2003-163 (1)


Am 1. Juli 2003 reichte die FDP-Fraktion eine Interpellation mit folgendem Wortlaut ein:

"Wie man der Presse entnehmen konnte, beabsichtigt die KVA Basel die Gebühren zu erhöhen. Als einer der Hauptgründe wird die nicht erreichte Auslastung der Kehrichtverbrennungsanlage infolge angeblichen technischen Mängel an der Anlage genannt.


Im Jahre 1996 wurde die Abfallvereinbarung mit dem Kanton Basel-Stadt abgeschlossen. Mit dieser Vereinbarung erhöhte der Kanton Basel-Landschaft seinen finanziellen Anteil an der Firma Redag, die als Besteller und Besitzer der neuen KVA Basel gilt. In der damaligen Landratsvorlage wurde von einer Verbrennungskapazität von 240'000 Tonnen ausgegangen. Baselland garantiert die Lieferung einer Abfallmenge von 80'000 Tonnen/Jahr, Toleranz +/- 10% während 30 Jahren. Die Wirklichkeit sieht anders aus; es werden nur 190'000 Tonnen/Jahr verbrannt. Aufgrund der Materialdifferenz von 50'000 Tonnen/Jahr entsteht angeblich ein finanzielles Defizit, das nun mit der Erhöhung der Gebühren aufgefangen werden soll.


Aufgrund der kurzen vorstehenden Erläuterung bitten wir den Regierungsrat um die schriftliche Beantwortung folgender Fragen:



Einleitung

Die neue KVA Basel wurde auf eine jährliche Verbrennungskapazität von 240'000 Tonnen ausgelegt und konnte am 1. Januar 1999 den ordentlichen Betrieb aufnehmen. Leider verursachten aber schon nach einigen Monaten - und dann immer wieder - Rohrreisser in den Kesseln wochenlange Betriebsunterbrüche. Dies führte dazu, dass im Jahr 2001 der Abhitzekessel einer Verbrennungslinie komplett ersetzt werden musste.


Aufgrund diverser Störungen und Mängel im Bereich Feuerung und Kessel waren die Ofenrevisionen in kürzeren Intervallen erforderlich als geplant, so dass die Jahresbetriebszeit von 8'000 Stunden nicht erreicht werden konnte. Zudem mussten die Ofenleistungen wegen viel zu hohen Rauchgastemperaturen stetig verringert werden. Dies zusammen führte dazu, dass die vereinbarte Verbrennungskapazität von 240'000 Jahrestonnen nicht erreicht werden konnte. Trotz Nachrüstung eines Ofens durch den Anlagelieferanten mit Abreinigungseinrichtungen in den Rauchgaszügen und verschiedenen Umbaumassnahmen im Wasser-Dampf-Kreislauf des Kessels konnte keine nennenswerte Verbesserung erzielt werden.


Die über mehrere Jahre ergebnislosen Versuche der Mängelbehebung und die immer schwieriger gewordenen Diskussionen mit den Nachfolgefirmen des ursprünglichen Vertragspartners ABB Hochspannungstechnik AG führten gegen Ende des Jahres 2001 dazu, dass seitens des Anlagebetreibers eine Expertise in Auftrag gegeben wurde. Diese zeigte auf, dass die Anlage in entscheidenden Bereichen unterdimensioniert ist und dadurch lediglich 190'000 Tonnen Abfälle pro Jahr verbrannt werden können. Ab diesem Zeitpunkt wurden juristische Massnahmen geprüft.


Nun ist beim Zivilgericht Basel-Stadt Klage gegen Alstom (Schweiz) AG eingereicht worden. Gefordert wird in einem komplexen Rechtsbegehren die Rücknahme der Anlage und die Rückvergütung des bezahlten Betrages von rund 43 Mio. Franken; hinzu kommen Zinsforderungen, in Abzug gebracht werden Nutzungsentschädigungen. Weiter wird derzeit geprüft, ob noch eine zweite Klage mit Aussicht auf Erfolg eingereicht werden kann, in der die Vertragsausfälle und die entstandenen Mehrkosten (u.a. für die Entsorgung von Abfällen in anderen schweizerischen KVA's) geltend gemacht werden.


Um trotz der reduzierten Verbrennungskapazität keine oder aber nur wenige Abfälle mit zusätzlichem Kostenaufwand in anderen KVA's der Schweiz entsorgen zu müssen, übernimmt bis Ende des Jahres 2004 der Landkreis Lörrach eine "Jokerfunktion", indem er möglichst nur die Abfallmenge nach Basel liefert, die zur Auslastung der KVA mit 190'000 Tonnen erforderlich ist. Die übrigen brennbaren Abfälle kann der Landkreis Lörrach zur Zeit noch deponieren. Ab 2005 gilt dann aber auch in Deutschland ein generelles Ablagerungsverbot für brennbare Abfälle, so dass dann sämtliche Abfälle des Landkreises Lörrach anfallen werden.


Ab dem Jahr 2005 ist vorgesehen, die Entsorgungssicherheit nur noch für Siedlungsabfälle zu gewährleisten. Für diese Abfallart haben die Kantone nämlich aufgrund des Bundesrechts nicht nur ein Monopol sondern auch die Entsorgungsverpflichtung. Für die übrigen Abfälle aus Industrie und Gewerbe soll die Entsorgungssicherheit nur noch gewährleistet werden, wenn sich die einzelnen Betriebe gegenüber der KVA zur kontinuierlichen Lieferung verpflichten. Sonst haben sie zwar die Möglichkeit, auf dem freien Markt den jeweils günstigsten Entsorgungsweg zu suchen, müssen jedoch bei voller Auslastung der KVA Basel in Kauf nehmen, dass ihre Abfälle nicht mehr angenommen werden.


Bezüglich der Verbrennungsgebühr der KVA Basel ist folgendes festzuhalten:

Die einzelnen Fragen können wie folgt beantwortet werden:


Antwort:
Nein, die reduziert verarbeitbare Abfallmenge kann gegenwärtig nicht Anlass für neue Verhandlungen sein. Durch die reduzierte Verbrennungskapazität der KVA Basel wird auch die Wahrscheinlichkeit weiter reduziert, dass der Kanton BL bei Unterschreiten der vereinbarten Mindestmenge von 72'000 Tonnen pro Jahr und gleichzeitig ungenügender Auslastung der KVA Entschädigungen an BS bezahlen müsste.


Liefert BL Abfälle innerhalb der vereinbarten Menge und reicht die Kapazität der KVA nicht aus, so sorgt die KVA Basel für die Entsorgung in anderen KVA's der Schweiz.


Antwort:
Dies erfolgt zum einen in der Betriebskommission der KVA Basel, worin sämtliche Vertragspartner und die Betreiberin der KVA vertreten sind. Die Interessen des Kantons Basel-Landschaft werden durch zwei Delegierte der Bau- und Umweltschutzdirektion wahr genommen.


Im Reglement der Betriebskommission der KVA Basel sind die Aufgaben und Kompetenzen der Betriebskommission, die den Vertragspartnern die Mitwirkung in allen technischen, organisatorischen und finanziellen Belangen beim Betrieb der KVA Basel ermöglicht, wie folgt festgehalten:




Zum zweiten werden Themen wie die vorgesehene Gebührenerhöhung auf Direktionsebene in den institutionaliserten, periodisch stattfindenden Abfall-Koordinationssitzungen zwischen dem Baudepartement BS und der Bau- und Umweltschutzdirektion BL besprochen. Damit ist sichergestellt, dass bei durch Basel-Stadt zu fassenden Beschlüssen die Meinung von BL einfliesst.


Zum dritten ist der Kanton Basel-Landschaft mit drei Delegierten im Verwaltungsrat der REDAG vertreten, welche als Totalunternehmerin für den KVA-Ausbau aufgetreten ist, seinerzeit den Generalunternehmervertrag mit ABB abgeschlossen hat und heute auch als Klägerin im Verfahren gegen Alstom auftritt. Ueber diese Achse stellt der Kanton Basel-Landschaft auch seinen Einfluss auf das hängige Verfahren gegen Alstom sicher.


Dass der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft sein Mitspracherecht in allen Belangen der KVA Basel wahr nimmt, ist auch aus den Ergebnissen der bereits erwähnten Arbeitsgruppe BS/BL zur detaillierten Untersuchung der Betriebskosten der KVA Basel ersichtlich. Die Arbeitsgruppe wurde auf Antrag des Kantons Basel-Landschaft eingesetzt und die BL-Delegierten haben mit ihren erfolgreich eingebrachten Anliegen massgeblich dazu beigetragen, dass die Betriebskosten sukzessive reduziert werden, so dass ab dem Jahr 2008 jährliche Einsparungen von ca. 4.0 Mio. Franken erzielt werden können.


Antwort:
Ja, vergl. auch die Antwort zu Frage 2.


Antwort:
Die Kehrichtverbrennungsanlage gehört dem Kanton Basel-Stadt und wird durch die Industriellen Werke Basel (IWB) betrieben.


Antwort:
Diese Frage kann nur aus Sicht des Anlagebetreibers beantwortet werden. Andernfalls wären keine juristischen Schritte nach mehreren erfolglosen Nachbesserungsversuchen erforderlich geworden. Letztlich wird das hängige Gerichtsverfahren dazu eine abschliessende objektive Antwort geben müssen.


Werden die Öfen mit einer Jahresleistung von 240'000 Tonnen Abfällen betrieben, sind gemäss den in den Jahren 1999 bis 2001 gemachten Betriebserfahrungen dauernd Störungen aufgetreten. Die Ofenlinien konnten nach Auffassung des Betreibers nicht mit der vertraglich garantierten maximalen Dauerleistung betrieben werden, ohne dass übermässige Verschmutzungen, Ablagerungen und Abnutzungen auftraten und die maximalen Rauchgastemperaturen überschritten wurden. Die vertraglich festgelegte Betriebszeit von 8'000 Stunden pro Jahr konnte nicht erreicht werden, da zeitintensive Revisionen nach wesentlich kürzerer Zeit als ursprünglich vorgesehen erforderlich waren.


Ein Parteigutachten hat ergeben, dass die Anlage in entscheidenden Bereichen falsch (d.h. zu klein) dimensioniert ist. Alstom wird dem im Gerichtsverfahren möglicherweise widersprechen.


Antwort:
Neben BL mit 80'000 Jahrestonnen sind es der Landkreis Lörrach mit 45'000 Jahrestonnen, der Gemeindeverband Abfallbewirtschaftung Unteres Fricktal (GAF) mit 6'000 Jahrestonnen und die Kehrichtbeseitigung Laufental-Schwarzbubenland AG (KELSAG) mit 7'000 Jahrestonnen. Für diese Vertragsmengen gilt wie bei der BL-Menge eine Toleranz von ± 10%.


Neben den Vertragsmengen von total 138'000 Jahrestonnen hat Basel-Stadt für sich 85'000 Jahrestonnen reserviert. Die gemäss vertraglichen Abmachungen zu verarbeitende Abfallmenge beträgt somit insgesamt 223'000 Jahrestonnen (± 10%).


Antwort:
In der Betriebsrechnung der KVA Basel zeichnet sich für das Jahr 2003 ein Defizit von ca. 3.4 Mio. Franken ab, womit sich das Defizit per Ende 2003 auf insgesamt ca. 9 Mio. Franken erhöhen wird.


Antwort:
Die KVA Basel muss kostendeckend betrieben werden. Mit den heute gültigen Gebühren und einer Verbrennungskapazität von 190'000 Tonnen ist dies trotz diversen eingeleiteten Betriebskosteneinsparungen auch mittelfristig nicht möglich.


Vorgesehen war, die für die öffentliche Abfuhr massgebende Gebühr für Bahnanlieferungen von Fr. 165.-- auf Fr. 175.-- pro Tonne zu erhöhen, diejenige für Strassenanlieferungen von Fr. 175.-- auf Fr. 195.-- pro Tonne. Damit sollte das Defizit gemäss Berechnungen bei dem als wahrscheinlichst angenommenen Mengenszenario im Jahr 2008 abgebaut sein.


Wie bekannt, hat der Verband Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG) gegen diese von der Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) bereits im Mai 2003 angekündigte Gebührenerhöhung opponiert. Nach Gesprächen mit der BUD hat der VBLG mit Schreiben vom 1. September 2003 der BUD mitgeteilt, dass er die Gebührenerhöhung um Fr. 20.-- pro Tonne nach wie vor ablehnt. Im Sinne eines Kompromisses akzeptiere er eine Erhöhung von Fr. 10.-- pro Tonne für Strassenanlieferungen auf neu Fr. 185.-- pro Tonne, bzw. keine Erhöhung bei Bahnanlieferung, d.h. weiterhin Fr. 165.-- pro Tonne. Diese Haltung wurde von der BUD dem Baudepartement BS übermittelt. Ein Entscheid des Regierungsrates BS über die Gebührenhöhe ab dem 1. Januar 2004 ist noch nicht gefällt worden.


Antwort:
Gemäss dem angenommenen Mengenszenario ergeben sich für das Jahr 2004 Mehreinnahmen von ca. 3.5 Mio. Franken.


Werden die Gebühren gemäss dem Antrag VBLG erhöht, so ergeben sich Mehreinnahmen von lediglich ca. 1.6 Mio. Franken.


Antwort:
Das durchschnittliche Gewicht eines 35 lt Sackes beträgt 5.0 Kilogramm. Die Erhöhung der KVA-Gebühr um Fr. 20.-- pro Tonne wirkt sich somit mit 10 Rappen auf den 35 lt Sack aus.

Bei Bahnanlieferung beträgt die Erhöhung der KVA-Gebühr lediglich Fr. 10.-- pro Tonne. Auf den 35 lt Sack bewirkt dies eine Erhöhung von 5 Rappen.

Antwort:
Wie bereits zu Frage 8 ausgeführt, muss die KVA Basel mit kostendeckenden Gebühren betrieben werden. In den 28 KVA's der Schweiz betragen die Verbrennungsgebühren für Hauskehricht Fr. 150.--/t bis Fr. 310.--/t (Stand Okt. 2002). Die KVA Basel schneidet also auch bei einer Gebühr von Fr. 195.--/t im gesamtschweizerischen Vergleich immer noch unter dem Mittel aller KVA's ab. Da bei einer Entsorgung der Abfälle in einer externen KVA die Transportkosten hinzuzurechnen sind, kann die Gebühr von Fr. 195.--/t aber auch im freien Wettbewerb als konkurrenzfähig betrachtet werden.


Der Regierungsrat hat selbstverständlich alles Interesse, dass die kostendeckenden Gebühren möglichst tief angesetzt werden können. Anhand der geschilderten Umstände, der konkurrenzfähigen Gebühr, den eingeleiteten Betriebskosteneinsparungen und der Tatsache, dass allfällige Zahlungen des Ofenlieferanten vollumfänglich der KVA-Rechnung gutgeschrieben würden, akzeptiert der Regierungsrat die Gebührenerhöhung.


Antwort:
Nach heutigem Kenntnisstand: Nein.
Antwort:
Gegen die Alstom (Schweiz) AG haben der Kanton Basel-Stadt und die REDAG beim Zivilgericht Basel-Stadt Klage eingereicht. Wir verweisen dazu auf die Einleitung und die Antwort zu Frage 2.

Antwort:
Wir verweisen auf die Einleitung.


Liestal, 4. November 2003


Im Namen des Regierungsrates
der Präsident: Straumann
der Landschreiber: Mundschin



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