Vorlage an den Landrat
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Vorlage an den Landrat |
Titel: | Schlussbericht der Folgeplanung II zum Psychiatriekonzept Basel-Landschaft | |
vom: | 19. August 2003 | |
Nr.: | 2003-176 | |
Bemerkungen: | Inhaltsübersicht dieser Vorlage || Verlauf dieses Geschäfts |
Zusammenfassung
Am 15. Juni 1999 wurden die Kantonalen Psychiatrischen Dienste beauftragt, die psychiatrische Versorgung des Kantons zuhanden Regierung und Landrat darzustellen und ihre künftige Entwicklung konzeptionell aufzuzeigen ("Folgeplanung II zum Psychiatriekonzept BL"). Die Projektkommission ist diesem Auftrag mit der Abgabe des Schlussberichtes an die Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion am 15. Oktober 2002 nachgekommen.
Mit dem Schlussbericht wird ein Planungskonzept für die künftige psychiatrische Versorgung vorgelegt, der Entscheidungsgrundlagen für die weiteren Entwicklungen bereitstellt und die einzelnen konkreten Massnahmen konzeptionell einbindet. Den im Bericht detailliert beschriebenen Vorschlägen liegt eine breit abgestützte Evaluation, Konsensfindung und Planung zugrunde. Deren Umsetzung soll jeweils schrittweise und im Rahmen einzelner, noch genauer auszuarbeitender Projekte, erfolgen. Der Auftrag, eine bedarfs- und prozessorientierte Planung unter breiter Beteiligung durchzuführen und künftigen Projekten eine konzeptionelle Referenz zu geben, wurde vollumfänglich erfüllt.
Prioritär sind Massnahmen in den Bereichen Alterspsychiatrie, Tagesversorgung, Zusammenarbeit mit den Kantonsspitälern, Rehabilitation bei Jugendlichen und Erwachsenen, Substanzenabhängigkeit und Forensik. Dabei werden die Schnittstellen zu Allgemeinmedizin, Altersversorgung, Jugendhilfe, Behindertenwesen, Justiz sowie Alkoholberatung besonders beachtet (siehe Beilage 1: Zusammenfassung des Schlussberichtes der Projektkommission zur Folgeplanung II vom 15.10.2002).
Der Regierungsrat beantragt die zustimmende Kenntnisnahme des Schlussberichtes der Folgeplanung II zum Psychiatriekonzept Basel-Landschaft.
Die psychiatrische Versorgung des Kantons wurde seit 1980 im Rahmen umfassender Konzepte aufgebaut. Das Psychiatriekonzept (1980) legte die Grundlagen für den Aufbau einer sozialpsy-chiatrisch orientierten Versorgung und führte zu einer Reformierung der zuvor auf Verwahrung ausgerichteten Psychiatrie. Die Folgeplanung I zum Psychiatriekonzept (1991) evaluierte das zwischenzeitlich Erreichte und schlug Verbesserungen vor. Seit der Folgeplanung I hatten sich die Institutionen, die fachlichen Gegebenheiten und die Rahmenbedingungen fortlaufend weiterentwickelt, und die Inanspruchnahme psychiatrischer Leistungen war stark und kontinuierlich angestiegen. Aus diesen Gründen war 10 Jahre nach der ersten Folgeplanung eine Revision der Gesamtplanung erforderlich, damit sich die Planung und Entwicklung weiterhin an zeitgemässen Leitlinien orientieren kann.
Unter dem Titel "Folgeplanung II zum Psychiatriekonzept Basel-Landschaft" beauftragte der Regierungsrat die Kantonalen Psychiatrischen Dienste, die psychiatrische Versorgung des Kantons zu-handen von Regierungsrat und Landrat umfassend darzustellen und ihre künftige Entwicklung konzeptionell aufzuzeigen (RRB 1146 vom 15. Juni 1999). Wie die vorangegangenen Konzepte sollte dieses Projekt grundsätzlich den gesamten Fachbereich aller Altersgruppen, inklusive Suchtfragen, umfassen, sowie alle an der psychiatrischen Versorgung des Kantons beteiligten Institutionen und Anbieter einbeziehen. Der Auftrag bestand demnach in der Erstellung eines Rahmenplans, in den sich künftige Massnahmen konzeptionell einfügen sollten und nicht darin, ein Gesamtpaket von konkreten Massnahmen zur Projektreife auszuarbeiten.
Entsprechend der Breite des Auftrages wurde eine breite Beteiligung von Fachleuten angestrebt und auch erreicht. Die Projektorganisation bestand aus einer Steuerungsgruppe (Projektkommission, bestehend aus der Chefärztekonferenz KPD und je einem Vertreter der psychiatrischen und hausärztlichen Praxen) sowie 6 Planungsgruppen zu folgenden Versorgungsbereichen:
- Allgemeine Erwachsenenpsychiatrie
- Psychiatrische Rehabilitation
- Alterspsychiatrie
- Kinder- und Jugendpsychiatrie
- Substanzabhängigkeit
- Forensische Psychiatrie
Weitere Themen wurden speziell abgehandelt: Ausbildung, Forschung und Strukturfragen der Kantonalen Psychiatrischen Dienste. Bei der Zusammensetzung der Planungsgruppen wurde da-rauf geachtet, dass sowohl staatliche wie auch private, allgemeinmedizinische wie auch spezialisierte, stationäre wie auch ambulante Versorgungsträger einbezogen und gleichzeitig VertreterInnen der baselstädtischen Psychiatrie, der Altersversorgung, der Behindertenhilfe, der Justiz sowie der Kinder- und Jugendhilfe berücksichtigt wurden. Insgesamt wirkten über 100 Fachpersonen bei der Planung mit.
Entsprechend der Tiefe des Auftrags wurde ein 4phasiges Vorgehen gewählt. Dabei wurde der Evaluation besondere Bedeutung zugemessen: Sie beinhaltete rund 20 grössere empirische Erhebungen sowie Hearings und Expertenbefragungen. Die umfassende Erhebung des IST-Zustandes führte zu wichtigen und neuen Erkenntnissen und lieferte eine sehr robuste Basis für die Planung. Ein wichtiger Effekt bestand darin, dass sich eine bedarfsorientierte Denkweise durchsetzte. Der Planungsauftrag Folgeplanung II kann als erfüllt angesehen werden.
1.4 Allgemeine Lage der psychiatrischen Versorgung
Psychiatrische Krankheiten sind weit verbreitet. Viele brechen typischerweise im jüngeren Alter aus und zeigen einen chronischen Verlauf. Sie sind mit einem grossen Mass an sozialer Behinderung und reduzierter Lebensqualität verbunden und verursachen einen komplexen und langfristigen Hilfebedarf. Innerhalb eines Jahres machen 20-25% der Bevölkerung zumindest einmal eine psychiatrische Erkrankung durch. Bei 5-10% der Bevölkerung besteht im Jahr ein Bedarf nach psychiatrischer Fachbehandlung, das sind für den Kanton Baselland jährlich 13'000 bis 26'000 Menschen. Bei jährlich rund 13'000 psychiatrisch Behandelten wird aktuell knapp der Minimalbedarf gedeckt. Die Inanspruchnahme psychiatrischer Leistungen musste sich wegen des Nachholbedarfs schnell entwickeln, und es ist mit einer weiteren Steigerung zu rechnen. Eine Überversorgung besteht mit Sicherheit nicht. Ein spezifisches Problem liegt in der Zunahme von akuten Notfallsituationen, die den weitaus grössten Teil der Klinikaufnahmen ausmachen, und denen mit einer erhöhten Krisenbereitschaft im Vorfeld begegnet werden sollte.
Insgesamt präsentiert sich die psychiatrische Versorgung aber auf einem vergleichsweise guten Niveau. Die Kantonalen Psychiatrischen Dienste nehmen darin eine zentrale, gut vernetzte Stellung ein. Dies verdanken sie dem institutionellen Dach über die einzelnen Dienste und einer geordneten Entwicklung der psychiatrischen Versorgung im Rahmen der bisherigen Gesamtplanungen. Bei den vorgeschlagenen Massnahmen handelt es sich deshalb nicht um eine Neuausrichtung der Psychiatrie, sondern um notwendige Verbesserungen und strukturelle Ergänzungen in Bereichen, wo bestimmte Probleme festgestellt wurden.
So ist allgemein festzustellen, dass nach zwei Jahrzehnten geplanter Dezentralisierung der Angebote psychisch kranke Menschen, die nun ausserhalb der engeren medizinisch-psychiatrischen Versorgung betreut werden, durch inadäquate Rahmenbedingungen noch vielfach benachteiligt sind. Die Kantonalen Psychiatrischen Dienste und der Kanton sind dort gefordert, wo eine fehlende fachliche Steuerung zu einer qualitativ unzureichenden Versorgung psychisch Kranker geführt hat. Den Vorschlägen betreffend Alterspsychiatrie, Alkoholabhängigkeit und Rehabilitation liegen solche Feststellungen zugrunde. Der Grossteil psychisch erkrankter Menschen sucht schliesslich die allgemeinmedizinische Versorgung, vor allem die hausärztliche Praxis, auf. Die Kooperation zwischen psychiatrischen und somatischen Diensten ist deswegen für jedes Versorgungssystem von entscheidender Bedeutung.
1.5 Vorgeschlagene prioritäre Massnahmen
1.5.1 Übergeordnete Entwicklungsrichtlinien
Die Folgeplanung II gibt den Rahmen für eine abgestimmte bedarfsgerechte Entwicklung der einzelnen Bereiche. Übergeordnet gelten folgende Entwicklungsrichtlinien:
1. | Verstärkung der Prävention und Frührehabilitation zur Vermeidung von Invalidisierung und Verhütung von Langzeiterkrankungen |
2. | Spezialisierung bestimmter Versorgungsbereiche bei gleichzeitiger Definition der Aufgabenbereiche und Arbeitsprinzipien einer integrierten institutionsübergreifenden Allgemeinpsychiatrie |
3. | Verstärkung der psychiatrischen Präsenz an den Schnittstellen zu anderen Versorgungssys-temen |
4. | Aktualisierung und Aufwertung der Sozialpsychiatrie als gemeinsame Verständigungsbasis. |
Inhaltlich führte die Lageanalyse zu folgenden, als besonders prioritär gewichteten Vorschlägen. Für die weiteren Prioritäten wird auf den Schlussbericht der Projektkommission verwiesen, namentlich auf die Forensische Psychiatrie, Versorgung der MigrantInnen und Jugendpsychiatrische stationäre Rehabilitation. Auch was die Begründung der Vorschläge betrifft, wird auf den Bericht verwiesen. Die Vorschläge entsprechen stets einem Konsens in den Planungsgremien. Für deren Umsetzung wird fast durchgängig eine Etappierung vorgeschlagen.
1.5.2 Alterspsychiatrie
In der Betreuung psychisch kranker alter Menschen wurde eine globale Versorgungslücke festgestellt. Deutlich zeigt sich dies in den Spitälern und vor allem in den Alters- und Pflegeheimen, wo sehr viele psychiatrische Erkrankungen festgestellt, aber kaum je psychiatrisch behandelt werden. Die Gemeinden scheinen nicht in der Lage, diesen qualitativen Bedarf in eigener Regie decken zu können. Ähnlich gelagert ist die Situation bei den Spitex. Da die psychiatrischen Praxen kaum betagte PatientInnen betreuen und die Externen Psychiatrischen Dienste angesichts der Aufgabenvielfalt überfordert sind, fehlt es generell an alterspsychiatrischer Kompetenz und an professionellem Nachwuchs. Im Gegensatz zur Pflege und Betreuung im Alter, die Sache der Gemeinden sind, betrifft die hier festgestellte Lücke medizinisch-psychiatrische Leistungen nach KVG, die der Kanton zu garantieren hat.
Innerhalb der Kantonalen Psychiatrischen Dienste soll ein Alterspsychiatrischer Dienst geschaffen werden. Mit der Schaffung eines eigenen alterspsychiatrischen Dienstes wird eine institutionelle Lösung vorgeschlagen, die - auch aufgrund auswärtiger Erfahrungen - als einzige in der Lage ist, diese globale Versorgungslücke zu schliessen. Dieser Dienst dient über die Kantonalen Psychiatrischen Dienste hinaus für die gesamte Versorgung und für die Betagten und deren Angehörigen als Dienstleistungszentrum. Um eine zweckmässige alterspsychiatrische Versorgungslinie aufzubauen, sollen das stationäre Angebot differenziert, das ambulante sowie teilstationäre Angebot ausgebaut und die Heime mit einem regelmässigen Service unterstützt werden.
1.5.3 Tagesversorgung
Die steigende Inanspruchnahme der Psychiatrischen Klinik ist bedingt durch die wachsende Anzahl der akuten kurzzeitigen Klinikeintritte. Der quantitative Bedarf nach den - geografisch sehr ungleich verteilten - Angeboten der Tagesversorgung kann bei weitem nicht gedeckt werden und die bestehenden Tageskliniken sind zu wenig ausgerüstet, um Krisensituationen schnell zu begegnen. Tageskliniken wären eine wichtige und wirksame Alternative zu Vollhospitalisationen, sind jedoch in unserem Kanton relativ unentwickelt. Das Ziel einer erweiterten Tagesversorgung besteht darin, der wachsenden Inanspruchnahme der Psychiatrie aktiv und kontrolliert zu begegnen. Dies bedingt zunächst eine Investition in die tagesklinische Versorgung, um das Wachstum bei den Vollhospitalisationen mittelfristig bremsen zu können.
Die psychiatrische Tagesversorgung soll ausgebaut werden und ihr Profil in Richtung Krisenhilfe und Rehabilitation verstärkt werden. Im unteren Kantonsteil, vorzugsweise im Leimental, schaffen die Externen Psychiatrischen Dienste eine zusätzliche Tagesklinik. Die bestehenden Tageskliniken in Liestal und Münchenstein werden personell so ergänzt, dass sie eine aktivere Rolle in der Krisenintervention und aufsuchenden Betreuung sowie in der Rehabilitation garantieren können.
1.5.4 Spitalpsychiatrische Teams
Trotz der steigenden Inanspruchnahme wird nach wie vor der Grossteil behandlungsbedürftiger Menschen, der nicht durch akute Krisen auffällt, von den psychiatrischen Angeboten nicht erreicht. Diese PatientInnen werden hingegen in den hausärztlichen Praxen und in den Spitälern gesehen, wo sie eine überdurchschnittliche Beanspruchung verursachen, oft jedoch nicht optimal behandelt und selten an fachpsychiatrische Behandlung überwiesen werden. Damit wird die Chance einer prognostisch günstigen Früherfassung verpasst. Das ist vor allem die Folge der fehlenden kontinuierlichen Präsenz psychiatrischer Fachkräfte in den Spitälern.
In den Kantonsspitälern Bruderholz und Liestal soll schrittweise je ein spitalpsychiatrisches Team installiert werden. Die kleinen interdisziplinären Teams sollen die fachgerechte Abklärung, Behandlung und Zuweisung verbessern. Sie unterstützen die Pflegenden vor Ort, beurteilen und behandeln PatientInnen, leiten weiterführende Behandlungen ein und führen mit Assis-tentInnen und anderem Personal ein praktisches Teaching durch. In Absprache mit den Spitalleitungen sollen diese Teams projektweise eingeführt und wissenschaftlich evaluiert werden. Bezüglich der späteren kontinuierlichen Finanzierung solcher Teams wäre auch eine Erhöhung der Spitaltaxen zu überprüfen.
Fortsetzung >>>
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