2005-248


Der Landrat hat mit Beschluss vom 25. November 2004 den zusätzlichen Massnahmen und der Fertigstellung der Umfahrung Sissach mit dem Ziel der Inbetriebnahme 2006 zugestimmt und dafür vier Zusatzkredite von 94.3 Mio. Franken bewilligt. Gleichzeitig hat er im Landratsbeschluss dem Regierungsrat folgende Aufträge erteilt:


Umfang der zu ergreifenden Massnahmen


Dass die Entscheidfindung bezüglich der Ausführung der Massnahmen im Ostteil des Tunnels und die Übernahme der Verantwortung dafür nicht einfach ist, hatte schon die Diskussion in der Bau- und Planungskommission und im Parlament selbst gezeigt. Das Tiefbauamt hatte deshalb die Argumente für und gegen eine sofortige Realisierung aufgelistet. Dabei musste man der sofortigen Realisierung als mögliches Szenario eine nachträgliche Realisierung in einigen Jahren aufgrund zwischenzeitlich aufgetretener Hebungen oder gar Schäden gegenüberstellen. Insgesamt reduzierte sich die Entscheidfindung auf die Frage, ob man bereit ist - in Anbetracht der Finanzlage und der grösseren Investitionsausgaben - das Risiko einzugehen, in einigen Jahren den Tunnel sperren zu müssen und mit den dannzumaligen Staufolgen hohe volkswirtschaftliche Kosten zu verursachen. Die Bau- und Umweltschutzdirektion vertrat, gestützt auf die Expertenmeinung, die Auffassung, dass das Bauwerk nach menschlichem Ermessen auf die übliche Gebrauchstauglichkeit von 25 Jahren auszurichten ist und dass ein Eingehen des Risikos, frühzeitig nachrüsten zu müssen, kostspieliger sein könnte als das sofortige Ergreifen der Massnahmen im Ostteil. Der Regierungsrat kam zum Schluss, dass die knappen Kantonsfinanzen nicht Argument sein dürfen, ein höheres Risiko als üblich bezüglich Gebrauchstauglichkeit des Tunnels als sonst einzugehen und beschloss deshalb, im Ostteil des Chienbergtunnels die vorsorglichen Massnahmen zur Bewältigung allfälliger künftiger Hebungen sofort zu realisieren.




Verantwortlichkeiten Tagbruch und Hebungen


Tagbruch: Wie bereits mit dem Auftrag an Professor K. Kovári zu Beurteilung der Schadensursache für den Tagbruch zwischen Bauherrschaft, Projektverfasser/Bauleitung und Unternehmung vereinbart, sind unter Leitung des Rechtsdienstes der Bau- und Umweltschutzdirektion Verhandlungen mit den Parteien (Ingenieurgemeinschaft und deren Haftpflichtversicherung einerseits, Arbeitsgemeinschaft andererseits) aufgenommen worden. In den ersten beiden Verhandlungsrunden wurden primär die gegenseitigen Standpunkte ausgetauscht. Zur Zeit läuft parallel die Erarbeitung der Ohnehin-Kosten, d.h. der Kosten der Massnahmen, welche hätten aufgewendet werden müssen, um gemäss Aussagen der Expertise den Tagbruch vermeiden zu können. Diese Ohnehin-Kosten werden bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen von der Mehrkostensumme abgezogen.


Das Ziel besteht darin, eine aussergerichtliche Einigung zu erreichen. Ein erster unpräjudizieller Vergleichsvorschlag der Unternehmergemeinschaft liegt vor, ist aber nach Auffassung der Bau- und Umweltschutzdirektion angesichts der Schlussfolgerungen der Expertise Kovári substantiell zu gering. Falls keine Einigung erzielt werden kann, muss der Gerichtsweg bestritten werden.


Im Frühjahr 2005 ist die im Auftrag des Statthalteramts Sissach durch die ETH Lausanne verfasste Expertise veröffentlicht worden. Diese kommt im Wesentlichen ebenfalls zum Schluss, dass der Tagbruch hätte vermieden werden können, ist jedoch bei der Beurteilung der Frage, ob Regeln der Baukunde verletzt wurden, zurückhaltend, hält aber klar fest, dass es in jedem Fall unmöglich erscheint, eine vorsätzliche oder fahrlässige schwere Verletzung der Regeln der Baukunde nachzuweisen. Vom Statthalteramt sind bisher offenbar keine weiteren Schritte eingeleitet worden, der Kanton hat sich vorsorglich als Zivilkläger im Strafverfahren konstituiert.


Hebungen: Zur Frage der Verantwortlichkeiten in Zusammenhang mit den Hebungen ist vom Tiefbauamt bei Professor G. Anagnostou, ETH Zürich, ein umfassendes Gutachten, beginnend bei der Planung der Umfahrung Sissach, in Auftrag gegeben worden. Die Ergebnisse sollen im vierten Quartal 2005 vorliegen.




Finanzielle Situation


Der Landrat hat mit den Krediten von 870'000 Franken für das Generelle Projekt (1987), 179 Mio. Franken für das Bauprojekt (1991) und dem Zusatzkredit von 94.3 Mio. Franken (2004) insgesamt 274.17 Mio. Franken zuzüglich Lohn- und Materialpreisänderungen (=Teuerung) bewilligt. Mit der bisher aufgelaufenen und abgeschätzten Teuerung bis zum Bauende kommt man auf bewilligte Kredite von 330.4 Mio. Franken.


In der Endkostenprognose per 30. Juni 2005 rechnet man mit 325.6 Mio. Franken, d.h. Minderkosten von 4.8 Mio. Franken. Bis heute ist man Verpflichtungen (Aufträge, Verträge, Rechnungen) von 291.4 Mio. Franken eingegangen. Bis zum 30. Juni 2005 sind Zahlungen von 254.5 Mio. Franken geleistet worden. An Bundesbeiträgen sind bisher 119.8 Mio. Franken eingegangen, so dass für den Kanton eine bisherige Nettobelastung von 134.7 Mio. Franken resultiert.


In der Endkostenprognose sind die ausstehenden gegenseitigen Forderungen aus dem bisherigen Werkvertrag mit der Arbeitsgemeinschaft Batigroup / Frutiger in realistisch abschätzbarer Höhe berücksichtigt, Vergütungen, welche aus den Verhandlungen betreffend Schadensregelung Tagbruch und allfälligen anderen Haftungsansprüchen erwartet werden können, hingegen nicht.




Bundesbeiträge


Grundsätzlich sind die Arbeiten an der H2 Umfahrung Sissach im Rahmen des subventionierten Hauptstrassennetzes beitragsberechtigt mit aktuellem Beitragsatz für den Kanton BL von 62 %. Bis zum Zeitpunkt der Bewilligung des Zusatzkredits durch den Landrat hatte der Bund 127'136'000 Franken zugesprochen an beitragsberechtigte Kosten von 202.8 Mio. Franken (64.8 % an eine erste Tranche von 50 Mio., 62 % in der Folge).


Mit einer Verfügung vom 29. Juni 2005 hat das Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) entsprechend einem Schreiben des Bundesamts für Strassen (ASTRA) vom 29. März 2005 ungeachtet der Einwände des Kantons eine Erhöhung der beitragsberechtigten Kosten auf 227.6 Mio. Franken beschränkt, mit Ausklammerung der Indexteuerung zwischen 1989 (Kostenvoranschlag gemäss Kredit des Parlaments) und 1996 (Beitragsgesuch des Kantons an den Bund). Gleichzeitig wurde eine spätere Behandlung der Beiträge an die Kosten für den Tagbruch und für die Massnahmen zur Bewältigung der Hebungen in Aussicht gestellt. Der Regierungsrat hat nach Abwägen der Chancen und allfälliger Konsequenzen beschlossen, Beschwerde gegen die Verfügung vom 29. Juni 2005 wegen der Nichtsubventionierung der Teuerung zwischen 1989 und 1996 (Streitwert ca. 16 Mio. Franken) zu führen.


Der Regierungsrat vertritt die Auffassung, dass an die subventionsberechtigten Kosten vollumfänglich Bundesbeiträge zum geltenden Satz von 62 % ausgerichtet werden müssen. Aufgrund der aktuellen Endkostenprognose sind dies - nach Abzug der Kosten für die flankierenden Massnahmen, der vorläufig ausgeklammerten Aufwendungen für die Bewältigung des Tagbruchs und der Hebungen - rund 245 Mio. Franken (entsprechend Bundesbeiträgen von rund 152 Mio. Franken), welche subventionsberechtigt sind. Für die später zu behandelnden Beiträge an die Massnahmen zur Bewältigung des Tagbruchs und der Hebungen werden die schliesslich dem Kanton verbleibenden Kosten massgebend sein.




Beobachtung der Hebungen und Schäden


Mit umfangreichen Messungen wird die Entwicklung der beobachteten Hebungen und deren Auswirkungen intensiv verfolgt. Die Messungen im Tunnel zeigen weiterhin etwa gleichbleibende Hebungsraten von etwa 1 mm pro Monat in der Hebungszone 1 und 1.5 bis 2 mm in der Hebungszone 2 im Westteil des Tunnels, während im Ostteil bis zur Inangriffnahme der Massnahmen keine Hebungen festgestellt wurden Zudem wurde keine Ausweitung der Hebungsbereiche festgestellt. Die Rissbilder sind gleichbleibend oder leicht zunehmend. Im Bereich der bereits ausgeführten Massnahmen sind die Hebungen zum Stillstand gekommen.


Die Hebungen an der Oberfläche bei den Liegenschaften im Gebiet Wilimatt haben nachgelassen und betragen bis jetzt im Maximum etwa 4 cm. Bei an Gebäuden angebrachten Klinometern wurden bei den ersten Messungen geringe Verkippungen festgestellt. Dieser Trend muss sich bei Folgemessungen noch bestätigen. Ein beauftragter Schadenexperte hat bestätigt, dass bezüglich Gebrauchstauglichkeit oder Tragfähigkeit der Wohnhäuser keine Bedenken bestehen.




Stand der Arbeiten


Die Arbeiten der ursprünglich mit der Erstellung des Chienbergtunnels beauftragten Arbeitsgemeinschaft Batigroup AG / Frutiger AG konnten Ende 2004 abgeschlossen werden. Der im Rohbau vollendete Tunnel mit Ausnahme der für die Massnahmen zu Bewältigung der Hebungen ausgesparten Abschnitte konnte am 12. Januar 2005 ohne wesentliche Mängel abgenommen werden. Dementsprechend hat diese Arbeitsgemeinschaft im Frühjahr die Baustelle geräumt und den Installationsplatz den Nachfolgern übergeben. Ueber die Werklohnabrechnung und die damit verbundenen Streitpunkte unter den Parteien laufen Verhandlungen.


Die mit der Ausführung der Massnahmen zur Bewältigung der Hebungen beauftragte Arbeitsgemeinschaft Albin Borer AG / Porr Tunnelbau GmbH hat am 14. Februar 2005 mit ihren Arbeiten begonnen. Der Baubeginn wurde verzögert durch eine Beschwerde (einer bei der Vergabe nicht berücksichtigten Arbeitsgemeinschaft) ans Kantonsgericht, welche aber nach der Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung zurückgezogen wurde. Die Tatsache einer Verzögerung machte es aufgrund der Schadensbilder in einer der Hebungszonen im Westteil notwendig, dort mit den Arbeiten zu beginnen. Da aber die Fertigstellung der Arbeiten im Ostteil des Tunnels für die Termine der nachfolgenden Ausrüstungsarbeiten und insbesondere für die Zugänglichkeit der Zentrale in Tunnelmitte massgebend ist, musste mit den Arbeiten dort im Frühjahr - mit entsprechendem Mehraufwand - parallel zu den laufenden Arbeiten im Westen begonnen werden.


Für die Tunnelausrüstung sind diverse Vorbereitungsmassnahmen und Beschaffungen im Gange. Die Planung der Ausführung ist zwecks optimierter und verkürzter Montage- und Inbetriebnahmezeiten intensiviert worden.


Wegen der erwähnten Verzögerungen zum Baubeginn und den notwendigen Umstellungen mussten die Bauprogramme überarbeitet werden. Zudem stellt man heute einen wesentlichen Rückstand der Bauarbeiten aufgrund von Schwierigkeiten in den Bauabläufen feststellen. Dank einer Forcierung der bevorstehenden Arbeiten und Optimierung der Abläufe bei den Ausrüstungsarbeiten ist das Ziel nach wie vor, die Umfahrung Sissach vor Ende 2006 endlich in Betrieb nehmen zu können. Allerdings sind dabei bereits die zeitlichen Reserven weitgehend ausgeschöpft und es bedarf der andauernden Anstrengung aller Beteiligten, um dieses Ziel zu verwirklichen.


Liestal,. 20. September 2005


Im Namen des Regierungsrates
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der Landschreiber: Mundschin



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