Vorlage an den Landrat


Vierter Teil: Familienrecht

§ 58 Adoptionswesen


Absatz 1
Diese Bestimmung wird um zwei Zuständigkeiten ergänzt. Diese sind gemäss geltendem Recht in der Verordnung vom 9. Dezember 2002 betreffend Adoption und Pflegekinderwesen - in Kraft seit 1. Januar 2003 - enthalten und werden nun in den vorliegenden Erlass überführt.


Einerseits geht es um das Recht des Adoptivkindes auf Kenntnis seiner Abstammung.


Die neue Bestimmung von Artikel 268c ZGB mit dem Titel "Auskunft über die Personalien der leiblichen Eltern" lautet wie folgt:


1 Hat das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, so kann es jederzeit Auskunft über die Personalien seiner leiblichen Eltern verlangen; vorher kann es Auskunft verlangen, wenn es ein schutzwürdiges Interesse hat.
2 Bevor die Behörde oder Stelle, welche über die gewünschten Angaben verfügt, Auskunft erteilt, informiert sie wenn möglich die leiblichen Eltern. Lehnen diese den persönlichen Kontakt ab, so ist das Kind darüber zu informieren und auf die Persönlichkeitsrechte der leiblichen Eltern aufmerksam zu machen.
3 Die Kantone bezeichnen eine geeignete Stelle, welche das Kind auf Wunsch beratend unterstützt.


Gemäss der Regelung von Artikel 268c Absatz 3 rev. ZGB hat jeder Kanton eine Ansprechstelle für das auskunftsuchende Adoptivkind zu bezeichnen. Diese kann eine öffentliche oder eine private auf Adoptionsfragen spezialisierte Stelle sein. Diese Stelle soll das auskunftsuchende Kind begleiten und beraten und ihm auf Ersuchen helfen, zu den gewünschten Auskünften zu kommen. So verfügen bspw. folgende Stellen über die nötigen Informationen: Vormundschaftsbehörden, Amtsvormundschaften, Zivilstandsämter, Adoptionsbehörden, Pflegekinderaufsichtsbehörden, Adoptionsvermittlungsstellen. Alle diese Stellen haben Auskunft gemäss den Vorgaben von Artikel 268c rev. ZGB zu geben.


Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion als für Adoptionen und für das Zivilstandswesen zuständige Behörde ist schon seit vielen Jahren adoptierten Kindern bei der Suche nach deren leiblichen Eltern behilflich und verfügt für diesen Bereich über entsprechende Erfahrung. Es ist somit naheliegend, diese Direktion als Ansprechstelle zu bezeichnen.


Andererseits geht es um Kinder, die zum Zwecke der Adoption aufgenommen werden. Im Zusammenhang mit dem Haager Adoptionsübereinkommen (HAÜ) wurde Artikel 316 ZGB um Absatz 1 bis ergänzt.


Um den Zusammenhang der Revision dieser Bestimmung nachzuvollziehen, folgen einige Ausführungen zum HAÜ und dem Ausführungsgesetz zu diesem Abkommen, dem Bundesgesetz vom 22. Juni 2001 zum Haager Adoptionsübereinkommen und über Massnahmen zum Schutze des Kindes bei internationalen Adoptionen (BG-HAÜ).


Das HAÜ - das vom 29. Mai 1993 datiert und das für 64 Staaten (Stand Dezember 2004) gilt - will sicherstellen, dass internationale Adoptionen dem Wohle des Kindes dienen und dessen Grundrechte wahren. Dieses Ziel soll erreicht werden mit einem institutionalisierten System der Zusammenarbeit der Vertragsstaaten. Das Abkommen ist somit in erster Linie ein Rechtshilfeübereinkommen. Umgesetzt wird die Zusammenarbeit mittels Zentraler Behörden, die in den Vertragsstaaten einzurichten sind. Die Herkunfts- und Aufnahmestaaten teilen sich die Aufgaben, die bei grenzüberschreitenden Adoptionen anfallen. Die Behörden im Herkunftsstaat des Kindes klären dessen Eignung für eine Adoption ab und sind für die Zustimmung der leiblichen Eltern zur Adoption verantwortlich. Die Behörden im Aufnahmestaat untersuchen die Eignung der künftigen Adoptiveltern und stellen sicher, dass das Kind in den Aufnahmestaat einreisen und sich dort aufhalten kann. Weiteres Ziel des Abkommens ist es, dass staatsvertragskonforme Adoptionen - solche also, die nach dem Verfahren des Abkommens erfolgt sind - anzuerkennen sind, d.h. alle Vertragsstaaten sind zur Anerkennung verpflichtet. Das BG-HAÜ regelt Fragen, die das Übereinkommen nicht beantwortet und konkretisiert gewisse Bereiche. Es regelt das Verfahren zur Aufnahme eines Kindes nach dem HAÜ.


Die Grundzüge des BG-HAÜ sind:

Die im Sinne von Artikel 316 Absatz 1 bis rev. ZGB bezeichnete einzige kantonale Behörde ist also einerseits zuständig für die Erteilung der Pflegekinderbewilligung und die Aufsicht über das Pflegeverhältnis, sofern ein Kind zum Zwecke der späteren Adoption aufgenommen wird. Andererseits ist die im Sinne von Artikel 316 Absatz 1 bis rev. ZGB bezeichnete einzige kantonale Behörde "Zentrale Behörde des Kantons" im Sinne des BG-HAÜ und hat alle der dieser Behörde zugeordneten Aufgaben gemäss BG-HAÜ wahrzunehmen. Dies hat zur Konsequenz, dass die im Sinne von Artikel 316 Absatz 1 bis rev. ZGB bezeichnete kantonale Behörde für alle Pflegeverhältnisse zuständig ist, sofern diese im Hinblick auf eine Adoption erfolgen und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine innerstaatliche Adoption (Binnenadoption) oder um eine internationale Adoption handelt und unabhängig davon, ob die internationale Adoption unter den Geltungsbereich des HAÜ fällt oder nicht.


Bis 31. Dezember 2002 waren die Vormundschaftsbehörden zuständig für alle Pflegeverhältnisse. Seit 1. Januar 2003 sind die Vormundschaftsbehörden nur noch zuständig für Pflegekinder, die nicht zum Zwecke späterer Adoption aufgenommen werden.


§ 2 der Verordnung vom 9. Dezember 2002 betreffend Adoption und Pflegekinderwesen, die seit 1. Januar 2003 in Kraft ist, bezeichnet die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion als einzige kantonale Behörde im Sinne von Artikel 316 Absatz 1 bis rev. ZGB. Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion ist somit zuständig für die Erteilung der Pflegekinderbewilligungen und die Aufsicht über Pflegeverhältnisse, sofern es sich um Pflegekinder handelt, die zum Zwecke der späteren Adoption aufgenommen werden. Als im Sinne der genannten ZGB-Bestimmung zuständige Behörde ist die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion gemäss Artikel 3 Absatz 1 BG-HAÜ kantonale Zentrale Behörde, die für den Vollzug des Haager Adoptionsübereinkommens und des BG-HAÜ zuständig ist.


Die Zuständigkeit der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion ist somit gegeben für:

Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion ist Adoptionsbehörde und Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen. Als solche verfügt sie, insbesondere was die Aufgaben im Bereiche der Verfahren gemäss Haager Adoptionsübereinkommen bzw. gemäss BG-HAÜ betrifft, über das notwendige Know-How.


Absatz 2
Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion verfügt im Bereich des Adoptionswesens nicht über eigene SozialarbeiterInnen. Gemäss der eidg. Pflegekinderverordnung haben die Abklärungen über die Eignung der künftigen Adoptiveltern in geeigneter Weise durch Sachverständige in Sozialarbeit mit Berufserfahrung im Adoptionswesen zu erfolgen.


Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion beauftragte in den Jahren 2003 und 2004 die Fachstelle Pflegefamilien und Adoption des Basler Frauenvereins mit den Eignungsabklärungen. Diese Stelle nahm im Auftrage des Erziehungsdepartementes Basel-Stadt seit Jahren die Aufgaben im Pflegekinderbereich wahr und verfügte somit über viel Erfahrung in diesem Bereiche. Per Ende 2004 wurde die Fachstelle Pflegefamilien und Adoption aufgehoben; deren Aufgaben übernahm das Erziehungsdepartement Basel-Stadt. Seit anfangs 2005 überträgt die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion nun die Eignungsabklärungen einer ehemaligen Mitarbeiterin der Fachstelle.


Da es sich um private Sachverständige in Sozialarbeit handelt, rechtfertigt sich die Konkretisierung der in Artikel 22 der eidg. Pflegekinderverordnung verankerten Schweigepflicht: Danach sind alle in der Pflegekinderaufsicht tätigen Personen gegenüber Dritten zur Verschwiegenheit verpflichtet. Gemäss der vorliegenden Bestimmung findet § 68 Absätze 2 und 3 dieses Gesetzes Anwendung, wonach private Sachverständige der gleichen Schweigepflicht unterstehen wie die Behörde, von der sie beigezogen werden, und der Verstoss gegen diese Schweigepflicht mit Haft oder Busse bestraft wird.


Wie unter dem geltenden Recht sollen auch weiterhin die Vormundschaftsbehörden für Abklärungen in Adoptionsverfahren zugezogen werden können (vgl. § 62 Buchstabe e dieses Gesetzes). Diese werden mit den Abklärungen beauftragt, sofern sie über einen Sozialdienst verfügen. In der Gebührenverordnung zum Zivilrecht ist der Tarif für den Aufwand dieser Abklärungen zu verankern.


Die geltende Bestimmung von § 16 Buchstabe b EG ZGB, wonach die Erziehungs- und Kulturdirektion zuständig ist für die Aufsicht über Adoptivkindervermittlung, ist ersatzlos zu streichen. Seit 1. Januar 2003 übt der Bund gemäss der revidierten Bestimmung von Artikel 269c ZGB die Aufsicht über die Adoptivkindervermittlung aus.




§ 61 Aufsichtsbehörde für Vormundschaftswesen


Absatz 2
Gemäss der geltenden Regelung besteht die Aufsichtsbehörde für Vormundschaftswesen aus der Leitung des Vormundschaftsamtes und aus der Vormundschaftskommission. Letztere besteht aus vier nebenamtlichen Mitgliedern sowie fünf nebenamtlichen Ersatzmitgliedern. Neu soll der Status der Ersatzmitglieder aufgehoben werden, und alle sollen den Status von Mitgliedern haben. Diese Änderung drängt sich aus folgenden Überlegungen auf: Um Erfahrung für die Erfüllung der in den Kompetenzbereich der Kommission fallenden Aufgaben zu erwerben, müssen alle Mitglieder im etwa gleichen Ausmass für die zu entscheidenden Fälle beigezogen werden. Weiter würde ein vorwiegender Einsatz der "ordentlichen" Mitglieder eine übermässige Belastung derselben bedeuten. Dies zeigt sich im Bereich der fürsorgerischen Freiheitsentziehung (FFE), in dem jährlich um die 300 Entscheide anfallen. So wurden im Jahre 2004 304 FFE angeordnet, wovon 293 vorsorgliche, d.h. es war Gefahr im Verzuge. Die Leitung des Kant. Vormundschaftsamtes setzt deshalb alle neun Mitglieder gleichmässig ein.


Absatz 5
Diese Regelung wurde zur Präzisierung ergänzt um das Kantonale Sozialamt. Dessen Mitarbeiter sind den gleichen Interessenkollisionen ausgesetzt wie die Mitglieder und Mitarbeiter der kommunalen Sozialhilfebehörden.




§ 77 Vormundschaftsregister


Absatz 3
Im Hinblick auf die notariellen Geschäfte und das Betreibungswesen erhielten früher die Bezirksschreibereien von den Statthalterämtern Meldungen über die vormundschaftlichen Massnahmen. Neu erhalten die Bezirksschreibereien einen elektronischen Zugriff auf diejenigen Daten des Vormundschaftsregisters, die sie zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe benötigen.


Absatz 4
Der Gebührenrahmen von Fr. 20 - 100 für die Auskunftserteilung an Private gemäss geltendem § 32 Absatz 3 EG ZGB ist auf Verordnungsstufe zu regeln und zwar in der Verordnung vom 8. Januar 1991 über die Gebühren zum Zivilrecht. Entsprechend wird die vorliegende Bestimmung von Absatz 4 in dem Sinne angepasst, dass die Auskunftserteilung gegen eine nach dem Verwaltungsaufwand bemessene Gebühr erfolgt.




§ 83 Beschwerde


Absatz 2 Buchstabe b
In dieser Bestimmung wurde der Begriff "Erbberechtigte" durch denjenigen der "Erben" ersetzt. Es handelt sich dabei lediglich um eine sprachliche Anpassung an Artikel 453 Absatz 1 ZGB und nicht um eine inhaltliche Änderung.




§ 95 Vorsorgliche fürsorgerische Freiheitsentziehung, Dauer


Der Begriff "ausserkantonale vormundschaftliche Behörde" wird erweitert durch den Begriff "ausserkantonaler....... Stelle". Gemäss Artikel 397b Absatz 2 ZGB können die Kantone für die Fälle, in denen Gefahr im Verzuge ist oder die Person psychisch krank ist, die Zuständigkeit für die fürsorgerische Freiheitsentziehung anderen geeigneten Stellen einräumen. Es handelt sich dabei meistens um eine ärztliche Zuständigkeit.




§ 97 Entlassung


Absatz 2
Gemäss geltender Bestimmung von § 50 Absatz 2 EG ZGB hat die Anstaltsleitung wie auch die für die jeweilige Anstalt zuständige aufsichtsführende Behörde laufend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung (FFE) noch erfüllt sind. Die Überprüfungspflicht der Aufsichtsbehörde der jeweiligen Anstalt wurde 1981 im Gesetz über die administrative Freiheitsentziehung statuiert. Zu dieser Zeit war eine berechtigte Berichterstattung des Beobachters unter dem Titel "Die Käfighaltung des Herrn Zihlmann" die Begründung für diese neben den Statthalterämtern normierte Aufsichtspflicht. Die Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion (VSD) hat diese Aufgabe durch eine kantonsärztliche Kontrollführung und eine periodische Berichterstattung der Klinik an den Kantonsarzt nach jeweils 6 Monaten realisiert. Man kann nun davon ausgehen, dass die Psychiatrie heute über 20 Jahre später keine Verwahrungspsychiatrie mehr ist (Psychiatriekonzept und zwei Folgeplanungen). Es ist heute nicht zu befürchten, dass jemand zu lange in der Kant. Psychiatrischen Klinik zurückbehalten wird; das Gegenteil ist wohl eher der Fall. Ferner sind seit anfangs 2003 das Kant. Vormundschaftsamt und die Kant. Vormundschaftskommission und nicht mehr die Statthalterämter für den Bereich der FFE zuständig. Diese Organe sind genauso in der Lage, die FFE zu überwachen, wie die VSD. Diese hat im Übrigen in all den Jahren nie für eine Entlassung bei der Kant. Psychiatrischen Klinik intervenieren müssen. Inskünftig soll deshalb nur noch die Anstaltsleitung die in Frage stehende Aufsichtspflicht haben. In diesem Zusammenhang ist zu verweisen, dass gemäss § 50 Absatz 3 geltendes EG ZGB bzw. § 97 Absatz 3 dieses Gesetzes das Vormundschaftsamt bzw. deren Kommission die fürsorgerische Freiheitsentziehung, die im ordentlichen Verfahren angeordnet wurde, periodisch zu überprüfen hat. Bei der vorsorglichen fürsorgerischen Freiheitsentziehung muss die in eine Anstalt eingewiesene Person spätestens nach 10 Wochen entlassen werden, wenn bis zu diesem Zeitpunkt nicht im ordentlichen Verfahren die FFE angeordnet worden ist (vgl. § 48 geltendes EG ZGB, § 95 dieses Gesetzes). Das Kant. Vormundschaftsamt hat somit zu gewährleisten, dass die von einer FFE betroffenen Personen entlassen werden, wenn die Voraussetzungen der FFE nicht mehr vorliegen.




§ 101 Mitteilungen


Absatz 2
Die Mitteilung an die Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion gemäss § 54 Absatz 2 geltendes EG ZGB erübrigt sich. Diese war in der Pflicht der VSD zur Überprüfung der FFE begründet, die aufgehoben wird (vgl. Erläuterungen zu § 97 Absatz 2 dieses Gesetzes).




Kostenbestimmung für Kindesschutzmassnahmen
Der VBLG sowie verschiedene Gemeinden verlangen in ihrer Vernehmlassung, dass für die Tragung der Kosten der Kindesschutzmassnahmen analog der Kostentragung beim FFE (§ 98 des Entwurfs) eine Bestimmung in das Gesetz aufgenommen werden soll. Das EG ZGB enthält grundsätzlich für die Verfahrenskosten keine Gebührenbestimmung, sondern ermächtigt in § 156 des Entwurfs den Regierungsrat, einen Gebührentarif zu erlassen. Die Kostentragungsregelung betr. FFE regelt nicht die amtlichen Verfahrenskosten, sondern die Kosten des Klinikaufenthalts.


Hinsichtlich der Gebühren im Vormundschaftswesen wird die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion durch eine Teilrevision der Gebührenverordnung zum Zivilrecht prüfen, welche vormundschaftlichen Entscheide sie als gebührenpflichtig erklären soll. Dabei ist nämlich zu bedenken, dass in diesem Bereich die Einführung einer Kostenpflicht auch kontraproduktiv sein kann. Immerhin ist einsichtig, dass neu die Besuchsrechtsstreitigkeiten, die durch die Vormundschaftsbehörde beurteilt werden müssen, gebührenpflichtig sein sollen.



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