2004-331


Am 27. März 2003 überwies der Landrat das folgende Postulat von Dieter Völlmin an den Regierungsrat:

Verkehrsregelverletzungen lösen in der Regel zwei Verfahren aus: Einerseits wird ein Strafverfahren eingeleitet, in welchem entschieden wird, ob sich die betreffende Person strafbar gemacht hat (Art. 90 ff. SVG). Zuständig sind die Strafverfolgungsbehörden des Ortes, wo die strafbare Handlung begangen wurde (Art. 346 StGB), in Baselland der Untersuchungsrichter. Andererseits wird ein Administrativverfahren durchgeführt, in welchem entschieden wird, ob der Führerausweis zu entziehen oder eine Verwarnung auszusprechen ist (Art. 16 SVG). Dafür zuständig ist die Behörde des Wohnsitzkantons (Art. 22 Abs. 1 SVG). Im Kanton Basel-Landschaft obliegt diese Aufgabe der Hauptabteilung Verkehrssicherheit der Polizei. Aus der Sicht der Betroffenen ist es aber nur schwer verständlich, dass sie von zwei verschiedenen Instanzen für die gleiche Sache "bestraft" werden. Es entsteht beim Betroffenen der Eindruck, für die gleiche Sache gleich zweimal bestraft zu werden. Zudem fehlt die Gesamtsicht bei der Ausfällung der Sanktion und jede Behörde entscheidet nach eigenem Ermessen weitgehend ohne gegenseitige Koordination.


Es ist deshalb angezeigt, diese beiden Verfahren insofern zusammenzulegen, als neu sowohl für die Verhängung von Administrativverfahren wie auch für die Ausfällung von strafrechtlichen Sanktionen die gleiche Behörde zuständig sein soll. Dies hätte den Vorteil, dass die beiden Entscheide aufeinander abgestimmt werden könnten, was zum einen einem bundesgerichtlichen Postulat entspricht und zum anderen bürgerfreundlicher wäre. Im Übrigen ist die Lösung bereits in den Kantonen Schaffhausen und Obwalden verwirklicht, wo man mit dieser Regelung bis anhin (namentlich im Hinblick auf die Akzeptanz bei den Betroffenen) durchwegs positive Erfahrungen gemacht hat. Aufgrund der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung und Doktrin steht dabei eine einheitliche Zuständigkeit bei der Strafjustiz im Vordergrund. Die damit verbundenen technischen Probleme wären lösbar.


Der Regierungsrat wird eingeladen zu prüfen, ob und inwieweit im Kanton Basel-Land eine einheitliche Zuständigkeit für die Beurteilung von SVG-Delikten geschaffen werden kann und welche Anpassungen des kantonalen Rechts dazu notwendig wären.


Der Regierungsrat hat das Postulat betreffend Vermeidung der Mehrfachbestrafung bei SVG-Verstössen auftragsgemäss geprüft und nimmt dazu wie folgt Stellung:




1. Heutige Rechtslage


Nachfolgende Ausführungen beziehen sich jeweils nur auf den Bereich und die Fragestellung Strassenverkehr und nicht auf die Strafverfolgung im allgemeinen.


Die Mehrheit der Verstösse im Strassenverkehrsbereich löst zwei verschiedene Verfahren mit zwei unterschiedlichen Rechtsmittelwegen (Beschwerdewegen) aus:

Überblick über die Zuständigkeiten:

Strafen und Administrativmassnahmen gehen von einer unterschiedlichen gesetzgeberischen Absicht aus. Die Strafe stellt Vergeltung für begangenes Unrecht dar und besteht aus einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe (Busse). Die Administrativmassnahme (Führerausweisentzug oder andere Massnahme) hingegen dient der Förderung der Verkehrssicherheit und der Bekämpfung von Rückfällen. Dieses Nebeneinander beider Verfahren ist durch die Rechtsprechung anerkannt (vgl. z.B. den Entscheid des Bundesgerichts BGE 125 II 402 vom 23. Juni 1999, BGE 123 II 464 vom 12. September 1997, den Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Nr. 31982/96 vom 30. Mai 2000 sowie Ackermann/Ebensperger, Ne bis in idem in Aktuelle Juristische Praxis, AJP 7/99 S. 823 ff.). Das Bundesgericht präzisiert jedoch, dass die aufgrund der bestehenden Doppelspurigkeit ausgesprochenen Sanktionen in ihrer Gesamtheit schuldangemessen sein müssen und nicht zu einer verkappten Doppelbestrafung führen dürfen (BGE 123 II 464 E.2).




2. Zahlenangaben (2003)






3. Mögliche Formen der "Zusammenlegung"


Der Führerausweisentzug (und andere Massnahmen) wird im Bundesgesetz über den Strassenverkehr (SVG) nicht als strafrechtliche Massnahme aufgeführt. Vielmehr qualifiziert sie das Bundesgesetz als verwaltungsrechtliche Administrativmassnahme, was sich daran zeigt, dass sie von Gesetzes wegen von einer Verwaltungsbehörde zu verfügen ist 9 . Ohne Änderung des SVG kann an der Zuständigkeit und dem Verfahren nichts geändert werden. Es braucht ein Verwaltungsverfahren mit dem entsprechenden Beschwerdeweg. Im Gegensatz dazu muss die strafrechtliche Busse / Haft hingegen von der dafür vorgesehenen Strafjustizbehörde im Rahmen eines Strafverfahrens ausgesprochen werden. Die Verwaltungsbehörde, die über einen allfälligen Führerausweisentzug oder eine Verwarnung zu entscheiden hat, kann nicht die richterliche Funktion einer Strafbehörde übernehmen 10 .


Das Strafverfahren und das Administrativverfahren können ohne entsprechende Änderung des Bundesrechts nicht miteinander "fusioniert" werden. Nach geltendem Recht bleibt somit bloss die Möglichkeit, die Standorte der heute zuständigen Behörden zusammenzulegen resp. allenfalls ein neues Amt zu schaffen und/oder zusätzlich die beiden Verfahren Strafe und Administrativmassnahme durch eine Person, in Personalunion ausführen zu lassen. Bei der Variante Personalunion hätte ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin eine Doppelfunktion inne und wäre zuständig für 2 Verfahren: Das Strafverfahren und das Verwaltungsverfahren. Bei einem gemeinsamen Standort würden eine Person (Personalunion) oder auch zwei verschiedene Personen verfügen, die beiden Verfahren könnten jedoch aufgrund der örtlichen Nähe besser koordiniert werden (Aktenübergabe, Informationsaustausch etc.).


In zwei Kantonen wurden diese Lösungen umgesetzt:




3.1. Kanton Schaffhausen:


Im Kanton Schaffhausen ist die Idee einer einheitlichen Behörde für beide Verfahren seit der Schaffhauser Strafprozessordnungsrevision von 1986 (StPO, SHR 320.100) verwirklicht. Es handelt sich hierbei um ein besonderes Untersuchungsrichteramt, das sog. Verkehrsstrafamt (Art. 13 StPO SH). Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit ist der "Verkehr". Sämtliche Delikte, welche sich im Zusammenhang mit dem Verkehr ereignen (von Geschwindigkeitsübertretungen bis zur fahrlässigen Tötung im Strassenverkehr) werden dem Verkehrsstrafamt überwiesen. Die zu Grunde liegenden Bestimmungen der StPO SH lauten wie folgt:


Artikel 13 StPO SH - Zuständigkeit
1 Dem Untersuchungsrichteramt obliegt die selbständige Durchführung des Vorverfahrens in allen auf öffentliche Anklage hin zu verfolgenden Strafsachen, solange keine andere zuständige Behörde die Verfolgung übernommen hat.
2 Das Verkehrsstrafamt führt als besondere Untersuchungsbehörde das Vorverfahren nach den Bestimmungen dieses Gesetzes durch, wenn ausschliesslich Verkehrswiderhandlungen Gegenstand des Verfahrens bilden. Als Verkehrswiderhandlungen gelten alle Übertretungs- und Vergehenstatbestände der Strassenverkehrsgesetzgebung sowie der übrigen Spezialgesetzgebung im Bereiche des Verkehrs (Ziff. 74 der Systematischen Sammlung des Bundesrechts). Gleichgestellt sind Übertretungen und fahrlässige Vergehen gegen andere Gesetze, wenn die Tat im Verkehr zu Land, zu Wasser oder in der Luft begangen worden ist.
3 Das Verkehrsstrafamt kann einzelne andere strafbare Handlungen mitverfolgen, wenn diese neben den Verkehrswiderhandlungen von offenbar untergeordneter Bedeutung sind.
4 ...


Art. 14 StPO SH - Untersuchungsrichteramt
1 Die Untersuchungsrichter werden auf unverbindlichen Vorschlag des Obergerichtes vom Grossen Rat gewählt.
2 Das Obergericht kann für die Bearbeitung bestimmter Fälle oder auf begrenzte Zeit ausserordentliche Untersuchungsrichter ernennen. Es gibt dem Grossen Rat davon Kenntnis.
3 Im übrigen wird die Organisation des Untersuchungsrichteramtes durch Dekret des Grossen Rates 3) und durch Weisungen des Obergerichtes geregelt.


Art. 15 StPO SH - Verkehrsstrafamt
1 Das Verkehrsstrafamt steht unter der Leitung eines Polizeirichters. Dieser wird auf unverbindlichen Vorschlag des Regierungsrates vom Grossen Rat gewählt.
2 Dem Polizeirichter und seinem vom Regierungsrat bezeichneten Stellvertreter kommen bei der Verfolgung von Verkehrswiderhandlungen die Aufgaben und Befugnisse eines Untersuchungsrichters zu. In dringenden Fällen können die Untersuchungsrichter den Polizeirichter vertreten
3 Die Staatsanwaltschaft kann nach Erhebung einer Anklage in Verkehrsstraffällen die Vertretung derselben vor erster Instanz dem Polizeirichter überlassen.


§ 4 Kantonale Strassenverkehrsverordnung (SHR 741.011) Verkehrsstrafamt
1 Das Verkehrsstrafamt ist erstinstanzliche Verwaltungsbehörde für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr.
2 Es ist, in Zusammenarbeit mit dem Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt, zuständig für die Nachschulung von fehlbaren Lenkern und Lenkerinnen (Art. 40 f. der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr [VZV] 6)).
Der Schaffhauser Polizeirichter fällt in Personalunion beide Entscheide (Strafbefehl als strafrechtliche Sanktion und Führerausweisentzug als Administrativmassnahme). Beide Entscheide werden mit unterschiedlichen Briefköpfen in einem einzigen Couvert der betroffenen Person zugestellt. Rechtlich handelt es sich aber immer noch zwei verschiedene Verfahren (mit unterschiedlichen Instanzenzügen). Das Vehrkehrsstrafamt ist zuständig für sämtliche Administrativmassnahmen und Strafuntersuchungen im Bereich Verkehr (inkl. Schiffe und Flugzeuge, soweit sie nicht in die Bundeskompetenz fallen) und verfügt auch die Bussenumwandlungen. Bei Verfahren am Strafgericht wird die Anklage in der Regel durch das Vehrkehrsstrafamt vertreten.


Vergleich Eckdaten Kanton Basel-Landschaft mit dem Kanton Schaffhausen 11








3.2.Kanton Obwalden:


Das Verhöramt als Untersuchungsrichteramt ist einerseits für das Strafverfahren, das Verhöramt als Behörde für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr andererseits für die verwaltungsrechtlichen Administrativmassnahmen zuständig. Es wird auch hier in Personalunion zweimal verfügt.




4. Mögliche Varianten Kanton Basel-Landschaft


Bei den Varianten sind wie oben geschildert einerseits geographische Zusammenlegungen möglich, andererseits können die Aufgaben zusätzlich auch je personell zusammengelegt werden oder nicht. Die personelle Zusammenlegung (Personalunion) hat den Vorteil, dass eine Person jeweils einen Fall als Ganzes bearbeitet (Straf- und Administrativverfahren), ohne Personalunion verteilt sich die Bearbeitung eines Falles auf 2 Personen.


Strukturelle, organisatorische oder geographische Änderungen machen nur Sinn, wenn dabei die Aufgaben, welche heute von einer Behörde erfüllt werden, nicht neu aufgesplittet werden. Die heutigen Aufgabengebiete (siehe oben Ziffer 1) müssten "en bloc" transferiert werden, da ansonsten komplizierte neue Zuständigkeiten geschaffen würden. Im Nachfolgenden wird davon ausgegangen, dass nicht lediglich nur die Einzelaufgabe "Führerausweisentzug ja/nein", sondern alle damit zusammenhängenden Fragestellungen (andere adm. Massnahmen anstelle des Führerausweisentzuges, Kontrolle des Vollzugs, Wiedererteilung, ausserkantonale Entzüge ohne Strafverfahren, ausländ. Fahrer, Meldewesen für das gesamtschweizerische Register ADMAS etc., vgl. oben die Aufgabengebiete) als Einheit zu verstehen sind. Diese Aufgaben sind sinnvollerweise nicht aufzutrennen. Lediglich der Vollständigkeit halber wird unten die Variante A 1 Verteilung der MitarbeiterInnen der Administrativmassnahmen auf die Statthalterämter aufgeführt. Da es hierbei jedoch zu einer Aufteilung des heute zusammenhängenden Sachbereichs Administrativmassnahmen im Verkehrsbereich käme, macht diese Variante von vornherein wenig Sinn.




Variante A1 und A2
Ansiedlung beider Bereiche entweder bei den Gerichten (konkret bei den Statthalterämtern) oder bei der kantonalen Verwaltung (konkret bei der Hauptabteilung Verkehrssicherheit der Polizei Basel-Landschaft) - rein geographische Veränderung ohne strukturelle Änderung


Bei dieser Variante A1 müssten die Mitarbeiter/-innen der Verwaltung (HA Verkehrssicherheit, AM) auf die zur Gerichtsbarkeit zählenden Statthalterämter verteilt werden. Das gilt mit umgekehrten Vorzeichen auch für die Zuordnung der Zuständigkeit bei der Hauptabteilung Verkehrssicherheit der Polizei Basel-Landschaft (Variante A2 ). Ein/e oder mehrere Mitarbeiter/-innen der Statthalterämter müssten nach Lausen zur Hauptabteilung Verkehrssicherheit transferiert werden.


Die beiden Funktionen könnten zusätzlich auch jeweils von einer resp. mehreren Personen in Personalunion ausgeführt werden (siehe Variante C ). Diese Personen müssten dann gleichzeitig im Teilzeitpensum beim Statthalteramt und bei der Verwaltung (JPMD), also bei zwei verschiedenen Arbeitgebern des Kantons und mit zwei verschiedenen Lohnsystemen angestellt werden.


A1 5 Statthalterämter durch MitarbeiterInnen der HA Verkehrssicherheit (800%) verstärken

A2 (HA Verkehrssicherheit durch MitarbeiterInnen der Statthalterämter (3600%) verstärken



Variante B:
Neues "Verkehrsstatthalteramt" (Justiz und Verwaltung zusammen an einem Standort)


Es würde eine neue Behörde an einem (neuen) Ort geschaffen, mit Mitarbeitenden der Justiz und der Verwaltung, welche gemeinsam an einem Standort arbeiten. Ein solches neues Amt müsste als Untersuchungsrichteramt ausgestaltet werden (aufgrund der Strafuntersuchungsfunktion) und wäre aufgrund seiner Spezialaufgaben und der Zuständigkeiten für den ganzen Kanton am ehesten vergleichbar mit dem Besonderen Untersuchungsrichteramt für Wirtschaftsdelikte (BUR).


Auch hier könnten die beiden Funktionen jeweils von einer resp. mehreren Personen in Personalunion ausgeführt werden ( Variante C ). Die getrennten Verfahrenswege müssen nach wie vor eingehalten werden. Mit oder ohne Personalunion müssen daher die für die Administrativmassnahmen zuständigen Personen bei der Verwaltung (und nicht beim Kantonsgericht) angestellt sein.




5. Würdigung


Die Variante A1 Aufteilung der heutigen Hauptabteilung Verkehrssicherheit, Bereich Administrativmassnahmen auf die 5 bestehenden Statthalterämter würde die bis anhin bewährte Zentralisierung bei einer Behörde aufgeben, was zu einer unnötigen Zersplitterung, möglicherweise auch der Rechtspraxis, auf 5 Statthalterämter mit sich bringen würde. Diese Variante bringt keine ersichtlichen Vorteile und erscheint im Vergleich zu den anderen Varianten die am wenigsten sinnvolle, weshalb sie an dieser Stelle nicht weiter zu verfolgen ist.


Bei der Variante A2 (HA Verkehrssicherheit wird verstärkt durch Mitglieder der Statthalterämter) müssten Untersuchungsbeamte und -beamtinnen von allen 5 Statthalterämtern (insgesamt 3600 Stellenprozente) nach Lausen transferiert werden. Hier stellen sich vorab auch organisatorische und räumliche Fragen, dabei gilt es auch, die davon betroffenen Fallmengen und Personaldotierungen (36 Vollzeitstellen, wovon mehrere Teilzeitstellen sein dürften) mitzuberücksichtigen. Diese Variante wird wohl bereits am Raumproblem scheitern. Die Zuständigkeitsordnungen müssten beibehalten werden, sowohl die sachliche wie auch personelle Zuständigkeit, ansonsten wären umfassende Gesetzesänderungen wie bei der Variante B notwendig. Dies bedeutet, dass die MitarbeiterInnen der 5 Statthalterämter nach wie vor ihren eigenen Statthaltern unterstellt wären, aber ihr Büro an einem ganz anderen Ort haben. Hier sind Reibungsverluste und problematische Zuständigkeitsordnungen vorprogrammiert, weshalb auch diese Variante nicht sinnvoll erscheint. Abgesehen davon ergibt sich eine gewisse Problematik durch die personellen Doppelunterstellungen jeweils innerhalb des Amtes (Unterstellung der MitarbeiterInnen der Statthalterämter beim Kantonsgericht, die MitarbeiterInnen der HA Verkehrssicherheit bei der JPMD). Diese Variante überzeugt ebenfalls nicht .


Die Variante B (allenfalls kombiniert mit Variante C) entspricht der Zielsetzung des Postulates am ehesten. Wenn der finanzielle und Organisationsaufwand betrieben werden soll, lohnt es sich, die konsequenteste Form der Zusammenlegung zu verfolgen und ein neues Amt zu schaffen.


Zusammenfassung und Übersicht der Vor- und Nachteile eines neuen Amtes:


Vorteile

Nachteile



6. Was lässt sich auch bei einer "Zusammenlegung" bzw. Reorganisation nicht vermeiden ?






7. Haltung des Regierungsrates:


Im Kanton Basel-Landschaft sind heute gut funktionierende Verfahren im Bereich Strafverfolgung und Administrativmassnahmen im Verkehrsbereich vorhanden. Bei der Schaffung eines neuen Amtes und einer Zuständigkeitsänderung entsteht erheblicher Arbeitsaufwand, bis neue Abläufe klar und eingespielt sind, die technischen und personellen Anpassungen vorgenommen werden könnten und die neuen Strukturen umgesetzt sind. Zu berücksichtigen gilt auch der erhebliche finanzielle Mehraufwand für die Reorganisation. Diese bindet zudem erhebliche personelle Ressourcen, welche in dieser Zeit für andere Aufgaben und die Tagesgeschäfte fehlen.


Anlässlich der Revision des Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, wurde auf eidgenössischer Ebene geprüft, ob der Führerausweisentzug neu im Schweizerischen Strafgesetzbuch geregelt werden sollte. Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse wurde diese Variante aber fallen gelassen. Der Bundesrat hält in seiner Botschaft vom 21. September 1998 (AS 98.038, S. 1979 ff., 2059) unmissverständlich fest, dass die dem heutigen System angelasteten Doppelspurigkeiten zwischen Administrativbehörden und Strafgerichten mit einer solchen Änderung nicht vermieden werden könnten. Weiter weist der Bundesrat darauf hin, dass 23 Kantone, die grossen Parteien und viele weitere Organisationen sich im gleichzeitig durchgeführten Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Strassenverkehrsrechts dafür ausgesprochen hätten, das Verfahren auf Führerausweisentzug unabhängig vom Strafverfahren durchführen zu können.


Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im Rahmen der Revision des Strassenverkehrsrechtes vom Parlament und dem Bundesrat neue Bestimmungen beschlossen wurden, welche zu einer Verschärfung der heutigen Gesetze führen. Unter anderen wird die 0,5 Promillegrenze, der Grenzwert 0 für bestimmte Drogen und eine verschärfte Führerausweisentzugsregelung auf den 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt. ( www.astra.admin.ch/html/de/news/promille.php/index.php ). Diese Änderungen haben keine direkten Auswirkungen auf die vorliegenden Fragen des Postulates.


Die Bundesgesetzgebung sieht bei Verkehrsregelverletzungen zwei separate Verfahren vor und solange dies nicht gesamtschweizerisch geändert wird, verbleiben den Kantonen einzig "kosmetische Änderungen", welche jedoch den anvisierten Erfolg nicht erbringen können (einige Verfahren müssten nach wie vor zeitlich gestaffelt durchgeführt werden z.B. ausserkantonale Zuständigkeiten). Auch mit einer Neuorganisation liesse sich nicht vermeiden, dass 2 Verfügungen zu unterschiedlichen Zeiten ergehen, wenn beispielsweise im Strafpunkt appelliert wird und sich das Strafverfahren zeitlich hinzieht, während die Voraussetzungen zum Entscheid im Administrativverfahren jedoch schon vorliegen. Auch die Kantone Schaffhausen und Obwalden konnten keine besseren Lösungen finden und keine eigentliche "Fusionierung" der Verfahren erwirken.


Ein Vergleich mit dem Kanton Schaffhausen zeigt, dass rein aufgrund von Grösse und strassentechnischen Vorbedingungen (kleinere Verhältnisse, weniger Geschwindigkeitsübertretungen) eine andere Ausgangslage besteht. Die Organisation mit einem zentralen Amt und der Konzentration der Verfahren auf 2 juristische Mitarbeiter (nebst weiterem Personal), welche in Personalunion verfügen, wird für diesen Kanton als vorteilhaft gesehen. Es gilt dabei genau zu prüfen, ob dies auch in einem grösseren Kanton sinnvoll wäre. Zu prüfen sind auch die räumlichen Distanzen, sind doch bei Strafverfahren mit schweren Folgen auch regelmässig die Strafuntersuchungsbehörden (Statthalterämter) vor Ort am Unfallort zugegen.


Das aus dem Postulat hervorgehende Anliegen, dass im Bereich der Verkehrsdelikte das Strafverfahren und das Administrativverfahren resp. die daraus resultierenden Entscheide kantonsintern aufeinander abzustimmen sind, ist berechtigt. Die Gesamtsicht wird heute dadurch sichergestellt, dass die Administrativbehörde (Hauptabteilung Verkehrssicherheit der Polizei Basel-Landschaft) in der Regel mit ihrem Entscheid bis zum Vorliegen des Strafentscheides zuwartet, insbesondere wenn sich der Betroffene gegen die Administrativmassnahme zur Wehr setzt oder der Sachverhalt von ihm bestritten wird. In gewissen Fällen ist es hingegen durchaus sinnvoll und auch nötig, dass ein Führerausweisentzug möglichst unmittelbar nach Begehung des Verkehrsdelikts ausgesprochen wird, denn so werden die Konsequenzen des fehlbaren Verhaltens bei den Betroffenen deutlicher spürbar, wenn möglichst rasch im Anschluss an die Tat die Massnahme verfügt ("gespürt") wird.


Soll die Transparenz hinsichtlich der zwei verschiedenen Verfahren verbessert werden, kann dies durch entsprechende Information der betroffenen Personen und durch eine Sensibilisierung der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgen, beispielsweise indem die zuerst entscheidende Behörde (je nach Einzelfall die Strafbehörde oder die Administrativbehörde) ausdrücklich - sei es in der Verfügung selbst oder auch in einem separaten Informationsblatt - darauf hinweist, dass die Administrativbehörde im Nachgang zum Strafentscheid von Gesetzes wegen noch zu prüfen habe, ob eine Administrativmassnahme (Verwarnung oder Führerausweisentzug) anzuordnen sei. Sind die Betroffenen entsprechend informiert, dürfte das Verständnis für das zweistufige Verfahren eher vorhanden sein, auf eine breite Akzeptanz bei den Betroffenen (welche durch die angeordneten Massnahmen empfindlich getroffen werden und daher ohnehin nicht zufrieden sind) wird es wohl nie stossen, solange zwei separate Verfahrenswege bundesrechtlich vorgegeben sind.


Die zuständigen Behörden Kantonsgericht und Polizei BL sprechen sich in ihren Mitberichten gegen eine Änderung der jetzigen Organisationsformen aus. Das Kantonsgericht gibt zu bedenken, dass ein Transfer von Personal der Statthalterämter zur Hauptabteilung Verkehrssicherheit die heutige flexible Struktur des Kapazitätenausgleichs bei den Statthalterämtern eingreifen würde und unabschätzbare Pesonalaufstockungen zur Folge hätte. Dasselbe gelte bei deiner Zentralisierung zu einem Verkehrsstatthalteramt. Das Kantonsgericht legt grossen Wert darauf, dass die mit der Gerichtsreform erfolgte Entflechtung von Justiz- und Verwaltungsbehörden beibehalten werde, was gegen eine personelle Zusammenlegung spreche.


Bei allen untersuchten Varianten resultierten entweder problematische Doppelunterstellungen des Personals oder räumliche Trennungen vom "Hauptamt", die Zuständigkeitskonflikte provozieren. Da sich ohne entsprechende Änderung des Bundesrechts eine kostenneutrale und strukturerhaltende Zusammenlegung von Strafverfahren und Administrativverfahren nicht erreichen lasse, unterstützt das Kantonsgericht die Empfehlung und den Antrag des Regierungsrates.


Der Regierungsrat ist der Auffassung, dass auch bei einer Zusammenlegung der Verfahren nicht die erwünschte Zielsetzung bewirkt werden kann und der Reorganisationsaufwand gemessen am erhofften Ergebnis zu gross ist. Der Regierungsrat empfiehlt daher, das Postulat nicht weiterzuverfolgen und abzuschreiben.




8. Zusammenfassung


Die mit dem Postulat angeregte Zusammenlegung der Verfahren ist aus bundesrechtlichen Gründen nicht möglich (separate Verfahren gemäss SVG vorgegeben, Verwaltungsbehörde kann keine Strafentscheide erlassen). Mögliche Lösungen, wie die Schaffung eines neuen Verkehrsstrafamtes mit dem Personal der beiden heute zuständigen Behörden (Statthalterämter und HA Verkehrssicherheit der Polizei Basel-Landschaft, Bereich Administrativmassnahmen) resp. die Verfügung/Entscheid durch eine Person in Personalunion durchführen zu lassen, bringen nicht die erhofften Vorteile, da in einem Teil der Fälle - aus verschiedenen Gründen - immer noch 2 separate Verfügungen notwendig sind. Insgesamt erscheint der Reorganisationsaufwand gemessen an der damit erhofften Zielsetzung zu gross.




9. Antrag


Mit dem vorliegenden Bericht hat der Regierungsrat auftragsgemäss das Postulat geprüft und dem Landrat über seine Abklärungen berichtet.


Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, das Postulat 2002/230 von Dieter Völlmin betreffend Vermeidung der Mehrfachbestrafung bei SVG-Verstössen abzuschreiben.


Liestal, 14. Dezember 2004


Im Namen des Regierungsrates
der Präsident: Ballmer
der Landschreiber: Mundschin



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Fussnoten:


1 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21.12.1937, SR 311


2 Strassenverkehrsgesetz vom 19.12.1958


3 Verordnung vom 19. Juni 1995 über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer und -führerinnen (Chauffeurverordnung, ARV 1 ) und Verordnung vom 6. Mai 1981 über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Führer von leichten Personentransportfahrzeugen und schweren Personenwagen (ARV 2), SR 822.221 und 822.222


4 Verkehrsregelnverordnung (VRV) vom 13.11.1962


5 § 7 der kantonalen Strafprozessordnung vom 3. Juni 1999 (SGS 251)


6 Verordnung vom 27.10.1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV), SR 741.51


7 Verkehrsversicherungsverordnung (VVV) vom 20.11.1959


8 Verordnung vom 27.10.1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV), SR 741.51


9 Art. 22 Abs. 1 SVG: Die Ausweise werden von den Verwaltungsbehörden erteilt und entzogen.
Entscheid des Bundesgerichts 123 II 464 E.2: "Nach geltendem Recht ist ein Führerausweisentzug im Strafverfah-ren nicht möglich, sondern nur im Administrativverfahren."


10 vgl. Entscheid des Bundesgerichts vom 12.9.1997, BGE 123 II 464 E.2


11 Quelle: Bundesamt für Statistik, Version vor der Umgestaltung Internetsite, Oktober 2004.