2005-193


1. Vorgeschichte

Im Jahr 1997 überwies der Landrat die Motion von Claude Janiak betreffend den Erlass eines Gesetzes über das Archivwesen. (Nr. 1996/179, vgl. Anhang). Am 28. Januar 2003 unterbreitete der Regierungsrat dem Landrat den Entwurf für ein Gesetz über die Archivierung. Die Justiz- und Polizeikommission trat auf die Vorlage ein, behandelte den Entwurf in einer ersten Lesung und empfahl dem Plenum in ihrem Bericht vom 30. Juni 2003, den Entwurf zur Überarbeitung an den Regierungsrat zurückzuweisen. Der Landrat folgte der Empfehlung der Justiz- und Polizeikommission in seiner Sitzung vom 4. September 2003 und wies den Entwurf zur Überarbeitung zurück. Als Hauptgründe für die Rückweisung wurden angeführt:




2. Warum braucht es ein Archivierungsgesetz?


Die Diskussionen in den 90er Jahren in Zusammenhang mit der Datenschutzgesetzgebung und mit politischen Affären, wie der Fichen-Affäre, der Organisation "Kinder der Landstrasse" oder der Rolle der Schweiz während des 2. Weltkriegs führten schweizweit zur Erkenntnis, dass die Archivierung einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Dies wurde seither auf Bundesebene (1999) und schrittweise in den Kantonen nachgeholt. Zur Zeit sind in der Schweiz 9 kantonale Archivgesetze in Kraft, verschiedene (mindestens 6) sind in Vorbereitung. Die meisten sind nach 1995 entstanden.


Die Tätigkeit des Staatsarchivs BL basiert auf der Verordnung über die Besorgung und die Benützung des Staatsarchivs vom 21. Februar 1961 1 . Dieser Erlass ist in formeller und inhaltlicher Hinsicht veraltet und trägt weder den veränderten Anforderungen des Umfelds noch der seither erfolgten Professionalisierung des kantonalen Archivwesens Rechnung. Die gesellschaftliche und technologische Entwicklung, insbesondere der Informatik, in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts stellt heute ganz andere Anforderungen an die Archivierung. Nur mit einer soliden und aktualisierten gesetzlichen Grundlage können drohende Überlieferungslücken in Zukunft vermieden werden.


Das Datenschutzgesetz 2 regelt nur die Archivierung respektive Vernichtung von Personendaten. Die Verordnung zum Datenschutzgesetz 3 enthält unter C. Archivierung und Vernichtung einige Bestimmungen über die Archivierung. Damit wurde das kantonale Archivrecht notdürftig an die neuen rechtlichen Anforderungen angepasst. Schon damals ging man aber davon aus, dass die gesamte Archivierung auf Gesetzesstufe umfassend und kohärent geregelt werden sollte. Mit dem vorliegenden Entwurf soll die bestehende Gesetzeslücke aufgefüllt werden.


Mit der Überweisung der Motion von Claude Janiak vom 5. September 1996: Erlass eines Gesetzes über das Archivwesen; Archivgesetz (1996/179) erteilte der Landrat am 20. März 1997 den Auftrag zur Ausarbeitung eines Archivgesetzes. Die Motion Janiak geht von der Konkurrenz der Rechtsgüter aus, welche entsteht, wenn Unterlagen des Staates, auch solche mit datenschutzrelevantem Inhalt, langfristig archiviert werden, um eine spätere Rekonstruktion des staatlichen Handelns zu ermöglichen. Es bestehe Bedarf "das Archivieren als selbständige Aufgabe im öffentlichen Interesse rechtlich einwandfrei und solide zu verankern, eine Aufgabe, die Rechtsansprüche begründet und teilweise konkurrierende Rechtsgüter miteinander in Einklang zu bringen hat. Ein Gesetz erfüllt diesen Anspruch."




3. Der überarbeitete Gesetzesentwurf


3.1 Grundsätzliches


Der vorliegende überarbeitete Gesetzesentwurf entspricht weitgehend der von der Justiz- und Polizeikommission in 1. Lesung verabschiedeten Fassung . Die zusätzlich vorgenommenen Änderungen und Präzisierungen sollen dazu dienen, die Bestimmungen auch für Laien konkreter und verständlicher zu machen.


Das überarbeitete Gesetz verankert lediglich die bereits gelebte Archivpraxis in dem vom Parlament gewünschten soliden und rechtlich einwandfreien Rahmen . Diese Praxis hat sich in den letzten Jahrzehnten aus den Veränderungen der institutionellen und technischen Gegebenheiten entwickelt und bewährt. Das Gesetz lässt dort einen gewissen Auslegungs- und Ermessensspielraum offen, wo die Abwägung zwischen konkurrierenden Rechtsgütern bzw. unterschiedlichen Interessenlagen nötig ist. Dieser Spielraum muss durch die Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen und nach professionellen Grundsätzen ausgefüllt werden. Das Archivierungsgesetz ist in diesem Sinne keineswegs ein perfektionistischer Erlass, der auf jede Einzelfrage eine definitive Antwort gibt; das Gesetz enthält vielmehr eine Reihe von grundsätzlichen Bestimmungen für die Archivierung und verschiedene Regeln, die bei der Beantwortung von Einzelfragen in Betracht zu ziehen sind.


Da das vorliegende Gesetz im Wesentlichen die geltende Praxis festschreibt, verursacht es dem Kanton keinen zusätzlichen finanziellen und personellen Aufwand . Im Gegenteil: MIt einer weiteren Verbesserung der Aktenführung und der Archivierung können Effizienzsteigerungen zwischen Archiv und Verwaltungsstellen, aber auch zwischen und innerhalb von Dienststellen erreicht. Damit besteht durchaus ein namhaftes Kosteneinsparungspotential .


Dank der Verordnung über die Aktenführung vom 17. Dezember 2002 4 und einiger Präzisierungen im Gesetzestext kann auf eine Verordnung zu diesem Gesetz ohne weiteres verzichtet werden . Die VO über die Aktenführung richtet sich an die ablieferungspflichtigen Stellen und schafft mit einigen verbindlichen Minimalstandards und organisatorischen Anforderungen die notwendigen Voraussetzungen für eine möglichst effiziente Gestaltung des Archivierungsablaufs im technologisch veränderten Umfeld der Informationsverarbeitung.


Im Verhältnis zum kantonalen Datenschutzgesetz ist das Archivierungsgesetz als komplementärer Erlass zu betrachten. Die Schnittstellen zwischen den beiden Gesetzen sind klar definiert, denn die datenschutzrechtliche Verantwortung bzw. Gesamtverantwortung (gemäss § 4 Absatz 2 Datenschutzgesetz) für Personendaten bleibt auch bei archivierten Unterlagen während der Schutzfrist immer bei den abliefernden Behörden.




3.2 Zu einzelnen Bestimmungen (Änderungen)


§ 7 Absatz 3


Das Staatsarchiv kann keine Detailbewertung in den einzelnen Gemeinden vornehmen. Dies wäre viel zu aufwändig auch für die Gemeinden. Durch die gemeinsame Festlegung von wesentlichen Archivierungsgrundsätzen soll die Archivierung in den Gemeinden auf pragmatische Weise sichergestellt und wo nötig harmonisiert werden. Es ist vorgesehen, den Gemeinden Musterbewertungsgrundsätze zur Verfügung zu stellen, die vom Staatsarchiv zusammen mit dem Verband Basellandschaftlicher Gemeinden erstellt werden sollen. Die Gemeinden erwarten bereits jetzt vom Staatsarchiv Unterstützung bei Fragen der Aufbewahrungsdauer und Archivierung ihrer Unterlagen.




§ 9 Absatz 2


Mit dem Übergang ins Staatsarchiv verändern sich die Zugangsbedingungen zu staatlichen Unterlagen nicht.




§ 10


Aus diesen Bestimmungen geht klar hervor, dass die abliefernden Stellen auch während der Schutzfrist Zugang zu ihren eigenen Unterlagen haben, wenn sie sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen (Absatz 1). Sie können die abgelieferten Unterlagen auch zeitlich befristet zurückrufen (Absatz 2). Die datenschutzrechtliche Verantwortung bzw. Gesamtverantwortung gemäss § 4 Datenschutzgesetz bleibt während der Schutzfrist bei der abliefernden Behörde, unabhängig davon, ob die Unterlagen schon im Archiv oder (vorübergehend) bei der abliefernden Behörde liegen. Bei archivierten Unterlagen hat das Archiv allerdings eine komplementäre Verantwortung zu tragen, nämlich die des "Aufbewahrens" oder "Archivierens", d.h. das Archiv muss gewährleisten, dass die Unterlagen unversehrt bleiben und dass sie bei Bedarf wieder aufgefunden werden können.




§ 11


Die Einsicht in Archivgut und die Bearbeitung von Einsichtsgesuchen in Archivgut, das noch der Schutzfrist unterliegt, soll möglichst unbürokratisch und benutzerfreundlich vor sich gehen. Das Staatsarchiv nimmt Einsichtsbegehren entgegen und wickelt das Entscheidverfahren mit den zuständigen Stellen ab. Für die Gesuchstellenden ist es damit die einzige Ansprechstelle. Durch die Koordination der Einsichtsbegehren durch das Staatsarchiv kann zudem die Gleichbehandlung von Gesuchen durch die verschiedenen Stellen gewährleistet werden.


Aufgrund der §§ 10 und 12 Absatz 2 des Archivierungsgesetzes ist die abliefernde Stelle letztlich zuständig und verantwortlich für das Zugänglichmachen von Daten wie das Einsichtgewähren, Weitergeben oder Veröffentlichen gemäss § 5 Absatz 4 DSG. Das Staatsarchiv unterstützt diese Prozesse durch administrative Dienstleistungen und fachliche Beratung.




§ 12


Aus den Absätzen 1 und 2 ist ersichtlich, dass Einsichtsgenehmigungen vom Archiv erst nach der Zustimmung der abliefernden Stelle erteilt werden. Absatz 2 bestimmt, dass bei Meinungsdifferenzen der Standpunkt der abliefernden Stelle überwiegt, d.h. der Behörde, welche die datenschutzrechtliche Gesamtverantwortung gemäss § 4 Absatz 2 DSG trägt.


Die Praxis zeigt, dass bei Einsichtsgenehmigungen kaum je Differenzen zwischen den beteiligten Stellen bestehen und in der Regel gütliche Einigungen erzielt werden (Absatz 3). Für den Fall, dass dennoch Differenzen entstehen sollten, wird die Entscheidkompetenz klar geregelt. Gegen Verfügungen des Staatsarchivs können alle Beteiligten, auch alle abliefernden Behörden, Beschwerde beim Regierungsrat erheben (Absatz 5).


Bei den Gemeindearchiven entscheiden gemäss § 7 Absatz 2 die kommunalen Behörden über die Zugänglichkeit der Unterlagen.




§ 13


Bestreitet eine Person die Richtigkeit von Daten, so kann sie verlangen, dass den Unterlagen eine Gegendarstellung beigefügt wird.


Nicht sinnvoll wäre es, die Berichtigungsbestimmung des Datenschutzgesetzes tel quel ins Archivgesetz zu übernehmen (§ 20 DSG). Die Möglichkeit, abgelieferte Unterlagen zu ändern, würde einem Hauptzweck der Archivierung, nämlich staatliches Handeln nachvollziehen zu können, diametral zuwider laufen. Im Gegensatz zum Datenschutzgesetz, wo es um Personendaten geht, die regelmässig bearbeitet werden, handelt es sich hier um archivierte Unterlagen, deren Daten nicht mehr oder nicht mehr regelmässig bearbeitet werden.




§ 14 Absatz 1 Buchstabe d und Absatz 2


Die Entwicklung der Informationstechnologien stellt neue und komplexe Anforderungen an die Archivierung. Auch elektronische Unterlagen müssen dauerhaft archiviert und überliefert werden. Sollte dies nicht gelingen, so drohen ausgerechnet für das so genannte Informationszeitalter nicht wieder gut zu machende Überlieferungslücken. Dies hätte nicht nur gravierende Auswirkungen auf die Geschichtsschreibung sondern auf das Funktionieren des gesamten gesellschaftlichen Lebens und seiner Infrastruktur.


Anstelle eines eigenen Paragrafen zu Privatarchiven wurde Absatz 2 als traditionelle und wichtige Aufgabe des Staatsarchivs den übrigen Aufgaben beigefügt. Es besteht kein Anspruch von Privaten, dass das Staatsarchiv ihre Unterlagen archiviert. Die Archivierung von Privatarchiven und die daraus erwachsenden gegenseitigen Verpflichtungen werden in einem privatrechtlichen Vertrag ausgehandelt und festgelegt.




4 Antrag


Der Regierungsrat beantragt dem Landrat,

Liestal, 5. Juli 2005


Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der Landschreiber: Mundschin


5 Anhang:



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Fussnoten:


1 GS 21.711/SGS 147.12


2 GS 30.625/ SGS 162


3 GS 30.634 /SGS 162.11


4 SGS 140.13