2004-291 (1)


Am 11. November 2004 reichte Landrat Urs Hammel die folgende Interpellation ein:

Was die SD anlässlich der Abstimmung über die Bilateralen Verträge mit der EU voraussagte, ist schneller eingetroffen als befürchtet. Mit Inkrafttreten der Bilateralen Verträge mit der EU werden ausländische Arbeiter trotz flankierender Massnahmen zu niedrigsten Löhnen angestellt. Sogar Paul Rechsteiner, der Präsident des Gewerkschaftsbundes (SGB) sagt: "Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bereits bestätigt. Wo Kontrollen durchgeführt werden, kommen quer durch die Schweiz gravierende Missstände und Lohndrückerei ans Tageslicht."


Der Anreiz, Arbeiterinnen und Arbeiter aus den Nachbarländern zu einem Salär von bis zu 50 Prozent unter den schweizerischen Tarifen anzustellen, ist massiv gestiegen. Schuld an dieser teilweise grassierenden Misere sind jene Kantone, die auf Baustellen und an anderen Arbeitsplätzen kaum kontrollierten und die gesetzlichen Regelungen der bereits geltenden sogenannten "flankierenden Massnahmen" kaum durchsetzten. Dies ist mit ein Grund, warum trotz Aufschwung in der Schweiz die Arbeitslosigkeit nicht zurückgeht.


In unserem Kanton wurde wenigstens - mit Erfolg - eine Stelle geschaffen, die den Missständen auf den Leib rücken soll. Ein Drittel der kontrollierten ausländischen Firmen sollen auch bei uns gegen das Gesetz verstossen haben.


Ich frage deshalb den Regierungsrat an:


1. Wie streng werden die Arbeiter kontrolliert?


2. Werden die Firmen, welche sich nicht nach unseren Tarifen richten, wirklich hart gebüsst oder nur leicht verwarnt?


3. Wie hoch sind die Ansätze? Wer kontrolliert den Eingang der Bussen und was geschieht bei Nichtbezahlung von Bussen oder Nichtbeachtung von Anweisungen?


4. Gibt es auch im Baselbiet Ausländer, die als sogenannt unechte Gewerbetreibende / Selbständigerwerbende arbeiten? Wie gross ist deren Anteil? Und mit was für Massnahmen will man verhindern, dass diese Leute wieder ins Land arbeiten kommen?




Antwort des Regierungsrates


1. Wie streng werden die Arbeiter kontrolliert?


Inländische Arbeitgebende müssen ihren schweizerischen und ausländischen Arbeitnehmenden diejenigen Lohn- und Arbeitsbedingungen gewähren, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates und allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen vorgeschrieben sind. Ausserhalb dieses Bereichs können die Parteien den Inhalt eines Arbeitsvertrages grundsätzlich frei vereinbaren. Arbeitgebende mit Sitz in der EG oder der EFTA dürfen Arbeitnehmende für 90 Tage pro Kalenderjahr in die Schweiz zur Erbringung einer Dienstleistung entsenden, sofern auch sie die vorgenannten Lohn- und Arbeitsbedingungen gewähren und ausserdem die zu entsendenden Arbeitnehmenden vorgängig der zuständigen kantonalen Behörde melden. Länger andauernde Entsendungen sind bewilligungspflichtig und werden vor der Bewilligungserteilung auf Einhaltung der orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen geprüft. Im Kanton Basel-Landschaft ist das KIGA Baselland sowohl Melde- als auch Bewilligungsbehörde (letzteres zusammen mit dem Amt für Migration).


Die Zuständigkeit für nachgängige Kontrollen ist auf staatliche Behörden und private Organisationen aufgeteilt. Während die Kontrolle der Einhaltung der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge den paritätischen Kommissionen, d.h. den Sozialpartnern der betreffenden Branchen, obliegt, wird die Befolgung der gesetzlichen Bestimmungen durch die staatlichen Behörden, insbesondere durch das KIGA Baselland, kontrolliert. Im Jahre 2004 hat das KIGA Baselland im Bereich Schwarzarbeit 77 und im Bereich Entsendungen (seit dem 1. Juni 2004) 58 Betriebs- bzw. Baustellenkontrollen durchgeführt. Die Zentrale Paritätische Kontrollstelle (ZPK) als Kontrollorganisation des Baselbieter Ausbaugewerbes hat nach eigenen Angaben über 100 Kontrollen betreffend Einhaltung von Gesamtarbeitsverträgen vorgenommen.




2. Werden die Firmen, welche sich nicht nach unseren Tarifen richten, wirklich hart gebüsst oder nur leicht verwarnt?


Gemäss den bundesrechtlichen Vorgaben wird einem ausländischen Arbeitgebenden, der seinen entsandten Arbeitnehmenden nicht mindestens die allgemeinverbindlichen Lohn- und Arbeitsbedingungen gewährt, bei einem geringfügigen Verstoss eine Verwaltungsbusse von bis zu 5'000 Franken und bei einem nicht geringfügigen Verstoss eine Dienstleistungssperre von bis zu 5 Jahren auferlegt. Geht ein Arbeitgebender systematisch vor und handelt er in gewinnsüchtiger Absicht, so wird ein Strafverfahren eröffnet, wo ihm eine Busse von bis zu 1'000'000 Franken droht. In allen Fällen werden ihm auch noch die Kontrollkosten überbunden. Überdies können zusätzliche einschneidende Sanktionen gestützt auf den jeweils geltenden Gesamtarbeitsvertrag erfolgen.




3. Wie hoch sind die Ansätze? Wer kontrolliert den Eingang der Bussen und was geschieht bei Nichtbezahlung von Bussen oder Nichtbeachtung von Anweisungen?


Bezüglich der Bussenansätze sei auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer 2 verwiesen.


Der Eingang der Verwaltungsbussen und Kontrollkosten wird vom KIGA Baselland und der Eingang der strafrechtlichen Bussen von den Strafverfolgungsbehörden kontrolliert. Bei Nichtbezahlung der Verwaltungsbussen und Kontrollkosten kann nach geltendem Recht eine Betreibung gemäss dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs eingeleitet werden. Das am 17. Dezember 2004 von der Bundesversammlung revidierte Entsendegesetz sieht bei Nichtbezahlung rechtskräftiger Bussen neu die Auferlegung einer Dienstleistungssperre von bis zu 5 Jahren vor. Strafrechtliche Bussen können bei Nichtbezahlung in Haft umgewandelt werden. In diesem Fall werden 30 Franken Busse 1 Tag Haft gleichgesetzt, wobei die Umwandlungsstrafe die Dauer von 3 Monaten nicht übersteigen darf.




4. Gibt es auch im Baselbiet Ausländer, die als sogenannt unechte Gewerbetreibende / Selbständigerwerbende arbeiten? Wie gross ist deren Anteil? Und mit was für Massnahmen will man verhindern, dass diese Leute wieder ins Land arbeiten kommen?


EG- und EFTA-Staatsangehörige dürfen in der Schweiz eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen, sofern auch die für Schweizerinnen und Schweizer geltenden gesundheits- und wirtschaftpolizeilichen Vorschriften (Gewerbegesetze, Berufsausübungsbewilligungen etc.) eingehalten werden. Hierfür erteilen ihnen die zuständigen kantonalen Behörden zunächst eine Aufenthaltsbewilligung von 6 Monaten. Vor Ablauf dieser sogenannten Einrichtungszeit muss eine selbständige und existenzsichernde Erwerbstätigkeit mit Belegen nachgewiesen werden. Nur wenn dieser Nachweis gelingt, wird die erstmalige Bewilligung verlängert.


EG- und EFTA-Staatsangehörige dürfen in der EG und der EFTA nach den dort geltenden Vorschriften eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben. Als Selbständigerwerbende dürfen sie ihre Dienstleistungen für bis zu 90 Tage pro Kalenderjahr auch in der Schweiz erbringen, sofern sie die Dienstleistungen vorgängig bei den zuständigen kantonalen Behörden melden. Im Rahmen des Meldeverfahrens prüfen diese Behörden bei einem konkreten Verdacht auch den Status des Selbständigerwerbenden durch Nachforderung von Belegen bei der betroffenen Person oder durch Nachfrage bei den zuständigen ausländischen Behörden.


Die Prüfungen im Rahmen des Bewilligungs- und Meldeverfahrens haben sich bewährt. Seit dem Inkrafttreten der Freizügigkeitsabkommen mit der EG und der EFTA sind im Kanton Basel-Landschaft keine Fälle von unechten Selbständigerwerbenden aufgedeckt worden.


Der Vollzug der flankierenden Massnahmen des Kantons Basel-Landschaft und damit der Kampf gegen Schwarzarbeit und Lohndumping werden vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) als gut beurteilt. Entsprechend wird das Baselbieter Vollzugsmodell (zusammen mit jenem der Kantone Genf, Tessin und Zürich) seitens der Task Force von Bundesrat Joseph Deiss den anderen Kantonen ausdrücklich als nachahmenswertes Modell empfohlen.


Liestal, 4. Januar 2005


Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Ballmer
Der Landschreiber: Mundschin



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