2005-71 (1)


I. Wortlaut der Interpellation

Am 24. Februar 2005 reichte Landrätin Madeleine Göschke-Chiquet folgende Interpellation ein:
„In den Medien wurde über den zurücktretenden Chefarzt der Frauenklinik Liestal folgendes berichtet:


Wir danken Regierungsrat Straumann für sein rasches Handeln. Trotzdem bleibt Einiges unklar.


Wir bitten die Regierung, folgende Fragen schriftlich zu beantworten:




II. Antwort des Regierungsrates


Der Regierungsrat beantwortet die Fragen wie folgt:


1. Trifft der geschilderte Sachverhalt zu?


Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
Prof. Gaudenz versandte an alle Patientinnen aus seiner Sprechstundenkartei, verpackt in ein Spitalcouvert, folgende Schriftstücke:
a) ein Schreiben der Frauenklinik des Kantonsspitals Liestal, in dem sich Prof. Gaudenz von seinen Patientinnen verabschiedet, seine Nachfolgerin vorstellt, aber auch gleichzeitig informiert, dass er künftig in Basel eine gynäkologische Praxis führen werde.
b) einen Praxisprospekt mit Informationen über die Privatpraxis Gaudenz ab 1.4.2005 in Basel.
Zudem enthielt jedes Schreiben einen Talon, mit dem das Spital ermächtigt werden soll, die entsprechende Praxiskarte/Krankengeschichte direkt an die Privatpraxis von Professor Gaudenz in Basel zu schicken.




2. Wenn ja, wie lautet die Beurteilung durch die Datenschutzstelle?


Die Datenschutzstelle hat die Fragestellung bezüglich der Stellung des Chefarztes als Privatarzt und der Stellung des Chefarztes in seiner Funktion als Arzt des öffentlichen Spitals geprüft. Im Bereich der ambulanten privatärztlichen Tätigkeit erscheint es datenschutzrechtlich zulässig, wenn der Chefarzt die Adressen seiner privaten Patientinnen benutzt, um diese darauf hinzuweisen, dass er seine Tätigkeit ausserhalb des Spitals fortsetzen will. Man könnte hier auch von einer Mitteilung eines Domizilwechsels sprechen. Ist der Chefarzt als Arzt des öffentlichrechtlichen Spitals tätig, so darf er die Daten der ihm anvertrauten Patientinnen nur zum gesetzlich vorgeschriebenen Zweck (hier medizinische Behandlung) bearbeiten. Er darf sie aber keinesfalls zweckfremd zu Marketingzwecken verwenden. Für eine zweckfremde Verwendung der ihm bekannten Patientinnendaten fehlt ihm jede datenschutzrechtliche Legitimation. Verlässt er das Spital und will er für seine Praxis werben so kann er - wie andere Ärzte auch - via Zeitungsinserat auf seine neue Tätigkeit hinweisen.




3. Wie ist es trotz Kostenkontrolle möglich, dass ein Chefarzt sein staatlich bezahltes Sekretariat für private Zwecke arbeiten lässt und auf Kosten des Steuerzahlers privates Werbematerial verschickt?


Im vorliegenden Fall muss konkretisiert werden:


In der Angelegenheit der Ferienhausvermietung wurde die Telefonnummer des Sekretariates wegen eines privatem Domizilwechsels vom Chefarzt so publiziert. Die Chefarztsekretärin nahm Anfragen telefonisch entgegen und leitete sie an den Chefarzt weiter. Die Annonce wurde von verschiedenen Internet-Feriensuchmaschinen aufgenommen und später nicht mehr geändert. Eine Änderung drängte sich für Prof. Gaudenz nicht auf, weil nur vereinzelt Anfragen (1 - 2 pro Monat) eingingen.


In alle Arbeiten rund um den Informationsversand waren weder die Chefarztsekretärin noch andere MitarbeiterInnen des Spitals involviert. Das Adressieren und Kuvertieren wurde von Prof. Gaudenz privat erledigt.


In einer „Persönlichen Erklärung" bedauert der Chefarzt sein Vorgehen und hält fest:


„Der Versand des offiziellen Schreibens des Spitals zusammen mit der persönlichen Praxisinformation wurde aus Überlegungen der Wirtschaftlichkeit und des halben Arbeitsaufwandes nach langem Abwägen so gewählt. Das war falsch!


Ich möchte ausdrücklich mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass mir erst im Nachhinein die negative Seite dieser Vermischung klar wurde, die ich zu wenig bedacht hatte.


Die Kosten für den Versand werde ich selbstverständlich übernehmen."


Nach Auskunft des Kantonsspitals Liestal wurden die Kosten für den Versand in der Zwischenzeit eingezogen.




4. Was unternimmt die Regierung um zu prüfen, ob es sich hier um einen Einzelfall oder um eine Eisbergspitze handelt?


Der Regierungsrat beurteilt die internen Kontrollmechanismen in den kantonalen Spitälern als zeitgemäss und angemessen. Die Betriebe werden regelmässig nach Abschluss des Geschäftsjahres und zusätzlich periodisch und themengebunden durch die Kantonale Finanzkontrolle überprüft.


Professor Gaudenz hat klar und eindeutig einen Fehler gemacht und diesen auch bedauert. Die Chefärztinnen und Chefärzte der Baselbieter Spitäler zeichnen sich durch ein hohes Arbeitsengagement aus. Sie sind da, wenn die Patientinnen oder Patienten sie brauchen, ungeachtet der Tages- oder Nachtzeit oder des Wochentages. Bei dieser hohen Einsatzbereitschaft kann es Situationen geben, die es erfordern, dass jemand eine an sich private Verrichtung - im Sinne einer Ausnahme - vom Arbeitsplatz aus erledigen muss. Der Regierungsrat betrachtet diesen Einzelfall als abgeschlossen.




5. Wie will der Regierungsrat in Zukunft ähnliche Vorfälle in kantonalen Chefetagen vermeiden?


Die gesetzlichen Vorgaben gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Betriebe gleichermassen. Die allgemeinen Spielregeln sind bekannt, in speziellen Bereichen wird von den Betrieben ein besonderer Verhaltenskodex erlassen. Private und geschäftliche Angelegenheiten sind streng zu trennen, private Arbeiten gehören nicht in die Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ausnahmesituationen ausgeschlossen. Kontrollen sind für Grossbetriebe (wie die Kantonsspitäler) jedoch nur gezielt und in Verdachtsfällen möglich. Auch hierbei ist ein Betrieb eingeschränkt, da er weder in die über direkte Durchwahlnummern eingehenden Telefongespräche noch die ausgehende Post Einblick nehmen kann und dies aus Datenschutzgründen auch nicht darf. Dies betrifft auch die Nutzung des E-Mails und den Internetzugriff für private Zwecke, für die ebenfalls klare Regeln gelten.


Liestal, 3. Mai 2005


Im Namen des Regierungsrates
der Präsident: Ballmer
der Landschreiber: Mundschin



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