2005-281
Parlamentarischer Vorstoss |
Titel:
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Postulat von Thomas de Courten: Für eine Aktivierung der Wirtschaftspolitik des Kantons Baselland
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Autor/in:
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Thomas de Courten, SVP; rolf richterich, FDP; Peter Zwick, CVP
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Eingereicht am:
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27. Oktober 2005
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Nr.:
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2005-281
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Seit Beginn der laufenden Legislatur häufen sich die wirtschaftspolitischen Negativ-Schlagzeilen im Kanton Baselland. Diese Entwicklung bereitet Exponenten der Politik wie auch der Wirtschaft zunehmend Sorge.
Der vorliegende Vorstoss soll Anstoss für eine aktivere, von Politik und Wirtschaft gemeinsam getragene wirtschafts- und standortpolitische Offensive im Kanton Baselland sein. Wir sehen dies als departementsübergreifende Querschnittsaufgabe und wollen dem Gesamtregierungsrat in allen diesbezüglichen Fragen den Rücken stärken. Wir erwarten, dass der Gesamtregierungsrat seine Führungsrolle mit dieser parteiübergreifenden Unterstützung verstärkt wahrnimmt.
Als exemplarische Beispiele, nicht aber als abschliessende Liste, zum Beleg der eingangs erwähnten, volkswirtschaftlich relevanten Negativmeldungen seien genannt:
Mehrfach musste die Abwanderung bedeutender Arbeitgeber aus dem Kanton (Institut Straumann AG, Synthes-Stratec AG) zur Kenntnis bzw. mehr oder wenig Achselzuckend hingenommen werden, ohne dass konkrete politische und/oder mit der Wirtschaft koordinierte Massnahmen ergriffen worden wären - weder wurden die Gründe dieser Wegzüge ausreichend analysiert, noch wurden prospektive Szenarien entwickelt, wie einem solchen Arbeitsplatz- und Steuersubstrat-Verlust in Zukunft begegnet werden kann.
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Leider muss deshalb davon ausgegangen werden, dass sich ähnliche Fälle im Baselbiet jederzeit wiederholen könnten. Dass dies meist gleichermassen unerwartet und überraschend geschah bzw. geschehen wird, ist angesichts einer eher passiven Standortpflege der kantonalen Behörden wenig erstaunlich.
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Eine Nachnutzung des brachliegender Industrie- und Büroareale in Waldenburg und Oberdorf ist trotz lange angekündigtem Wegzugstermin und trotz entsprechender Ankündigung, die kantonale Wirtschaftsförderung zu involvieren, bisher kaum oder nur teilweise gefunden worden. Ob seitens der bikantonalen Wirtschaftsförderung beider Basel überhaupt diesbezügliche Anstrengungen unternommen wurden, ist bis auf einen kantonalen Beitrag zur Gründung einer regionalen Wirtschaftsförderung der Gemeinden nicht bekannt. (Siehe u.a. auch Beantwortung der Interpellationen 2001/265 ; 2001/273 , 2001/274 wie auch 2001/275 ).
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Nachdem dem Schliessungsentscheid von Bombardier in Pratteln stellt eine vom Regierungsrat nur halbherzig und auf ausdrücklichen Druck des Landrates hin eingesetzte TaskForce nach knapp einjähriger Arbeit ernüchtert fest, dass sich keine der geprüften betrieblichen Nachfolgregelungen als umsetzbar erwiesen habe. Als Resultat der personalintensiven und hochkarätig besetzten Arbeiten blieb eine wirkungslose Aufforderung an Regierung und Verwaltung, das (Zitat) «Thema Bombardier nicht einfach „abzuhaken", sondern am Ball zu bleiben und auch künftig alle sich bietenden Möglichkeiten nutzen, um zu einer guten Nachfolgenutzung des Industrieareals beizutragen und günstige Voraussetzungen für eine Neuansiedlung von interessanten Arbeitsplätzen mit einer nachhaltigen Wertschöpfung zu schaffen.» (Zitatende). Gefordert waren u.a. die aktiv Vermarktung des Industrieareals durch geeignete Massnahmen der Wirtschaftsförderung, die rasche Verbesserung der ungenügenden Verkehrsinfrastrukturen im Raum Kunimatt-Kreuzung und Autobahnanschluss Pratteln. (Siehe auch Schlussbericht der Task Force und Medieninformation der VSD vom 3. Februar 2005.) Keine der genannten Massnahmen ist seither ernsthaft, entschlossen angepackt oder gar schon umgesetzt worden.
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Nach kurzer Euphorie trat rasch auch wieder Ernüchterung ein, als die Manor-Gruppe überraschend ankündigte, in Pratteln-West, auf ebendiesem brachliegenden ehemaligen Bombardier-Areal ein Grossprojekt mit über 22'000 Quadratmetern Nutzfläche, 500 zusätzlichen Arbeitsplätzen und einem Investitionsvolumen von über 80 Millionen Franken errichten zu wollen. Der Regierungsrat äussert sich anfänglich begeistert, geht aber auf die Aufforderung der Standortgemeinden nach Unterstützung bei der Realisierung eines neuen Autobahnanschlusses zur Lösung der absehbaren Verkehrsproblematik nicht näher ein. Nach der folglich negativen Projektbeurteilung der Standortgemeinden erfolgt seitens der kantonalen Wirtschaftsförderungsstellen weder eine Stellungnahme, noch eine entschlossene Intervention zur Rettung der angekündigten Investitionen, weder aus der Volkswirtschaftsdirektion, noch aus der Finanzdirektion, noch aus der Bau- und Umweltschutzdirektion. (Belegbar durch entsprechende Medienberichterstattung)
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Eine nochmalige Steigerung dieser Negativserie brachten die VCS-Beschwerden gegen das IKEA-Investitionsprojekt zur Nutzung einer bedeutenden Baubrache im Gewerbegebiet Pratteln-Mitte. Bereits sind wieder über 525 Arbeitsplätze und mehr als 48 Millionen Franken Investitionen in den Standort Baselland gefährdet, trotz ausdrücklicher Zustimmung der Standortgemeinde und des Kantons, trotz mit privaten Investitionsmitteln optimierter Verkehrserschliessung (insbesondere auch mit dem öV), trotz verbesserter raumplanerischer Erschliessung und Siedlungsentwicklung, trotz Altlastensanierung und ökologischer Areal-Aufwertung, etc.
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Der Regierungsrat zeigt sich in seiner Beantwortung der diesbezüglichen Interpellation 2005/ 239 zwar besorgt über die aktuelle Entwicklung der VCS-Beschwerdepraxis im Kanton Baselland. Konkrete Massnahmen zur Sicherung des Kantons Basel-Landschaft als moderner, gesunder, vielseitiger, lebendiger und attraktiver Kanton mit einer hohen Standortgunst bleiben aber aus. Zwar wird eine Revision des Wirtschaftsförderungsgesetzes angekündigt. Mit welchen Zielen und konkreten Massnahmen sich diese Revision befasst, die übrigens seit 2001 (1) per Motion gefordert wird, bleibt unklar und nicht genannt. (siehe Interpellation 2005/239 )
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Einen weiteren, noch aktuelleren Anlass für den vorliegenden Vorstoss liegt darin begründet, dass seitens von Verwaltung und Behörden bis heute in keiner Weise der am 5. Juni 2005 mit einem absoluten Rekordergebnis (über 82%) angenommen KMU-Entlastungsinitiative bzw. KMU-Förderungs-Initiative entsprochen wird. Konkret wird im vorliegenden Fall die Firma Valiant AG, ein alteingesessenes und traditionsreiches Unternehmen, geradezu vom heutigen Standort vertrieben. Der Weiterbestand von rund 300 Arbeitsplätzen im Birsfelder Hafenareal ist durch neuen Auflage einer sachlich kaum begründbaren Änderung des Verkehrsregimes im Hafenareal mindestens stark gefährdet. Die zuständige Gemeindebehörde ist sich zwar bewusst, dass der Unternehmung durch die Neuregulierungen Umtriebe, zusätzliche Kosten und andere Mehrbelastungen entstehen. Sie lässt es aber mit der lapidaren Feststellung des Befundes bewenden; all dies sei für das Unternehmen schliesslich zumutbar. (Beschwerde hängig)
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Die Wirtschaftsförderung beider Basel richtet ihre Aufgaben und Tätigkeiten zwischenzeitlich immer stärker, ja beinahe ausschliesslich, auf die internationale Standortpromotion Basels als Pharma- und Life Sience-Standort aus. Diese konzentrierte, marketingtechnisch wohl begründbare, aber auch einseitige Fokussierung auf den stärksten regionalen Wirtschaftszweig, die durch die Neuanstellung des basel-städtischen SP-Grossrates Dr. Hans-Peter Wessels erst kürzlich noch einmal dezidiert betont wurde, führt leider zwangsläufig auch zu einer Vernachlässigung anderer Wirtschaftszweige am Standort. Eine langfristig überlebensnotwendige Ausgewogenheit der volkswirtschaftlichen Entwicklung der Region wird dadurch ebenso in Frage gestellt, wie die Erhaltung einer vielseitigen, diversifizierteren und dadurch konjunkturunabhängigeren Wirtschaftstruktur im Kanton Baselland.
Die Postulanten sind parteiübergreifenden zur Auffassung gelangt, dass
a)
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der Kanton Baselland es sich aus volkswirtschaftlichen, fiskalischen sozialpolitischen Überlegungen nicht leisten kann, laufend bedeutende Arbeitgeber zu verlieren, zu vergraulen oder auch nur durch Passivität und/oder mangelnde Standortpflege ziehen zu lassen.
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b)
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der Kanton Baselland es sich ebensowenig leisten, regelmässig auf bedeutende wirtschaftliche Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe zu verzichten.
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c)
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nach Verfassung und Gesetz trifft der Kanton Massnahmen zur Förderung einer ausgewogenen wirtschaftlichen Entwicklung und zur Erhaltung einer vielseitigen Wirtschaftsstruktur in seinem Gebiet. Die aktuelle Wirtschaftspolitik des Baselbieter Regierungsrates entspricht diesen gesetzlichen Mindestanforderungen heute nicht mehr.
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d)
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eine wirkungsvolle und aktive Wirtschaftsförderungspolitik nicht zwangsläufig mehr staatliche Mittel erfordert. Vielmehr muss die Wirtschaftsförderung geprägt sein durch ein klares Konzept mit realistischen, messbaren Zielsetzungen, das mit griffigen Massnahmen, vor allem aber mit Entschlossenheit und dauernder Aufmerksamkeit gegenüber den Exponenten der Wirtschaft und Leadership in allen politischen Exekutivämtern und -behörden um- und durchgesetzt wird.
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e)
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der gleichzeitige Ausstieg der kantonalen Dachorganisationen der KMU-Wirtschaft aus der Trägerschaft der Wirtschaftsförderung beider Basel als schrilles Alarmzeichen hinsichtlich der kantonalen Wirtschaftsförderungspolitik gewertet werden muss.
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Der Regierungsrat wird aufgefordert, zu prüfen und zu berichten wie mit einer umfassenden Neukonzeption die kantonale Wirtschaftspolitik aktiviert und schlagkräftiger gestaltet werden kann. Relevant sind dafür insbesondere folgende Aspekte:
- Gesetzliche Grundlagen:
Es ist sicher nicht Aufgabe des Staates, in unternehmerische Entscheidungsprozesse der Wirtschaft einzugreifen, sehr wohl besteht die Aufgabe aber darin, der Wirtschaft günstige Rahmenbedingungen anzubieten und dafür zu sorgen, dass die Standortgunst unserer Wirtschaftsregion insgesamt erhalten und gestärkt wird. Die kantonale Wirtschaftspolitik muss mit diesem Ziel im Sinne von § 121 der Kantonsverfassung konsequent neu ausgerichtet und systematisch umgesetzt werden. Gleiches gilt für die angekündigte Revision des Wirtschaftsförderungsgesetzes.
- Wirtschaftsförderung
Die Resultate der (immer ausschliesslicher) Life Science-orientierten Standortpromotion der Wirtschaftsförderung beider Basel (2) sind bis heute kaum messbar geblieben. Die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der nicht unerheblichen dafür eingesetzten Steuergelder ist zu belegen.
Die heute zu Wirtschaftsförderungszwecken zur Verfügung stehenden Mittel müssen und dürfen angesichts der Haushaltsituation nicht vermehrt werden. Die finanziellen Mittel müssen aber zugunsten der Standortpflege und zugunsten von konkreten Infrastruktur-Investitionsvorhaben vor Ort an neuen Schwerpunkten ausgerichtet werden.
- Abbau administrativer Belastungen und bewilligungstechnischer Hindernisse
Die mit der KMU-Entlastungs- und der KMU-Förderungsinitiative geforderte Deregulierung und der Abbau administrativer Belastungen und bewilligungstechnischer Hindernisse für KMU ist mit hoher Dringlichkeit voranzutreiben. Ebenso ist die vom Regierungsrat angekündigte Unternehmenssteuerform mit Entschlossenheit anzupacken und durchzusetzen.
Schliesslich werden alle Exekutivbehörden aufgerufen zu einer engagierten und wirtschaftsorientierten Standortpolitik. Diese grundsätzliche Einstellung kann nicht gesetzlich gefordert werden. Von den vom Volk gewählten Mandatsträgern muss aber erwartet werden können, dass sie sich mit Engagement und Führungsstärke für unseren Kanton und die Erhaltung seines durch die Wirtschaft erarbeiteten Wohlstandes einsetzt.
Fussnoten
2001/065 Motion der FDP-Fraktion vom 22. März 2001: Wirtschaftsförderungsgesetz den neuen Anforderungen anpassen
2005/191 Interpellation von Remo Franz vom 23. Juni 2005: Wo steht die Wirtschaftsförderung heute?
Die Wirtschaftsförderung wird innerhalb der in der Agglomeration ansässigen Wirtschaftsexponenten kaum wahrgenommen. Eine Umbenennung dieser gemischtwirtschaftliche Institution in "Standortpromotion beider Basel" würde denn auch den Kern der Zielsetzungen und Aktivitäten besser treffen.
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