Vorlage an den Landrat
Geschäfte des Landrats || Parlament | Hinweise und Erklärungen |
Vorlage an den Landrat |
Titel: | Schlussbericht der Folgeplanung II zum Psychiatriekonzept Basel-Landschaft | |
vom: | 19. August 2003 | |
Nr.: | 2003-176 | |
Bemerkungen: | Inhaltsübersicht dieser Vorlage || Verlauf dieses Geschäfts |
1.5.5 Fachstelle für Psychiatrische Rehabilitation
Die Anzahl an Invalidenrenten wegen psychischer Krankheit hat sich in den letzten 15 Jahren national etwa verdoppelt und bezeichnet heute die häufigste Berentungsursache überhaupt. Eine Trendumkehr ist nicht absehbar. Dieser Ausgliederungsprozess bringt enorme volkswirtschaftliche Kosten (im Jahr 2002 wurden für im Kanton wohnhafte psychisch Kranke rund 60 Mio. Franken für Renten sowie 10 Mio. für kantonale Ergänzungsleistungen aufgewandt). Der grössere Teil der psychisch Kranken verharrt in Heimen und Behindertenwerkstätten auf einem Lebens- und Leis-tungsniveau, das ihre vorhandenen Kapazitäten klar unterschreitet. Für die Koordination, Bedarfs-planung und fachliche Entwicklungssteuerung der psychiatrischen Rehabilitation ist kein Leis-tungsträger gesamthaft zuständig. Auch auf kantonaler Ebene sind die Zuständigkeiten auf zwei Direktionen aufgeteilt. Unter diesen Rahmenbedingungen ist die festgestellte Tendenz zur Stagnation verständlich.
Die Kantonalen Psychiatrischen Dienste sollen schrittweise eine Fachstelle für Psychiatrische Rehabilitation aufbauen. Die Kantonalen Psychiatrischen Dienste sollen für psychisch Kranke die gesamte Zuständigkeit für Koordination, Bedarfsplanung und fachliche Entwicklungssteuerung der Rehabilitation und Behinderten-Betreuung übernehmen, gemäss ihrer im Spitaldekret aufgeführten Koordinationsaufgabe. Dafür wird eine Fachstelle für Psychiatrische Rehabilitation geschaffen. Ihre prioritäre Aufgabe liegt in der Förderung der fachlichen Entwicklung und der Konzipierung wirksamer integrationsfördernder Massnahmen. Die im IV-Bereich zuständige Fachstelle für Sonderschulung, Jugend- und Behindertenhilfe der Erziehungs- und Kulturdirektion behält ihre Aufgabe als Verbindungsstelle zum Bundesamt für Sozialversicherung. Insofern als Aufgaben von der Fachstelle der EKD transferiert werden, wären auch die entsprechenden Mittel zu transferieren. Insgesamt geht jedoch der Auftrag der vorgeschlagenen Fachstelle deutlich über die Aktivitäten der bestehenden Fachstelle hinaus.
1.5.6 Psychiatrischer Dienst Substanzabhängigkeit
Eine Mehrheit der Opiatabhängigen wird durch die Angebote der Drogenberatung BL erreicht. Hingegen werden von Personen mit riskantem Alkoholkonsum lediglich etwa jährlich 5% durch die Alkoholberatungsstellen betreut - ein Wert, der die typische, nicht nur auf Baselland begrenzte, Unterversorgung Alkoholabhängiger zeigt. Es handelt sich hierbei um das folgenschwerste Beispiel einer defizitären psychiatrischen Früherfassung. Zwischen Erstkonsum und erstmaliger Behandlung liegen bei Alkoholabhängigen im Mittel 24 Jahre. Zwischen den als spezialisierte Sozialdienste geführten Alkoholberatungsstellen und der medizinischen Seite, wo Alkoholabhängige erreicht werden können, bestehen erhebliche Kommunikations- und Schnittstellenprobleme, so dass sie einander für eine Früherfassung nicht effektiv ergänzen.
Teile der ambulanten Alkoholberatung sollen mit der Drogenberatung BL zu einem Psychiatrischen Dienst zusammengefasst werden. Der Vorschlag umfasst die fachliche und organisatorische Zusammenlegung der staatlich subventionierten Alkoholberatungsstellen BfA (Beratungsstellen für Alkohol- und andere Suchtprobleme) und der kantonalen Drogenberatung DBL zu einem, den KPD unterstellten, Psychiatrischen Dienst für Substanzabhängigkeit unter ärztlicher Leitung der DBL. Ein integrierter psychiatrischer Dienst bietet Gewähr, die Übergänge zwischen der medizinischen Versorgung und den Alkoholfachstellen zu verbessern, indem die medizinische Seite der Beratungsstellen gestärkt wird. Klares Ziel ist die verbesserte Früherfassung. Die Aufhebung der fachfremden Trennung von legalen und illegalen Substanzen bringt beiden Seiten Synergien und Impulse. Das privat getragene Blaue Kreuz wird in die fachliche Kooperation eingebunden, soll aber mit seinem jetzt schon spezifischen Profil selbständig bleiben.
1.6 Finanzielle und volkswirtschaftliche Aspekte
Insgesamt verlangen die vorgeschlagenen Massnahmen ein erhebliches Engagement des Kantons. Daher ist es günstig, dass die meisten Projekte etappiert werden können. Es sind zur Zeit grobe erste Schätzungen über die Betriebskosten möglich, um die Grössenordnungen zu veranschaulichen.
1.6.1 Finanzielle Aspekte
Projekte, welche direkte Leistungen für Patientinnen und Patienten erzielen sollen, benötigen die meisten Ressourcen. Die Projekte, bei welchen fachliche und koordinative Leistungen und Strukturverbesserungen im Vordergrund stehen, sind insgesamt weniger aufwändig. Grob geschätzt wird die Umsetzung jährlich folgende Staatsbeiträge binden:
Tabelle 1: Jährliche Mehrkosten (approximativer Staatsbeitrag, in Mio. Franken )*
Massnahme | Erste Ausbaustufe | Endausbau |
Alterspsychiatrischer Dienst | 2.60 | 5.02 |
Ausbau Tagesversorgung | 0.46 | 1.83 |
Spitalpsychiatrische Equipen | 0.48 | 1.32 |
Fachstelle Psychiatrische Rehabilitation** | 0.22 | 0.42 |
Psychiatrischer Dienst Substanzabhängigkeit | 0.28 | 0.28 |
Forensisch-psychiatrische Fachstelle | 0.06 | 0.13 |
Rehabilitationsstation Jugendliche | 0.43 | 0.43 |
Versorgung von MigrantInnen | 0.08 | 0.17 |
weitere | 2.00 | 2.04 |
*Quelle: Schlussbericht Folgeplanung II, S. 317 ff. **Totalbetrag; Drittmittelfinanzierung angestrebt
Die Bereitstellung der finanziellen Mittel zur Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen soll nach Möglichkeit im Rahmen der Budgets der Kantonalen Psychiatrischen Dienste (KPD) erfolgen.
1.6.2 Volkswirtschaftliche Aspekte
Finanzielle Erwägungen müssen die allgemeine markante Bedarfssteigerung in der Psychiatrie zugrunde legen. Es wäre zudem verfehlt, nur die Kostenseite in Betracht zu ziehen. Mangels Prävention fallen effektiv Kosten von höherer Grössenordnung an (siehe Tabelle 2 auf der folgenden Seite).
Tabelle 2: Volkswirtschaftliche Kosten durch Versorgungslücken (Beispiele)
Planungsbereich | Volkswirtschaftliche Kosten |
Rehabilitation | IV-Renten und Ergänzungsleistungen wegen psychiatrisch bedingter Erwerbslosigkeit belaufen sich im Kanton Basel-Landschaft auf schätzungsweise 70 Mio. Franken jährlich (60 Mio. für Renten, 10 Mio. für Ergänzungsleistungen; die Produktivitätsausfälle sind hier nicht gerechnet). Erwerbslosigkeit führt zudem unabhängig vom Erkrankungsgrad zu längeren und häufigeren Klinik-Hospitalisationen. |
Alterspsychiatrie | Mehr als 50% aller HeimbewohnerInnen erhalten täglich Psychopharmaka. Dafür werden in den Altersheimen mindestens 2.5 Mio. Franken jährlich durch Krankenversicherung und HeimbewohnerInnen aufgewendet. |
Tagesversorgung | Eine ausgebaute tagesklinische Versorgung kann einen nennenswerten Teil der stationären Vollhospitalisationen einsparen. |
Substanzenabhängigkeit | Mangelhafte Früherfassung von Alkoholabhängigkeit vergibt ein gros-ses volkswirtschaftliches Sparpotential bei den Betroffenen sowie im Umfeld (Belastung der Familie, Verkehrsunfälle etc.). |
Migration | Eine rechtzeitige und adäquate Behandlung von MigrantInnen verringert Folgekosten wegen Invalidisierung und unnötigen medizinischen Behandlungen. |
Spitalpsychiatrie | Patienten mit psychischen Störungen zeigen im Allgemeinspital längere Aufenthaltsdauern und ein erhöhtes Risiko für Pflegebedürftigkeit und weitere Spitalaufenthalte. |
Psychische Krankheiten brechen üblicherweise in jungem Alter aus, entwickeln deshalb oft vielfältige Behinderungen und zeigen vor allem bei zu später oder inadäquater Intervention häufig einen chronischen Verlauf mit hohen direkten und indirekten volkswirtschaftlichen Kosten. Deshalb lag der Planung bei einem Grossteil der Vorschläge eine präventive Absicht zugrunde, mit dem Ziel, wirksame Massnahmen zur Früherfassung und Verhütung invalidisierender Verläufe zu entwickeln.
Die Folgeplanung II ist nach dem Psychiatriekonzept von 1980 und der Folgeplanung I von 1991 die dritte Psychiatrie-Gesamtplanung des Kantons Basel-Landschaft. Wie bei den vorherigen liegt die hauptsächliche Bedeutung auch dieser Planung darin, dass sie ein Rahmenkonzept für die zweckmässige und abgestimmte Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung vorlegt. Der Regierungsrat sieht den Auftrag einer breiten bedarfs- und prozessorientierten Planung als erfüllt an. Die umfangreiche Analyse des aktuellen Zustandes der Versorgung zeigt neben einer insgesamt zweckmässigen und funktionierenden Versorgung einige spezifische, aber bedeutsame Versorgungslücken und -probleme. Der Regierungsrat erachtet die dafür vorgeschlagenen Massnahmen als angemessene Lösungen und unterstützt deren vorgeschlagene schrittweise Umsetzung.
Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, den Schlussbericht der Folgeplanung II zum Psychiatriekonzept Basel-Landschaft zustimmend zur Kenntnis zu nehmen.
Liestal, 19. August 2003
Im Namen des Regierungsrates
der Präsident: Straumann
der Landschreiber: Mundschin
Beilage:
Zusammenfassung des Schlussberichtes der Projektkommission Folgeplanung II vom 15.10.2002
Back to Top