrat greift dem Urteil der Justiz nicht vor.
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Richtig ist - wie bereits erwähnt - ebenfalls, dass die Steuerverwaltung formelle Fehler, d. h. Verfahrensfehler, begangen hat und zweimal vor Steuergericht unterlag. Über die inhaltliche Richtigkeit der von der Steuerverwaltung geltend gemachten Forderungen hat das Steuergericht nie entschieden.
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Falsch sind im dargestellten Sachverhalt folgende Punkte:
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- Der einbezahlte Betrag von Herrn «Ronaldini» betrug deutlich weniger als 53'000 Franken.
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- Die Wohnung von Herrn «Ronaldini» wurde nie durch die Steuerverwaltung gepfändet. Diese hat mit anderen juristischen Mitteln (Arrest und Sicherstellungsverfügung) versucht, die bei ihr vorhandenen Guthaben zurückzubehalten, bis die inhaltlichen steuerrechtlichen Fragen gerichtlich entschieden sind.
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- Das Steuergericht hat in keinem Urteil verlangt, gegen die Ex-Frau von Herrn «Ronaldini» ein neues Verfahren einzuleiten.
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- Die bereits aufgelaufenen, geschätzten Kosten von 100'000 Franken, wie sie die 'NZZ am Sonntag' aufgeführt hat, sind viel zu hoch.
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Die Steuerverwaltung hat immer im Rahmen der gegebenen juristischen Möglichkeiten gehandelt. So wurden die Steuerguthaben nicht einfach willkürlich nicht ausbezahlt, sondern es wurde unter Anwendung von im Gesetz vorgesehenen Verfahren (Arrest und Sicherstellungsverfügung) versucht, die Guthaben solange zurückzubehalten, bis materiell über die Angelegenheit «Ronaldini» vor einem Gericht entschieden worden ist. Gegen diese Verfahren bestanden Rechtsmittel, die von Herrn «Ronaldini» auch ergriffen wurden. Sobald feststand, dass die Steuerverwaltung auf diese Weise die Guthaben nicht sperren konnte, wurden diese gemäss Anweisung von Herrn «Ronaldini» ausbezahlt. Die Aussage in der 'NZZ am Sonntag', die Steuerverwaltung hätte die Auszahlungen nur unter Druck des Anwalts vorgenommen, ist falsch.
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Die Rückzahlungen erfolgten alle mit der im Steuergesetz vorgesehenen Verzinsung. Die Feststellung der 'NZZ am Sonntag', die Frage der aufgelaufenen Zinsen sei noch offen, ist nicht korrekt. Strittig ist die Höhe des Vergütungszinses - diese Frage wird im Rahmen der Verantwortlichkeitsklage zu entscheiden sein, welche Herr «Ronaldini» gegen den Kanton Basel-Landschaft angestrengt hat.
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Festzuhalten ist an dieser Stelle auch, dass die vom Steuergericht erstmals für nichtig erklärte Verfügung im Oktober 2000 ergangen ist. Der Vorsteher der kantonalen Steuerverwaltung hat sein Amt im Dezember 2001 angetreten. Die ursprünglichen Verfahrensfehler sind somit nicht in seiner Amtszeit gemacht worden. Die Thematik der Rückvergütung fällt selbstverständlich in seinen Verantwortungsbereich.
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2. Mit welcher Begründung weigerte sich die Steuerverwaltung, den - einstimmig - vom Steuergericht gefassten Entscheid zu respektieren?
Antwort des Regierungsrats:
Die Steuerverwaltung hat sich - wie schon erwähnt - in keiner Weise um das Steuergerichtsurteil foutiert. Wie bereits zu Frage 1 festgehalten, hat das Steuergericht im Juni 2004 nur zu Verfahrensfragen Stellung genommen und ist auf die materiellen Steuerfragen nicht eingegangen. Die Verfahrensfehler wurden seitens der Steuerverwaltung anerkannt, weshalb auch auf einen Weiterzug an das Kantonsgericht verzichtet wurde. Hingegen ging die Steuerverwaltung davon aus, dass ihre Forderungen zu Recht bestehen und aufgrund der Umstände und des Verhaltens von Herrn «Ronaldini» eine Rückzahlung der Guthaben nicht angezeigt schien. Eine Wiedereinzahlung bei einem Erfolg der Steuerverwaltung vor Steuergericht schien aufgrund verschiedener Indizien gefährdet. Die Steuerverwaltung hat deshalb neben der Einleitung eines neuen Verfahrens die gegebenen juristischen Mittel in Form des Arrests und der Sicherstellungsverfügung eingesetzt, um den aus ihrer Sicht bestehenden Anspruch sicherzustellen.
Insbesondere der Weg des Arrests ist anspruchsvoll und erfordert eine fundierte Begründung. Unter diesem Licht ist das in der 'NZZ am Sonntag' (nur auszugsweise und ohne Gesamtzusammenhang) zitierte E-Mail zu sehen.
3. Die Steuerverwaltung hätte die Möglichkeit gehabt, den Entscheid des Steuergerichtes an das Kantonsgericht weiter zu ziehen. Weshalb wurde dies unterlassen? Sind nach dem vorangegangenen klaren Gerichtsentscheid die Chancen als zu gering eingestuft worden?
Antwort des Regierungsrats:
Die Verfahrensfehler wurden und werden anerkannt, weshalb auch auf einen Weiterzug an das Kantonsgericht verzichtet wurde. Da es sich aber um Formfehler gehandelt hat und das Steuergericht den Inhalt des Falles gar nicht beurteilt hat, wollte die Steuerverwaltung den Formfehler in einem zweiten Verfahren heilen (vgl. auch Antwort zu Frage 2).
4. Weshalb hat die Steuerverwaltung kein Nachsteuerverfahren gegen die ex-Frau des klagenden Steuerpflichtigen eingeleitet?
Antwort des Regierungsrats:
Die Ex-Frau von Herrn «Ronaldini» wurde in das erste Verfahren ebenfalls einbezogen. Auch in diesem Fall entschied das Steuergericht infolge der gleichen Verfahrensfehler auf Nichtigkeit. Das Steuergericht beauftragte die Steuerverwaltung aber nie, ein neues Verfahren gegen die Ex-Frau einzuleiten. Von der selbständigen Eröffnung eines neuen Verfahrens hat die Steuerverwaltung wegen nicht erfolgsversprechender Beweislage abgesehen.
5. Seitens des Steuerverwalters wird das eingeschlagene Vorgehen als richtig beurteilt und gemäss einem E-Mail, das der NZZ am Sonntag vorliegen soll, wurde eine Gegenstrategie aufgegleist. Auf welche rechtliche Basis stützte sich diese „Gegenstrategie", die in eine neue Nachsteuerverfügung einmündete?
Antwort des Regierungsrats:
Welche Einschätzungen und Überlegungen die Steuerverwaltung vorgenommen hat, ist oben bei der Frage 2 dargestellt. Aus der damaligen Sicht ist das eingeschlagene Vorgehen als richtig, wenn auch mit Prozessrisiken (wie Beweisführung) behaftet, beurteilt worden.
In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass eine Steuerverwaltung, deren Hauptziel es wäre, auf gar keinen Fall in einem gerichtlichen Verfahren zu unterliegen, ihre Aufgabe ungenügend wahrnähme. Sie würde sich damit nämlich so verhalten, wie wenn Gleichbehandlung der Steuerzahlenden und Steuergerechtigkeit nicht prioritär wäre.
6. Weshalb hat sich der zuständige Regierungsrat - offenbar in Kenntnis der Gerichtsentscheide - hinter die Steuerverwaltung gestellt?
Antwort des Regierungsrats:
Der Finanzdirektor war über den Fall «Ronaldini» grundsätzlich orientiert und kannte auch die in der Antwort zu Frage 2 geschilderten Überlegungen, die zum beschriebenen Vorgehen der Steuerverwaltung führten. Er erachtete das Vorgehen als vertretbar, wenn auch mit gewissen Prozessrisiken behaftet. Gleichzeitig ordnete er Massnahmen im Bereich 'Nach- und Strafsteuern' an, welche das Risiko erheblich mindern, dass sich derartige Formfehler in Zukunft wiederholen.
7. Welche Kosten sind für den Kanton aus diesem Verfahren bisher entstanden? Mit welchen weiteren Kosten ist noch zu rechnen?
Antwort des Regierungsrats:
Die direkten Kosten aus den Steuerverfahren (Gerichtsgebühren und Prozesskosten) gegen Herrn «Ronaldini» und seine Ex-Frau betragen knapp 30'000 Franken. Offen ist noch der Kostenentscheid des Bundesgerichts; die diesbezüglichen Kosten werden sich aber um 1'000 Franken bewegen. Weitere Kosten entstehen aus den Steuerverfahren keine mehr.
Herr «Ronaldini» macht in einer Verantwortlichkeitsklage gegen den Kanton weitere Kosten geltend. Über den Ausgang dieses Verfahrens kann zum heutigen Zeitpunkt keine Prognose gestellt werden. Entsprechend kann auch zu den erwarteten Kosten keine Aussage gemacht werden.
8. Offenbar hat dieser Fall auch Spuren bei Treuhändern und Steuerberatern hinterlassen („internationale Kunden werden im Stadtkanton platziert"). Teilt der Regierungsrat die Auffassung, dass mit dieser Haltung des Steuerverwalters das Gegenteil dessen erreicht wird, was der Kanton mit seiner Standortpolitik eigentlich anstrebt, nämlich ein in jeder Hinsicht attraktiver Kanton zu sein?
Antwort des Regierungsrats:
Würden «viele in Baselland tätige Steuerexperten» (Zitat in der 'NZZ am Sonntag') die Arbeit des Vorstehers der Steuerverwaltung anzweifeln, müsste dies im Mindesten zu einigen persönlichen Beschwerden geführt haben, die gegenüber dem Finanzdirektor geäussert worden wären. Dies ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil, bei Kontakten mit Wirtschaftsvertretern wird der Umgang mit der Steuerverwaltung als positiv und wirtschaftsfreundlich beschrieben.
Die Steuerverwaltung und ihr Vorsteher haben aber auch die Aufgabe, das Steuergesetz richtig anzuwenden und dem Gemeinwesen die erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen. Hier liegt ein Spannungsfeld zwischen Steuerverwaltung und Steuerpflichtigen resp. ihren Beraterinnen und Beratern. Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht alle Entscheide und Weisungen der Steuerverwaltung (z. B. Fristenpraxis zur Einreichung der Steuererklärung, neue Fristerstreckungsgebühren ab 2006) seitens der Beraterinnen und Berater mit Wohlwollen aufgenommen werden. Ebenso wenig können immer alle Ansinnen und Gesuche der Kundschaft und ihrer Beraterinnen und Berater gutgeheissen werden, da sich die Entscheide der Steuerverwaltung im Rahmen des Gesetzes bewegen müssen. Das dabei bestehende pflichtgemässe Ermessen wird aber gemäss langjähriger Praxis der Steuerverwaltung zugunsten der Kundinnen und Kunden angewendet.
Es ist und bleibt die Absicht der Regierung und der Steuerverwaltung, den Kanton Basel-Landschaft als attraktiven Standortkanton zu erhalten und ihn steuerlich noch attraktiver zu ge-stalten. In diesem Zusammenhang kann erwähnt werden, dass die Steuerverwaltung - unabhängig vom Artikel der 'NZZ am Sonntag' - in ihren Zielsetzungen für das Jahr 2006 einen Erfahrungsaustausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Beratungsbranche aufgenommen hat, um die Anliegen dieser Branche entgegen nehmen und gegebenenfalls Massnahmen einleiten zu können.
9. Wie stellt sich der Regierungsrat zum Vorwurf, innerhalb der Steuerverwaltung gehe es frostig zu?
Antwort des Regierungsrats:
Aus der Darstellung in der 'NZZ am Sonntag', dass eine Person seit über einem Jahr krank geschrieben ist und eine vor Jahren die Steuerverwaltung verlassen hat, kann bei einem Personalbestand von rund 170 Mitarbeitenden wohl kaum auf eine frostige Stimmung geschlossen werden.
Es ist dem Regierungsrat durchaus bekannt, dass die Mitarbeitenden der Steuerverwaltung mit den anspruchsvollen Produktionsvorgaben, dem Projekt CENSUS und mit der Umsetzung der Neuorganisation der Steuerverwaltung stark gefordert sind. Es entstand bisher aber nicht der Eindruck, dass deshalb eine schlechte und frostige Stimmung herrschen würde. Ebenso wenig wird die Aussage in der 'NZZ am Sonntag' durch die Fluktuationsrate bei der Steuerverwaltung bestätigt. Diese ist nämlich in keiner Weise auffallend hoch, sondern bewegt sich im Rahmen des Üblichen.
Liestal, 12. Januar 2006
IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der Landschreiber: Mundschin
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