2004-156 (1)


Am 24. Juni 2004 Simone Abt eine Interpellation betreffend "Entscheid des Nationalrates: Strafrechtliche Verfolgung von Cannabis-KonsumentInnen statt Jugendschutz und Opportunitätsprinzip" eingereicht. Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:

Text:
Letzte Woche fiel der zu erwartende Entscheid des Nationalrates in Bern: Das über 25-jährige, dringend revisionsbedürftige Betäubungsmittelgesetz bleibt uns vorläufig unverändert erhalten.


Der Konsum von Cannabis bleibt strafbar, auch für Erwachsene. Bereits meldeten zahlreiche Kantone hinsichtlich des Vollzugs grosse Bedenken an. Die schon mit der bisherigen Praxis überforderten Polizeicorps sehen sich jetzt noch ernsthafteren Problemen gegenüber, da der politische Entscheid nun ein konsequentes Durchgreifen verlangen würde, dieses aber kaum realisierbar ist. Deshalb erklärten einige Kantone, wie bisher nach Opportunität einschreiten zu wollen und auf eine systematische Verfolgung der KonsumentInnen von Cannabis zu verzichten.


Das definitive Belassen des Cannabis-Marktes in der Illegalität vernichtet vor allem die bisherigen Ansätze für einen Jugendschutz, da sich der Schwarzmarkt wohl kaum auf Gentlemen's Agreements einlassen wird wie einst die Hanfläden. Auch gesetzlich lässt sich der Rauschhanf nicht erfassen und reglementieren, da illegale Stoffe für die Rechtsordnung gar nicht existieren.


Die Baselbieter Regierung begrüsste den Entscheid des Nationalrats nichtsdestotrotz mit preisenden Worten.


Ich bitte den Regierungsrat um schriftliche Beantwortung folgender Fragen:


Beantwortung der Fragen:

Frage 1:


Wie hält es der Regierungsrat mit dem im Bundesrecht nicht verankerten Opportunitätsprinzip? Haben die Kantone einen entsprechenden Spielraum und falls ja, wie gedenkt der Regierungsrat diesen zu nutzen?


Sowohl im geltenden Betäubungsmittelgesetz (siehe Artikel 19a BetmG zum Betäubungsmittelkonsum; Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens oder Absehen von Strafe oder sogar Strafverfolgung) als auch in der kantonalen Strafprozessordnung ist das Opportunitätsprinzip - das heisst der Verzicht auf Strafverfolgung aus Gründen der Zweckmässigkeit - vorgesehen. Dieser Grundsatz räumt den zur Anwendung berechtigten Behörden einen gewissen Ermessensspielraum ein.


Der Entscheid des Nationalrates vom 14. Juni 2004, auf die Revision des Betäubungsmittelgesetzes nicht einzutreten, hat an der Vorgehensweise bei Cannabiskonsum im Kanton Basel-Landschaft nichts geändert. Das heisst, der eingeräumte Ermessensspielraum wird im Rahmen der geltenden Gesetze weiterhin genutzt. Sowohl die Polizei Basel-Landschaft als auch die unabhängigen Justizbehörden (Jugendanwaltschaft, Statthalterämter und Strafgericht) haben klare gesetzliche Aufträge. Klar festzuhalten ist hingegen, dass das Opportunitätsprinzip bei Handel von Betäubungsmitteln nicht greift.


Die Polizei Basel-Landschaft hat bereits bis zum Entscheid des Nationalrates keine Jagd auf Cannabiskonsumenten gemacht und hat auch nicht vor, dies in Zukunft zu tun. Hauptschwerpunkt war und ist die Bekämpfung der harten Drogen und die Verhinderung von offenen Drogenszenen. Im Interesse der Verkehrssicherheit und des Jugendschutzes werden aber in diesen Bereichen Schwerpunkte gesetzt. Der Konsum von Cannabisprodukten am Steuer oder Lenker birgt erhebliche Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer. Auch im Bereich der jungen Cannabis-Konsumenten muss der aktuelle Trend hin zu einem immer tieferen Eintrittsalter und immer häufigerem Konsum junger Konsumenten begegnet werden.


Bereits seit geraumer Zeit gehen Polizeirapporte betreffend Cannabiskonsum von Erwachsenen an den Kantonsarzt, wobei in der Regel auf ein weiteres Strafverfahren verzichtet werden kann, wenn die gemeldete Person ein eingehendes Gespräch mit dem Drogenbeauftragten geführt hat.


Im Jugendbereich wird zunächst mit den Inhabern der elterlichen Sorge der verzeigten Minderjährigen Kontakt aufgenommen. Je nach Situation wird die Drogenberatung Basel-Landschaft mit einer Kurzabklärung beauftragt oder der Jugendliche für einen Cannabispräventionskurs aufgeboten. Dieser wird von der Jugendanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Drogenberatung Basel-Landschaft und der Gesundheitsförderung Basel-Landschaft monatlich durchgeführt. Dieses Vorgehen im Jugendbereich hat sich bewährt.


Im Jahre 2005 werden die Kurse ausgebaut. Zudem sind mehrere Arbeitsgruppen eingesetzt worden, die eine Optimierung der Präventionsbemühungen im Bereich Cannabiskonsum von Jugendlichen bzw. eine drogenfreie Schule zum Ziel haben.


Den Behörden des Kantons Basel-Landschaft geht es nicht darum, eine Jagd auf Cannabiskonsumenten zu veranstalten, sondern vielmehr darum, Erwachsenen und Minderjährigen die erheblichen Gefahren dieses Konsums vor Augen zu führen. Zudem sollen bei gefährdeten Personen, insbesondere bei Jugendlichen, möglichst frühzeitig die notwendigen Schritte eingeleitet werden können.


Dass dies einem Bedürfnis der involvierten Behörden und Fachpersonen entspricht, zeigte nicht zuletzt die Cannabis-Tagung der JPMD von Mitte September 2004 und das abgefragte Feedback. Die von rund 200 Personen - vornehmlich Frontleute aus Schule und Sozialarbeit - besuchte Veranstaltung entsprach einem grossen Bedürfnis und die Möglichkeit zur Vernetzung wurde sehr geschätzt.




Frage 2:


"Welche Massnahmen schlägt der Regierungsrat für den Jugendschutz vor, wenn eine Marktregulierung mit Verkaufsverbot an Jugendliche nicht mehr möglich ist?"


Der Regierungsrat hat zuhanden des Landrates ein Gesetz über den Anbau und die Abgabe von Hanfprodukten verabschiedet. Mit diesem neuen Instrument wird der Zugang der Jugendlichen zu Betäubungsmittel-Cannabis deutlich erschwert. Mit dem Gesetz wird es etwa möglich sein, einen Hanfladen direkt neben einer Schule zu verhindern.


Wichtig ist auch weiterhin eine verbesserte Vernetzung aller involvierter Stellen wie Polizei, Justiz- und Gesundheitsbehörden und Schulen, die alle in ihrem Zuständigkeitsbereich schon heute einen wichtigen Beitrag zur Suchtprävention leisten und auch weiterhin leisten werden. Wie diese im Einzelnen aussehen, kann u.a. auch auf Homepage des Kantons nachgelesen werden.




Frage 3:


"Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Baselstädtischen Regierungsrat zur Vermeidung eines Cannabis-Tourismus von einem Kanton in den anderen?"


Aus der Sicht der JPMD können wir berichten, dass die diesbezügliche Zusammenarbeit der involvierten Behörden (etwa zwischen den Jugendanwaltschaften Basel-Landschaft und Basel-Stadt) gut ist.


Seit dem die Hanfläden im Kanton Basel-Landschaft nahezu verschwunden sind, haben wir weder von Basel-Stadt, noch von einem anderen Nachbarkanton Hinweise erhalten, die auf eine Abwanderung der Hanfladenszene in einen anderen Kanton schliessen lassen.


Ein praktisches Beispiel aus der erfolgreichen Zusammenarbeit der beiden Basel möchten wir hier nicht unerwähnt lassen: Basel-Stadt hat kürzlich, dem Beispiel des Kantons Basel-Landschaft folgend, auch damit begonnen, minderjährige Cannabiskonsumenten an einen Cannabispräventionskurs aufzubieten.




Frage 4:


Welche Massnahmen sind zur strikten Durchsetzung des geltenden Rechtes im Sinne des Entscheides des Nationalrates (strafrechtliche Verfolgung erwachsener KonsumentInnen, Bekämpfung des Schwarzmarktes etc.) erforderlich?


Der Konsum von Cannabis ist ein Offizialdelikt. Das heisst, damit müsste jeder Konsument strafrechtlich verfolgt werden. Das heisst weiter, sobald die Strafverfolgungsbehörden inkl. Polizei davon Kenntnis erhalten, müssen sie aktiv werden. Dies würde erheblichste Personalverstärkungen auf allen Ebenen infolge Mehrarbeit zur Folge haben, der aber nicht quantifizierbar ist.


Der Regierungsrat will - wie bereits in der Antwort auf Frage 1 dargelegt - nicht von seiner bewährten und erfolgreichen Strafverfolgungpraxis im Bereich Cannabis abweichen.




Frage 5:


Um wieviel Prozent erhöht sich dadurch der polizeiliche Aufwand und wieviel wird den Kanton die konsequente Durchsetzung des BTMG im Jahr kosten?


Bereits vor dem Entscheid des Nationalrats haben die Polizei Basel-Landschaft und die Strafverfolgungsbehörden das Betäubungsmittelgesetz konsequent durchgesetzt. Aus diesem Grund gibt es auch keinen höheren Aufwand für die Polizei nach dem Entscheid des Nationalrats. Die Polizei Basel-Landschaft hat auch kein Personal aus anderen Bereichen für den Betäubungsmittelbereich umgeteilt. Die Drogenfahndung besteht zur Zeit aus 10,4 Stellen.




Frage 6:


Setzt sich der Regierungsrat in Bern dafür ein, dass schnellstmöglich eine Revision des BTMG stattfinden kann, und welche Themen sollte diese beinhalten?


Wir stellen fest, dass der Landrat seine Standesinitiative zur Cannabis-Legalisierung zurückgezogen hat - dies mit dem ausdrücklichen Ziel, "ein Zeichen" zu setzen. Der Regierungsrat geht davon aus, dass sich an dieser Haltung nichts verändert hat. Daher wird auch er nichts in Richtung Legalisierung unternehmen.


Weite Teile der Revision des Betäubungsmittelgesetzes waren, im Gegensatz zur Frage der Legalisierung, unbestritten. Wir gehen davon aus, dass der Bund diese unbestrittenen Teile des Betäubungsmittelgesetzes in einer neuen Vorlage wieder bringen wird.



Liestal, 16. November 2004


Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Ballmer
Der Landschreiber: Mundschin



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