2003-29 (1)


I.

Am 23. Januar 2003 hat Madeleine Göschke-Chiquet, Grüne Fraktion, die Interpellation "Palliativmedizin, eine kantonale Aufgabe " eingereicht. Sie hat folgenden Wortlaut:


"Unter Palliativpflege, Palliativmedizin versteht man die symptomlindernde Behandlung von unheilbar Kranken.


Das Ziel der Palliativmedizin ist Leiden zu lindern und die bestmögliche Lebensqualität von Kranken im letzten Lebensabschnitt zu gewährleisten. Sie umfasst alle medizinischen und pflegerischen Behandlungen sowie psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung von Menschen, die an einer progredienten, unheilbaren Krankheit leiden. Die Palliativpflege kümmert sich auch um die Angehörigen von unheilbar Kranken.


Der Anteil alter Menschen an der Bevölkerung wird immer grösser. Hinzu kommt, dass auch unheilbar Kranke als Folge der medizinischen Entwicklung heute eine längere Lebenserwartung haben. Beides führt zu einer grossen Bedarfssteigerung bei der Palliativmedizin. Auch die Diskussionen um die Sterbehilfe haben die Notwendigkeit der Palliativmedizin bewusst gemacht.


Die Palliativmedizin ist zu allererst eine Aufgabe der Kantone. Dies ging auch aus der Antwort des Bundesrates auf Interpellationen im Nationalrat hervor.


Wir bitten den Regierungsrat folgende Fragen schriftlich zu beantworten:

II.


Der Regierungsrat beantwortet die Interpellation wie folgt:




Vorbemerkung


Es kann nicht Aufgabe des Regierungsrates sein, der Ärzteschaft und dem Pflegepersonal vorzugeben, wie sie angesichts des nahenden Todes ihre Patientinnen und Patienten behandeln und betreuen sollen - auch nicht in einem öffentlichen Spital. Es ist aber sehr wohl Sache des Regierungsrates, den von der Gesellschaft gestellten und abstrakt normierten Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben - dazu gehört gewiss auch ein schmerzfreies Sterben, wo auch immer das gewünscht wird - aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass dieser Anspruch so weit wie möglich im Baselbiet erfüllt werden kann. Genau das hat der Regierungsrat in den letzten Jahren getan - offenbar sehr diskret, wie die in der Interpellation gestellten Fragen zeigen.




Zur 1. Frage: Welchen Stellenwert hat die Palliativmedizin heute in der Gesundheitsversorgung unseres Kantons?


Die Palliativmedizin (PM) findet in der Schweiz - nicht zuletzt durch die Diskussion um die aktive Sterbehilfe - immer grösseren ideellen Zuspruch. Was aber die praktische Versorgung von Patienten und Angehörigen mit Palliativmedizin betrifft, hinkt die Schweiz - mit Ausnahme der beiden Basel - vielen Ländern, wie Skandinavien, England, Kanada und den USA, immer noch deutlich hinterher.


Palliativmedizin ist ein Überbegriff, der eine Zielsetzung beinhaltet, wie zum Beispiel die Begriffe Präventivmedizin oder Kurativmedizin. Je nach Situation kann dieses Ziel auf verschiedenen Ebenen anvisiert werden, zum Teil kombiniert oder im Wechsel:


Parallel zum steigenden Infrastrukturaufwand dieser Ebenen steigen die Tageskosten und es wechselt die Grundlage der Kostenübernahme. Die Wahl der adäquaten Betreuung - und die entsprechende Förderung durch den Kanton - ist daher sowohl medizinisch-therapeutisch als auch ökonomisch von grosser Bedeutung.


Seit einigen Jahren besteht ein interdisziplinär zusammengesetzter Dachverband für Palliativmedizin, die Schweizerische Gesellschaft für palliative Medizin, Pflege und Begleitung SGPMP , welche auf nationaler Ebene eine Vernetzung der wichtigsten palliativmedizinischen Einrichtungen forciert. Auf regionaler Ebene bleiben Vernetzung der Palliativdienste und Weiterbildung in Palliativmedizin aber vorderhand Einzelinitianten überlassen. Im Raum Zürich und letztes Jahr in der Nordwestschweiz wurden mit der Gründung einer Sektion der SGPMP Schritte eingeleitet, die regionalen Anbieter von Palliativmedizin im sogenannten "Netzwerk" zu koordinieren und transparent zu machen.


Die am 19. März 2002 neu gegründete Sektion PALLIATIVNETZ NORDWESTSCHWEIZ richtet sich an drei Zielgruppen: Fachpersonen, direkt Betroffene und die allgemeine Öffentlichkeit. Sie unterstützt eine


Diese privaten ideellen Bestrebungen wurden im Kanton seit 1995 auf zwei Ebenen - ambulant und stationär - von der Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion und vom Regierungsrat ideell und finanziell unterstützt:


Diese S pital E xterne O nkologie P flege hat sich vor 6 Jahren aus dem rein privaten Bereich gelöst und wurde ein Verein, dessen Mitglieder Spitexorganisationen der Gemeinden sind und in dessen Vorstand die Ärztegesellschaft, die Krebsliga beider Basel, der Spitex-Verband Baselland und der Kanton vertreten sind. Der Kanton beteiligt sich am ungedeckten Aufwand - davon später. Die Krebsliga beider Basel hat während Jahren namhafte Beiträge im Sinne einer Anschubfinanzierung geleistet.


Neben diesen beiden vom Kanton ideell und auch im ambulanten Bereich finanziell unterstützten Institutionen wird für den Kanton Basel-Landschaft palliative Medizin in folgenden Institutionen betrieben:




Zur 2. Frage: Hat der Regierungsrat zur Palliativmedizin eine Standortbestimmung und eine Bedarfsabklärung vorgenommen? Mit welchen Resultaten?


Wie aus den vorstehenden Ausführungen hervorgeht, ist der Kanton Basel-Landschaft - vertreten durch den Regierungsrat und die Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion - nicht Gewehr bei Fuss gestanden: Er hat die sich vor Jahren anbahnende Entwicklung der Palliativmedizin und -pflege im Kanton aktiv mitgestaltet, ohne die privaten Initiativen zu brechen oder auch nur zu hemmen. Es ist im Kanton gelungen, vor allem dank privater Initiative, eine bedarfsgerechte, qualitativ hochstehende Palliativmedizin für die Bevölkerung einzurichten.


Der Regierungsrat hatte im ambulanten Bereich letztmals im Zusammenhang mit einer Leistungsvereinbarung mit der SEOP BL, unterzeichnet von Regierungsrat Erich Straumann, die Gelegenheit, eine Standortbestimmung und eine Bedarfsabklärung vorzunehmen. Wir verweisen hierfür auf diese Leistungsvereinbarung (siehe Anhang), die ein gutes Bild über den Bedarf nach spezialisierter, ambulant erbrachter Leistung gibt. Die Nachfrage steigt stetig!


Im stationären Bereich hat die Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion selbstverständlich Kenntnis davon, dass das Hospiz im Park im Jahre 2001 eine durchschnittliche Auslastung von 91,7 % hatte. Diese ist als hoch zu bezeichnen, handelt es sich bei den Patientinnen und Patienten doch meist um "Notfälle" und nicht um längerfristig planbare Wahlaufenthalte. Sollte die Nachfrage nach Hospizbetten weiter zunehmen, würde das Hospiz im Park geeignete Schritte unternehmen um die Bettenzahl zu erhöhen und diese - im Einvernehmen mit den Krankenversicherern - zuhanden der Spitalliste anmelden.




Zur 3. Frage : Wie wird Palliativmedizin in der gegenwärtigen regionalen Spitalplanung berücksichtigt?


Die Palliativmedizin ist in der regionalen Spitalplanung seitens des Kantons Basel-Landschaft mit dem erwähnten Hospiz im Park in Arlesheim berücksichtigt - und zwar mit dem exklusiven Leistungsauftrag. (Wir haben darauf hingewiesen, dass in andern Spitälern auch Palliativmedizin betrieben wird.) Zur Palliativmedizin gehört indessen nach Möglichkeit die Betreuung zu Hause, so dass sich im Bereich Palliativmedizin kaum ein Anknüpfungspunkt an die regionale Spitalplanung ergibt.




Zur 4. Frage: Ist die Förderung von Palliativmedizin auch im Spitexbereich vorgesehen?


Die Frage ist bereits hinreichend beantwortet.




Zur 5. Frage: Wie wird Palliativmedizin im Gesundheitsbudget berücksichtigt?


Die Palliativmedizin wird im Gesundheitsbudget berücksichtigt, indem im Budget 2003 auf dem Konto 2201.365.50.600 der Beitrag an die SEOP BL in der Höhe von Fr. 110'000.-- eingestellt ist. Das ist der Beitrag an die Aufwendungen der SEOP BL (im Vordergrund steht der Personal- und der Verschiebungsaufwand). Die Krankenversicherer honorieren die Leistungen nach Spitexvertrag (der leider noch keine Abgeltung der doch erheblichen Verschiebungskosten im ganzen Kanton vorsieht). Der Verein erhält in Anerkennung seiner Tätigkeit auch Kranzablösungen und Legate.


Das Hospiz im Park ist nicht öffentlich subventioniert. Mit der neuen Spitalfinanzierung wird sich der Kanton an den Kosten beteiligen müssen. Jetzt hat es noch eine grosszügige, gemeinnützige Trägerschaft. Wie erwähnt, sind mit seiner Aufnahme auf der Spitalliste die Aufenthalte "kassenpflichtig".


In den anderen Spitälern besteht keine explizite Kostenstelle "Palliativmedizin".




Zur 6. Frage: Wie ist die Palliativmedizin im Kanton in der Ausbildung von Pflegepersonal und ÄrztInnen integriert?


Im ambulanten Bereich - wie erinnerlich mit dem Schwerpunkt Onkologie - wird für die Mitarbeit bei der SEOP BL eine höhere Fachausbildung mit Schwerpunkt palliative Care verlangt - die der Kanton grösstenteils finanziert (Spitexausbildungsverordnung vom 2. November 1999 (2) ). Diese Fachausbildung wird auch im spezialisierten stationären Bereich verlangt. Ärzte- und ein Teil der Pflegeschaft des Hospiz im Park durchlaufen die in der Schweiz für ihre Berufsgattung angebotenen Zusatzausbildungen.


Patientinnen und Patienten beim Sterben zu begleiten, gehört zum ärztlichen Alltag. Die Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat aus diesem Grund eine spezielle medizinisch-ethische Richtlinie "für die ärztliche Betreuung Sterbender und zerebral schwerst geschädigter Patienten " dazu verabschiedet. Sowohl in der Ausbildung, wie in verschiedenen Weiterbildungs-Curricula (Geriatrie, Onkologie, Innere und Allg. Medizin) wird auf die Begleitung unheilbar Kranker Wert gelegt. In der kontinuierlichen Fortbildung der niedergelassenen Aerztinnen und Aerzte taucht die Palliativmedizin allerdings noch eher selten auf. Es ist eine der Aufgaben des PALLIATIVNETZ, diese Lücke durch struktuierte, teils interdisziplinäre Weiter- und Fortbildungsangebote zu schliessen. Wie bereits bemerkt, bemühen sich auch die Onkologen der Kantonsspitäler um ein intensiveres Angebot.


Die Herausforderung sei angenommen.


Liestal, 18. März 2003


Im Namen des Regierungsrates
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der Landschreiber: Mundschin


Anhang: Leistungsvereinbarung Kanton-SEOP BL [PDF]



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Fussnoten:


1 SGS 903, GS 32.799


2 SGS 903.12 || GS 33.0913