2005-239 (1)


An der Landratssitzung vom 8. September 2005 reichte Thomas de Courten, SVP-Fraktion, eine Interpellation zum Thema "Stopp der Verhinderungspolitik des VCS im Baselbiet" ein. Der Vorstoss hat folgenden Wortlaut:

«Unser Land hat seit einiger Zeit ein ernsthaftes Wachstumsproblem. Dieser leidige Umstand lässt sich nicht nur auf die Globalisierung und andere nationale und internationale Problemfelder zurückführen. Vielmehr sind dafür auch verschiedene hausgemachte Ursachen verantwortlich. Dazu gehört unter anderem unser auf eidgenössischer Ebene grosszügig ausgebautes Verbandsbeschwerderecht. Dieses unselige Rechtsmittel erlaubt es Organisationen wie dem VCS, Grossprojekte zu torpedieren oder gänzlich zu verhindern. Aktuelles und für den Kanton Baselland akutestes Beispiel sind die Beschwerden des VCS gegen die Neubauprojekte von Ikea und Media Markt in Pratteln.

Neben den eigenen Funktionärsstellen und der Arbeitsbeschaffung für Juristen hat der VCS meines Wissens noch keine Arbeitsplätze und schon gar keine nachhaltige Wertschöpfung geschaffen. Im Gegenteil: Der nicht zu Unrecht auch schon als "Verhinderungs Club Schweiz" titulierte Umweltverband, der aktuell eine zunehmend ideologisierte und wirtschaftsfeindliche Verhinderungspolitik praktiziert, beginnt nun auch im Kanton Baselland mit seinen Einsprachen die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen massiv zu gefährden und zum Teil konkret zu verhindern. Die sektiererisch zu nennenden Interventionen der selbsternannten Anwälte der Umweltschutzgesetzgebung sind realitätsfremd und widersprechen der Rechtsauffassung namhafter juristischer Fachleute. Gegen den Willen der Standortgemeinde werden Investitionen nicht nur verhindert, sondern Unternehmen und Investoren geradezu vertrieben. Dem Kanton als Wirtschaftsstandort wird massiver Schaden zugefügt.

Diese Entwicklung gibt zu berechtigter Sorge Anlass. Es stellen sich in diesbezüglich folgende Fragen:

Ich bitte höflich um schriftliche Beantwortung.»


Antwort des Regierungsrates zu den einzelnen Fragen

1. Teilt der Regierungsrat die Auffassung, dass die aktuelle Beschwerdepraxis des VCS namhafte Investitionen und damit auch Arbeitsplätze am Wirtschaftsstandort Baselland gefährdet oder gar verhindert?

Auch der Regierungsrat ist besorgt über diese Entwicklung. Die gegenwärtige Auseinandersetzung zwischen dem VCS und der IKEA in Pratteln und die dadurch ausgelöste landesweite Publizität des Falles wirft kein gutes Licht auf die Standortgunst unseres Kantons. Eine gewisse Verunsicherung möglicher Investoren kann nicht ausgeschlossen werden. Wie weit sich das auch auf das Investitionsverhalten auswirkt, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht abzuschätzen.

Die durch langwierige Auseinandersetzungen ausgelösten Bauverzögerungen oder sogar Vereitelungen von grösseren Investitionsvorhaben führen zweifelsohne zu volkswirtschaftlichen Schäden, die angesichts der gegenwärtigen konjunkturellen Situation noch schwerer wiegen. Wichtige Nachfrageimpulse zur Belebung der Binnenwirtschaft und zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen werden geschwächt oder bleiben ganz aus.

Immerhin ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass der Kanton Basel-Landschaft bisher aufgrund einer äusserst kunden- und mitwirkungsfreundlichen Verfahrenspraxis bei UVP-pflichtigen Projekten eine im Vergleich zu der relativ grossen Menge abgewickelter Fälle äusserst geringe Anzahl Verbandsbeschwerden zu verzeichnen hatte. Dem Regierungsrat ist allerdings nicht bekannt, in wie vielen Fällen und auf welche Weise sich Investoren und Umweltverbände ausserhalb und im Vorfeld förmlicher Einspracheverfahren geeinigt haben.

Der nun zu konstatierende rapide Anstieg der Zahl von Verbandsbeschwerden landesweit, insbesondere aber auch der für unsere Region neue, harte Ton und Umfang solcher Beschwerden (bei IKEA umfasst die rechtsanwaltlich abgefasste Einsprache des VCS immerhin gegen 50 Seiten) und die sehr weitgehenden Forderungen (nach Auffassung des VCS in der Einsprache IKEA dürfte die Realisierung der Quartierpläne IKEA und Media Markt zu keinem einzigen neuen Parkplatz führen, es müsste gar zu einem Abbau von 60 heute bestehenden Parkplätzen kommen) stellen alle Beteiligten, insbesondere auch die öffentliche Verwaltung vor neue Herausforderungen. Dass solche Positionen einvernehmliche Einigungen in gesetzlich vorgesehenen Verständigungsverfahren schwierig machen und damit zu jahrelangen Rechtsverfahren mit entsprechenden nachteiligen wirtschaftlichen Folgen führen, ist aber offensichtlich.


2. Wenn ja, wie gedenkt der Regierungsrat auf die Gefährdung des Wirtschaftsstandortes zu reagieren?

Der Regierungsrat kann aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen mit den kantonalen UVP-Verfahren und damit zusammenhängende Verbandsbeschwerden keinen systematischen Missbrauch dieser Instrumente und damit eine bewusste Verhinderung volkswirtschaftlich sinnvoller Investitionen feststellen. In diesem Sinne hat er sich auch Anfang dieses Jahres in der Vernehmlassung zum Vorentwurf der ständerätlichen Kommission für Rechtsfragen betreffend die parlamentarische Initiative von Ständerat Hans Hofmann geäussert. Der Regierungsrat befürwortet aber die doppelte Stossrichtung dieser Initiative, einerseits Umweltverträglichkeitsprüfungen nur in den Fällen vorzusehen, in denen es wirklich sinnvoll ist, andererseits missbräuchliches Ausüben des Verbandsbeschwerderechts konsequent zu unterbinden. Damit vertritt er die Überzeugung, dass mit dem Verbandsbeschwerderecht keine Ziele angestrebt werden dürfen, die mit der bestehenden Rechtsordnung nicht im Einklang stehen oder gar als missbräuchliche Benutzung entsprechender Instrumente bezeichnet werden müssen.


3. Welche Massnahmen werden seitens der Wirtschaftsförderung und oder der zuständigen kantonalen Behörden ergriffen, um das Vertrauen von Unternehmen und Investoren in den Wirtschaftsstandort Baselland wieder zu stärken?

Das Verbandsbeschwerderecht in Umwelt- und Raumplanungsangelegenheiten ist in der Bundesverfassung abgestützt, durch Bundesgesetze geregelt und damit ausserhalb des Einflussbereiches der Kantone. Der diesbezügliche Handlungsspielraum des Regierungsrates ist damit aus institutionellen Gründen äusserst klein. Auf kantonaler Ebene kann die Verwaltung praktisch nur durch eine positive Einstellung zu Investitionsvorhaben und durch die Gewährleistung speditiver, korrekter Verfahren einen Beitrag zur Vertrauensbildung leisten.

Trotz allem Missmut und Unbehagen, verursacht durch die aktuelle Auseinandersetzung zwischen IKEA und VCS, ist die Standortqualität des kantonalen Wirtschafts- und Lebensraumes nach wie vor intakt und auch nicht akut gefährdet. Der Kanton Basel-Landschaft ist und bleibt ein moderner, gesunder, vielseitiger, lebendiger und attraktiver Kanton mit einer hohen Standortgunst. Diese zu erhalten und weiter auszubauen ist einer der Schwerpunkte des regierungsrätlichen Legislaturprogramms. Alle standort- und wirtschaftspolitischen Massnahmen des Regierungsrates sind auf die Erreichung dieses Zieles ausgerichtet. Wirtschaftsförderung wird dadurch zu einer typischen Querschnittsaugabe, an deren Wahrnehmung alle Direktionen gleichermassen beteiligt sind.

Zusätzliche Impulse erhofft sich die Regierung durch ein neues Wirtschaftsförderungsgesetz, das im Entwurf vorliegt und demnächst in die Vernehmlassung gehen wird. Mit Instrumenten wie dem Kantonalen Richtplan, bei dem die Auswertung der Vernehmlassung bevorsteht, kann auch der Landrat wesentlich zu positiven Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Kantons beitragen.


4. Beabsichtigt der Regierungsrat allenfalls, aktiv in die Verhandlungen zwischen Investoren und Beschwerdeführerin einzugreifen, um eine vernünftige und allseits tragbare Lösung des Konfliktes zu ermöglichen?

Je komplexer und umstrittener ein Projektvorhaben ist und je weiter die Positionen auseinander liegen, desto kleiner werden die Verhandlungsspielräume. Praktisch unmöglich wird das Auffinden einer konsensfähigen Lösung, wenn es einer oder beiden Parteien um alles oder nichts geht.

Die Erfahrungen aus anderen Kantonen haben gezeigt, dass trotz Vermittlungsversuchen einzelner Regierungsräte weder Einsprachen noch der gerichtliche Verfahrensweg verhindert werden konnten. Aber allein schon aus formal-juristischen Gründen ist der Handlungsspielraum für ein aktives Eingreifen in Verhandlungen zwischen Investor und Umweltorganisation relativ gering. Als Entscheidinstanz in einem gesetzlich geregelten, förmlichen Einspracheverfahren hat der Regierungsrat unabhängig, objektiv und neutral über pendente Einsprachen zu entscheiden. Jede vorgängige Einbindung in Schlichtungsverhandlungen, Vergleichsgespräche oder Mediationsverfahren gefährdet diese Unabhängigkeit. Angesichts der offensichtlich unüberbrückbar grossen Differenzen zwischen IKEA und VCS allein in der Frage der Anzahl Parkplätze anlässlich der Einspracheverhandlung vor dem Gemeinderat Pratteln sieht sich der Regierungsrat ausser Stande, schlichtend, vergleichend oder mediierend einzugreifen.

Im Fall einer nicht erledigten Einsprache sieht der Regierungsrat allenfalls in ganz spezifischen Einzelfällen Anlass einzugreifen, z.B. wenn allein eine Frage der Anbindung eines Projektes an den öffentlichen Verkehr zur Diskussion steht, wo der Kanton über Leistungsaufträge und/oder Probebetriebe effektiv zu Lösungen einen Beitrag leisten könnte. Der Regierungsrat kann aber grundsätzlich nicht zuerst Mediator und - im Fall des Scheiterns seiner Mediationsbemühungen - auch noch Einspracheentscheidinstanz sein.

Liestal, 27. September 2005

Im Namen des Regierungsrates
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der Landschreiber: Mundschin



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