2005-2 (2)


Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Damen und Herren Landrätinnen und Landräte,

Am 29. November 2001 überwies der Landrat das folgende Postulat an den Regierungsrat:


Die Kenntnis der Gerichts- und Verwaltungspraxis ist für die Anwendung und Auslegung von Gesetzen unablässig. Die Legislative kann sich zudem beim Studium von Entscheiden ein Bild machen über die Tauglichkeit ihrer Gesetze. Die publizierten Entscheide sind also ein wichtiges Arbeitsinstrument für Rechtsanwendende und für Rechtsetzende.


Das Verwaltungsgericht publiziert eine Auswahl von Entscheiden jedes Jahr in der Reihe Basellandschaftliche Verwaltungsgerichtsentscheide (BLVGE), das Obergericht publiziert einen kurzen Querschnitt durch die Rechtsprechung im Anhang zum Amtsbericht (z.T. auszugsweise auch in Fachzeitschriften), die Steuerverwaltung gibt, zusammen mit der Steuerverwaltung Basel-Stadt, die viermal jährlich erscheinende Fachzeitschrift "Basellandschaftliche und Baselstädtische Steuerpraxis" heraus.


Die publizierte Verwaltungsgerichts- und Obergerichtspraxis (ab 1980) kann auch im Internet abgerufen werden, die Basler Juristischen Mitteilungen (BJM) publizieren vereinzelt baselbieter Gerichtsentscheide. Die Vielfalt wirft die Frage auf, ob - nebst dem Internet - mindestens drei verschiedene Publikationen nötig sind.


Nun entwickeln nicht nur die Gerichte, sondern auch Regierung und Verwaltungsbehörden bei der Rechtsanwendung und Rechtsprechung eine Praxis. Ausser der Steuerpraxis werden die Entschiede der Verwaltungsbehörden nirgends publiziert. So sind wegleitende Entscheide des kantonalen Rechts der Öffentlichkeit nicht zugänglich, wenn sie nicht an ein Gericht weitergezogen werden: Z.B. aus den Gebieten Bau- und Raumplanung, landwirtschaftliche Direktzahlungen, Gewerbepolizei, Schulrecht, Gemeinderecht, Straf- und Massnahmevollzug, Fremdenpolizei. Besonders bedeutend sind Verwaltungsentscheide, wenn der Rechtsmittelweg eingeschränkt (Gleichstellungsgesetz, Personalgesetz, z.T. Baugesetz) oder ausgeschlossen (Steuererlass) ist. Daher sollte die Praxis der Verwaltungsbehörden dem Publikum zugänglich sein.


Besonders anwendungsfreundlich wäre eine periodische Veröffentlichung sowohl der Gerichts-, als auch der Verwaltungspraxis in einer gemeinsamen Publikation. Ideal wäre eine einmal jährlich erscheinende Reihe der Basellandschaftlichen Verwaltungs- und Gerichtsentscheide, welche sämtliche Rechtsgebiete umfasst und sowohl in gedruckter Form als auch im Internet erscheint.


Die Unterzeichneten bitten den Regierungsrat, resp. die Gerichte, die Publikation wichtiger Baselbieter Gerichts- und Verwaltungsentscheide in einem gemeinsamen Organ zu prüfen und dem Parlament darüber zu berichten.


Aufgrund der Gewaltentrennung wurden nach dem 1. April 2002 sämtliche Postulate, Motionen und Interpellationen, die die Judikative betreffen, zur Behandlung an das neu geschaffene Kantonsgericht überwiesen. Da die Geschäftsleitung in der ersten Phase mit dem Neuaufbau des Kantonsgerichts und der Reorganisation der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden beschäftigt war, hat die Bearbeitung der hängigen Vorstösse etwas länger gedauert.




Zum Postulat 2001/162 nehmen wir wie folgt Stellung:


1. Ausgangslage


Christoph Rudin und Mitunterzeichner bitten den Regierungsrat beziehungsweise die Gerichte in einem vom Landrat am 29. November 2001 überwiesenen Postulat, die Publikation wichtiger Baselbieter Gerichts- und Verwaltungsentscheide in einem gemeinsamen Organ zu prüfen und dem Parlament darüber zu berichten.




2. Bisherige Publikationspraxis der basellandschaftlichen Gerichte


Heute werden an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichem Umfang basellandschaftliche Gerichtsentscheide publiziert.


Das ehemalige Verwaltungsgericht (heute die verfassungs- und verwaltungsrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts) veröffentlicht seit 1980 eine jeweils ca. 150 bis 200 Seiten umfassende Urteilspublikation "Basellandschaftliche Verwaltungsgerichtsentscheide (BLVGE)" aus allen Bereichen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts. Enthalten sind Entscheide beziehungsweise einzelne Erwägungen von grundlegender Bedeutung. Die in der BLVGE veröffentlichten Entscheide sind mit Regesten versehen und die Publikation enthält neben einem detaillierten Inhaltsverzeichnis ein Stichwort-, ein Sach- sowie ein Gesetzesregister.


Die zivil- und strafrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts (vormals Obergericht) publiziert ausgewählte Entscheide in den Fachzeitschriften "Praxis des Familienrechts (FamPra)" und "Schweizerische Juristen-Zeitung (SJZ)" sowie eine Anzahl von Entscheidungen aus den jeweiligen Sachbereichen im Anhang zum jährlichen Amtsbericht in geraffter Form.


Die Abteilung Sozialversicherungsrecht des Kantonsgerichts veröffentlicht - abgesehen von sehr seltenen Beiträgen in fachspezifischen Periodika - gar keine Entscheide.


Von den beiden kantonalen Steuerverwaltungen wird die viermal jährlich erscheinende Fachpublikation "Basellandschaftliche und Baselstädtische Steuerpraxis (BStPra)" herausgegeben, in welcher auch wegleitende Entscheide des Steuer- und Enteignungsgerichts, Abteilung Steuergericht, und des Kantonsgerichts, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, publiziert werden. Die Abteilung Steuergericht veröffentlicht im Amtsbericht zudem einige wenige Entscheide in gekürzter Form und ausgewählte Entscheide ab dem Jahr 2000 im Internet. Die Abteilung Enteignungsgericht publiziert ebenfalls ausgewählte Entscheide ab dem Jahr 2002 im Internet und zusätzlich in gekürzter Form im jährlichen Amtsbericht.


Das Verfahrensgericht in Strafsachen veröffentlicht einzelne Entscheide im jährlichen Amtsbericht. Zudem werden ausgewählte Entscheide in anonymisierter Form an den Basellandschaftlichen Anwaltsverband beziehungsweise an die Basler Advokatenkammer weiter gegeben. Im Weiteren bedient das Verfahrensgericht die Strafverfolgungsbehörden relativ umfassend mit seinen Entscheiden.


Basellandschaftliche Gerichtsentscheide werden auch im vom Basler Juristenverein getragenen Fachorgan "Basler Juristische Mitteilungen (BJM)" veröffentlicht.




3. Künftige Publikationsform


Die oben stehenden Ausführungen zeigen auf, dass die Entscheide des Kantonsgerichts sowie anderer kantonaler Gerichte verstreut veröffentlicht werden.


Für die Anwaltschaft und weitere juristisch tätige Personen ist es deshalb nicht leicht, sich einen Überblick über die kantonale Rechtsprechung zu verschaffen.


Die Geschäftsleitung hat daher beschlossen, eine einheitliche und sämtliche Abteilungen des Kantonsgerichts umfassende Urteilspublikation "Kantonsgerichtsentscheide (KGE)" herauszugeben. (Beschluss der GL KG vom 22. November 2004)


Dadurch wird das Kantonsgericht als zusammengehörende Institution und insbesondere seine Tätigkeit in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen. Mit einer einheitlichen Gesamtdarstellung der Rechtsprechung des Kantonsgerichts eröffnet sich zudem die Möglichkeit, der interessierten Öffentlichkeit und auch den politischen Instanzen einen Leistungsausweis aufzuzeigen, der über die üblichen Statistiken in den Amtsberichten hinausgeht. Die Urteile anderer kantonaler Gerichtsinstanzen, die aus den nachfolgenden Gründen nicht aufgenommen werden, sollen vermehrt in den Basler Juristischen Mitteilungen (BJM) publiziert werden.




4. Veröffentlichung von Entscheiden weiterer Gerichtsinstanzen?


Bezirksgerichte: Urteile der Bezirksgerichte werden mehrheitlich nur mittels Dispositiv eröffnet. Insofern macht eine Publikation wenig Sinn. In appellierten Fällen und in Fällen, in denen keine mündliche Urteilsbegründung stattgefunden hat, wird das Urteil schriftlich begründet. Die appellierten Verfahren werden aber auf kantonaler Ebene mit dem Urteil der zivil- und strafrechtlichen Abteilung des Kantonsgerichts und somit ausführlich schriftlich begründet abgeschlossen. Die relevanten Urteile würden sodann von dieser Abteilung des Kantonsgerichts einer Publikation zugänglich gemacht. Von einer Publikation der Urteile der Bezirksgerichte wird deshalb abgesehen.


Strafgericht: Die Urteile des Strafgerichts werden schriftlich motiviert, wenn eine Freiheitsstrafe ausgesprochen wird, deren Dauer den bedingten Vollzug ausschliesst, oder eine freiheitsentziehende Massnahme ausgesprochen wird, sowie wenn gegen das Urteil ein Rechtsmittel ergriffen wird. In der Mehrzahl handelt es sich um bestrittene und weitergezogene Fälle, die ein juristisches Interesse aufweisen. Die relevanten Urteile würden somit weitgehend auch von der zivil- und strafrechtlichen Abteilung mit der Publikation ihrer Appellationsentscheide zugänglich gemacht. Von einer Publikation der Urteile des Strafgerichts wird deshalb auch abgesehen.


Steuer- und Enteignungsgericht: Wie bereits ausgeführt werden Entscheide der Abteilung Steuergericht in der von den beiden kantonalen Steuerverwaltungen herausgegebenen "Basellandschaftlichen und Baselstädtischen Steuerpraxis" veröffentlicht. Es handelt es sich dabei um eine in der ganzen Schweiz beachtete und für die in den beiden Basel tätigen Treuhänder und spezialisierten Anwälte massgebliche Publikation im Steuerrecht. Da die weitergezogenen Steuerentscheide wie auch Entscheide der Abteilung Enteignungsgericht von grundsätzlicher Bedeutung zudem vom Kantonsgericht, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, in der BLVGE bzw. neu in den KGE publiziert werden, ist von einer zusätzlichen Publikation der Urteile des Steuer- und Enteigungsgerichts im Rahmen der kantonalen Urteilssammlung abzusehen.


Verfahrensgericht in Strafsachen: Das Verfahrensgericht hat in der Mehrheit der Fälle abschliessende Spruchkompetenz, was die Ergreifung ordentlicher Rechtsmittel betrifft. Die Rechtsprechung dieses Gerichts ist für die im Strafrecht tätige Anwaltschaft sowie die Strafverfolgungsbehörden von grosser Bedeutung. Gleichzeitig besteht aber auch ein starkes Bedürfnis nach schneller Publikation, da das gesamte Verfahrensrecht - gegenwärtig bspw. im Bereich der technischen Überwachungsmassnahmen in Zusammenhang mit dem Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) - stetem Wandel unterworfen ist. Aus diesem Grund werden die Strafverfolgungsbehörden sowie der Basellandschaftliche Anwaltsverband und die Basler Advokatenkammer mit aktuellen anonymisierten Entscheiden bedient. Gleichzeitig bestehen von Seiten der Anwaltschaft Bestrebungen, die Rechtsprechung des Verfahrensgerichts im Internet zur Verfügung zu stellen. Die Geschäftsleitung kommt deshalb zum Schluss, dass von einer zusätzlichen Berücksichtigung von Entscheiden des Verfahrensgerichts in der kantonalen Urteilssammlung abgesehen wird.




5. Veröffentlichung von Verwaltungsentscheiden?


Der Entscheid über die allfällige Publikation von Verwaltungsentscheiden ist vom Regierungsrat zu fällen. Das Kantonsgericht lehnt jedoch eine gemeinsame Publikation ab. Es ist ihm daran gelegen, mit der ausschliesslichen Berücksichtigung von Gerichtsentscheiden in seiner Publikation die Unabhängigkeit von der Verwaltung zu demonstrieren und als eigenständige dritte Staatsgewalt wahrgenommen zu werden.




6. Internetauftritt


Die im Amtsbericht veröffentlichte Rechtsprechung des ehemaligen Obergerichts sowie die BLVGE werden ab Jahrgang 1980 im Internet zur Verfügung gestellt. Dabei handelt es sich um ein Angebot, das bereits heute mit einer integralen Suchmöglichkeit erschlossen ist und das in Zukunft verbessert werden soll, indem ein Suchbereich für die Gerichte eingerichtet wird. Zukünftig wird natürlich auch die Urteilspublikation KGE ins Internet gestellt. Es werden somit alle publizierten Entscheide der drei Abteilungen des Kantonsgerichts auch im Internet abrufbar sein.




Antrag:


Mit vorzüglicher Hochachtung

Back to Top