2004-255


1. Die Vorlage Nr. 2003/268 vom 3. November 2003 und der Beschluss des Landrates Nr. 311 vom 15. Januar 2004

Das Kantonsgericht unterbreitete dem Landrat am 3. November 2003 eine Vorlage betreffend die befristete Einsetzung eines a.o. Strafgerichtspräsidiums mit einem Pensum von 50% ab 1. Januar bis 31. Dezember 2004. Der Antrag wurde vor allem damit begründet, dass das Besondere Untersuchungsrichteramt (BUR) die Überweisung von 12 teilweise sehr umfangreichen Strafverfahren für das Jahr 2004 angekündigt hat. Im weitern wurde darauf hingewiesen, dass auch die von der Staatsanwaltschaft überwiesenen Fälle stetig zunehmen und die mit der Schaffung des dritten Strafgerichtspräsidiums (ab 1. August 2000, bis 31. März 2002 zunächst als a.o. Stelle) erweiterten Ressourcen dadurch bereits erschöpft sind.


Mit Beschluss Nr. 311 vom 15. Januar 2004 gab der Landrat dem Antrag statt und bewilligte für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2004 ein a.o. Strafgerichts-präsidium mit einem Pensum von 50% eines Vollamtes. Ferner nahm der Landrat zur Kenntnis, dass die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts im Rahmen des bewilligten Jahrespensums die Einsatzzeit festlegt.


Am 19. Februar 2004 wählte der Landrat Dr. Irene Laeuchli zur a.o. Strafgerichtspräsi-dentin. Sie trat ihr Amt am 1. April 2004 an.




2. Die seitherige Entwicklung


Bereits in der Vorlage Nr. 2003/268 ist unter Ziffer 5.1 (kurzfristige Perspektive bis 31.12.2004) darauf hingewiesen worden, dass es nicht möglich sein wird, sämtliche vom BUR angekündigten grossen Fälle bis Ende 2004 zu erledigen. Deshalb muss "im letzten Quartal 2004... die Situation neu beurteilt werden und es ist anhand des jeweiligen Verfahrensstandes zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmass das a.o. Präsidium verlängert werden soll".


Bezüglich der mittel- und längerfristigen Perspektive wurde folgendes ausgeführt: "Unter der Voraussetzung, dass der Fallzufluss seitens der Statthalterämter in etwa dem aktuellen Stand entspricht, dürfte das Strafgericht in der Lage sein, die "kleineren" BUR-Fälle mit den ordentlichen Ressourcen zu bearbeiten. Es dürfte indessen auch in der Zukunft eine Illusion sein zu glauben, dass mit den vorhandenen Kräften auch sehr grosse Fälle aus dem Bereich des BUR erledigt werden könnten" (Vorlage Ziffer 5.2).


Die angekündigte Neubeurteilung der Situation hat stattgefunden. Das Ergebnis ist bezüglich der Ressourcen beunruhigend und gibt zu grösster Sorge Anlasse:




3. Gründe für diese Entwicklung


Es drängt sich die Frage nach den Gründen für diese Entwicklung auf. Faktum ist, dass sehr viel mehr Strafanzeigen als in früheren Jahren eingehen. Einiges spricht dafür, dass dies nicht bloss auf eine allgemein höhere Kriminalitätsrate, sondern mindestens ebenso auf eine höhere Aufklärungsquote von Polizei und Strafuntersu-chungsbehörden zurückzuführen ist. Diese wiederum findet ihre Erklärung wohl vor allem im massiven Personalausbau dieser Stellen in den vergangenen Jahren, wie die folgende Übersicht belegt:




a. Personalbestand Polizei




b. Personalbestand Statthalterämter (insgesamt)




c. Personalbestand BUR




d. Personalbestand Staatsanwaltschaft




e. Personalbestand Strafgericht




Nun ist der Personalausbau natürlich nicht Selbstzweck, sondern notwendige Massnahme, um die stets angewachsenen Fallzahlen bewältigen zu können. Die Entwicklung dieser Fallzahlen zeigt die nachstehende Tabelle (es werden hier nur noch die Entwicklung der Verfahrenszahlen von Staatsanwaltschaft und BUR aufgeführt, da dies die beiden dem Strafgericht "vorgeschalteten" Behörden sind).



a. Verfahrenseingänge Staatsanwaltschaft

Der allergrösste Teil dieser Verfahren finden bei der Staatsanwaltschaft ihren Abschluss (Verfahrenseinstellungen, Verzicht auf Verfahrenseröffnungen und Prüfung der Strafbefehle betr. Einsprache). Weniger als 10% der Verfahren bei der Staatsanwaltschaft werden letztlich an das Strafgericht weitergezogen.

Auffallend ist jedoch, dass die Zunahme der Verfahren bei der Staatsanwaltschaft und beim Strafgericht praktisch gleich verläuft.


b. Verfahrenseingänge BUR ) 1






c. Verfahrenseingänge Strafgericht

Dies entspricht einer Steigerung der Verfahrenseingänge von 1995 bis 2003 um 37%, bis 2004 (hochgerechnet auf 31.12.) um 72% .

Diese Steigerung hat zur Folge, dass im Gegensatz zum Durchschnitt der vorhergehenden Jahre, in welchen sich der Übertrag der unerledigten Fälle auf das Folgejahr im Rahmen von 76 - 143 Fällen (mit Spitzen in den Jahren, bevor jeweilen ein a.o. Präsidium zum Einsatz gelangte) bewegte, die Anzahl der unerledigten Fälle per 10.9.2004 einen Besorgnis erregenden Höchststand von 192 erreicht hat . Bei anhaltend gesteigertem Falleingang ist bis Ende Jahr aufgrund der ausgeschöpften Ressourcen mit einem weiteren Anstieg des Übertrages, d.h. mit einem weiteren Anstieg der pendenten und unerledigten Fälle zu rechnen, was zwangsläufig zu einer längeren Verfahrensdauer führen wird.


Im weiteren ist noch zu berücksichtigen, dass die zunehmende Komplexität der Fälle, die sich v.a. bei der Instruktion, d.h. beim Präsidium, auswirkt, ebenfalls zu einer erheblichen Mehrbelastung führt. Diese wird aus dem zunehmenden jährlichen Aktenumfang deutlich:

Auch in Relation mit den steigenden Fallzahlen zeigen die Akten auf, dass die einzelnen Fälle im Vergleich der Jahre 2001 (erstes ganzes Jahr mit 3. Präsidium) bis 2004 (bis 8.10.) umfangmässig um 78%, hochgerechnet bis Ende Jahr gar um 126% zugenommen haben.




4. Zielvorstellung


Das Ziel ist identisch mit dem in der Vorlage Nr. 2003/268 formulierten: Das Straf-gericht soll in die Lage versetzt werden, den bis zum Ablauf der Amtsperiode zu erwartenden Mehranfall an Verfahren so zeitgerecht zu bewältigen, dass per 31.3.2006 die Pendenzen nicht bzw. nur im Rahmen des üblichen Streubereichs ansteigen. Dabei ist der bisherige Qualitätsstandard beizubehalten.




5. Massnahmen


5.1. Gesetzesänderungen


Zur Zeit ist mit der Vorlage Nr. 2004/235 vom 21.9.2004 eine Revision der Strafpro-zessordnung im Gange, welche eine Erhöhung der Strafbefehlskompetenz der Statthalterämter von 3 auf 6 Monate vorsieht. Dies hätte zur Folge, dass jene Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als 6 Monate beantragt, nur noch im Falle einer Einsprache vom Strafgerichtspräsidium beurteilt würde.


Zugleich wird eine Erhöhung der Einzelrichterkompetenz von bisher 6 auf 12 Monate vorgeschlagen.


Beide Änderungsvorschläge werden zu einer gewissen Entlastung führen. Zweierlei ist jedoch zu bedenken: Erstens darf das Ausmass der Entlastung nicht überschätzt werden, da natürlich vorwiegend die einfacheren, weniger umfangreichen Fälle neu im Strafbefehlsverfahren bzw. vom Einzelrichter erledigt werden. Zweitens steht zum heutigen Zeitpunkt noch nicht fest, ob diese Revision überhaupt so beschlossen wird und auf wann sie allenfalls in Kraft treten würde (wohl kaum jedenfalls vor 1.1.06).




5.2. Weiterführung des a.o. Präsidiums unter gleichzeitiger Pensumerhöhung auf 100% bis 31.3.2006:


Es ist bereits in der Vorlage Nr. 2003/268 darauf hingewiesen worden, dass entsprechend dem Bearbeitungsstand der grossen BUR-Fälle über eine allfällige Verlängerung und über das Ausmass entschieden werden muss.


Heute zeigt sich, dass diese BUR-Fälle das Strafgericht auch im kommenden Jahr erheblich beschäftigen werden. Eine Weiterführung des a.o. Präsidiums ist daher unverzichtbar. Betreffend des Pensums ist zu bedenken, dass die a.o. Strafgerichts-präsidentin faktisch zu 70% tätig ist, eine Reduktion auf 50% daher real einem Abbau gleichkäme.


Notwendig ist jedoch das Gegenteil: Da im laufenden Jahr ein nicht vorhersehbarer erheblicher Anstieg der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Verfahren zu verzeichnen ist und die Staatsanwaltschaft bereits 93 weitere Fälle angekündigt hat, ist eine Pensumerhöhung auf 100% erforderlich.


Dabei ist eine Befristung auf 31.3.06 (Ablauf der Amtsperiode) sinnvoll: Die Geschäftsleitung hat die Absicht, die Pensen der Präsidien aller Gerichte zu überprüfen und - sofern Änderungen vorgenommen werden müssen - dem Landrat zeitgerecht entsprechende Anträge zu unterbreiten.




6. Finanzielle Auswirkungen


Im Entwurf des Budgets 2005 ist ein a.o. Präsidium im bisherigen Umfang von 50% enthalten. Die zusätzlichen Kosten für eine Ausweitung auf 100% im Umfang von Fr. 112'000.-- (brutto) sind nicht budgetiert, da dies im Zeitpunkt der Erarbeitung des Budgets noch nicht ersichtlich war.




7. Antrag


Die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts beantragt dem Landrat:


Im Namen der Geschäftsleitung
des Kantonsgerichts



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