2004-332 (1)


1. Zielsetzung und Inhalt der Vorlage

Am 11. April 2002 wurde die nichtformulierte Volksinitiative "Höhere Kinderzulagen für alle" der SP Baselland mit 2'197 gültigen Unterschriften eingereicht. Diese verlangt, dass inskünftig die Kinderzulagen bis zum vollendeten 16. Altersjahr 25 % des Mindestbetrages der vollen einfachen Altersrente der AHV betragen soll. Für Jugendliche ab dem 17. bis zum vollendeten 25. Altersjahr, die in Ausbildung begriffen sind, sei eine monatliche Ausbildungszulage von 30 % des Mindestbetrages der vollen einfachen Altersrente auszurichten. Weiter müsse jedes Kind eine volle Zulage erhalten, unabhängig davon, ob die anspruchsberechtigte Person selbständig oder unselbständig, in Voll- oder in Teilzeit erwerbstätig, oder nicht erwerbstätig sei. Zu detaillierteren Angaben sei auf die Vorlage Seite 7 verwiesen.


Mit dieser Vorlage unterbreitet der Regierungsrat einen Gegenvorschlag zur Initiative. Er lehnt die Initiative ab, wenn auch nicht vollständig. Die Forderung "Pro Kind eine Zulage" sowie der Lastenausgleich zwischen den anerkannten Familienausgleichskassen, werden in der Vorlage aufgenommen. Das Anliegen, dass auch nicht Erwerbstätige neu dem Familienzulagengesetz zu unterstellen sind, fand wohl in der Vernehmlassungsvorlage Einlass, nicht jedoch in der definitiven Vorlage. Zur Höhe der Kinderzulagen werden mit § 8 zwei Varianten zur Diskussion gestellt (Fr. 170.-- resp. Fr. 190.-- und Fr. 200.-- resp. Fr. 220.--). Aus zeitlichen Gründen ist es nicht möglich, auf das neue Bundesgesetz zu warten.


Das basellandschaftliche kantonale Kinderzulagengesetz (KZG; SGS 838) datiert vom 5. Juni 1978 und ist seit dem 1. Januar 1979 in Kraft. Anspruchsberechtigte Personen sind alle Arbeitnehmenden für ihre in der Schweiz und im Ausland lebenden Kinder. Die Auszahlung der Kinderzulagen ist entweder durch eine gesamtarbeitsvertragliche Regelung (GAV) oder durch Familienausgleichskassen (FAK) sicherzustellen. Zur Überwachung des Gesetzesvollzugs und zur Beratung des Regierungsrates besteht eine fünfköpfige Zentrale Aufsichtskommission für Kinderzulagen (ZAK). Die Höhe der Kinder- und Ausbildungszulagen wird durch den Landrat per Dekret festgelegt. Seit dem 1. Juli 2003 gelten folgende Ansätze: Kinderzulage Fr. 170.--, Ausbildungszulage Fr. 190.--. Aus heutiger Sicht besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das bestehende Kinderzulagengesetz Mängel aufweist (siehe Vorlage Seiten 4-5).


Postulat Keller 1997/129
Die als Postulat am 18.9.1997 überwiesene Motion fordert den Regierungsrat auf, die Kinderzulagen für im Ausland wohnhafte Kinder an die Kaufkraft des jeweiligen Landes anzupassen. Das Anliegen wurde nun in der neuen Gesetzesvorlage aufgenommen.


Postulat Chappuis 2000/240
Die als Postulat am 25.1.2001 überwiesene Motion fordert den Regierungsrat einerseits auf, die Kinder- und Ausbildungszulagen um mindestens 10 % per 1.1.2002 zu erhöhen, und andererseits sei der Grundsatz "ein Kind = eine Zulage" zu realisieren. Mit der Anpassung der Kinderzulagen per 1. Juli 2003 wurde der erste Punkt erfüllt. Die neue Gesetzesvorlage schliesst nun auch das zweite Anliegen ein.




2. Organisation der Kommissionsberatung


Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission hat die Vorlage an vier Sitzungen in Anwesenheit von Regierungsrat Erich Straumann, Generalsekretär Rosmarie Furrer, Thomas Keller, Leiter KIGA Baselland, sowie Eva Pless, Leiterin Abteilung Arbeitsrecht/Arbeitnehmerschutz, KIGA, beraten. Zur Anhörung vom 26. Januar 2005 wurden eingeladen:




3. Detailberatung


Den Kommissionsmitgliedern wurden bereits im Vorfeld Stellungnahmen von verschiedenen Organisationen zugestellt. Darunter befand sich auch der Text einer - von Exponenten verschiedenster Berufsverbände getragenen, jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht lancierten - formulierten Gesetzesinitiative "für familienfreundliche und KMU-verträgliche Familienzulagen". Die Kommissionsberatung erfolgte unter Einbezug der ihr bekannten Stellungnahmen.


Obwohl der Zeitpunkt in Anbetracht der derzeitigen Beratung eines eidgenössischen Rahmengesetzes über die Familienzulagen im Nationalrat nicht optimal ist, jedoch auf Grund der bestehenden zeitlichen Erfordernisse für die Behandlung von Initiativen notwendig ist, beschliesst die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission Eintreten auf die Vorlage. Es werden insbesondere folgende Gründe für eine Revision des bestehenden Kantonalen Kinderzulagengesetzes (KZG; SGS 838) aufgeführt:


Die Vorlage wird als zweckmässiger, substanzieller Gegenvorschlag zur Initiative erachtet. Begrüsst werden insbesondere der Grundsatz "Ein Kind, eine volle Zulage", die Unterstellung der Selbständigerwerbenden sowie die Einführung eines Lastenausgleichs. Mit dem Beibehalten der verbandsorientierten Familienausgleichsstrukturen bleiben auch sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen weiterhin möglich.




Zur Gesetzesberatung:


§ 4 Dauer der Ausrichtung der Ausbildungszulage
Intensiv beraten wurde darüber, ob eine Person, die neben der Ausbildung noch einem Zusatzverdienst nachgeht, auch noch - und wenn ja, in welchem Umfang -, Anspruch auf Ausbildungszulagen hat. Dabei wurde als negativ erachtet, wenn Eltern einer jungen Person, die ein existenzsicherndes Einkommen erreicht, noch eine Ausbildungszulage ausbezahlt wird. Gegen eine Reduktion der in Abs. 2d festgeschriebenen Fr. 1'500.-- spricht, dass damit jenen Jugendlichen, welche nebenher noch etwas zuverdienen, wenig Anreiz dazu vermittelt würde. Die VGK entscheidet sich mit 7 zu 5 Stimmen für einen neuen Abs. 3, der lautet: "Der Anspruch entsteht nicht oder erlischt, wenn das Kind ein Bruttoerwerbseinkommen von wenigstens dem zweieinhalbfachen Beitrag der höchsten einfachen Waisenrente (zur Zeit 2150 Franken) der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung erzielt".


§ 8 Höhe der Kinderzulagen
Als Gegenvorschlag zur Initiative, welche die Kinderzulagen bei 25% der vollen einfachen AHV-Altersrente ansetzen will (Fr. 268.75 für Kinder bis 16 Jahren und Fr. 322.50 für Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre), unterbreitet die Regierung dem Landrat - wie eingangs erwähnt - zwei Varianten. In der Gegenüberstellung zur Variante "Initiative" spricht sich die Kommission mit 12 Stimmen zu 1 Stimme für die Variante 2 (Fr. 200.- / Fr. 220.-) aus. Variante 2 obsiegt gegenüber der Variante 1 (Fr. 170.- / Fr. 190.-) in der 2. Lesung nach Stichentscheid der Präsidentin mit 7 zu 6 Stimmen.



§ 9 Anpassung der Ansätze
Ein Antrag, welcher die bisherige Fassung "Ist der Landesindex der Konsumentenpreise um mindestens 5 Prozent gestiegen, so passt der Regierungsrat die Familienzulagen auf den Beginn des folgenden Kalenderjahres an" beibehalten wollte, wurde in der 1. Lesung und in der 2. Lesung abgelehnt.


§17 Abs. 2 Nachforderung nicht bezogener Familienzulagen
Die Frist für eine Nachforderung wurde - gestützt auf dieselbe Regelung im ATSG allgemeiner Teil des Versicherungsrechtes - von 2 auf 5 Jahre angepasst.


§ 19 Wirkungen der Unterstellung
Dieser Paragraph gilt als eine der wichtigsten Bestimmungen, stipuliert er doch die generelle Anschlusspflicht an eine Familienausgleichskasse. Für die in Absatz 3 dem Gesetz unterstellten Arbeitnehmenden mit Arbeitgebenden ohne Beitragspflicht (Arbeitnehmende, die Wohnsitz in der Schweiz, den Arbeitgeber aber im Ausland haben) ist eine ausschliessliche Unterstellung in die Familienausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft (Kantonale Familienausgleichskasse) gemäss Sozialversicherungsrecht nicht möglich. Sie können sich jedoch entweder der kantonalen oder einer privaten FAK anschliessen.


§ 21 Anerkennung der Familienausgleichskassen
Bereits schon bei der Anhörung wurde klar, dass - nachdem sich gemäss § 19 Abs. 1 alle Arbeitgebenden einer zugelassenen Familienausgleichskasse anzuschliessen haben - grosse Firmen keine eigene Ausgleichskasse mehr führen dürfen. Die Bestimmungen in § 21 Abs. 2b, wonach eine Familienausgleichskasse von der Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion anerkannt wird, sofern sie "gesamtschweizerisch mindestens 300 Arbeitgebende umfasst, welche zusammen mindestens 2000 Arbeitgebende beschäftigen; dabei müssen ihr im Kanton Basel-Landschaft in der Regel 30 Arbeitgebende angehören", finden mit einem neuen Abs. 4 eine Abfederung. Dieser lautet:
Werden von der gleichen Kassenverwaltung mehrere Familienausgleichskassen geführt, für die eine Anerkennung anbegehrt wird, muss das Quorum von 30 Arbeitgebenden im Kanton Basel-Landschaft nicht von jeder Familienausgleichskasse einzeln erfüllt werden. Es genügt, wenn mindestens eine Kasse das Quorum vollumfänglich erfüllt.
Die VGK stimmt dieser Ergänzung einstimmig zu.


§ 22 Aufgaben der anerkannten Kassen
Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission bestimmt die Aufnahme weitergehender Ausführungen, wie sie in der noch nicht lancierten, formulierten Gesetzesinitiative "für familienfreundliche und KMU-verträgliche Familienzulagen" enthalten sind. Diese sehen u.a. im neuen Abs. 2 die Möglichkeit der Ausrichtung höherer Familienzulagen und gegebenenfalls auch von Familienzulagen vor.


§ 28 Lastenausgleich
Die Paragraphen 28 bis 30 sind die zentralen Bestimmungen zum Grundsatz "Ein Kind - Eine Zulage". Der Lastenausgleich bringt den branchenübergreifenden Solidaritätsmechanismus, welcher Voraussetzung ist für das Prinzip "Ein Kind - Eine Zulage".


§ 32 Kontrolle
Einem Antrag, die administrative Belastung zu minimieren, indem Doppelerhebungen verhindert werden, wurde stattgegeben und Abs. 1 mit dem folgenden Satz ergänzt:
Sie können dazu mit anderen Durchführungsorganen der Sozialversicherung zusammenarbeiten, soweit die Bundesgesetzgebung dies zulässt.
Unbestritten war zudem die Aufnahme eines zusätzlichen Abs. 2:
Werden Unregelmässigkeiten festgestellt, können die Kontrollkosten den Kontrollierten ganz oder teilweise auferlegt werden.


§ 34 Finanzierung
Mit Rücksicht auf die Mehrbelastung der Wirtschaft durch erhöhte Familienzulagen wurde eine Finanzierung vorgeschlagen, wie sie der Bund zur Zeit nach der Beratung im Nationalrat vorsieht. Der Antrag
Übersteigt der Finanzbedarf 1,5 Prozent des massgebenden Einkommens, wird der darüber liegende Bedarf durch paritätische Beiträge der ArbeitgeberInnen sowie der ArbeitnehmerInnen sichergestellt
fand wenig Anklang. Hingegen wurde dem Begehren nach einer detaillierteren Regelung, wie sie die noch nicht lancierte, formulierte Gesetzesinitiative "für familienfreundliche und KMU-verträgliche Familienzulagen" vorsieht, stattgegeben. Speziell auch deshalb, weil mit § 22 die Aufgaben der anerkannten Kassen erweitert wurden.


§ 43 Verletzung von Ordnungs- und Kontrollvorschriften
Die in der Vorlage irrtümlicherweise aus dem bestehenden Gesetz übernommenen bisherigen Beträge von Fr. 500.-- für eine Ordnungsbusse resp. Fr. 2000.-- im Wiederholungsfall wurden einstimmig auf Fr. 1000.-- resp. Fr. 5000.-- korrigiert.




4. Anträge


Zu den nachfolgenden Anträgen stimmt die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission wie folgt:

Muttenz, 9. Mai 2005


Im Namen der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission
Die Präsidentin: Rita Bachmann-Scherer


Beilagen


Familienzulagengesetz [PDF]
(Von der Redaktionskommission bereinigte Fassung)


Dekret zum Personalgesetz (Personaldekret) [PDF]
(Von der Redaktionskommission bereinigte Fassung)



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