2003-11


Text des Postulates

Die in zahlreichen Branchen ansteigende Konjunkturlage zeigt klar, dass bereits wieder ein mehr oder weniger akuter Fachkräftemangel besteht. Selbst an Temporärkräften mangelt es. Der Grund liegt unter anderem im ungebremsten Drang zu den Mittel- und Hochschulen.


Der Wirtschaftsstandort Baselland kann aber nur erfolgreich bestehen, wenn er neben qualifizierten Universitätsabgängern und Absolventen der Technikerschulen über ebenso qualifizierte berufliche Fachleute verfügt. Auch wenn die Berufs- und Gewerbeverbände zielstrebig und mit grossem Finanzeinsatz den Berufsnachwuchs fördern, etwa durch Schnuppertage, Motivationskampagnen und insbesondere durch zeitgemässe Berufsbilder, ist die staatliche Mitwirkung unerlässlich. So ist der Irrglaube, nur eine akademische Ausbildung bringe Erfolg und Ansehen, vor allem durch den Staat über seine Volksschule und die staatlichen Berufsberatungen zu bekämpfen. Auch die Bedarfsabklärung sollte der Staat mit den Berufsverbänden gemeinsam vornehmen.


Der Regierungsrat wird beauftragt, ein Konzept vorzulegen, welches die Förderung des beruflichen Nachwuchses im Kanton Baselland ganzheitlich und umfassend regelt. Insbesondere mit einzubeziehen ist die seit Jahren erfolgreiche Sonderausstellung "Berufsschau in Pratteln" sowie deren Finanzierung wie auch die Aktivitäten der einzelnen Berufsverbände. Ein besonderes Augenmerk ist auf die strategisch wichtigen Berufe zu richten.




1. Was verlangt das Postulat?


Der Postulant schreibt, dass die in verschiedenen Branchen anziehende Konjunktur einen "mehr oder weniger akuten Fachkräftemangel" zeige, für den unter anderem der ungebremste Drang zu den Mittel- und Hochschulen verantwortlich sei. Vom Staat wird deshalb verlangt, dass er über die Volksschule und die öffentliche Berufsberatung gemeinsam mit den Berufs- und Gewerbeverbänden den Irrglauben bekämpft, dass nur eine akademische Ausbildung Erfolg und Ansehen bringt. Ferner sollte der Staat auch die Bedarfsabklärung mit den Berufsverbänden gemeinsam vornehmen. Hierzu wird ein Konzept verlangt, das die Förderung des beruflichen Nachwuchses im Kanton Baselland ganzheitlich und umfassend regelt, unter Einbezug der Berufsschau in Pratteln und Aktivitäten der einzelnen Berufsverbände und unter besonderer Berücksichtigung der strategisch wichtigen Berufe.




2. Beantwortung des Postulats


2.1 Fachkräftemangel


Das Postulat beklagt einen Fachkräftemangel, d.h. einen Mangel an gelernten Berufsleuten. Ein gewisser Fachkräftemangel besteht tatsächlich in den Berufen der Informatik, der Chemie, der MEM-Industrie (Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie), weiter in einigen Bauberufen, im Gastgewerbe sowie im Verkauf.


Die Gründe für diesen Fachkräftemangel sind vielfältig und in den verschiedenen Branchen und Berufen zudem recht unterschiedlich:


Bei der vierjährigen Informatiker/innen -Lehre handelt es sich um ein noch junges, bei der Jugend allerdings sehr stark nachgefragtes Ausbildungsangebot. Immerhin ist es dank gezielten Anstrengungen des Kantons und der Informatiker Lehrmeister-Vereinigung Nordwestschweiz im Rahmen der Bundeslehrstellenbeschlüsse 1 und 2 gelungen, das Lehrstellenangebot in der Region massiv zu erhöhen: Die Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverhältnisse im Informatiker/innen-Beruf hat sich allein zwischen 1997 und 2001 in Baselland mehr als vervierfacht. Im Moment befinden sich in beiden Basel rund 500 junge Leute in der Lehre zum Informatiker/zur Informatikerin und rund 30 zum Mediamatiker/zur Mediamatikerin.


Zu den Berufen der chemischen Industrie ist zu sagen, dass hier in jüngerer Vergangenheit Arbeitsplätze abgebaut und die Lehrlingszahlen heruntergefahren wurden. Das dürfte zu einer gewissen Verunsicherung bei potentiellen Lehrstellenbewerberinnen und -bewerbern geführt haben. Folge: Nun besteht ein gewisser Mangel an ausgebildeten Laboranten/Laborantinnen . Der Chemikanten-Beruf wurde wegen der Schichtarbeit dagegen schon immer weniger gewählt.


Ein ähnliches Bild zeigen auch die Berufe der MEM-Industrie : Firmenkonkurse, -fusionen und -übernahmen, aber auch blosse Gerüchte haben der Attraktivität dieser Berufsgruppe geschadet und zu einem Rückgang der Lehrlingszahlen geführt.


Im Verkauf ist die Situation widersprüchlich: Während in bestimmten Branchen die Lehrstellennachfrage das Angebot übersteigt (z.B. Sportartikel, Fotofach, Bijouterie, Unterhaltungselektronik, Do-it-yourself), beklagen andere Branchen seit Jahren Nachwuchsmangel (insbesondere Lebensmittel und Charcuterie).


Grundsätzlich wählen Jugendliche ihre Lehrstelle nach denselben Kriterien aus, nach denen auch Erwachsene eine neue Stelle suchen; da spielen Prestige, Verdienstaussichten, Arbeitsplatzsicherheit, Weiterentwicklungsmöglichkeiten, Arbeitszeiten etc. eine nicht zu unterschätzende Rolle.




3. Ungebremster Drang zu Mittel- und Hochschulen


Der Postulant unterstellt, dass die Schülerzahlen an den Gymnasien und Diplomschulen steigen. Dem ist jedoch nicht so. Die Schülerzahlen an Gymnasien und Diplomschulen sind seit einigen Jahren relativ stabil, nachdem sie seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts tatsächlich einen beachtlichen Aufschwung erfahren haben.


Zum Vergleich: die Entwicklung der Lehrlingszahlen in Baselland im gleichen Zeitraum:

* Stand: September 2002


Dass die Schülerzahlen an den Handelsmittelschulen steigen, ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die HMS zur Berufsausbildung zählt und mit einer Berufsmatura abgeschlossen werden kann und anderseits ein Mangel an Lehrstellen im KV-Bereich festzustellen ist.




4. Förderung der Berufsbildung (Lehrstellenbeschlüsse I und II des Bundes und Impulsprogramm "Chance" des Kantons)


Auch der Regierungsrat ist der Ansicht, dass der Wirtschaftsstandort Baselland über genügend Fachkräfte verfügen muss, die eine duale Lehre absolviert haben. Im Rahmen der Lehrstellenbeschlüsse 1 und 2, wie auch des Impulsprogrammes Chance sind verschiedene Anstrengungen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes in dieser Richtung unternommen worden. Es seien folgende erwähnt:


Daneben unterstützt der Kanton die Wirtschaftskammer in beträchtlichem Umfang bei der Realisierung der Berufsschau von 2001 und 2003.


Die Mittel aus den Lehrstellenbeschlüssen 1 und 2 wie auch jene des Impulsprogrammes Chance sind vor allem dazu verwendet worden, Lehrstellen in zukunftsträchtigen Berufen zu schaffen (Informatik, Mediamatik, KV) sowie Schwächeren die Möglichkeit für eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Die Anzahl der Jugendlichen, die eine Berufsausbildung absolvieren, ist in den letzten Jahren wieder angestiegen: Man kann davon ausgehen, dass sich die Lehrstellensituation einigermassen stabilisiert hat. Dies zeigt sich an der Anzahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge (s. obige Tabelle) und der als bei Lehrbeginn noch immer als offen gemeldeten und damit unbesetzt gebliebenen Lehrstellen.




5. Zur Zukunft der Berufsbildung


Die Berufsbildung ist einem starken Wandel unterworfen. Die Berufsfelder und damit die Ausbildungen werden breiter, anspruchsvoller. Die Gesundheits-, Sozial- und landwirtschaftlichen Berufe werden ebenfalls der Bundeskompetenz und damit dem BBT (Bundesamt für Berufsbildung und Technologie) unterstellt, die Lehren werden neu konzipiert, die Anlehre wird durch die sogenannte Berufspraktische Bildung ersetzt, die die Jugendlichen zum Berufsattest führt. All dies erfordert hohen Einsatz und viel Engagement der Verantwortlichen.


Der Regierungsrat ist bereit, die Berufsbildung und damit die Lehrbetriebe weiterhin zu unterstützen. Wie oben dargestellt, liegt es aber vor allem an den Firmen und Verbänden, ihren eigenen Nachwuchs auszubilden und so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Der Kanton kann die entsprechenden Anstrengungen lediglich unterstützen und fördern.


5.1 Schwerpunkte der Berufsbildung für die Zukunft


Im Postulat wird richtigerweise bemerkt, dass die Jugendlichen während der Ausbildung an der Volksschule entscheiden, welche Richtung sie einschlagen, welchen weiteren Weg sie gehen wollen. Der Vorsteher der Erziehungs- und Kulturdirektion hat den Leitern des Schulinspektorates und des Amtes für Berufsbildung und Berufsberatung ein Mandat für ein Projekt erteilt, das hier Optimierungen prüfen soll. Die Information an der Schnittstelle zwischen Volksschule und Berufsbildung soll optimiert werden. Es soll auch abgeklärt werden, ob am Ende der Volksschule eine Orientierungsprüfung abgelegt werden soll. Diese Orientierungsprüfung gäbe einerseits Auskunft über die Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Jugendlichen, aber auch über deren Leistungsfähigkeit. Dies würde auch den Betrieben die Auswahl der Lehrlinge erleichtern. Ferner gehört zum Mandat das Entwickeln von berufskundlichen Unterlagen und Infomaterial für Schüler/innen an Volksschulen.


5.2 Berufsberatung


Schon bisher arbeitet die öffentliche Berufsberatung eng mit den Schulen und Lehrkräften der Sekundarstufe 1 zusammen. Dieses Engagement an den Schulen soll weitergeführt, die Eltern und Lehrkräfte früh in den Berufswahlprozess einbezogen werden. Auch die Auslastung der Berufs- und Informationszentren (BIZ) in Binningen und Liestal muss noch verbessert, das Angebot noch breiter bekannt gemacht werden.


5.3 Unterstützung der schulisch Schwächeren


Auch die schulisch schwächeren Jugendlichen verdienen weiterhin unsere Aufmerksamkeit und bedürfen der Förderung. Neue Angebote wie "wie weiter?", "e lehr mit kick" und neue Attestausbildungen mit verbessertem Coaching-Angebot sollen mithelfen, auch diesen Teil unserer Jugend in die Arbeitswelt und in die Gesellschaft zu integrieren. Allerdings sind wir und diese Jugendlichen ebenfalls auf eine enge Kooperation mit der Wirtschaft, auf engagierte Lehrmeister/innen und sie unterstützende Verbände angewiesen.


5.4 Hilfestellung bei der Einführung neuer Berufe


Bei der Einführung neuer und Weiterentwicklung bestehender Berufe (z.B. Informatiker/in, Mediamatiker/in oder neue KV-Lehre) kann der Staat Hilfestellungen geben. Besonders erwähnen möchten wir hier die Einführung des neuen Berufs Fachangestellte/r Gesundheit, eine dreijährige Berufslehre, die nach den Vorgaben des BBG gestaltet werden soll (duale Lehre mit Lehrbetrieb und Lehrmeister/in, Berufsschulunterricht und Überbetrieblichen Kursen).


5.5 Zusammenarbeit mit der Wirtschaft


Schon bisher war die Zusammenarbeit zwischen den Wirtschaftsverbänden und den Institutionen der Berufsbildung eng. Diese gute Zusammenarbeit - die sich nicht auf die gemeinsame Trägerschaft (und Finanzierung) von Kanton und Wirtschaftskammer bei der Berufsschau beschränken darf und die insbesondere alle Verbände miteinschliessen muss - gilt es weiterzuführen. Hierfür sind auch Kontaktgremien zu schaffen, in denen Fragen, die über die Tagesaktualität hinausgehen, diskutiert werden können.




6. Fazit




7. Antrag


Der Regierungsrat beantragt, das Postulat 2000/167 als erfüllt abzuschreiben.


Liestal, 14. Januar 2003


Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der 2. Landschreiber: Achermann



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