2002-257 (1)


Am 17. Oktober 2002 hat Landrat Peter Tobler unter dem Titel "Beeinträchtigt der Cannabis-Genuss die Lernfähigkeit?" die nachfolgende Interpellation eingereicht:

"In einem kürzlichen "Spiegel"-Bericht, der sich eigenen Angaben zufolge auf das Ergebnis neuer und erst kürzlich durchgeführter seriöser Studien stützt, wird behauptet, der regelmässige Genuss von Cannabis und Cannabis-Produkten beeinträchtige die Lernfähigkeit insbesondere von Jugendlichen stark. Dies treffe nicht nur für die Konsumphase selbst, sondern auch für eine Zeitspanne von bis zu 9 Monaten nach Ende dieser Konsumphase zu.


Treffen diese Angaben zu, so besteht Anlass zur Besorgnis und zum Handeln. Ungefähr das Letzte, das Jugendliche brauchen können, ist eine drogeninduzierte Herabsetzung der Lernfähigkeit, insbesondere dann, wenn sie über längere Perioden andauert. Gibt es also diese von "Spiegel" genannten Studienergebnisse tatsächlich und belegen sie wissenschaftlich sauber den behaupteten Effekt, nämlich eine starke Lernbehinderung während und während einer langen Zeit nach dem Konsum nicht nur in grossen Ausnahmefällen, so müssen diese Erkenntnisse den Hauptbetroffenen, den Konsumenten, sowie allen, die mit ihnen zu tun haben, zur Verfügung gestellt werden. Der Kreis der zu informierenden Personen umfasst insbesondere neben den Konsumenten selbst also etwa Familien, Lehrer, Arbeitgeber, sowie andere Behörden, die alle diese Auswirkungen in ihre Ueberlegungen und Entscheide einbeziehen müssen. Last not least muss auch die Oeffentlichkeit informiert werden.


Ich frage deshalb die Regierung:


1.) Was besagen die von der deutschen Zeitschrift "Der Spiegel" angeführten Untersuchungen wirklich, und trifft die Aussage im Artikel tatsächlich zu?


2.) Falls dies der Fall sein sollte, ist die Regierung bereit, für die sachgerechte Information aller Betroffenen und Interessierten sowie der Oeffentlichkeit zu sorgen, unter Einbezug und Mitwirkung inbesondere der Beratungsstellen und der Schulen?


3.) Falls dies der Fall sein sollte, kann die Regierung zusätzlich heute schon sagen, welche Schlussfolgerungen sie sonst noch aus den Ergebnissen zieht, und wie sie diese umsetzen will?


Ich bitte um schriftliche Beantwortung."




Beantwortung der einzelnen Fragen:


1.) Was besagen die von der deutschen Zeitschrift "Der Spiegel" angeführten Untersuchungen wirklich, und trifft die Aussage im Artikel tatsächlich zu?


Beobachtungen unserer Fachleute an Schulen, die Reaktionen von Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, die Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Drogenberatung, sowie aus den jahrelangen Erfahrungen unseres Suchtpräventionsbeauftragten heraus, lässt sich bestätigen, dass regelmässiger Cannabiskonsum die Lernfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Motivationsfähigkeit und die Gedächtnisleistungen beeinträchtigt. In der Phase der Wachstums und Umbruchs, in der Pubertät und Adoleszenz, ist der regelmässige Konsum von Cannabis speziell risikoreich. Heute lässt sich feststellen, dass zunehmend auch schon elf- und zwölfjährige Kindern und Jugendliche mit dem Kiffen beginnen. Die Beispiele von Klassen, in denen die Hälfte der z. B. 14-jährigen Jugendlichen kifft und deren Kiffen durch eine Abnahme der Schulleistungen auffällt, wächst. Mit der Abnahme der Schulleistungen geht auch eine Zunahme der psychischen Störungen, wie Angstzustände und depressive Verstimmungen einher. Die vom deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Heft 33/2002, in einer saloppen Sprache geschilderten Beispiele der Zunahme von aggressivem Verhalten und psychosenahen Zuständen, lassen sich ebenfalls beobachten.




2.) Falls dies der Fall sein sollte, ist die Regierung bereit, für die sachgerechte Information aller Betroffenen und Interessierten sowie der Oeffentlichkeit zu sorgen, unter Einbezug und Mitwirkung insbesondere der Beratungsstellen und der Schulen?


Sachliche Informationen über die Risiken des Cannabiskonsums erfolgten in den letzten Jahren z. B. durch die Gesundheitsförderung BL. Allein das Cannabisinfoblatt für Eltern und Lehrerinnen und Lehrer wurde im Kanton in 25 000 Exemplaren abgegeben.


Informationen und Hilfsangebote erfolgten im Bulletin "Mehr vom Leben" der Gesundheitsförderung BL, sowie in den Schulnachrichten.


Wiederholte Informationen über die Risiken und entsprechende Unterstützungsangebote erfolgten durch unseren Präventionsdelegierten Udo Kinzel für die Delegierten für Jugend- und Gesellschaftsfragen.


Die Entwicklung des Merkblattes "Cannabiskonsum - Was tun? Wie reagieren? Ein Leitfaden für die Schule" erfolgte gemeinsam durch die Drogenberatung, die Jugendanwaltschaft und die Gesundheitsförderung, unterstützt durch den Beauftragten für Jugend- und Gesellschaftsfragen.


Die Hompage der Gesundheitsförderung www.gefoe.bl.ch hält verschieden Texte zu Cannabis bereit, sowie den vorher erwähnten Leitfaden.


Unser Präventionsdelegierter nahm dieses Jahr an einer im DRS 2 ausgestrahlten Fernsehdiskussion zu diesem Thema teil.


Die Gesundheitsförderung BL unterstützt ausserdem das Cannabispräventionsprojekt "lets play", das auf spielerische Art und Weise die Einschränkungen unter Cannabiskonsum näher bringt. Ausserdem wird das "Jugendmobil" der Stiftung Jugendsozialwerk Blaues Kreuz, sowiewie das Projekt "Christina Vogel" unterstützt, welches Gespräche und Beratungen für gefährdete Schülerinnen und Schüler, sowie deren Eltern, ermöglicht.


Unser Präventionsdelegierter hat auf Anfrage von Eltern, in den letzten eineinhalb Jahren mit über 70 Jugendlichen einzeln über dieses Thema gesprochen.


Informationsveranstaltungen für Eltern in verschiedenen Gemeinden thematisieren die Risiken. In der Woche 46 z. B. in Liestal, Muttenz und Münchenstein.


Eine wachsende Nachfrage für Klasseneinsätze und Elternabende an die Gesundheitsförderung gerichtet, zeigen die Aktualität des Themas Cannabis und deren Auswirkungen.


Eine gute Zusammenarbeit zwischen Schulinspektorat, Jugendanwaltschaft, Drogenberatung, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern und der Gesundheitsförderung ermöglicht oft ein gemeinsames Vorgehen.


Ebenso erfolgten die entsprechenden Informationen und Hilfsangebote an die Baselbieter Heime. Teilweise entstanden auch hier schon Einsätze.


Jugendanwaltschaft, Drogenberatung und Gesundheitsförderung führen gemeinsam Präventionsgespräche für Jugendliche durch, die wegen Cannabiskonsum verzeigt wurden.


Für 2003 sind von der Gesundheitsförderung "Runde Tische" für interessierte Gemeinden, zu diesem Thema geplant. Ziel soll es sein, gemeinde- und problemgerechte Lösungen zu ermöglichen.


Alle diese Aktivitäten sind aber von der Bereitschaft der Bezugspersonen vor Ort abhängig, sich in diesem Bereich wirklich engagieren zu wollen. Sie stehen und fallen aber auch mit der Haltung von Politikerinnen und Politikern, sowie von Fachkräften, wie sie sich in der Oeffentlichkeit zu diesem Thema äussern. Ein ungelöstes Problem ist hier die Verfügbarkeit von Cannabis, das heisst die vielen Hanfläden, die fehlenden Verkaufsbestimmungen und der fehlende Jugendschutz. Immerhin verbietet das bestehende Betäubungsmittelgesetz, dass Cannabis als Droge konsumiert wird. Die Präventionsarbeit wird heute durch widersprüchliche Haltungen und auch durch einseitige Verharmlosungen der Risiken des Cannabiskonsums in der Oeffentlichkeit, massiv erschwert.




3.) Falls dies der Fall sein sollte, kann die Regierung zusätzlich heute schon sagen, welche Schlussfolgerungen sie sonst noch aus den Ergebnissen zieht, und wie sie diese umsetzen will?


Gezieltere Informationen über die Risiken des Cannabiskonsums und eine Verstärkung der Präventionstätigkeit scheinen durchaus noch sinnvoll. Ebenso aber auch klarere politische Aussagen zu Legalität und Illegalität, um ein wirkungsvolleres Reagieren zu ermöglichen. Die Revision des Betäubungsmittelgesetzes und die damit verbundenen Irritationen tragen das ihre zur Verunsicherung und zu den Desinformationen bei. Klarere Aussagen über die Risiken des Cannabiskonsums für Jugendliche, eine Ueberprüfung des Handels von Cannabisprodukten, (fehlende THC-Deklarationen, eventuelle Pestizidbelastungen) und eine Durchsetzung des geltenden Rechts sind durchaus nötig. Die Ausarbeitung von Schulordnungen, wie sie im Leitfaden Cannabis angeregt werden und entsprechende Interventionsstrategien sollten ein einheitlicheres Vorgehen ermöglichen.


Liestal, 17. Dezember 2002


Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der 2. Landschreiber: Achermann



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