2004-184


Am 13. November 2003 hat Landrätin Elisabeth Schneider das Postulat über die Partizipation von Jugendlichen am politischen System ( LR Nr. 2003/092 ) mit folgendem Wortlaut eingereicht:

"Der partizipative Ansatz wird immer mehr zum Standard in allen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Bevölkerung wird miteinbezogen, und das nicht erst, wenn das Projekt fixfertig auf dem Tisch liegt und die Meinungen der Entscheidungsträger/innen schon gemacht sind. Der Vorteil des partizipativen Vorgehens liegt auf der Hand: Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger werden frühzeitig erkannt, Ängste und Befürchtungen können abgebaut und Opposition einbezogen werden. Und: Wissen und Kompetenz der Bevölkerung fliessen gewinnbringend ins Projekt mit ein. Aufreibende Konflikte können vermieden werden. Wenn von partizipativem Einbezug der Bevölkerung die Rede ist, werden allerdings Jugendliche oft vergessen. Dabei gilt auch für diese Bevölkerungsgruppe, was für Erwachsene Gültigkeit hat. Sie haben eigene Bedürfnisse und Ansprüche an unseren Staat. Sie wissen oft sehr genau, was sie brauchen, und sie haben Kompetenz, die sie der gesamten Gesellschaft nutzbar machen können. Beim zunehmenden Rückzug der Bürgerinnen und Bürger aus dem öffentlichen Leben ist die Ausgrenzung des Nachwuchses eine verpasste Chance. Erfolgreiche Partizipation hat eine Neben- und Langzeitwirkung, die weit über die eigentlichen Projekte hinausgehen.


Es gibt die unterschiedlichsten Varianten, um Jugendliche an wichtigen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Eine kürzlich erschienene Studie der unicef Schweiz zur Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz, zeigt eine Reihe von Möglichkeiten auf. Eine dieser Möglichkeiten ist eine repräsentative Beteiligung der Jugendlichen in einem Jugendparlament. Als gewählte Vertreterinnen und Vertreter beteiligen sich die Jugendlichen am politischen System. Weitere Möglichkeiten einer Beteiligung sind offene Partizipationsformen in Jugendforen oder -konferenzen, Jugendhearings oder Schulräten. Auch projektbezogene Beteiligungsmodelle, insbesondere auch die Vertretung in Erwachsenengremien, sind vorstellbar.


Damit wir den Jugendlichen eine Stimme geben können bitte ich den Regierungsrat zu prüfen, wie die Partizipation der Jugendlichen im Kanton Basel-Landschaft gefördert werden kann."


Der von Landrätin Schneider-Schneiter geschilderte partizipative Ansatz war schon 1985 Hintergrund einer Studie der Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen, die u.a. hervorbrachte, dass aus der Sicht der Jugendlichen die Politikerin und der Politiker weit vom Volk entfernt sind und in einer Sprache sprechen, die nicht verstanden wird. Unter anderem aufgrund dieser Studie wurde 1991 die Eidgenössische Jugendsession aus der Taufe gehoben. Auch im Kanton Basel-Landschaft tat sich in der Frage der Partizipation der Jugend am politischen System kurze Zeit später etwas. 1994 konstituierte sich die Konzeptgruppe IG Jugendparlament Basel-Landschaft, welche sich die Bildung eines kantonalen Jugendparlaments zum Ziel setzte und ein Konzept ausarbeitete. Dieses zielte darauf ab, ein Jugendparlament als Spezialkommission des Landrates einzusetzen. Nach einem Gespräch mit dem damaligen Landratspräsidenten, Herrn Daniel Müller, stellte sich diese Idee allerdings als unrealistisch heraus. Die IG begann stattdessen 1994 mit der Gründung eines unabhängigen Diskussionsforums für Jugendliche, dem sogenannten Jugendforum. Parallel dazu warb man aber auch bei der Regierung für die Einsetzung eines Jugendrates als beratende Kommission des Regierungsrates. Aufgrund drohender Komplikationen zwischen diesen beiden Jugendgremien beschloss die IG an einer späteren Sitzung, dass vorerst nur der Jugendrat eingesetzt werden soll. Dieser konnte nach intensiven Diskussionen zwischen der IG Jugendparlament und der Regierung 1995 offiziell gegründet werden. Drei Jahre später wurde der Jugendrat vom Regierungsrat offiziell auf unbefristete Zeit als regierungsrätliche Kommission bestätigt. Damit gab der Kanton Basel-Landschaft der Jugend als erster und bis heute einziger Kanton die Möglichkeit der ganz direkten Partizipation am politischen System. Mit der Entstehung des Jugendrates entstand aber gleichzeitig über die "Verordnung über den Jugendrat Baselland" auch ein Auftrag an die Jugend. Die in §1 festgesetzten Ziele des Jugendrates bestehen darin, die Interessen der Jugend gegenüber dem Regierungsrat und der Öffentlichkeit zu vertreten, sowie die Jugend für die Belange der Politik zu interessieren.


Inwiefern diese Ziele bisher erreicht wurden, und wie sich der Jugendrat von seiner Gründung an bis heute entwickelte, sei im Folgenden kurz beleuchtet:


Anfänglich mussten sich die Mitglieder des Jugendrates einarbeiten und sich verschiedenenorts Gehör verschaffen. Bald wurden die ersten Sessionen des Jugendforums (später Jugendparlament), dessen Organisation die IG Jugendparlament für den Jugendrat vorgesehen hatte, durchgeführt. Die damals bestehende Arbeitsgruppe Kultur des Jugendrates organisierte 1997, als erste Aktion des Rates, einen Stand am Jugendkulturfestival in Basel und veranstaltete im selben Jahr einen Ökotag zum Thema Abfall. Im Frühjahr 1998 kämpfte der Jugendrat erfolgreich gegen die Verkürzung der Dauer des Gymnasiums auf drei Jahre. Im Oktober desselben Jahres erschien dann auch erstmals das "BLättli", die vierteljährlich erscheinende Jugendzeitung für Politik und Kultur als offizielles Info-Organ des Jugendrates, welches bis heute erfolgreich jedes Quartal erscheint. Der bis anhin grösste Erfolg des Jugendrates begann im Jahr 2001. Der Jugendrat lancierte eine Petition, welche eine Nachtbuslinie ins Oberbaselbiet forderte. Diese Bemühungen hatten Erfolg: Sowohl der Regierungsrat wie auch der Landrat waren damit einverstanden, Nachtbuslinien in den Leistungsauftrag der BLT aufzunehmen und die SBB führte sogar den Nachtzug ein. Im Jahr darauf engagierte sich der Jugendrat erfolgreich bei der Entstehung des neuen Bildungsgesetzes, einerseits mit einem Forderungskatalog (flächendeckende Blockzeiten, Mitbestimmungsrechte der Schülerinnen und Schüler schon im Kindergarten, Mitarbeit der Schülerinnen und Schüler am Schulprogramm auf Sekundarstufe) und andererseits mit einer ausführlichen Vernehmlassungsantwort. Im selben Jahr befasste sich der Jugendrat auch stark mit den Abstimmungen und Wahlen. Zu den kantonalen Wahlen im Frühjahr 2003 organisierte der Jugendrat ein Podium mit etlichen Regierungsratskandidatinnen und Regierungsratskandidaten. Der Erfolg war gross, viele Jugendliche kamen. Im Mai 2003 wurde u.a. über die lipa-Lehrstelleninitiative abgestimmt. Der Jugendrat unterstützte diese klar und arbeitete einen Flyer aus, um in den Abstimmungskampf einzugreifen. Leider wurde die Vorlage abgelehnt. Im Jahr 2004 nahm der Jugendrat wie bis anhin zu den aktuellen Gesetzesvorlagen (Alkohol/Tabak und Hanf) Stellung und begann mit einem Projekt zur Rechtsextremismus- und Gruppendruckprävention an den Sekundarschulen.


Wie man anhand der obigen Aufzählung der Betätigungen des Jugendrates sieht, gibt es einige Zeiträume, in denen die Arbeit des Rates eher weniger erfolgreich verlaufen ist. Es gab einige Krisen seit Bestehen des Jugendrates. Die Gründe dafür sind verschieden. Rücktritte, zu hohe Belastung für einzelne Mitglieder, mangelnde Motivation aufgrund von Misserfolgen usw. Zu diesen Zeiten war die Arbeit des Gremiums nicht sehr produktiv und beschränkte sich auf die alltäglichen Aufgaben (BLättli, Vernehmlassungsantworten, Medienmitteilungen…). Momentan steht der Jugendrat aber wieder auf stärkeren Beinen. Die beiden vakanten Sitze konnten problemlos besetzt werden, der Frauenquote entsprechend (mindestens 4 Frauen und Männer) folgten auf die beiden weiblichen Rücktritte wieder zwei Frauen. Bei der Zusammensetzung des Jugendrates ist in der Verordnung ferner auch festgehalten, dass im Rahmen der Alterslimiten (14-26 Jahre) auf eine ausgewogene Verteilung zu achten ist. Darüber hinaus war und ist es dem Jugendrat selbst ein Anliegen, dass das Gremium betreffend den beruflichen/schulischen Richtungen ebenfalls ausgewogen zusammengesetzt ist.


Betreffend der oben erwähnten, in der Verordnung festgeschriebenen Ziele des Jugendrates, ist festzuhalten, dass der Rat auf allen drei Gebieten einiges gemacht und erreicht hat. Der Bereich der Medienarbeit bzw. der Vertretung der Interessen gegenüber der Öffentlichkeit, die der Jugendrat heute durch Medienmitteilungen und die Homepage www.jugendratbl.ch erreicht, kann noch optimiert werden, denn es stellt sich leider immer wieder heraus, dass noch zu wenige die regierungsrätliche Kommission Jugendrat kennen.


Für die Tätigkeiten des Jugendrates steht diesem ein Budget von CHF 25.000.- pro Jahr zur Verfügung. Daneben unterstützen jeweils Mitarbeitende des Generalsekretariates der BKSD den Jugendrat in administrativen Tätigkeiten. Eine Vertretung des Kantons und der Gemeinden nehmen an den Sitzungen beratend teil, vermitteln Kontakte und "öffnen Türen" innerhalb der Verwaltung.


Im Quervergleich zu anderen Kantonen besteht im Kanton Basel-Landschaft eine gut funktionierende Möglichkeit, die Jugendliche in die Meinungsbildung der Regierungstätigkeit einzubeziehen. Diese wird bei Bedarf von den Direktionen auch benutzt.




Antrag


Gestützt auf obige Ausführungen beantragt der Regierungsrat, das Postulat von Elisabeth Schmied ( LR. Nr. 2003/092 ) als erfüllt abzuschreiben.


Liestal, 31. August 2004


Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Ballmer
Der Landschreiber: Mundschin



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