2002-262 (1)


Am 17. Oktober 2002 hat René Rudin eine Interpellation betreffend "Zwangseinbürgerung"" eingereicht. Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:

Text:
" Vor kurzem hat der Regierungsrat des Kanton Basel-Landschaft entschieden, einem Einwohner von Nenzlingen das Bürgerrecht zu verleihen. Die zuständige Bürgergemeindeversammlung hatte eine Einbürgerung zweimal extrem deutlich abgelehnt.


Aufgrund dieser Tatsachen bitte ich den Regierungsrat folgende Fragen schriftlich zu beantworten.




Beantwortung der Fragen:


Frage 1:


Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass dieser Entscheid die "Bevormundung" der Bürgergemeindeversammlung bedeutet?


Es geht hier nicht um die Bevormundung einer Bürgergemeindeversammlung, sondern um die Korrektur eines willkürlichen und damit verfassungswidrigen Entscheids im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens.




Frage 2:


Entsprechen solche Entscheide der Auffassung des Regierungsrates bezüglich Demokratie?


In einem Rechtsstaat darf es keine rechtsfreien Räume oder Reservate staatlicher Willkür geben. Allgemein bildet das Recht die Grundlage und Schranke staatlichen Handelns, wie es die Bundesverfassung festhält. Auch die Kantonsverfassung enthält diesen Grundsatz.


Danach sind alle Behörden an Verfassung und Gesetz gebunden. Dies bedeutet, dass auch Entscheide über Einbürgerungen grundrechtskonform sein müssen, und zwar unabhängig davon, bei welchem Organ die Entscheidkompetenz liegt.


In diesem Zusammenhang kann auf das Urteil des basellandschaftlichen Verfassungsgerichts vom März 2000 verwiesen werden, das die Nichteinbürgerung von einigen ausländischen Staatsangehörigen in Pratteln betroffen hat.




Frage 3:


Haben Bürgergemeinde überhaupt noch das Recht selbständig zu entscheiden?


Bürgergemeinden haben sehr wohl das Recht selbständig zu entscheiden. Sie müssen sich aber bei ihren Entscheiden an die Grundrechte halten, wie insbesondere an das Rechtsgleichheitsgebot, das Diskriminierungsverbot und an das Willkürverbot.




Frage 4:


Was gedenkt der Regierungsrat zu unternehmen, damit das Vertrauen, wenn auch nicht kurzfristig so doch über einen längeren Zeitraum wieder hergestellt werden kann?


Der Regierungsrat hat durch die Erteilung des Gemeindebürgerrechts an einen Einwohner von Nenzlingen, dem willkürlich die Einbürgerung zweimal verweigert wurde, einen verfassungswidrigen Entscheid korrigiert. Indem der Regierungsrat seinem Auftrag nachgekommen ist, sich an das Recht - hier an die Verfassung - zu halten, hat er - im Gegenteil - Vertrauen geschaffen. Von einem Vertrauensverlust kann also gar nicht die Rede sein.




Frage 5:


War der Regierungsrat bei diesem Entscheid zugunsten eines Mitarbeiters des Kantons Basel-Landschaft nicht befangen?


Der Umstand, dass ein Beschwerdeführer Mitarbeiter des Kantons ist, stellt für den Regierungsrat keinen Befangenheitsgrund dar. Wäre der Beschwerdeführer nicht Mitarbeiter des Kantons gewesen, hätte der Regierungsrat entsprechend den gleichen Entscheid getroffen.




Frage 6:


Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass sein Entscheid dem Beschluss des Landrates, auf die vom Regierungsrat vorgeschlagene Revision des Bürgerrechtsgesetz nicht einzutreten, widerspricht?


Der Entscheid des Regierungsrates widerspricht in keiner Weise dem Nichteintretensentscheid des Landrates auf den genannten Revisionsvorschlag. Mit diesem Vorschlag, die Zuständigkeit der Einbürgerung von der Legislative auf die Exekutive zu übertragen, hat der Regierungsrat dem Verfassungsgericht des Kantons Basel-Landschaft Rechnung getragen. Dieses hat in seinem Urteil vom März 2000 betreffend die Pratteler Nichteinbürgerungen festgestellt, dass die Zuständigkeit der Bürgergemeindeversammlung als verfassungsmässig höchst fragwürdig zu qualifizieren sei und es Aufgabe des Gesetzgebers sei, die Korrektur dieser Zuständigkeitsregelung vorzunehmen.


Die geltende Zuständigkeitsregelung kann dazu führen - wie es der Nenzlinger Entscheid zeigt - dass der Regierungsrat bei rechtswidrigen Entscheiden der Bürgegemeindeversammlung korrigierend eingreifen und sogar an ihrer Stelle selber das Gemeindebürgerrecht erteilen musste.


Der Nichteintretensentscheid des Landrates kann für den Regierungsrat deshalb nicht die Bedeutung haben, rechtswidrige Einbürgerungsentscheide von Bürgergemeindeversammlungen zu akzeptieren bzw. nicht zu korrigieren.


Liestal, 7. Januar 2003


Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der 2. Landschreiber: Achermann



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