2003-6 (1)


Die SVP-Fraktion reichte am 9. Januar 2003 eine Interpellation zum Thema "Vertiefung der Diskussion zum Lastenausgleich zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt I" ein.

Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:


"Die Diskussion über den Ausgleich der Zentrumsfunktionen der Stadt Basel wird praktisch ausschliesslich aus der Optik geführt, eine solche Funktion stelle eine Last dar, welche grundsätzlich abgegolten werden müsse. Die Kehrseite der Medaille, der durch die Zentrumsfunktion entstehende Mehrwert für die Stadt geht dabei fast durchwegs vergessen. Dieser Mehrwert entsteht unter anderem auch durch Leistungen der Bevölkerung des Baselbiets. Häufig haben etwa Selbständigerwerbende (z.B. Aerzte) ihr Geschäftsdomizil in der Stadt und sind damit für das aus ihrer Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen in der Stadt steuerpflichtig. Hingegen belasten sie in erster Linie die Infrastruktur ihres Wohnorts im Baselbiet, wo sie nicht oder nur beschränkt steuerpflichtig sind. Bis zu einem gewissen Grad trifft dies auch für im Baselbiet wohnhafte Arbeitnehmer zu, welche für Arbeitgeber mit Sitz oder Betrieb in Basel arbeiten. Sie tragen dazu bei, dass der Steuerertrag juristischer Personen in der Stadt wesentlich höher ist als auf der Landschaft.


Ich bitte den Regierungsrat um die schriftliche Beantwortung folgender Fragen:


Antwort des Regierungsrates

Einleitung
Die in der Interpellation aufgeführten Fragen beruhen auf den vom Bundesgericht festgelegten, interkantonalen Doppelbesteuerungsregeln. Gemäss diesen Regeln gilt bei Selbständigerwerbenden, dass der Gewinn aus selbständiger Erwerbstätigkeit dem Geschäftsort, alle übrigen Einkommensbestandteile hingegen dem Wohnsitz zur Besteuerung zugewiesen werden. Zum übrigen Einkommen zählen insbesondere Vermögenserträge, Eigenmietwert, Renteneinkommen etc. Aufwendungen und Schuldzinsen werden nach unterschiedlichen Regeln ebenfalls zwischen Geschäfts- und Wohnort aufgeteilt, so dass im Prinzip der Geschäftsgewinn - wie in der Interpellation richtig aufgeführt - am Geschäftsort und das übrige steuerbare Einkommen am Wohnsitz der selbständigerwerbenden Person besteuert wird. Für die Besteuerung des Vermögens kommen die gleichen Grundsätze zur Anwendung. Massgebend ist der Steuersatz, der sich aufgrund des gesamten Einkommens resp. Vermögens ergibt.


Die vereinfacht dargestellten Doppelbesteuerungsgrundsätze zeigen, dass die interkantonale Besteuerung eine sehr komplexe Angelegenheit ist. Ebenso komplex und um ein Vielfaches aufwändiger ist die Berechnung der Steuererträge, die infolge Steuerausscheidung im Kanton Basel-Landschaft oder Basel-Stadt generiert werden. Insbesondere für die im Kanton Basel-Stadt anfallenden Steuern müssten individuelle Berechnungen durchgeführt werden. Aus den bestehenden Steuerdaten kann nicht entnommen werden, wieviel z.B. ein Anwalt, der im Kanton Basel-Stadt seine Praxis hat, effektiv an Steuern im Kanton Basel-Stadt bezahlt. Solche Berechnungen und Informationen sind auch nicht bei der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt ohne besondere Auswertungen erhältlich. Entsprechend handelt es sich bei den Steuerbeträgen in den Antworten zu den Fragen 1 und 2 um grobgeschätzte Grössenordnungen.


Ebensowenig sind zuverlässige Aussagen möglich über den Einfluss von Unselbständigerwerbenden auf den steuerbaren Gewinn ihres Arbeitgebers, der im Übrigen eine juristische oder eine natürliche Person sein kann. So tragen Arbeitnehmende, welche im Kanton Basel-Landschaft wohnen, zweifellos zur Ertragserzielung ihrer Arbeitgebenden mit Sitz im Kanton Basel-Stadt bei; ob daraus bei den Arbeitgebenden ein steuerbarer Gewinn oder ein Verlust resultiert, ist allerdings eine andere Frage. Wie gross der Einfluss der Baselbieter Arbeitnehmenden jedoch ist, kann aus den bestehenden Daten nicht ausgewertet werden. Denn es fehlen Angaben darüber, welche Baselbieter Pendlerinnen und Pendler bei welchen Arbeitgebenden arbeiten und wieviel Gewinn diese Arbeitgebenden im Kanton Basel-Stadt versteuern. Gleiches gilt auch im umgekehrten Verhältnis. Die Fragen 4 und 5 können daher leider mangels Datenbasis der Steuerverwaltung nicht beantwortet werden. Fest steht hingegen, dass die Pendlerinnen und Pendler immer an ihrem Wohnsitz besteuert werden, und somit der im Kanton Basel-Stadt verdiente Lohn in unserem Kanton zur Besteuerung gelangt.




Frage 1:
Wie hoch ist der jährliche Steuerertrag des Kantons Basel-Stadt durch im Kanton Baselland wohnhafte und im Kanton Basel-Stadt steuerpflichtige natürliche Personen?


Antwort:
Aufgrund einer Auswertung der Steuerverwaltung sind zur Zeit folgende Aussagen möglich:


1'573 selbständig erwerbende Personen mit Wohnsitz im Kanton Basel-Landschaft sind aufgrund ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit oder ihres Liegenschaftsbesitzes im Kanton Basel-Stadt steuerpflichtig. Das aufgrund der interkantonalen Ausscheidung gesamthaft dem Kanton Basel-Stadt zugewiesene steuerbare Einkommen beträgt rund CHF 105 Mio. und das gesamthaft zugewiesene steuerbare Vermögen rund CHF 111 Mio., was zu einem Steueraufkommen im Kanton Basel-Stadt von rund CHF 14,4 Mio. bei der Einkommenssteuer resp. rund CHF 1 Mio. bei der Vermögenssteuer führt.


Die gleiche Gruppe versteuert im Kanton Basel-Landschaft ein Einkommensvolumen von rund CHF 90 Mio. und ein Vermögen von rund CHF 673 Mio.; dies führt zu einem Einkommenssteuerbetrag für Kanton und Gemeinden von rund CHF 10,5 Mio. resp. zu einem Vermögenssteuerbetrag von rund CHF 5 Mio.. Der in der Interpellation gemachten Aussage, dass die in Frage stehenden Personen im Baselbiet nicht oder nur wenig Steuern bezahlen würden, kann der Regierungsrat aufgrund dieser Zahlen nicht zustimmen.




Frage 2:
Wie hoch ist der jährliche Steuerertrag des Kantons Baselland durch im Kanton Basel-Stadt wohnhafte und im Kanton Baselland steuerpflichtige natürliche Personen?


Antwort:
Im umgekehrten Fall sieht die Situation wie folgt aus:


294 Selbständigerwerbende wohnen im Kanton Basel-Stadt und arbeiten im Kanton Basel-Landschaft oder besitzen Liegenschaften in unserem Kanton. Dadurch werden rund CHF 16 Mio. steuerbares Einkommen und rund CHF 17 Mio. steuerbares Vermögen dem Kanton Basel-Landschaft zugewiesen. Bezüglich der Steuererträge bedeutet dies, dass rund CHF 1,7 Mio. Einkommenssteuern für Kanton und Gemeinden und rund CHF 0,1 Mio. Vermögenssteuern dem Kanton Basel-Landschaft zufliessen.


Diese Personengruppe bringt im Kanton Basel-Stadt ein Einkommen von rund CHF 21 Mio. und ein Vermögen von rund CHF 234 Mio. zur Besteuerung; d.h. rund CHF 2,6 Mio. Einkommenssteuern und rund CHF 2,1 Mio. Vermögenssteuern fallen dadurch im Kanton Basel-Stadt an.




Frage 3:
Auf welcher Basis beruhen die Berechnungen bzw. Schätzungen gemäss Ziff. 1 und 2?


Antwort:
Die genannten Zahlen basieren auf einer Auswertung des Steuerjahres 2001, das allerdings im Zeitpunkt der Erhebung erst zu rund 90% veranlagt war. Die Veranlagung der fehlenden 10% wird erfahrungsgemäss einen massgeblichen Einfluss auf die endgültigen Zahlen haben, so dass die oben gemachten Angaben mit grosser Vorsicht zu interpretieren sind. In der Auswertung sind diejenigen natürlichen Personen berücksichtigt, die im System der Steuerverwaltung als Selbständigerwerbende erfasst und im anderen Kanton entweder aufgrund selbständiger Erwerbstätigkeit oder Liegenschaftsbesitz steuerpflichtig sind.


Wie eingangs erwähnt handelt es sich bei den Angaben zu den Steuerbeträgen um grobe Schätzungen, die einerseits auf Auswertungen der Steuerverwaltung und andererseits auf daraus abgeleiteten Annahmen für den Kanton Basel-Stadt beruhen. So wurde für unseren Nachbarkanton davon ausgegangen, dass die Steuerbelastung für natürliche Personen rund 2% höher ist als im Kanton Basel-Landschaft, und für die Berechnung der Vermögenssteuer wurde jeweils der maximale Steuersatz berücksichtigt.




Frage 4:
Wie hoch ist der von im Baselbiet wohnhaften Personen erarbeitete Steuerertrag juristischer Personen mit Sitz oder Betriebsstätte im Kanton Basel-Stadt?


Antwort:
Diese Frage kann gemäss den einleitenden Bemerkungen leider nicht beantwortet werden.




Frage 5:
Wie hoch ist der von im Kanton Basel-Stadt wohnhaften Personen erarbeitete Steuerertrag juristischer Personen mit Sitz oder Betriebsstätte im Kanton Baselland?


Antwort:
Diese Frage kann gemäss den einleitenden Bemerkungen leider nicht beantwortet werden.




Frage 6:
Stimmt der Regierungsrat der Aussage zu, dass der Steuerertrag juristischer Personen für den Staatshaushalt deshalb wertvoll ist, weil juristische Personen die teuren Bereiche der Staatstätigkeit nicht direkt belasten?


Antwort:
Dieser Aussage stimmt der Regierungsrat so nicht zu. Es gibt sowohl Lasten und Nutzen des Zentrums als auch der Agglomeration. So werden bei der Agglomeration die Lasten, z.B. die überdurchschnittlichen Bildungskosten insbesondere für die Primar-, Sekundar- und Gymnasialstufe oft vernachlässigt. Es ist der partnerschaftlichen Zusammenarbeit nicht förderlich, wenn jeweils nur die Lasten des Zentrums und der Nutzen der Agglomeration hervorgehoben werden, während die Lasten der Agglomeration bzw. der Nutzen des Zentrums nicht gebührend in die Diskussion einfliessen.


Zudem dürfen die Abhängigkeiten zwischen natürlichen und juristischen Personen nicht ausser Acht gelassen werden. So sind die Arbeitnehmer darauf angewiesen, dass ihnen Unternehmen (juristische Personen) Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Die Unternehmen wiederum sind zur Herstellung und Lieferung von Produkten und zum Angebot von Dienstleistungen auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen; diese stehen ihnen aber nur aufgrund des guten Bildungssystems zur Verfügung. Ähnliches lässt sich zu den Gesundheitskosten sagen, denn nur gesunde Arbeitnehmende können den Unternehmen die volle Arbeitsleistung erbringen. Somit dürfen Bildungs- und Gesundheitskosten nicht isoliert betrachtet und nur den natürlichen Personen zugerechnet werden. Die juristischen Personen profitieren ebenso von einem gut ausgebildeten Bildungs- und Gesundheitswesen, und deren Steuerertrag ist daher nicht wertvoller als derjenige von natürlichen Personen.


Bei einem anderen teuren Bereich der Staatstätigkeit trifft die in der Fragestellung gemachte Aussage überhaupt nicht zu, nämlich bei der Erstellung und Aufrechterhaltung der Verkehrsinfrastruktur. Diese wird sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen zur Verfügung gestellt, und auch ohne wissenschaftliche Untersuchung darf gesagt werden, dass nicht von einer einseitigen Belastung nur durch eine der beiden Kategorien gesprochen werden kann.




Frage 7:
Ist sich der Regierungsrat der deutlich höheren Finanzkraft des Kantons Basel-Stadt gegenüber dem Kanton Basel-Landschaft bewusst?


Antwort:
Der Regierungsrat ist sich der unterschiedlichen Finanzkraft bewusst. Der geltende Finanzkraft-index beträgt für Basel-Stadt 173 und für Basel-Landschaft 120 Indexpunkte (Index für 2002/ 2003). Beide Kantone sind als finanzstark eingestuft. Der Finanzkraftindex ist relevant für die Berechnung und Durchführung des gesamtschweizerischen Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen.


Dank der höheren Finanzkraft bzw. der höheren Erträge kann sich Basel-Stadt spezielle Aufwendungen leisten, die andere Kantone oder Städte nicht finanzieren können. Solche Aufwendungen sind nicht einfach als Zentrumslasten zu bezeichnen (z.B. Theater). Deshalb werden bei diesen Aufwendungen auch spezielle (pauschale) Abgeltungsformen angewendet (z.B. Kulturprozent).




Frage 8:
Beruft sich der Regierungsrat bei den Verhandlungen mit dem Kanton Basel-Stadt auf die genannten und weitere Vorteile der Zentrumsfunktionen?


Antwort:
Der Regierungsrat wird dem Landrat in der zweiten Jahreshälfte 2003 einen umfassenden Bericht zum Thema Partnerschaft zwischen den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft vorlegen. Dieser Bericht wird u.a. auch die Vorstellungen des Regierungsrats hinsichtlich der Weiterentwicklung der Partnerschaft aufzeigen.


Liestal, 6. Mai 2003


IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der Landschreiber: Mundschin



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