Vorlage an den Landrat
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Vorlage an den Landrat |
Titel: | Bericht über den Sportklassenversuch auf Sekundarstufe I | |
vom: | 10. Juni 2003 | |
Nr.: | 2003-136 | |
Bemerkungen: | Inhaltsübersicht dieser Vorlage || Verlauf dieses Geschäfts |
3. Evaluation
3.1 Die Evaluationsergebnisse und -empfehlungen
In der Landratsvorlage 1999/162 wurde eine Evaluation als Bestandteil des Sportklassenversuchs festgeschrieben und dafür einen Betrag von 15'000 Franken budgetiert. Mit seinem Beschluss vom 24. Februar 2000 stimmte der Landrat diesem Betrag und damit auch dem Auftrag der Evaluation zu. Es gilt zu bemerken, dass sich die durchgeführte Evaluation als reine Standortbestimmung zu einem definierten Zeitpunkt (1. Quartal 2002) versteht.
In der Verordnung über den Sportklassenversuch vom 20. Juni 2000 wurden folgende Eckwerte definiert:
- | Der Sportklassenversuch wird durch eine externe Gruppe von drei bis fünf Personen im schulischen und ausserschulischen Bereich evaluiert. |
- | Die Evaluationsgruppe wird auf Vorschlag der Kommission Leistungssportförderung durch die Erziehungs- und Kulturdirektion gewählt." |
Mit Brief vom 21. Mai 2001 erklärte sich der Vorsteher der Erziehungs- und Kulturdirektion mit den Anträgen der Kommission Leistungssportförderung zur Externen Evaluation der Sportklasse einverstanden. Für die Leitung der Evaluation wurde René Glauser, Schulinspektor und als weiteres festes Mitglied des Evaluationsteams Hansjörg Thommen, Mitarbeiter des Sportamtes, eingesetzt. Als Begleitgruppe unterstützten Max Gautschin, Primarschule Muttenz, Juliana Nufer, IG Baselbieter Sportverbände und Fredi Fretz, Schulpflegepräsidentenkonferenz, die Evaluationsleitung.
Der Auftrag an die Evaluationsgruppe lautete:
"Zu Handen des Vorstehers der Erziehungs- und Kulturdirektion soll im Hinblick auf die definitive Einrichtung der Sportklasse vorerst zu den folgenden drei Fragebereichen Antworten erarbeitet werden:"
1. Organisationsstruktur
Die Kompetenzwahrnehmung und die Struktur der separaten Kommission Leistungssportförderung sowie deren Kooperation mit der Sekundarschule
2. Wirksamkeit im sportlichen Bereich
Die Leistungsentwicklung, das Leistungsniveau und die Leistungskonstante, das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler in der Trainingsstruktur und die Zufriedenheit der Erziehungsberechtigten mit der Trainingssituation ihrer Kinder
3. Wirksamkeit des Unterrichtes
Erreichen der Lernziele gemäss Lehrplan unter Berücksichtigung der reduzierten Unterrichtszeit und der Eingrenzung der Unterrichtsbereiche, der Individualisierung des Unterrichts und der Förderung zur Selbständigkeit, der Zufriedenheit der Schüler, der Schülerinnen und der Erziehungsberechtigten sowie der Situation der Lehrpersonen
Die Daten wurden über Fragebogen, Hearings sowie Unterrichts- und Trainingsbesuche erhoben. Dabei wurden die Schülerinnen und Schüler, ihre Eltern, die Lehrpersonen, die Trainerinnen und Trainer sowie die Vertretungen der Behörden, die allesamt in der Kommission Leistungssportförderung vertreten sind, konsultiert .
Die Leitung der Evaluation kommt zu folgenden Kernaussagen:
A. Die Sportklasse stösst als schulisches Angebot für sportlich Begabte bei den direkt Beteiligten auf grosse Akzeptanz.
- Die Trainerinnen und Trainer loben die Sportklasse, weil sie ihnen die Möglichkeit gibt, mit ihren Schützlingen mehr und besser zu trainieren. Sie sind angetan von ihren erheblichen Fortschritten im physischen, technischen und mentalen Bereich. Die Fortschritte im psychischen Bereich sehen sie zu einem grossen Teil auch durch die Sonderrolle bewirkt, die sich über die Institution Sportklasse ergibt, über den Stolz der Schülerinnen und Schüler, Mitglied der Sportklasse sein zu dürfen, was auch zu einer Steigerung des Selbstwertes führt. Die Fortschritte sind offensichtlich klar das Resultat der verbesserten Strukturen. Die Trainerinnen und Trainer identifizieren sich mit der Sportklasse. Problempunkt: Bei einzelnen Eltern erhöht die Situation Sportklasse die sportlichen Erwartungen an ihre Kinder.
- Alle Schülerinnen und Schüler leisten ein Trainingspensum von deutlich über 12 Stunden pro Woche. Der Durchschnitt beträgt sogar 19 Stunden pro Woche. Die Schülerinnen und Schüler erkennen, welche Vorteile die Sportklasse ihnen vor allem im sportlichen Bereich bietet. Sie schätzen die Entlastung im Bereich der Schule, welche ihnen die Perspektiven für die sportliche Entwicklung erweitert. Die Sportklasse erlaubt es, mehr und besser zu trainieren. Das Arbeitspensum bzgl. dem Total aus Schule und Sport ist allerdings kaum geringer geworden. Die Leistungssteigerung/-entwicklung im sportlichen Bereich ist gegeben. Wer die Sportklasse absolviert, ist im Fach Sport eine Spezialistin oder ein Spezialist mit engen Kontakten zu sehr guten Trainerinnen und Trainern. Die Vielseitigkeit bleibt anfänglich nicht auf der Strecke. Mit zunehmendem Trainingsalter wächst aber die Monotonie in Training und Wettkampf. In der Schule werden die Schülerinnen und Schüler von den Lehrpersonen aufs Beste unterstützt. Die Schülerinnen und Schüler der Sportklasse empfinden sich als "normale" Schülerinnen und Schüler, mit Lust und Frust, mit Stärken und Schwächen, mit Krisen und Phasen höchsten Wohlbefindens. Die Lehrpersonen und das Umfeld haben diesbezüglich deutlich höhere, fast modellhafte Erwartungen.
- Die Eltern der Schülerinnen und Schüler der Sportklasse sind von der Sportklassenlösung absolut begeistert. Diese Begeisterung betrifft die Schule und den Sport im gleichen Masse. Insbesondere unterstreichen die Eltern der Sportklassenschülerinnen und -schüler die guten Kontakte zu allen schulischen Instanzen und betonen das riesige Engagement der Lehrpersonen. Sie erkennen sehr wohl, dass es für ihre Kinder nicht viel mehr Freizeit als vorher gibt. Damit in Zusammenhang steht auch die Optimierung der Verhältnisse im sportlichen Bereich. Bei den Eltern ist die Optik etwas stärker auf den sportlichen Bereich ausgerichtet, auf den Umstand also, dass die Beweglichkeit der Schule die sportliche Karriere unterstützen hilft. Die schulische Seite wird für die Eltern erst im Zusammenhang mit dem Übertritt an die weiterführenden Schulen oder ins Berufsleben von Belang.
- Für die Lehrpersonen bedeutet die Sportklasse eine grosse Herausforderung. Sie stellen sich mit enormem Engagement der ausserordentlichen Aufgabe, die nicht von Beginn weg alles regelt und ein Fortschreiten ermöglicht. Die Arbeitszufriedenheit ist hoch und ist begründet durch die Identifikation mit der Sondersituation Sportklasse, dem damit verbundenen Risiko und der daraus entstehenden Herausforderung. Die Arbeitszufriedenheit ergibt sich vor allem auch dank der auf Teamarbeit ausgerichteten Alltagsarbeit. Keine Lehrperson empfindet den hohen Arbeitsaufwand, bedingt durch die grosse Fülle des Stoffes, die Zahl der Teamkonferenzen, die projektbezogene individualisierende Methodik sowie durch den durch extreme Stundenplananpassungen noch erhöhten Individualisierungsanspruch, als negativ für das eigene Empfinden.
- Individuallösungen in den Regelschulen: Die Eltern der Schülerinnen und Schüler mit Individuallösungen zeigen nicht im gleichen Masse Begeisterung. Sie erkennen, dass sich durch die Entlastung im schulischen Bereich zumindest bedingt zeitliche Freiräume auftun. Für einige Eltern ist die schulische Situation nach wie vor unbefriedigend. Zu stark sind einerseits die Unkenntnisse auf Ebene der Lehrpersonen und Schulleitungen bezüglich der Sportklasse und der individuellen Lösungen und andererseits fehlt, selbst wenn die entsprechenden Lösungen zu Stande gekommen sind, die erwartete Unterstützung durch die Schule. Das Nebeneinander von Schule und Sport wird von den Schülerinnen und Schülern mit Individuallösungen als positiv erlebt. Für mehr als die Hälfte ist die individuelle Lösung die richtige Massnahme, verbessert die Trainingssituation, bringt sportliche Erfolge und erlaubt einen besseren Umgang mit der Zeit. Die Unterstützung durch die Schule (durch die Lehrpersonen) - vor allem nach sportbedingten Absenzen - ist gering.
- Organisationsstruktur: Das Konzept der Sportklasse sieht eine eigenständige Schule vor, eine Schule mit eigener Leitung und mit eigener Aufsichtsbehörde. Die spezielle Aufgabenstellung der Sportklasse macht überdies den Link zur Sportwelt, zu den Vereinen und Verbänden und auf Grund der ausserordentli-chen Situation zur Verwaltung und zur Erziehungs- und Kulturdirektion notwendig. Weiter ist auch der Kreis der Erziehungsberechtigten mit eingebunden. Die Spezialität "Sportklasse" ergibt sich daraus, dass erstmalig und einmalig eine Klasse im Sinne einer Fördereinheit zusammengefasst wird und deren Schülerinnen und Schüler auf ein ausserschulisches Förderziel hin speziell unterstützt werden. Die Schulleitung der Sekundarschule und die Behördenvertretungen sind angetan vom offenen Geist, in dem Probleme angegangen werden. Das System der separaten Kommission Leistungssportförderung für die Sportklasse bewährt sich. Das Zusammenwirken der involvierten Gremien wird bezüglich Ressourcennutzung und Synergieeffekt sehr gut erlebt. Der positive Eindruck wird insbesondere auf die aktuelle personelle Besetzung mit Leuten, die alle eine hohe Affinität zum Sport und zur Sportförderung haben, zurückgeführt. Der Sonderstatus der Sportklasse macht eine unabhängige Kommission Leistungssportförderung notwendig. Die Qualitätskontrolle an der Sportklasse erfolgt über die ordentlichen Kanäle. Grundlage für den Qualitätserhalt an der Sportklasse ist die sorgfältige Auswahl der Schülerinnen und Schüler, die sich über jene Vorzüge ausweisen sollen, welche ihnen den Erfolg beim Arbeiten in selbständiger Art und mit Selbstverantwortung ermöglicht.
B. Ein Schwachpunkt der Sportklasse ist in der Heterogenität der Klasse begründet.
- | Die Heterogenität der Mehrjahrgangsklasse und die Koordination der individuellen Stundenpläne mit den Trainingsplänen sowie die häufigen sportbedingten Absenzen der Schülerinnen und Schüler verlangen eine sehr weitgehend individualisierte Unterrichtsstruktur. |
- | Die Heterogenität fordert das Team der Lehrpersonen; sie macht deutlich, dass dem Anspruch an die Schülerinnen und Schüler auf Selbständigkeit Grenzen gesetzt sind, dass der Lehrplan nicht in vollem Umfang erfüllt werden kann; die individualisierende Methodik ist nur bedingt kompatibel mit dem gängigen Beurteilungs-, Bewertungs- und Promotionssystem. |
- | Der Arbeitsplanung ist über die Beratung der Eltern und der Trainerinnen und Trainer höhere Beachtung zu schenken. |
- | Die erhobenen Daten lassen unter diesen Gegebenheiten nicht den eindeutigen Schluss zu, dass die Schülerinnen und Schüler ihre schulischen Leistungen ihrem Niveau und ihrer Stufe gemäss erbringen, resp. dass für sie der Anschluss an die weiterführenden Schulen gewährleistet ist. |
- | Der individualisierte Unterricht hat positive Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler bezüglich Selbständigkeitsentwicklung und Selbstorganisation. Er fordert und überfordert die Schülerinnen und Schüler bzgl. ihres sozialen Denkens und Handelns. |
- | Trotz der starken Ausrichtung des Unterrichts auf die individuellen Bedürfnisse ist frontaler, stark geführter Unterricht, nach wie vor notwendig. Er ist ein wichtiges Element im Fremdsprachenunterricht, in praktikumsorientierten Unterrichtsteilen der phil-II-Fächer (Physik/Chemie) sowie bei zielgerichteten Einführungen, welche in einen engeren zeitlichen Raster eingebunden sind. |
- | Die Effizienz des Unterrichts ist gemäss Aussagen der Sportklassenleitung noch nicht auf hohem Niveau gegeben. |
- | Die Leistungsvergleiche mit den Regelklassen sind vor allem deswegen problematisch, weil sich die Beurteilungsmuster in der Sportklasse vom traditionell summativen an den Regelschulen stark entfernen. |
- | Die Leistungsziele gemäss Lehrplan werden in den Mehrstundenfächern erreicht. In Zweistundenfächern wird zum Teil stark exemplarisch gearbeitet, was bezüglich Lehrplanvorgaben zu lückenhaftem Wissen führt. |
Weiter mit C. Die Ernährungssituation ist verbesserungswürdig
Fortsetzung >>>
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