2003-268
Vorlage an den Landrat |
Titel:
|
Die befristete Einsetzung eines a.o. Strafgerichtspräsidiums mit einem Pensum von 50% ab 1. Januar bis 31. Dezember 2004
|
|
vom:
|
3. November 2003
|
|
Nr.:
|
2003-268
|
|
Bemerkungen:
|
||
Acrobat (PDF):
|
Vorlage
[17 KB]
|
1. Ausgangslage und Problemanalyse
Die Arbeitsbelastung des Strafgerichts ist in den letzten Jahren deutlich angewachsen: Einerseits nahm die Zahl der eingegangenen Fälle insgesamt zu, andererseits häuften sich die arbeitsintensiven, umfangreichen Fälle mit mehreren Angeklagten und oft zahlreichen Geschädigten. Hauptgründe dafür waren und sind die erweiterte Kriminalitätsbekämpfung und die damit verbundene Erhöhung des Personalbestandes bei Polizei Basel-Landschaft, Statthalterämtern und Staatsanwaltschaft, die Schaffung des Besonderen Untersuchungsrichteramtes (BUR) und die Auswirkungen der neuen Strafprozessordnung (in Kraft seit 1.1.2000).
Der Landrat beschloss am 22. Juni 2000, der wachsenden Arbeitsbelastung des Strafgerichts mit der Wahl eines ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums mit einem Pensum von 100% und der Wahl von 7 ausserordentlichen Strafrichterinnen und Strafrichter für die Zeit vom 1.8.2000 bis 31.3.2002 (Ende Amtsperiode) zu begegnen. Mit Beginn der neuen Amtsperiode am 1.4.2002 erfolgte die Überführung sowohl des Präsidiums wie der nebenamtlichen Gerichtsmitglieder in den ordentlichen Status (LRB vom 20.9.2001).
Mit diesen Massnahmen gelang es, die erhöhte Arbeitslast zunächst zu bewältigen. Bereits das Jahr 2002 zeigte dann allerdings ein erneutes Anwachsen der Falleingänge um rund 20% (vgl. Amtsbericht 2002). Dieser Trend setzte sich im laufenden Jahr fort.
Diese Entwicklung wird bereits ab dem Jahr 2004 zu erheblichen Problemen führen: Das BUR hat angekündigt, dass im kommenden Jahr mit der Überweisung von 12 teilweise sehr umfangreichen Verfahren an das Strafgericht zu rechnen ist. Dabei handelt es sich um 3 Fälle aus dem Bereich der organisierten Kriminalität mit insgesamt rund 90 Bundesordnern und um 9 Verfahren aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität mit total 380(!) Bundesordnern! Bildhaft ausgedrückt ergibt dies eine Reihe von zirka 30 Laufmetern an Akten allein in diesen Verfahren (zum Vergleich: In den letzten 3 Jahren ergaben sich zwischen 17 und 28 Laufmeter an Akten aus sämtlichen Verfahren).
Auch wenn die Ankündigung des BUR naturgemäss noch mit gewissen Unsicherheiten bezüglich des genauen Zeitpunktes der Überweisung der einzelnen Verfahren an das Strafgericht behaftet ist, steht doch mit Sicherheit fest, dass der Arbeitsanfall mit den vorhandenen personellen Ressourcen nicht bewältigt werden kann.
Ein weiterer Umstand kommt hinzu: Ein befristet eingestelltes Unterstützungsteam ist seit dem 1.8.2003 damit beauftragt, die beim Statthalteramt Arlesheim festgestellten Pendenzen aus den Jahren 2001 und früher abzubauen. Dabei handelt es sich um insgesamt rund 800 Strafuntersuchungen. Wenngleich zur Zeit noch keine Aussagen bezüglich des Abschlusses und bezüglich des weiteren rechtlichen Schicksals (Einstellung, Strafbefehl oder Anklageerhebung) dieser Verfahren gemacht werden kann, muss realistischerweise doch angenommen werden, dass ein Teil dieser Verfahren im nächsten Jahr das Strafgericht ebenfalls beanspruchen wird.
2. Zielvorstellung
Das Strafgericht soll in die Lage versetzt werden, den für das kommende Jahr zu erwartenden Mehranfall an Verfahren so zeitgerecht zu bewältigen, dass per 31.12.2004 die Pendenzen nicht bzw. nur im Rahmen des üblichen Streubereichs ansteigen. Dabei ist der bisherige Qualitätsstandard beizubehalten.
3. Massnahmen
3.1 Präsidium
Die bestehenden Präsidialstellen im Umfang von 300% sind mit der Erledigung des bisherigen Arbeitsanfalls ausgelastet. Bereits entstandene Engpässe (längere Krankheitsabsenz eines Präsidiums) konnten nur dank grossem Einsatz eines nebenamtlichen Vizepräsidiums - das dazu von seinem Arbeitgeber freigestellt wurde - bewältigt werden. Allerdings ist an eine Wiederholung eines solchen Einsatzes nicht zu denken.
Die Lösung kann ausschliesslich in der Verstärkung der Präsidien gefunden werden: Diese Verstärkung soll zeitlich befristet und daher in Form eines ausserordentlichen Präsidiums nach § 5 Absatz 1 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) erfolgen.
Bezüglich des Pensums ist auf folgendes hinzuweisen: Der genaue Zeitpunkt, in welchem das BUR die einzelnen Verfahren dem Strafgericht überweist, steht noch nicht fest. Nach heutiger Kenntnis ist anzunehmen, dass die ersten Fälle im 1. Quartal, der grössere Teil aber erst Mitte bzw. im zweiten Halbjahr 2004 an das Strafgericht gelangen. Diese Situation erfordert eine flexible Lösung bezüglich des Pensums in dem Sinne, dass für das ganze Jahr 2004 ein ausserordentliches Präsidium im Umfang von 50% gewählt wird, dass aber über den Zeitraum des Einsatzes die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts auf Antrag des Strafgerichts befindet. Diese Lösung ermöglicht es, einerseits auf die Bedürfnisse des Strafgerichts und andererseits auf die Verfügbarkeit der gewählten Person Rücksicht zu nehmen.
Das anbegehrte Pensum von 50% ist äusserst knapp bemessen, entspricht es doch einer Erweiterung der Präsidialkapazität um nur gerade 19% (von 300 auf 350 Stellenprozente). Es ist daher unabdingbar, dass die zu wählende Person mit der Materie bereits derart vertraut ist, dass sie keiner längeren Einarbeitung bedarf. Von Gesetzes wegen erforderlich ist eine abgeschlossene rechtswissenschaftliche Ausbildung (§ 33 Absatz 2 Buchstabe a GOG).
3.2 Gerichtsschreiber und Kanzlei
Ein Gerichtsbetrieb arbeitet nach dem System des schwächsten Gliedes. Dies bedeutet, dass eine zeitgerechte Fallerledigung nur möglich ist, wenn auch auf den Ebenen Gerichtsschreiber und Kanzlei die erforderlichen personellen Ressourcen bereitstehen. Im Hinblick auf das Budget 2004 hat die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts die nötigen Konsequenzen gezogen und sieht für das Strafgericht die Weiterführung einer befristeten Gerichtsschreiberstelle von 100% und eine zusätzliche Kanzleistelle von 50% vor.
3.3 Nebenamtliche Gerichtsmitglieder
Seit Inkrafttreten des GOG verfügt das Strafgericht über insgesamt 20 nebenamtliche Richterinnen und Richter. Diese wirkten im vergangenen Jahr an insgesamt 36 Kammerfällen und 52 Dreiergerichtsfällen mit, was insgesamt 300 Beisitze oder durchschnittlich 15 Beisitze pro Richter/In ergibt.
Die vorhandenen Ressourcen reichen auch für die zu erwartenden zusätzlichen Beisitze aus.
4. Finanzielle Auswirkungen
Für das a.o. Präsidium ist mit Lohnkosten von Fr. 112'000.-- zu rechnen. Für die (hier nicht zur Diskussion stehende) Erweiterung im Bereich Gerichtsschreiber und Kanzlei ist mit weiteren Fr. 175'000.-- zu rechnen.
Sämtliche Beträge sind in der Vorlage Budget 2004 enthalten (Konto 4005.301.10).
5. Ausblick auf die weitere Entwicklung
5.1 Kurzfristige Perspektive (bis 31.12.2004)
Es wird nicht möglich sein, sämtliche vom BUR angekündigten grossen Fälle bis Ende des nächsten Jahres zu erledigen. Im letzten Quartal 2004 muss deshalb die Situation neu beurteilt werden und es ist anhand des jeweiligen Verfahrensstandes zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmass das a.o. Präsidium verlängert werden soll.
5.2 Mittel- und längerfristige Perspektive (ab 1.1.2005)
Für die Zeit nach Erledigung der angekündigten grossen BUR-Fälle können nur sehr vage Aussagen gemacht werden: Unter der Voraussetzung, dass der Fallzufluss seitens der Statthalterämter in etwa dem aktuellen Stand entspricht, dürfte das Strafgericht in der Lage sein, die "kleineren" BUR-Fälle mit den ordentlichen Ressourcen zu bearbeiten. Es dürfte indessen auch in der Zukunft eine Illusion sein zu glauben, dass mit den vorhandenen Kräften auch sehr grosse Fälle aus dem Bereich des BUR erledigt werden könnten. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass die Umsetzung des neuen Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches ebenfalls Mehraufwand verursachen wird. Es wird also unumgänglich sein, die Kapazitäten bei Bedarf befristet oder gar - falls der Zugang an sehr grossen Fällen zur Regel wird - definitiv zu erweitern.
6. Antrag
Die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts beantragt dem Landrat:
1.
|
Die Wahl eines ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums vom 1. Januar bis 31. Dezember 2004 mit einem Pensum von 50% eines Vollamtes.
|
|
2.
|
Davon Kenntnis zu nehmen, dass die Geschäftsleitung des Kantonsgerichts im Rahmen des bewilligten Jahrespensums die Einsatzzeit festlegt.
|
Im Namen der Geschäftsleitung
des Kantonsgerichts
Der Präsident:
|
Der Justizverwalter:
|
Dr. Peter Meier
|
lic.oec.HSG Martin Leber
|
Back to Top