2003-231 (1)


1. Organisation der Kommissionsberatung

Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission hat die Vorlage anlässlich ihrer Sitzungen vom 7. November 2003 (Einführung), 21. November 2003 (Anhörung) und vom 5. Dezember 2003 (Beratung) in Anwesenheit von Regierungsrat Erich Straumann, Generalsekretär Rosmarie Furrer und Simon Schmid, Wirtschaftsdelegierter des Kantons Basel-Landschaft, behandelt. Zur Anhörung wurden Professor Joachim Seelig, Obmann Biozentrum, und Rita Schiavi, Mitglied der Geschäftsleitung GBI, begrüsst.




2. Zielsetzung und Inhalt der Vorlage


Wie schon mit der Vorlage 2000/252 unterbreitet der Regierungsrat einen Wirtschaftsbericht, welcher zeitlich mit dem Kanton Basel-Stadt abgestimmt ist und auch einen durch die beiden statistischen Ämter erstellten statistischen Teil beinhaltet. Bereits mit der Vorlage 2002/296 wurde dem Landrat eine Standortbestimmung vorgelegt, deren Ausführungen in das Legislatur- und Regierungsprogramm sowie in den Finanzplan miteinbezogen wurden. Die Berichterstattung des Regierungsrates an den Landrat stützt sich auf die Motion 97/10, welche die Erstellung eines Berichtes über die Beurteilung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Baselland in allen wirtschaftsrelevanten Belangen beantragte. Der Landrat erweiterte den Landratsbeschluss auf Empfehlung der Volkswirtschafs- und Gesundheitskommission mit folgendem Punkt: "In der Regel alle 3 Jahre soll der Landrat einen Bericht zur Wirtschaftslage im Kanton Basel-Landschaft erhalten. Darin soll die Arbeitssituation der Frauen angemessen berücksichtigt werden".




Regionale Wirtschaft und Wachstum


Grundsätzlich wollen die Regierungen der beiden Basel - so weit möglich - die Region zusammen weiter entwickeln und die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Nachbarn Deutschland und Frankreich aufrecht erhalten, resp. weiter pflegen. Die anhaltende Rezession der Weltwirtschaft trifft die Nordwestschweiz ebenfalls stark, wobei sich diese auf einem höheren Wertschöpfungsniveau befindet als die übrige Schweiz und das umliegende Ausland. Die Region ist und bleibt ein guter Standort für bestehende und neue Unternehmen. Sie hat auch unter der seit Jahren andauernden Wachstumsflaute weniger gelitten als andere Teile des Landes.


Eindrückliche Zahlen betreffend der prognostizierten Entwicklung jedoch zeigen im statistischen Teil deutlich, dass sich der internationale Konkurrenzkampf verschärft hat und andere Regionen aufholen. Trotz Höchstleistungen in der Forschung gehen zu wenige Impulse auf das Wirtschaftswachstum aus. Als einziges Land der OECD hat die Schweiz in den Neunziger Jahren eine negative Wachstumsrate des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) pro Kopf ausgewiesen. Ohne ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum kann der hohe Lebensstandard nicht gesichert werden. Dies ist bedenklich, nicht zuletzt angesichts der noch anstehenden Bewältigung der Probleme, die sich aus der zunehmenden Alterung der Bevölkerung ergeben. Da das Beschäftigungspotenzial in der Schweiz weitgehend ausgeschöpft ist, muss eine Steigerung der Arbeitsproduktivität fokussiert werden. Als massgebliche Determinanten der Arbeitsproduktivität identifiziert der Bundesrat in seinem Aktionsplan zur Förderung von Innovation und Unternehmertum die Komponenten Bildung und technischen Fortschritt.


Innovation - die Triebfeder der Wirtschaftsentwicklung - ist ein Prozess, bei dem aus Ideen handelbare Werte geschaffen werden. Studien belegen, dass die Innovationsleistung der Schweizer Wirtschaft zwar immer noch eine der höchsten ist, ihren Vorsprung jedoch zunehmend einbüsst und dass die technischen und wissensbasierten Dienste unterdurchschnittlich verlaufen. Wir brauchen deshalb zur Sicherung eines langfristigen und nachhaltigen Wohlstandes eine Wirtschaft, welche im globalen Innovationswettbewerb wieder erfolgreicher wird. Innovationspolitik beinhaltet auch Bereiche, welche üblicherweise nicht direkt mit Wirtschaftspolitik in Verbindung gebracht werden. Dies trifft speziell auf die Bildungs- und Forschungsbereiche zu. Der öffentlichen Hand kommt dabei die Aufgabe zu, den Rahmen für einen leistungsfähigen Bildungs-, Forschungs- und Technologiebereich zur Verfügung zu stellen, der die Forschungsanstrengungen der Unternehmen ergänzt, die rasche Umsetzung und Anwendung von Wissen begünstigt und optimale Bedingungen schafft, die dem Unternehmertum eine möglichst freie und ungehinderte Entfaltung ermöglichen.


Letztlich jedoch ist und bleibt Innovation eine Angelegenheit der Unternehmer, welche neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen.


Auch wenn die Innovationskraft der Region nach neusten Studien als recht gut eingestuft wird, gilt das Umsetzen von Innovationen in Prozesse und Produkte als eine Schwäche. Im Rahmen seiner Wirtschaftspolitik will der Regierungsrat diese Schwächen abbauen. Bereits heute bietet die öffentliche Hand auf verschiedenen Ebenen und Massnahmen vielfältige Unterstützung. Weitere werden evaluiert (S. 12 der Vorlage). Die Wirtschaftsförderung kann mithelfen, die Schwächen der regionalen Wirtschaft abzubauen. Neue Ansätze dazu wurden in den letzten zwei Jahre entwickelt; nun werden sie bei der Revision des Wirtschaftsförderungs-Gesetzes einbezogen.




Impulse für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf


Im Rahmen der Vorlage 2000/252 wurden aus dem Wirtschaftsförderungsfonds 3 Millionen Franken - verteilt auf 3 Jahre - für die Realisierung des Impulsprogramms "Familie und Beruf" gesprochen. Damit soll eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle gefördert werden. Vordringliches Ziel ist es, ein Kinderkrippen-Angebot für Kinder zwischen 0 und 5 Jahren zu erreichen. Man geht/ging davon aus, dass die Wirtschaft selber aktiv wird und der Kanton eine Anschubfinanzierung vornimmt. Eine gute familienergänzende Betreuung der Kinder ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass beide Elternteile einer - allenfalls auch nur teilzeitigen - Erwerbstätigkeit nachgehen können und damit das volkswirtschaftliche Arbeitsangebot noch etwas erweitert werden kann. Zurzeit können fünf private Trägerschaften, die zusammen 73 neue Ganztagesbetreuungsplätze in Tagesheimen anbieten, von Zuschüssen aus dem Impulsprogramm profitieren. Ebenfalls gefördert wird ein Tagesfamilienverein. Die derzeitige Wirtschaftslage lässt zur Zeit leider wenig Spielraum für zusätzliche Vorhaben. Auch wenig kostenintensive Massnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden zurückgestellt. So werden die bisher realisierten Betreuungseinrichtungen alle von den Standortgemeinden mitfinanziert. Die demographischen Daten zeigen deutlich auf, dass so oder so in einigen Jahren besonders qualifizierte Arbeitskräfte fehlen werden. Der Bedarf wird nur durch Zuwanderung oder/und durch die Erhöhung der Erwerbsquote der Frauen gedeckt werden können.


In den nachfolgenden Kapiteln werden die thematischen Schwerpunkte der derzeitigen Schwerpunkte der Wirtschaftsförderung dargelegt und es sei auf die Vorlage verwiesen:




3. Detailberatung


Die Ausführungen von Professor Joachim Seelig, Obmann des Biozentrums, unterstrichen die Bedeutung des Bereichs Life Sciences für unsere Region und die Wichtigkeit des damit verbundenen Projektes "ETH Basel". Unter dem Begriff Life Sciences werden hier vor allem die Bereiche Pharma, Medizinaltechnik und Agro-Chemie assoziiert. Der Life Sciences-Bereich ist der Wachstumsmotor unserer Wirtschaft. Ohne diesen Bereich dürfte der Standort Basel wirtschaftlich sehr schnell in die Bedeutungslosigkeit abdriften. Der neue wissenschaftliche Weg spürt die genetischen Fakten auf, mit deren Erkenntnissen neue Produkte entwickelt werden, welche beispielsweise das Wuchern kranker Zellen unterbindet. Es scheint, dass Life Sciences erst am Anfang ihrer Entwicklung steht. Das ETH-Institut für Systembiologie könnte ein "Garant" werden für Qualität in der Forschung und Bildung, auch in Zusammenarbeit mit der Universität Basel beziehungsweise des Biozentrums. Hat doch gerade das Biozentrum in den vergangenen 30 Jahren seinen Qualitätsnachweis erbracht, indem es weit mehr als 1500 Personen ausgebildet hat, wovon heute 320 als Professoren im In- und Ausland wirken.


Von Wirtschaftsseite wird festgehalten, dass gerade die Kombination von etablierter Hochschulforschung mit einem innovativen und forschungsorientierten privatwirtschaftlichen Umfeld mit hoher Wertschöpfung hervorragende Voraussetzungen für Kooperationen bietet. Dies könnte entscheidend zum Gelingen des neuen ETH-Instituts in Basel beitragen und unsere Region weiter stärken. Die in der Schweiz - trotz Höchstleistungen in Forschung und Wissenschaft - in den Neunziger Jahren festgestellte Wachstumsschwäche zeigt auf, dass die Schnittstelle zwischen Bildungs- und Forschungssituationen zur Wirtschaft noch nicht optimal funktioniert. Es wird deshalb begrüsst, dass eine eigentliche Innovationspolitik entwickelt wird. Gemäss Aussage von Thomas de Courten, Vertreter der Wirtschaftskammer Baselland, fehlen im Wirtschaftsbericht konkrete Ansätze zur Korrektur wie z.B. durch eine Anpassung der Rahmenbedingungen im Bereich der Förderung technischer Investitionen oder der Arbeitsbedingungen. Auch bewege sich die Fiskalpolitik als "Steuerrad" für die Wirtschaftspolitik mit den vorgeschlagenen Massnahmen zur Unternehmenssteuerreform mit der Einführung eines proportionalen Gewinnsteuersatzes und einer Milderung der Kapitalsteuerbelastung in die richtige Richtung. Es gelte auch die Sozialpartner bei der Umsetzung der Massnahmen im Umfeld zur Einführung der Personenfreizügigkeit und bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit stärker einzubinden.


Aus gewerkschaftlicher Sicht wird die Notwendigkeit, in Zukunft auch den über die Grenzen hinaus reichenden Wirtschaftsraum zusammen mit den beiden Kantonen als Einheit zu begreifen, stark gewichtet. Frau Schiavi, Mitglied der Geschäftsleitung GBI, warnte davor, die Region nicht allzu einseitig alleine auf die Life Sciences zu fokussieren. Sie verwies auf den starken Rückgang der früher dominanten chemischen Industrie in unserer Region. Andere Bereiche des öffentlichen Lebens sollten deshalb nicht aus den Augen verloren gehen. Nachdem schon bei den Banken und Versicherungen ein grosser Abfluss Richtung Zürich erfolgt ist, sollte die Diversifizierung gepflegt werden. Gerade in Rezessionsphasen wäre es auch wichtig, kleinere und mittlere Betriebe mittels Impulsprogrammen zu fördern, beispielsweise im energietechnischen Bereich.


Obwohl die Arbeitslosigkeit noch nicht als ein alarmierendes Problem empfunden wird, gilt es doch, die Jugendarbeitslosigkeit und die Zunahme der arbeitslosen Schweizer Männer im Auge zu behalten. Ein weiteres Problem stellt jene Gruppe Jugendlicher dar, welche keine Berufsausbildung absolvieren. Oft landen diese Personen bei der Sozialhilfe und verursachen grosse Folgekosten. Als Alternative werden Ausbildungsmöglichkeiten in beispielsweise durch den Staat bereitgestellten Lehrwerkstätten gesehen.


Die Bekämpfung der Schwarzarbeit wird ebenfalls als wichtiges Thema genannt. Für die Gewerkschaften spielt der Aufenthaltsstatuts keine Rolle, vielmehr ist Schwarzarbeit für die Gewerkschaften Arbeit, die nicht versteuert wird, nicht korrekt bezahlt und nicht korrekt versichert ist.


Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission erachtet die Notwendigkeit eines regelmässig abgefassten Wirtschaftsberichtes als unbestritten. Besondere Beachtung fand auch der äusserst aufschlussreiche statistische Teil. Der eigentliche Wirtschaftsbericht sei, so wurde von einer Seite argumentiert, stark auf den für die Region sehr wichtigen Bereich Life Sciences fokussiert und vernachlässige z.B. die Logistik, Trends und die Chancen der erweiterten Wirtschaftsregion Basel. Probleme der Zukunft wie Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Lohndumping, Nichtbezahlen von Sozialbeiträgen, Arbeitslosigkeit würden nicht angesprochen.


Ein Antrag auf Nichteintreten auf die Vorlage wurde mit 9 zu 4 Stimmen abgelehnt.


Generell wurde festgehalten und begrüsst, dass der Wirtschaftsbericht aufzeige, dass die Bildung in sozialer wie wirtschaftlicher Hinsicht unser wichtigster Rohstoff ist. Bildung muss in der Region ein Erfolg sein und bleiben, weshalb die diesbezügliche Zusammenarbeit - Universität, Fachhochschulen - weiterhin zu pflegen ist. Die Notwendigkeit und den Nutzen des ETH-Instituts für Systembiologie für unsere Region wird anerkannt und begrüsst. Was den "schwindenden" Agrarbereich betrifft, so wird angeregt, einen anderen Weg z.B. in Richtung biologischer Schädlingsbekämpfung zu gehen. Besonderes Gewicht wird auch auf die Innovationsumsetzung der Fachhochschulen und der Universität gelegt. Während von mehreren Seiten die Notwendigkeit einer stabilen Finanzpolitik mit dem Ziel, das Gleichgewicht der Kantonsfinanzen wieder herzustellen, betont wird, ist die andere Seite befremdet über den im Bericht verwendeten Begriff "Ungleichgewicht im Staatshaushalt". Einschränkungen der staatlichen Leistungen lägen im krassen Widerspruch zu den Prämissen zu den wichtigsten Ressourcen des Kantons: Bildung, Service public, Infrastruktur. Auch die im Bericht aufgeführten familienfördernden Massnahmen dürften nur mit Mühe erreicht werden, haben uns doch die vergangenen Jahre gelehrt, dass hier ein enorm harter Kampf auszutragen ist. Der Bericht wird insgesamt als interessant, übersichtlich, gut lesbar und gespickt mit vielen guten Ansätzen gewertet. Hauptfrage der Zukunft wird sein, welche Folgerungen für die weitere Zukunft zu ziehen sind.




4. Antrag


Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission empfiehlt

Muttenz, 18. Dezember 2003


Im Namen der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission
Die Präsidentin: Rita Bachmann-Scherer



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