2005-87 (1)


1. Text der Interpellation
Vor ca. 3 Wochen stellte die Avenir Suisse, die "Denkfabrik" der Schweizer Wirtschaft, einen Beitrag zur Diskussion um die Reform des schweizerischen Föderalismus vor. Die Studie "Baustelle Föderalismus" untersuchte, inwiefern der schweizerische Föderalismus zentrale wirtschaftspolitische Anliegen wie Wohlstand, Wachstum- oder gesunde Staatsfinanzen, aber auch gesellschaftliche Ziele wie demokratische Gerechtigkeit oder lokale Autonomie heute noch erfüllen kann. Hat sich seit Bestehen des Bundesstaates die föderalistische Struktur der Schweiz als zentrales Instrument zur Sicherung des inneren Zusammenhalts erwiesen, stellt sich heute v.a. die Frage, ob der Föderalismus der wirtschaftlichen Entwicklung im Weg steht, da diese seit längerem keine Rücksicht mehr auf kantonale Grenzen nimmt.
Obwohl die Studie die ganze Problematik unter dem wirtschaftlichen Aspekt betrachtet, werden darin politisch nicht-machbare Kantonsfusionen nicht gefordert. Demgegenüber schlägt sie unter Beibehaltung der Kantonsstrukturen sechs Grossregionen (Basel, Zürich, Bern, Genf, Lausanne und Tessin) vor, welche als "Zweckregionen" kantonale und kommunale Aufgaben wie Verkehr, Sicherheit, Gesundheit und Bildung übernehmen würden. Damit sollen die heutigen Zusammenarbeitsformen (Konkordate) auf eine demokratischere wie auch handlungsfähigere Grundlage (Regionsparlamente) gestellt werden. Teure Doppelspurigkeiten könnten damit verhindert werden. Zudem entsprechen die administrativen Einheiten nicht mehr den wirtschaftspolitischen Anforderungen. So würden Bahnen, Elektrizitätswerke, Schulen und Spitäler heute zum Teil weit unter der optimalen Betriebsgrösse arbeiten.
Da auch der Kanton Basel-Landschaft von der beschriebenen Problematik betroffen ist, lohnt es sich, wenn sich der Regierungsrat mit der genannten Studie auseinandersetzt und dabei folgende Fragen - wenn möglich schriftlich - beantwortet:

2. Grundsätzliches
Für den Regierungsrat sind Föderalismus-Reformüberlegungen nicht neu. Im Zentrum seiner Überlegungen steht seit Jahren die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwi-schen Bund und Kantonen (NFA). Bei diesem Projekt handelt es sich um die Etablierung eines neuen Finanzausgleichs und um eine eigentliche Revitalisierung des Föderalismus. Die Rolle der Kantone im Verhältnis zum Bund wird aufgewertet, da sie neue Aufgaben, für deren Vollzug sie allein verantwortlich sein werden, erhalten (z.B. Sonderschulung). Dieses Projekt wurde in vorbild-licher Partnerschaft zwischen Bund und Kantonen während zehn Jahren vorbereitet und ist mass-geschneidert für die Schweiz. Der NFA beinhaltet Lösungen für die Aufgabenzuteilung auf Bund und Kantone und deren Finanzierung auf der Basis der heutigen Kantonsterritorien. Dieses Modell überzeugte die Mehrheit in der Abstimmung vom 28.11.2004. Die Bevölkerung des ganzen Landes hat damit nicht nur ein deutliches Bekenntnis zur Zukunft des Föderalismus, sondern auch zu einem bestimmten Födera-lismusmodell in der Schweiz gesetzt. Diese Entscheide sind wegweisend für die weiteren Schritte in unserem Kanton. Der Regierungsrat konzentriert sich daher auf die Vorbereitung der Umsetzung der NFA, welche voraussichtlich 2008 in Kraft treten wird.

3. Beantwortung der Fragen

1. Führte die Studie den Regierungsrat zu neuen Erkenntnissen? Wenn ja, zu welchen?
Antwort des Regierungsrats:
Die Studie ist am 14. Februar 2005 von avenir suisse publiziert und von den Medien umgehend in einer breiten, ausführlichen Berichterstattung der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Die Regierung hat die Vorschläge der Studie zur Kenntnis genommen. Die Argumentationen und die Schlussfolgerungen der Studie werden zurzeit durch die zuständigen Stellen der Kantonsverwaltung analysiert. Die in der Studie dargestellte Reform des Föderalismus in der Schweiz wäre ein Jahrhundertprojekt mit tiefgreifenden Auswirkungen. Auf Grund des kurzen Zeitraumes seit Veröffentlichung der Studie können zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten politischen Schlussfolgerungen gezogen worden, da es unseriös wäre, würden derart weitgehende Vorschläge ohne umfassende Analyse übernommen.

2. Erachtet der Regierungsrat die in der Studie gemachten Überlegungen und Vorschläge als politisch sinnvoll und durchsetzbar? Wenn ja, welche?
Antwort des Regierungsrats:
Wie in der Antwort auf Frage 1 dargelegt, liegen die Analyseergebnisse noch nicht vor, weshalb der Regierungsrat keine konkrete Stellungnahme abgeben kann. Selbstverständlich wird die Regierung ihre Schlüsse aus dieser Studie ziehen und diese in ihre Überlegungen einfliessen lassen.
Der Regierungsrat hat im Bericht zur regionalen Zusammenarbeit seine Ansichten zur bisherigen und künftigen regionalen Zusammenarbeit ausführlich dargelegt. Die im Bericht aufgeführten Vereinbarungen mit anderen Kantonen und die Investitionen in die regionale Infrastruktur geben unserem Kanton ein hervorragendes Zeugnis ab. Der Regierungsrat unterstützt weiterhin mit Nachdruck kantonsübergreifende Projekte und befürwortet Lösungen, soweit für den Kanton eine positive Bilanz gezogen werden kann. Die Regierung setzt sich zudem in verschiedenen regionalen und teilweise überregionalen Interessensgemeinschaften dafür ein, dass die Zusammenarbeit gefestigt und weiterentwickelt wird. Zu beachten ist ebenfalls, dass das Engagement an den Landesgrenzen nicht endet, da unsere Region mit dem südbadischen und elsässischen Raum stark vernetzt ist. Diese wichtigen Auslandsbeziehungen müssen auch bei einer Schweizer Föderalismusreform mit einbezogen werden. Die Studie von avenir suisse trägt diesem Umstand nicht Rechnung, ihr Horizont beschränkt sich auf die Schweiz.
Ein Vorstoss zur Schaffung eines „Kantons Nordwestschweiz" wurde im Landrat - wie auch in den Parlamenten der Kantone Solothurn und Aargau - vor nicht allzu langer Zeit wuchtig verworfen. Aufgrund dieser klaren Willensäusserung ist ein solcher Vorschlag auch heute chancenlos, weshalb die Regierung keine Veranlassung hat, dieses Thema wieder aufzugreifen.

3. Gedenkt der Regierungsrat, die Folgerungen der Studie weiter zu behandeln? Wenn ja, auf welche Weise?
Nachdem die Studie eingehend analysiert ist, werden die unseren Interessen entsprechenden Folgerungen in die Weiterentwicklung der regionalen und überregionalen Zusammenarbeit einfliessen. Insbesondere sollen diese Schlussfolgerungen in den bestehenden Interessensgemeinschaften, wie beispielsweise der Regionalkonferenz der Regierungen der Nordwestschweiz und der Konferenz der Kantone, und in Zusammenarbeit mit dem Bund diskutiert und verfeinert werden.
Zudem prüft der Regierungsrat im Rahmen der Umsetzung der NFA auch die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden hinsichtlich der in der Studie erwähnten Kriterien (sinkende Durchschnittskosten etc.). Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass der Regierungsrat die Prüfung des Aufgabenvollzugs hinsichtlich Effizienz und Effektivität als eine Daueraufgabe erachtet und brauchbare Erkenntnisse aus neuen Studien regelmässig hinsichtlich ihrer Praktikabilität geprüft werden.


Liestal, 7. Juni 2005

IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES
Der Präsident: Ballmer
Der Landschreiber: Mundschin



Back to Top