2003-84 (1)


1. Ausgangslage

1.1 Inhalt


Mit Vorlage 2003/084 vom 1. April 2003 werden dem Landrat die Teilrevision des Gemeindegesetzes zur Beschlussfassung unterbreitet und gleichzeitig drei Postulate zur Abschreibung beantragt.


Der Teilrevision lagen drei auslösende Momente zu Grunde. Erstens der Bedarf nach Regelungen betreffend das zunehmend wichtige Zweckverbandsrecht, zweitens Änderungsbedürfnisse aus der Anwendungspraxis und drittens drei überwiesene Vor- stösse.




1.2 Werdegang der Teilrevision


Die Teilrevision wurde wie folgt abgewickelt:


Die Expertenkommission hat in 16 Sitzungen beraten und zwei Lesungen durchgeführt; dabei wurde in allen Fragen Einstimmigkeit erreicht. Seitens der Gemeinden ist ein hoher Grad an Zustimmung zur Gesetzesrevision zu verzeichnen (Einzelheiten ge- mäss S. 5f. Vorlage).




1.3 Die drei Auslöser im Einzelnen


1.3.1 Bedarf nach Regelung des Zweckverbandsrechts


Regelungen für das Zusammenwirken von Gemein- den fehlen in der geltenden Gesetzgebung. Angesichts der zunehmenden Komplexität der kommunalen Aufgaben ist die einzige Gesetzesbestimmung in § 34 Gemeindegesetz ungenügend. Weiterführende Be- stimmungen sollen bedeutsame Einzelheiten dieser für die Aufgabenerfüllung der Gemeinden zukunftswichti- gen Kompetenz regeln.




1.3.2 Änderungsbedarf aus der Anwendungspraxis


Das Gemeindegesetz stellt ein gutes Manual für die Gemeinden dar. Es enthält indes verschiedene Lücken, deren Füllung im Sinne eines Strebens nach Vollständigkeit in Bezug auf die Beantwortung immer wieder gestellter Fragen Sinn macht.




1.3.3 Politische Vorstösse


Schliesslich sind mit der Teilrevision Antworten auf drei politische Vorstösse verbunden:


Postulat 1996/239 von Karl Rudin:
Nicht mehr zeitgemässe Leumundszeugnisse


Postulat 1999/187 von Esther Maag:
Mehr Gemeindeautonomie bei Initiative und Referendum


Postulat 2002/035 der Justiz- und Polizeikommission:
Persönliche Haftung von Behördemitgliedern




1.4 Grad der Handlungsfreiheit


Gemäss Vorlage an den Landrat führen die auslösenden Momente für die Teilrevision des Gemeinde- gesetzes dazu, dass sich diese aufdränge.


Die Finanzkommission vermag sich dieser Beurteilung anzuschliessen. Die Intensivierung des Bedarfs nach interkommunaler Zusammenarbeit verlangt danach, die dazu erforderlichen Regelungen vorzugeben. Auf diese Weise herrscht Orientierungsgewissheit und entsteht auch eine passive Förderung solchen Tuns. In Bezug auf die Änderungen, welche sich aus der Anwen- dungspraxis ergeben, ist es im Sinne einer zeitgemässen Pflege gesetzgeberischer Erlasse ebenfalls überaus zweckmässig, aktuelle und auf den gemachten Erfahrungen bzw. der gewachsenen Praxis beruhende Anpassungen in den vorgeschlagenen Regelungsbereichen vorzunehmen. Sodann ist eine abschliessende Behandlung der hängigen Vorstösse ebenfalls angezeigt.


Der Landrat ist dabei in den einzelnen Bestimmungen frei, die vorgeschlagene Lösung zu akzeptieren oder zu modifizieren. Er kann seinem Entscheid in verschiedenen nachfolgend kommentierten Fällen die Überlegungen der vorberatenden Finanzkommission zugrunde legen oder davon abweichende Lösungen treffen. Die Einstimmigkeit der gefundenen Lösungen in der Expertenkommission mag dabei eine gewisse Zurückhaltung auferlegen.




2. Kommissionsberatung


2.1 Eintreten


Die Finanzkommission behandelte die Vorlage an ihrer Sitzung vom 07. Mai 2003 in Anwesenheit von Herrn Regierungsrat Adrian Ballmer, Herrn Daniel Schwörer, Stabstelle Gemeinden sowie Frau Yvonne Reichlin, Finanzverwalterin und Roland Winkler, Vorsteher Finanzkontrolle.


Zu den zur Abschreibung beantragten politischen Vorstössen wurden die Verfasserin und Verfasser eingeladen.


Dieter Völlmin (Postulat 2002/035 der Justiz- und Polizeikommission, Persönliche Haftung von Behördemitgliedern) äusserte sein Einverständnis zur Abschreibung.


Die beiden anderen Postulanten haben ihre Haltung zur beantragten Abschreibung auf Nachfrage wie folgt übermittelt:


Karl Rudin (Postulat 1996/239, Nicht mehr zeit- gemässe Leumundszeugnisse) ist mit der Abschreibung einverstanden.


Esther Maag (Postulat 1999/187, Mehr Gemeindeautonomie bei Initiative und Referendum) behält sich eine definitive Aussage vor.


Das Eintreten auf die Vorlage war unbestritten.




2.2 Detailberatung


In der Detailberatung der Vorlage wurde seitens Herrn Fürsprech Daniel Schwörer, Leiter Stabstelle Gemeinden, kurze Erläuterungen angebracht und Fragen kompetent beantwortet.


Im Einzelnen ergaben sich seitens der Finanzkommission entlang der Berichtsstruktur in der Vorlage an den Landrat die nachfolgenden Bemerkungen bzw. speziell vermerkten Aenderungsanträge gemäss den nachfolgenden


Ziffern 2.2.1.4 / 2.2.1.6 / 2.2.1.8 / 2.3.1


Zu C. Zusammenwirken von Gemeinden


(S. 8ff Vorlage):


2.2.1 Zusammenwirken von Gemeinden


2.2.1.1 Ziffer 4 Grundsätzliches


§ 34 lässt in Abs. 1 Buchstabe a (Verträge) zu, dass Gemeinden für die gemeinsame Aufgabenerfüllung mit anderen Gemeinden Aktiengesellschaften gründen. Damit verbunden ist die Problematik des Aufsichts- rechts (Agenturproblematik). Soweit dieses Gebilde zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dient, kann es sich allerdings nicht aus der Aufsicht entziehen. Im Einzelfall sind in den entsprechenden Delegations- beschlüssen der Gemeinden und in den Statuten der Gesellschaften, ggfs. in Aktionärsbindungsverträgen die notwendigen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen festzulegen.


In § 34 nicht vorgesehen ist die Rechtsform der spezialgesetzlichen (öffentlichrechtlichen) Aktienge- sellschaft. In der Praxis zeige sich, dass für diese Rechtsform keine Nachfrage bestehe.


2.2.1.2 Ziffer 5 Verträge


In Bezug auf die Rechnungsprüfung ist in § 34k Gemeindegesetz eine zweckmässige Regelung vorgesehen. Was die Oberaufsicht über Zweck- verbände. betrifft ist die Frage aufgetaucht, ob es analog zu entsprechenden Vorhaben auf kantonaler Ebene Sinn machen würde, interkommunale Oberauf- sichtsinstanzen (Geschäftsprüfungskommissionen) einzusetzen. Dadurch könne vermieden werden, dass die Geschäftsprüfungskommissionen verschiedener Gemeinden unkoordiniert und mit unterschiedlichen Aussagen konfrontiert zu ebenso unterschiedlichen Erkenntnissen gelangen. Auch würde die Wahr- nehmung der Oberaufsicht generell sowie deren Effizienz auch aus Optik der beaufsichtigten Institution erhöht.


Aus praktischen Überlegungen gelangt die Finanzkommission zum Ergebnis, dass auf eine solche Regelung verzichtet werden soll. Gemäss § 102 Abs. 2 Buchstabe c können auf jeden Fall die Geschäftsprüfungskommissionen eines interkommu- nalen Zweckverbandes ihre Oberaufsicht in pragmatischer Weise aufeinander abstimmen. Eine weitergehende Vorschrift erübrige sich deshalb.


Zu D. Änderungen aus der Praxis


(S. 14ff Vorlage):


2.2.1.3 Ziffer 11 Amtsperioden


Die in § 12a Gemeindegesetz vorgesehene Zusammenfassung der Zeitpunkte des Beginns der Amtsperioden ist grundsätzlich sinnvoll. Fragen haben sich ergeben hinsichtlich einer allfälligen zweckmässigen Staffelung, welche es noch mehr als heute ermöglichen würde, das beschränkte Reservoir an potentiellen Kandidierenden mehrfach zu nutzen. Die heutige Lösung hat sich indes offenbar so weit bewährt, dass ein akuter Handlungsbedarf nicht auszumachen ist. Die Finanzkommission verzichtet demnach auf einen Antrag zur Neuordnung der Amtsperioden.


2.2.1.4 Ziffer 12 Abstimmungen und Wahlen in die Behörden


Die Finanzkommission hat die Übernahme und Formulierung des geltenden Rechts zur Kenntnis genommen und sich speziell mit der neuen Möglichkeit zur Durchführung von Quorumsab- stimmungen auseinandergesetzt.


In diesem Zusammenhang ergibt sich ein Änderungsantrag , und zwar in Bezug auf die im Entwurf vorgesehene Unzulässigkeit der Durchführung von Quorumsabstimmungen im Zusammenhang mit Einbürgerungsentscheiden der Bürgergemeinden. Dies soll durch eine Ergänzung von § 14 Abs. 4 des Bürgerrechtsgesetzes vom 21. Januar 1993 dahingehend erfolgen, dass diese Bestimmung vor dem Hintergrund einschlägiger Gerichtsurteile wie folgt ergänzt werden soll:


"Gemeindevorschriften, die für die Erteilung oder Verweigerung des Gemeindebürgerrechts eine quali- fizierte Mehrheit verlangen, sind ungültig."


2.2.1.5 Ziffer 19 Publikation der Gemeindeerlasse


Die Finanzkommission nimmt in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass dem Gebot betreffend Publikation der Gemeindeerlasse durch entsprechende Festlegung im Reglement minimal auch dadurch entsprochen werden kann, dass bspw. ein dreissigtägiger Aushang am offiziellen Standort erfolgt. Mit dem unbestimmten Gesetzesbegriff "in geeigneter Weise" wird der Gemeinde bzw. dem Zweckverband der Entscheid überlassen, wie sie oder er das Gebot konkret erfüllen will.


2.2.1.6 Ziffer 20 Zuständigkeit der Gemeindever- sammlung


Der Entscheid über und die Durchführung von Rechtsstreitigkeiten ist gemäss Gewaltenteilungs- prinzip Sache der Exekutive. Deshalb hat sich aus der Vernehmlassung ergeben und ist für die Finanz- kommission unbestritten, dass diese Kompetenz zur entsprechenden Beauftragung der Exekutive nicht (wie im geltenden Recht festgelegt) der Gemeindever- sammlung zukommen soll.


Versehentlich ist diese in der Synopse zwar vorgesehene und in der Vorlage dokumentierte Streichung nicht in die Landratsvorlage eingeflossen.


2.2.1.7 Ziffer 24 Leumundszeugnisse


Vgl. unten Ziffer 2.3.1


2.2.1.8 Ziffer 26 Rechnungs- und Geschäftsprü- fungskommission


Im Zusammenhang mit den §§ 100 bis 103 Gemeindegesetz hat die Formulierung des Vorbehaltes "unter Berücksichtigung des Daten- schutzgesetzes" bei der Aufgabenerfüllung durch die wichtigen kommunalen Prüfungsorgane Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission Fragen in Bezug auf die Tragweite aufgeworfen. Insbesondere in Kombination mit dem Begleittext auf Seite 20f der Vorlage wäre davon auszugehen, dass eine restriktive Auslegung dieses wenig aussagekräftigen Vorbehalts der Aufgabenerfüllung hinderlich sein oder zu Streitigkeiten über Art und Umfang des Einsichtsrechts bei der Vornahme konkreter Prüfungshandlungen Anlass geben könnte.


Aus diesem Grunde hat die Finanzkommission zwecks Klarstellung und Suche nach einer griffigeren Formulierung der Regelung die Datenschutzbeauftragten beauftragt, entsprechende Abklärungen vorzunehmen und einen Vorschlag zu unterbreiten.


Aus den Abklärungen der Datenschutzbeauftragten geht im wesentlichen was folgt hervor, dass die verfassungsmässige Verankerung des Datenschutzes bedeutet, dass staatliche Organe Personendaten nur dann bearbeiten dürfen, wenn (und soweit) dies gesetzlich. vorgesehen ist, die Bearbeitung zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe erforderlich ist und verhältnismässig erfolgt. Dies bedeutet konkret, dass bei jeder Datenbearbeitung schutzwürdige private Interessen sowie Persönlichkeitsrechte zu berück- sichtigen sind. Der GPK und RPK bleibt der Einblick in Akten hängiger Verfahren verschlossen. Dass die Frage der Notwendigkeit bzw. der überwiegenden Interessen - in Abhängigkeit zur gesetzlichen Aufgabe - zu Diskussionen Anlass gibt, liegt in der Natur der Sache. Im konkreten Einzelfall ist deshalb eine individuelle Beurteilung vorzunehmen.


Gestützt auf die Erörterung der Problematik im Beisein der Datenschutzbeauftragten hält die Finanzkom- mission dafür, dass mit der nachfolgenden Modifikation der das Einsichtsrecht von RPK und GPK betreffenden Gesetzesbestimmungen eine griffigere Formulierung vorliegt. Diese ist redaktionell auf die Gesetzesvorlage abgestimmt. Gleichzeitig wird der Hinweis auf das Überprüfungsrecht des Kassenbestands durch die RPK zugunsten der Vornahme von Zwischenprüfungen ersetzt. Kassaprüfungen sind im Gegensatz zu Zwischenrevisionen von untergeordneter Bedeutung.


Nach einhelliger Auffassung der Finanzkommission ist die Erstattung eines besonderen Berichts anstelle der Herausgabe von Amtsakten dahingehend restriktiv zu handhaben, dass tatsächlich nur im Sinne einer Ausnahme der Berichtsmodus treten soll, der klar überwiegende Regelfall dagegen schon aus Gründen der Praktikabilität der Beizug der Basisdaten sein muss.


2.2.1.9 Ziffer 27 Unterschriftenzahlen bei Initiative und Referendum


Vgl. unten 2.3.2




2.3 Abschreibung der hängigen Vorstösse


2.3.1 Postulat 1996/239 von Karl Rudin:
Nicht mehr zeitgemässe Leumundszeugnisse


In seinem Postulat verlangt Karl Rudin, es sei zu prüfen, ob auf die Leumundszeugnisse der Gemeinden verzichtet werden könne. Die Vorlage an den Landrat sieht in § 74 - weiterhin unter dem Titel Leumunds- zeugnis - im wesentlichen eine Wohnsitzbestätigung unter Angabe des Bestehens oder Nichtbestehens vormundschaftlicher Massnahmen vor. Neu soll die Ausstellung explizit nur noch auf Verlangen des oder der Betroffenen erstellt werden.


Die Finanzkommission hat diese Bestimmung kontrovers erörtert und sich sowohl mit einer Aus-dehnung des Leumundszeugnisses um subjektive, dem Gemeinderat bekannte und nachweisbare Informationen als auch mit der vom Postulanten beantragten Streichung beschäftigt.


Nachdem eine Streichung von § 74 in der vorgeschlagenen Version rechtlich keinen Verlust zur Folge hätte, zumal in der Praxis eine Wohnsitzbestätigung auf Verlangen des betroffenen jederzeit eingefordert werden kann, hat sich die Finanzkommission letztlich dieser Überlegung angeschlossen. Ein Änderungsantrag betreffend Ausdehnung des Leumundszeugnisses auf subjektive Informationen wurde mit 8:2 Stimmen abgelehnt.


Eine seitens des Kommissionspräsidenten angeord- nete Überprüfung der Zulässigkeit dieser Streichung hat ergeben, dass der Wegfall des Leumundszeugnisses hingenommen werden kann. Speziell die Strafverfolgungsbehörden können die von ihnen benötigten Auskünfte weiterhin einholen (vgl. § 8 Abs. 1 lit b Datenschutzgesetz), so dass aus der Praxis keine nennenswerten Probleme entstehen werden.


Daraus folgt als Konsequenz, dass das Postulat 1996/239 als erfüllt abzuschreiben ist.


2.3.2 Postulat 1999/187 von Esther Maag:
Mehr Gemeindeautonomie bei Initiative und Referendum


Für die Finanzkommission erscheinen die Aus- führungen des Regierungsrates plausibel. Die vorge- schlagene Reduktionsmöglichkeit bei den Einwohnerratsgemeinden ergibt für diese Gemeinden eine angemessene Eigenständigkeit bei der Festlegung der Prozentsätze für Initiative und Referendum. Angesichts der angestellten Überlegungen erscheint die Abschreibung des Vorstosses gerechtferigt.


2.3.3 Postulat 2002/035 der Justiz- und Polizeikommission:
Persönliche Haftung von Behördemitgliedern


Die Finanzkommission vermag sich dem gestellten und ausführlich begründeten Antrag auf Abschreibung auch dieses Vorstosses anzuschliessen. Die Versicherungspflicht für kommunale Vormundschafts- mandatsträgerInnen wird angesichts der speziellen (persönlichen) Haftungssituation als angemessen beurteilt.




3. Antrag


Die Finanzkommission beantragt dem Landrat einstimmig


1. die Änderung des Gemeindegesetzes gemäss Entwurf zu beschliessen und


2. die Postulate von Karl Rudin (1996/239), Esther Maag (1999/187) und der Justiz- und Polizeikommission (2002/035), ersteres als erfüllt, abzuschreiben.


Reigoldswil, 28. Mai 2003


Namens der Finanzkommission
Der Präsident: Roland Plattner-Steinmann



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